Alles anzeigenund genau das macht den unterschied: die behauptung von brutkastenmorden und massenvernichtungsmitteln war von seiten der miltitärischen führung der usa ohne jegliche belastbaren beweise vorgelegt worden. ( skizzen die sich auf eine obskure quelle namens "curveball" zurückführen lassen, erfüllen solche anforderungen nicht.)
das war ja nun wesentlich der grund für massive skepsis sowohl der deutschen medien als auch der damaligen bundesregierung. ( weswegen auch die von den usa geforderte kriegsbeteiligung verweigert wurde.)
sowohl bei mh 17 als auch jetzt bei navalny ist der sachverhalt ein völlig anderer. zum einen ist es nicht bellincat allein, das rechercheergebnisse liefert, sondern diese werden in relation gesetzt zu den ergebnissen anderer, unabhängiger rechercheure. zum zweiten werden diese rechercheergebnisse incl. bildmaterial unter angabe der recherchewege und unter nennung von klarnamen veröffentlicht - auch das hat eine fundamental andere qualität als - wie im fall irak - unbelegbare vorwürfe aus geheimdienstquellen.
warum wird dieser ganz grundsätzliche unterschied nicht zur kenntnis genommen ?
bei navalny kommt hinzu, dass - die authentizität des telefonats unterstellt - Kudryavtsev selbst in mehrfacher weise die absicht und durchführung des anschlags auf nanalny bestätigt hat sowie auch die vertusche nachträglicher vertuschung. er stellt in diesem gespräch mutmassungen über die gründe des scheiterns an und benennt von sich aus die fähigkeiten z.b. des bundeswehr-labors bei der giftstoff-analyse.
und das alles wird ignoriert bzw. soll keine rolle spielen, weil bellingcat ( als organisation, die dieses gespräch dokumentiert hat ) gelder von geheimdiensten bekommt ? obwohl der "kronzeuge" die recherchierten ergebnisse bestätigt ? das hat dann mit logik, faktenanalyse und indizienwürdigung nichts mehr zu tun.
als journalists könnte ich mir gar nicht erlauben, derartig biased zu recherchieren und zu publizieren. whatataboutisms und strohmänner - egal welcher provenienz - sind das gegenteil seriöser journalistischer arbeit.
Ich für meinen Teil, gebe gerne zu die redliche Arbeit eines Journalisten mit Sicherheit nicht besser bewerten zu können als Du. Wobei dieser Fall für mich schon ein ganz spezielles Verantwortumgsbewusstsein verlangt. Freilich kann man die Vermutung, Navalny wäre von einem russischen Geheimdienst vergiftet wurden, ein gutes Stück bestätigt sehen. Trotzdem wäre eine darüber hinausgehende Einordnung in meinen Augen sehr wichtig, was mich zu den ersten Fragen führt: Wer war/ist Navalny? Wie gehen „wir“ mit derartigen Figuren um?
Nach allem, was ich bis hierher hörte handelt es sich bei Navalny vor allem und einen investigativen Journalisten, der es auf korrumpierte Politiker abgesehen hat. Hier fand er z.B. in Medwedew ein sehr prominentes Opfer. Derartige Enthüllungen würden auf der einen Seite sicherlich auch hier auf Wohlwollen treffen.
Dass er auf der anderen Seite äußerst fremdenfeindlichen Ansichten anhängt, ist allerdings auch belegt: https://www.mdr.de/nachrichten…tisch-klimeniouk-100.html
Über seine Unterstützer aus dem Westen kann ich mich nicht äußern.
Zusammenfassend sehe ich in ihm jemanden, der es schafft Geheimnisse auf höchster politischer und wirtschaftlicher Ebene offen zu legen... für Putin und seinen Regierungsapparat ist er vielleicht in der Tat schon so störend wie ein Assange oder Snowden bei uns.... womit die 2. Frage eigentlich schon beantwortet ist: Unsere Regierungen (USA+EU) behandeln derartige Figuren, die Geheimnisverrat auf höchster Ebene begangen haben, wie Verbrecher. Und keinem der beiden bot auch Deutschland Asyl an.
Viel wichtiger wäre mir jedoch die Einordnung dieses Falls in das Verhältnis Russland - EU/USA.
Nehmen wir mal an es stimmt: Der Kreml wollte einen, aus ihrer Sicht unliebsamen Querulanten, los werden.... (genauso wie unsere Seite Assange oder Snowden.)
Was bringt uns dazu nun Russland mit Sanktionen zu überziehen?!? (Niemand hat Herrn Navalny dazu gezwungen diesen Herren über Jahre ans Bein zu pinkeln. Er wusste was er tat und er wusste auch, dass es gefährlich ist so etwas zu tun. Selbst in unseren politischen Gefilden ist es gefährlich so etwas zu tun.)
Ich denke noch immer, dass auch 75 Jahre nach dem 2. WK der Frieden in Europa Priorität sein sollte. Die bislang verhangenen Sanktionen, Verhaltensweisen und Umgangsformen machen mich allerdings extrem nachdenklich. Vor diesem Hintergrund erscheint mir der Fall Navalny weniger wie eine öffentlich geäußerte Enttäuschung darüber wie Russland mit der Pressefreiheit umgeht. Vielmehr sehe ich eine willkommene Gelegenheit für unsere Transatlantiker eine längst vorhandene Eskalationsspirale noch ein Stückchen weiter zu drehen. Freilich kann man N2 technisch und wirtschaftlich kontrovers diskutieren. Politisch sehe ich darin ein friedenserhaltendes Projekt, was für mich schon Grund genug ist dafür zu sein. Der Fall Navalny wurde jedoch als Grund gehandelt dieses Projekt zu beenden.
Kurzum: Natürlich können Journalisten in diesem Fall ihren eigenen Standards folgen oder auch Pressefreiheit in Russland einfordern. Und wenn sie davon überzeugt sind, dass Putin persönlich dahinter steckt, dann sollen sie meinetwegen auch das aufschreiben. Man kann sich auch für ein Asyl Navalnys in der BRD einsetzen. Ein Journalist, der für seine Werke verfolgt wird, soll unbehelligt gerne hier leben dürfen. Was Journalisten in meinen Augen jedoch aber auch nie vergessen dürfen, ist der Umstand, dass man sich mit Russland schon 2mal in einem größeren Krieg mit Millionen Toten befand und dass friedenserhaltene Maßnahmen eigentlich niemals verhindert, sondern eher immer gefördert werden sollten. Vor diesem Hintergrund sehe ich auch die Ausladung der russischen Delegation von den olympischen Spielen kritisch. In Summe fühlt sich diese Eskalationsspirale in ihrem Fortschreiten so an wie 20 Jahre vor einem großen Krieg und deshalb schreibt man nicht nur über Navalny, wenn man über Nalvany schreibt. Einem klugen Journalisten wie Dir wird das klar sein. Aber wie kann man damit verantwortungsvoll umgehen?