#650 - Wirtschaftshistoriker Adam Tooze

  • Ich gebe ihm da ja irgendwie recht. So wie Politik heute funktioniert ist das alternativlos wenn man innerhalb des Systems demokratischer Mehrheiten denkt.

    Das absolut Perverse an diesen demokratischen Mehrheiten in der repräsentativen liberalen Demokratie ist, dass sie sich immer nur für politische Positionen finden, die der wählenden Bevölkerung von Leuten vorgegeben werden, die selbst festlegen, was im Rahmen der Staatsräson überhaupt demokratisch zu entscheiden ist.

  • Immerhin ein für diese „Eliten“ sehr lukrativer Irrweg, zumindest nach den Vorstellungen von Tooze. 10 Prozent staatlich garantierte Rendite für Investitionen in CO2-reduzierendere Technologie schlägt er vor und spricht dabei ungeniert von der Privatisierung der Gewinne bei gleichzeitiger Sozialisierung der Risiken. Das scheint für ihn alternativlos zu sein. Muss die Stelle nochmal raussuchen.

    Ich finde alternativlos ist da etwas zu aufgeladen in Richtung es gäbe keine denkbare andere Möglichkeit. So wie ich ihn verstanden habe, ist es das was er unter den gegebenen Umständen als das Praktikabelste bzw. realistischste Umsetzbare ansieht.

  • Ich denke, dass Tooze einfach ein praktischer Denker ist. Es macht ja auch Zeitgeschichte und da verbringt er wahrscheinlich nicht viel Zeit damit über Vorstellungen nachzudenken die manchen Leute utopisch oder extrem unrealistisch erscheinen (womit ich natürlich nicht zustimmen würde ;))

  • Ich finde alternativlos ist da etwas zu aufgeladen in Richtung es gäbe keine denkbare andere Möglichkeit. So wie ich ihn verstanden habe, ist es das was er unter den gegebenen Umständen als das Praktikabelste bzw. realistischste Umsetzbare ansieht.

    Ja klar, war aus dem Gedächtnis zitiert. Ist zwei Wochen her. Hier jetzt wörtlich:

    Zitat

    Nee, lass uns doch einfach nur kurz bei den Finanzen bleiben. Ja, weil das ja ein Thema ist, an dem man das festmachen kann, wenn man nicht die politische Mehrheit bestimmen kann und die Machthebel, die es einem ermöglichen würden, das durchzusetzen, halte ich das einfach für eine leere Floskel. Und leere Floskeln können wir uns in diesem Moment nicht mehr leisten. Wir brauchen Sachen, die man tatsächlich umsetzen kann. Das heißt, das, was in Paris jetzt verhandelt worden ist von Mia Motley, von Barbados angestoßen, von Adenash Prosol (?) ausformuliert, mit ziemlichem Einsatz der Think Tanks der gesamten Welt, das ist ein Programm, das möglicherweise Beine hat, es läuft auf etwas Ähnliches heraus, in dem Sinne, dass es tatsächlich darum gehen muss, Weltbank und IWF anders auszurichten, dass sie mehr Kapital mobilisieren können.


    Das Ziel, wir wissen es alle, sind die 4 Billionen rund im Jahr, die mobilisiert werden müssen, war angesichts der Tatsache, dass niemand in den Spiegel morgens schaut und sagt, "Ich gehe jetzt auf die Barrikaden und schaffe jetzt den Finanzkapitalismus ab" - und wirklich niemand mit den Mitteln dazu tut das - da müssen wir doch uns überlegen, wie konkret die Realisierung dieses Projektes möglich ist. Und die Antwort? So leid es einem tut ist, dass wir die Leute daran interessieren müssen, es zu tun und was man ihnen bietet sind Anreize, und das ist dieses de-risking Projekt, wo es tatsächlich darum geht Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren, das ist absolut ausbuchstabiert, das Projekt.


    Das ist die Partnerschaft, die Public Private Partnerschaft zwischen Privatkapital und Öffentlichkeit. Es ist eine Form des, äh, man möchte geradezu sagen, also: wie die Marxisten immer den sozialdemokratischen Kompromiss gesehen haben. Also Leute, regiert doch mal im Interesse der Gesamtheit, stabilisiert das System und lasst uns unsere Profite, unser Vermögen und unsere Kapitalkontrolle - buchstäblich zum Programm erhoben. Mit anderen Worten: Wir bleiben die Kontrolleure des Kapitals, was wir von euch fordern, ist ein minimaler Gewinnsatz von x, noch zu bestimmen im Falle von Ghana, noch zu bestimmen im Fall von Äthiopien. Ihr nehmt uns die Risiken ab und wenn ihr uns 8, 9, 10 Prozent garantiert mit minimalem Risiko, versprechen wir euch, dass wir einige 100 Milliarden mobilisieren können und wir als Asset Managers auf diesen riesigen Halden von Geld, das war ja auch das Mark Karney (?) Projekt, er sprach ja von 130 Billionen, die er in Glasgow irgendwie zusammengekratzt hatte und so, so unappetitlich das ist, ist das das only game in town. Anreize innerhalb des bestehenden Besitz-Systems, des bestehenden Vermögenssystems, Anreize innerhalb der bestehenden Finanzstruktur, also das, was Daniela Gabes (?) Wall Street Consensus nennt, also um Wall Street herum organisiert.

    Unappetitlich, aber alternativlos: The only game in town.

  • Ja wenn man es nicht kann, dann hat Tooze doch recht, und gegen die vom Kapitalismus verursachte Klimakrise hilft nur mehr Kapitalismus. Alternativlos. Ende der Geschichte.

    Ne, von alternativlos hat er halt einfach nich geredet. Man (?🤷‍♀️?) kanns auch einfach weiter wie bisher machen und alles mit Anlauf gegen die Wand fahren. Die hier gewünschte Weltrevolution wäre aber wohl auch eine durchaus denkbare, aber bei den gegebenen Umständen absolut unrealistische Alternative, kann man (?🤷‍♀️?) aber durchaus auch versuchen noch eben rechtzeitig durchzuziehen und dann auch noch danach schnell mal eben den Klimawandel abwenden.

  • Ne, von alternativlos hat er halt einfach nich geredet. Man (?🤷‍♀️?) kanns auch einfach weiter wie bisher machen und alles mit Anlauf gegen die Wand fahren. Die hier gewünschte Weltrevolution wäre aber wohl auch eine durchaus denkbare, aber bei den gegebenen Umständen absolut unrealistische Alternative, kann man (?🤷‍♀️?) aber durchaus auch versuchen noch eben rechtzeitig durchzuziehen und dann auch noch danach schnell mal eben den Klimawandel abwenden.

    Nuklearer Winter beats Global Warming :thumbup:

  • Also weil er keine genehmen Alternativen vorschlägt dichtet man ihm an er hätte von Alternativlosigkeit gesprochen?

    Nein. ER hat nicht wörtlich von "Alternativlosigkeit" gesprochen.


    ICH habe behauptet, dass es

    innerhalb des Kapitalismus

    seiner hier noch mal zitierten Aussage zufolge...:

    Zitat von Syd, der Adam Tooze zitiert

    [...] Das Ziel, wir wissen es alle, sind die 4 Billionen rund im Jahr, die mobilisiert werden müssen, war angesichts der Tatsache, dass niemand in den Spiegel morgens schaut und sagt, "Ich gehe jetzt auf die Barrikaden und schaffe jetzt den Finanzkapitalismus ab" - und wirklich niemand mit den Mitteln dazu tut das - da müssen wir doch uns überlegen, wie konkret die Realisierung dieses Projektes möglich ist. Und die Antwort? So leid es einem tut ist, dass wir die Leute daran interessieren müssen, es zu tun und was man ihnen bietet sind Anreize, und das ist dieses de-risking Projekt, wo es tatsächlich darum geht Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren, das ist absolut ausbuchstabiert, das Projekt.

    Das ist die Partnerschaft, die Public Private Partnerschaft zwischen Privatkapital und Öffentlichkeit. Es ist eine Form des, äh, man möchte geradezu sagen, also: wie die Marxisten immer den sozialdemokratischen Kompromiss gesehen haben. Also Leute, regiert doch mal im Interesse der Gesamtheit, stabilisiert das System und lasst uns unsere Profite, unser Vermögen und unsere Kapitalkontrolle - buchstäblich zum Programm erhoben. Mit anderen Worten: Wir bleiben die Kontrolleure des Kapitals, was wir von euch fordern, ist ein minimaler Gewinnsatz von x, noch zu bestimmen im Falle von Ghana, noch zu bestimmen im Fall von Äthiopien. Ihr nehmt uns die Risiken ab und wenn ihr uns 8, 9, 10 Prozent garantiert mit minimalem Risiko, versprechen wir euch, dass wir einige 100 Milliarden mobilisieren können und wir als Asset Managers auf diesen riesigen Halden von Geld, das war ja auch das Mark Karney (?) Projekt, er sprach ja von 130 Billionen, die er in Glasgow irgendwie zusammengekratzt hatte und so, so unappetitlich das ist, ist das das only game in town. Anreize innerhalb des bestehenden Besitz-Systems, des bestehenden Vermögenssystems, Anreize innerhalb der bestehenden Finanzstruktur, also das, was Daniela Gabes (?) Wall Street Consensus nennt, also um Wall Street herum organisiert. [...]

    ... offenbar keine Alternative dazu gebe, als über internationale Institutionen, staatliche Profitgarantien und Übernahme der Risiken durch die Allgemeinheit noch mehr privates Geld für klimafreundliche Investitionen zu mobilisieren. Und das ist dann eben nichts anderes als:


    Mehr Kapitalismus.

  • Verständlicherweise ist es schwer die Auswegslosigkeit einer Situation einzugestehen. Wenn innerhalb des Systems keine Veränderung möglich ist aber die Veränderung des Systems ebenfalls unmöglich erscheint, dann hält man zum Beispiel lieber an der Fatamorgana der "technischen Innovation" fest. Man kann ja so eine wundersame Entwicklung auch nicht zu 100% ausschliessen, ebensowenig wie man sie wissenschaftlich falsifizieren oder beweisen könnte.


    Ich denke dass jeder irgendwie anfällig dafür ist an ein solches Wunder glauben zu wollen, auch wenn man es für unwahrscheinlich hält. Möglicherweise stammt aber die Aussichtslosigkeit der Situation eben daher, dass wir ihre Aussichtslsigkeit nicht eingestehen wollen und deshalb vor dem "great Leap" zurückschrecken. Der Great Leap ist deswegen so "unrealistisch" weil wir nicht erkennen wollen dass er tatsächlich der einzige Ausweg ist.

  • Dabei wird aber missachtet in welchem Bezugsrahmen er die Aussage tätigt. Er sagt ja eben nicht, dass es per se alternativlos ist oder per se keine offenbare Alternative gäbe. Er bezieht sich da ganz konkret auf die gegebene Situation, in welcher innerhalb recht knapper zeitlicher Vorgaben etwas in dem bestehenden System bei den bestehenden Machtverhältnissen und Machtstrukturen erreicht werden soll.

  • Er bezieht sich da ganz konkret auf die gegebene Situation, in welcher innerhalb recht knapper zeitlicher Vorgaben etwas in dem bestehenden System bei den bestehenden Machtverhältnissen und Machtstrukturen erreicht werden soll.

    Ja genau. Er bezieht sich auf die gegebene Situation.


    Eine andere Situation ist uns ja nun leider nicht gegeben.

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