Giftanschlag auf Nawalny

  • Joa, bei Assange hat man halt die elegantere Variante des “Rechtswegs“, wenn man praktisch überall auf'm Globus Verbündete hat. Es geht hier doch weniger darum, wie genau solche Dinge nun exakt vergleichbar sind - das sind sie de facto nie. Es geht um die Art der Erzählung und tagesaktuellen Geschichtsschreibung, die fest in den Köpfen verankert werden soll. Kurz, knapp und provokant: Um antirussische Propaganda.

  • Ich halte den Vorwurf des "Whataboutism" selbst für manipulativ. Verstehe ja dass man besonders in diesen Zeiten gerne verhindern will, dass Diskussionteilnehmer beim Anblick der Sachlage einen Schritt zurücktreten können. Aber so pauschale Konter per Whataboutism gehören auf Twitter, nicht hierher.

  • manipulativ

    Manipulativ wie zB...

    Und genau das ist in etwa die westliche Wertedebatte, die soviel Übelkeit erzeugt.

    Da steht man da und muss mit sich selbst ausmachen, ob man die vom Westen stolz nach aussen proaktiv propagierten Politikermord an irgendeinem Iranischen General der nach innen gerichteten stark indizierten Vergiftung irgendeines Oppositionellen irgendwie vorzieht.

    ...das von Dir vorgebrachte Framing/Narrativ das scheinbar der ganze Westen (wo fängt der an, wo hört der auf?) die Hinrichtung des iranischen Generals stolz vor sich hergetragen hat?


    Gibts da einen Clip wo Macron, Rutte oder Merkel feierlich eine Siegerrunde drehen?


    Ja, die Amis haben sich auf die Brust geklopft. Ja, andere westliche Nationen haben böse Miene zum guten Spiel gemacht und das nicht in der Form verurteilt wie es nötig gewesen wäre.


    Daraus im eigenen Argument Stolz zu konstruieren ist aber in meinen Augen zumindest ansatzweise manipulativ. Passt vielleicht besser auf Twitter?


    Und der Unterschied zum "Osten" - hier kannste darüber schreiben und Dich beschweren ohne das Du vom Balkon fällst / von hinten erschossen wirst / Nervenkampfstoffe abbekommst / aus der Heimat fliehen musst.


    Von daher kann man den Vergleich gerne ziehen, man kann ja alles vergleichen, aber man sollte vorsortieren ob es eher ein Vergleich zB zwischen Äpfel und Birnen (machbar und sinnvoll) oder zwischen Bananen und Wassermelone (weniger sinnvoll) ist... sonst kommt da halt wenig bei rum.


    Was mir ferner auch nicht so ganz schlüssig wird ist das mit den äußeren und inneren Taten. Ich wüsste nicht warum die Tötung von Menschen im eigenen Land bzw aus internen Gründen irgendwie besser oder schlechter ist als die Tötung im Ausland. Aber vielleicht versteh ich den Passus auch falsch...

  • Ich wüsste nicht warum die Tötung von Menschen im eigenen Land bzw aus internen Gründen irgendwie besser oder schlechter ist als die Tötung im Ausland. Aber vielleicht versteh ich den Passus auch falsch...


    Exterritoriale Tötungen gibt es weil der ausführende Staat keinen lokalen Zugriff auf die Personen hat - schon deshalb ist es mit Nawlany so haarsträubend, Russland hatte lokalen Zugriff, konnte ihn Anhand von Gerichten in einem sibirischen Keller verschwinden lassen (und dann so eine bescheuerte Aktion?).

  • Manipulativ wie zB...

    Scheinbar der ganze Westen (wo fängt der an, wo hört der auf?) die Hinrichtung des iranischen Generals stolz vor sich hergetragen hat?

    Man kann ja auch mal fragen, wer es im Westen denn verurteilt hat..

    Ich fürchte keiner.


    Und wenn Du nicht weißt, wo der Westen beginnt und aufhört, dann denk mal an die NATO.

    Das ist es, was man gemeinhin als "Der Westen" in diesem Kontext sieht.

  • Der iranische General war zusätzlich Diplomat ... das ist in sovielerlei Hinsicht rückständig, man kann es garnicht genug verurteilen.


    Wäre es andersrum gewesen hätten die USA einen Krieg erklärt und die NATO hätte Gewehr bei Fuss gestanden.

  • Man kann ja auch mal fragen, wer es im Westen denn verurteilt hat..

    Ich fürchte keiner.


    Und wenn Du nicht weißt, wo der Westen beginnt und aufhört, dann denk mal an die NATO.

    Das ist es, was man gemeinhin als "Der Westen" in diesem Kontext sieht.

    Jo, das ist auch in etwa meine Vorstellung vom Westen, wobei ich da noch differenzieren würde zwischen Westen (alt) und Westen (neu), vormals getrennt vom Eisernen Vorhang. Die ehemaligen Ostblockländer, jetzt "Westen" dank EU, NATO usw sind in solchen Fragen ja meist noch ein bisschen anders gestreckt.


    Aber so richtig beantwortet ist die Frage wer diese Hinrichtung der Amis "stolz nach aussen propagiert" hat immer noch nicht (also ausser dem Amis natürlich).

  • Aber so richtig beantwortet ist die Frage wer diese Hinrichtung der Amis "stolz nach aussen propagiert" hat immer noch nicht (also ausser dem Amis natürlich).

    Na, die Amis natürlich.


    Und der Rest des Werte-Westens hat ihnen das durchgehen lassen, ohne dass darüber in der veröffentlichten Meinung irgendwelche Empörungsstürme ausgebrochen wären, die auch nur Ansatzweise mit dem vergleichbar gewesen wären, was sich regelmäßig an Entrüstung über (vermutliche) russische Geheimdienst-Schweinereien ergießt.


    Es gab ja durchaus diplomatische Verstimmungen über den Atlantik - immerhin war es der schreckliche, ungebildete Sexist und Rassist Trump, unter dessen Oberkommando der Iranische General weg gedrohnt worden war und nicht der kultivierte Weltbürger Obama, der seine ganz harten Jungs von der militärischen Seehundestaffel noch hautnah am Zielobjekt auf fremdem Staatsgebiet den obersten aller Terrorfürsten ohne großen rechtsstaatlichen Firlefanz lynchen seiner gerechten Todesstrafe zuführen, und seinen Leichnam anschliessend im Meer verklappen ließ.

    Aber es wurde eben im westlichen Wertejournalismus kein über Monate andauernder Fortsetzungskrimi aus dem gelungenen Attentat auf Suleymani gemacht, so wie etwa bei den Anschlägen auf Skripal und Nawalny. Und das obwohl letztere nicht mal erfolgreich waren, trotz des mutmaßlichen Einsatzes eines super-mega-gefährlichen chemischen Kampfstoffes, der zwar offenbar professionell genug angewendet wurde, um zu verhindern, dass unbeteiligte Dritte damit in Kontakt kommen, aber gleichzeitig so stümperhaft, dass er seine eigentliche Aufgabe der Tötung von Regimegegnern gar nicht erfüllen konnte.


    Jetzt, keine 24 stunden nachdem Nawalny erwartungsgemäß und mit Ansage der russischen Behörden direkt am Flughafen bei seiner Ankunft in der Heimat festgenommen wurde, geht's natürlich munter weiter mit der Wertediskussion im deutschen Qualitätsjournalismus. SPON hat extra eine Korrespondentin in der Maschine mitfliegen lassen, die Nawalny nach Moskau brachte, um dann erst mal eine Latte von Telegram- und twitter Botschaften von Nawalnys AnhängerInnen, sowie verlautbarungen von EU-Funktionären und aus dem Umfeld der zukünftigen US-Adminidtration wiederzugeben, die sich bitterlich darüber beschweren, dass die russische Justiz doch tatsächlich einen schon seit Wochen erlassenen Haftbefehl gegen den Dissidenten hat vollstrecken lassen, um ihn einer bereits für übernächste Woche angesetzten öffentlichen Gerichtsverhandlung zuzführen, anstatt ihn nach mehrmaligem Verstoß gegen Bewährungsauflagen einfach frei herum laufen zu lassen, wie es sich in einem ordentlichen Rechststaat gehört.

    Kremlkritiker Nawalny kurz nach Landung in Moskau festgenommen

    "Alexej Nawalny ist wieder in Russland – und schon nicht mehr in Freiheit. Kurz nach seiner Ankunft wurde der Kremlkritiker festgenommen. Die EU verurteilt den Vorgang scharf."


    (Man beachte auch hier wieder den gekonnten Ansatz von zweierlei sehr unterschiedlichen Maßstäben bei der Bewertung unerlaubter Kundgebungen in der russischen und der amerikanischen Hauptstadt während einer - auch in Russland - wütenden Pandemie.)


    Man weiß natürlich nicht - bzw. die entsprechenden Behörden veröffentlichen es nicht - was da im Hintergrund zwischen Nawalny, dem Westen und der russichen Regierung tatsächlich ausgehandelt wurde. Aber ein Sturmgeschütz der freiheitlich-demokratischen Berichterstattung wie Der Spiegel erwartet offenbar von seinen LeserInnen, sich allen ernstes einreden zu lassen, dass Nawalny, sein offenbar gut vernetztes Team, und der ganze westliche Diplomaten- und Geheimdienstapparat, der ihn mit Sicherheit von der ersten Minute seiner Ankunft in Berlin an umschwärmt hat, wie die Fliegen den Hundehaufen, jetzt völlig überrascht und entrüstet darüber sind, dass er in Russland doch tatsächlich wie zuvor angekündigt festgenommen wurde.


    Und dass diese Journalismus-Simulation in der öffentlichen Wahrnehmung einfach so hingenommen und für neutrale Berichterstattung gehalten wird, erwartet man in der Chefredaktion des ehemaligen Nachrichtenmagazins offenbar deshalb, weil man sich selbst und der Leserschaft zuvor schon über Monate hinweg eine epische Erzählung ins von NATO-Propaganda verblendete westlichen Werten™ beseelte Hirn gezimmert hat, der gemäß man dem Russen, diesem hinterhältigen, verlogenen Täuscher und Ränkeschmied halt einfach nicht über den Weg trauen könne, und sich jetzt - wo der gefeierte Freiheitskämpfer Nawalny von den Häschern des mordlüsternen Kreml-Diktators gefangen genommen wurde - gegenseitig dafür auf die Schulter klopfen kann, dass man mal wieder völlig recht damit gehabt habe.

  • Nachdem der "Kreml-Kritiker" wieder mal alle Journalisten beschäftigt, was ist eigentlich mit der geforderten Freilassung von "US-Kritikern"? Die haben Mordanklagen am Hals - egal was man von ihnen hält...


  • Beweise einfordern - selbst aber nur mit Unterstellungen operieren:

    Gibts da einen Clip wo Macron, Rutte oder Merkel feierlich eine Siegerrunde drehen?


    Repetitiv vorgestanzte Textbausteine verwenden, um die eigenen Ungeheuerlichkeiten zu hypernormalisieren:

    Ja, die Amis haben sich auf die Brust geklopft. Ja, andere westliche Nationen haben böse Miene zum guten Spiel gemacht und das nicht in der Form verurteilt wie es nötig gewesen wäre.


    Eingehende Bedrohung individualisieren, ausgehende Bedrohungen abstrahieren:

    Und der Unterschied zum "Osten" - hier kannste darüber schreiben und Dich beschweren ohne das Du vom Balkon fällst / von hinten erschossen wirst / Nervenkampfstoffe abbekommst / aus der Heimat fliehen musst.


    Ist öd. Belassen wir es schlicht bei der auf wundersame Weise um sich greifenden Sprachlosigkeit.

  • Die Exekutive in Deutschland checkt automatisch immer im Hintergund ankommende Flüge mit der Strafverfolgungs/Terrordatenbank, wenn jemand einen Haftbefehl offen hat oder sonstwie auffällig ist, dann wird er von der Polizei am Flughafen eingesammelt, kommt innerhalb von 24 Stunden vor einen Untersuchungsrichter ... ohne das Merkel es befiehlt. Wie kommt man darauf Putin müßte es in Russland extra veranlassen oder sich selbst damit beschäftigen?


    Die letzten male vorm Gericht ist er immer gut weggekommen, ich denke diesmal wird es eng - wegen der unguten Rahmenbedingungen. Vielleicht nehmen das der Regierung 2% übel, Nawalny ist aber kein Gamechanger.

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