Gut, dass Tooze in dem Gespräch auch noch erwähnt, dass sich die aktuell wahrscheinlichsten Klimaprognosen irgendwo im Bereich von 2,5 bis 3 °C plus einpendeln und nicht bei 5 oder 6 °C plus, Chinas Ausstoß schon mit eingerechnet, die ganz katastrophischen Zukunftsszenarien für den Zustand der Welt in 50 oder 100 Jahren also höchstwahrscheinlich ausbleiben werden.
Eigentlich sagt er, dass schon 3 °C plus für die Menschen im globalen Norden ziemlich unangenehm werden, und die heißesten Teile der Welt quasi unbewohnbar machen würde. Das wäre dann für uns hier in Mitteleuropa vielleicht nur eine mittlere Katastrophe, aber für hunderte Millionen von Menschen im globalen Süden trotzdem ein existenzbedrohender Grund, ihre Heimat zu verlassen und Richtung Nordhalbkugel zu flüchten.
Außerdem hat er mitnichten gesagt, dass 5 oder 6 °C plus nicht eintreten könne, wenn die großen Industrienationen - inklusive China - es nicht gebacken bekommen, sich für den Klimaschutz zusammen zu raufen, anstatt sich gegenseitig immer tiefer in einen völlig irren Wirtschaftskrieg und Rüstungswettlauf um die neue Weltherrschaft zu verstricken, sondern nur, dass das die schlechteste Variante in einem recht schwer einzuengenden Spektrum an Varianten darstelle, und dass man daher nicht zwangsläufig davon ausgehen könne, dass sie auch tatsächlich eintreten werde.
Jetzt ist Tooze ganz sicher ein sehr intelligenter und interessanter Gesprächspartner, der viel zu erzählen hat, aber seine Expertise liegt offenkundig in der bürgerlichen Ökonomik und ihrer Geschichte. Er ist kein Klimaforscher. Und Letztere weisen selbst ständig darauf hin, dass sie gar nicht genau wissen, wann welche Kipppunkte erreicht sein werden, oder ob manche von denen nicht vielleicht längst unaufhaltsam überschritten wurden.
Er stimmt auch einfach nicht, dass es gar nichts bringen würde, wenn Europa sich für mehr Klimaschutz engagierte, weil das mittlerweile auch in China zur Entwicklung und Produktion von klimafreundlicherer Technologie und erneuerbarer Energiesysteme führt, die man dann natürlich auch nach Europa verkaufen will, um den Wohlstand im eigenen Land zu steigern.
Der dümmste Weg des Umganges mit dem Klimawandel ist die Fortführung der gegenwärtigen geopolitischen Linie des globalen Westens und seiner fernöstlichen Satellitenstaaten gegenüber China. Wenn "wir" weiter darauf setzen, mit der chinesischen Wirtschaft um die globale ökonomische Dominanz zu konkurrieren, anstatt einen Weg zu finden, um deren enorme Produktivkraft mit der des Westens zu verknüpfen, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen und den globalen Handel sinnvoller und klimafreundlicher zu koordinieren, dann werden die verfeindeten Pole der künftigen multipolaren Weltordnung alle für sich versuchen, die anderen nieder zu konkurrieren. Und dabei kommt im Kapitalismus immer zu allererst eine gigantische Ressourcenverschwendung heraus.
Letzteres will Tooze natürlich nicht so recht wahr haben und statt dessen lieber daran glauben, dass man es bei laufender, und sich stetig verschärfender Stadortkonkurrenz der globalen Wirtschaftsräume vielleicht doch noch irgendwie schaffen könnte, aus westlichen Dominanzinstrumenten wie dem IWF eine globale Klimaschutzinstitution zu machen, aber er ist halt leider - bei aller Sympathie und Bewunderung für seine sonstigen Analysen - auch nur ein linker Sozialdemokrat und kein radikaler Kapitalismuskritiker.