Wenn wir die Rechten schlagen wollen, müssen wir ihre Argumente verstehen
Konservative verwenden seit 200 Jahren dieselben Tricks, um Linke zu entmutigen und so Fortschritt zu verhindern.
Alles anzeigen[...] Laut Hirschman bedienen sich Konservative dreier »Thesen«: der Verkehrungsthese, der Vergeblichkeitsthese und der Gefährdungsthese. Er betrachtet alle drei der Reihe nach und dekonstruiert historische Beispiele für die oft überspannten Schlussfolgerungen der Rechten. Bei der Lektüre wird deutlich, dass Konservative – trotz ihrer Selbstwahrnehmung als hart gesottene Realisten – oft in eine Rhetorik der Selbstschmeichelung und Abscheu gegenüber allen, die sie als »unwürdig« erachten, verfallen.
Für die Verkehrungsthese gilt das am offensichtlichsten. Denn Konservative stellen diese als eine tiefgründige Einsicht dar, obwohl sie sich oft genug als falsch erwiesen hat. Diese These besagt, dass immer dann, wenn die Linke etwas zum Besseren verändern will, stattdessen »das exakte Gegenteil« eintritt. Die hehren Ziele würden stets verfehlt, weil sie unbeabsichtigte Folgen zeitigten.[...]
Die Vergeblichkeitsthese besagt: »Jeder angebliche Wandel war, ist, und wird nur oberflächlich, nur Schein, Fassade, Kosmetik und deshalb illusorisch sein, die tieferen Strukturen der Gesellschaft bleiben von ihm gänzlich unberührt.«[...]
Wie der Politologe Corey Robin richtigerweise festgestellt hat, ist die Vergeblichkeitsthese gegenüber der Linken effektiver, weil sie eine gewisse Ähnlichkeit zu der Art von struktureller Analyse aufweist, die von Radikalen bevorzugt wird. Wenn Progressive beanspruchen, die Institutionen und Machtverhältnisse der Gesellschaft grundlegend zu verändern, dann aber nur oberflächliche Veränderungen erzielen, stehen Konservative stets bereit, um zu verkünden: »Wir haben es ja gesagt.« Das ruft auf der Linken wiederum ein Gefühl von Ohnmacht und Sinnlosigkeit hervor.
Und das ist Absicht. Wie Hirschman feststellt, ist die Vergeblichkeitsthese mehr als eine reine Beschreibung der Welt – sie ist der Versuch einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Indem sie die Sinnlosigkeit linker Politik proklamieren, versuchen Konservative, progressive Kräfte davon abzuschrecken, den Kampf überhaupt erst aufzunehmen. Am besten können Linke dem begegnen, indem sie sich vom Defätismus und ihrer eigenen Tendenz zum Vergeblichkeitsdenken lossagen – und anerkennen, dass ihre Melancholie auf lange Sicht nur der Gegenseite nutzt.[...]
Der dritte Trick der Reaktion ist die Gefährdungsthese. Während die Verkehrungs- und die Vergeblichkeitsthese »bemerkenswert einfach und stumpf« sind, schlägt die Gefährdungsthese einen Umweg ein, indem sie behauptet, dass »angestrebte Veränderungen, obwohl vielleicht in sich wünschenswert, inakzeptable Risiken und Konsequenzen der einen oder anderen Art mit sich bringen«. In anderen Worten: Indem wir alles auf einmal haben wollen, würden wir gefährden, was wir bereits erreicht haben.[...]
Und doch zieht die Rechte, wenn sie in ihren rhetorischen Köcher greift, am häufigsten die Pfeile der Verkehrung, der Vergeblichkeit oder der Gefährdung hervor, um gesellschaftlichen Verhältnissen, die viele Menschen ansonsten ablehnen würden, einen Anschein tiefgründiger Weisheit und ästhetischer Anziehungskraft zu geben. Viele dieser Umstände sind mittlerweile so unhaltbar geworden, dass Konservative nun überall erzählen, sie hätten von Anfang an zu ihren Kritikerinnen und Kritikern gehört. Darunter zählt auch der jüngste Versuch, es so darzustellen, also würde der Konservatismus die Freiheitsrechte gegen eine Tyrannei der Political Correctness und die Demokratie gegen trickreiche Betrüger verteidigen.[...]