Wenn ich bedenke wie wir 6 Monate minütlich auf einen Angriff Russlands gewartet haben, medial in Dauerschleife - angesichts dessen wird wohl sehr, sehr wenig über diesen sozialmedizinischen Kandidaten geredet. Gelenkte Aufmerksamkeit : )

Interessante Sendungen und Links
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Bei allem gebührenden Respekt für die harte journalistische Arbeit über die proletarische Feierkultur und seinen einsamen Kampf gegen die woken lifestyle-Linken, die ihn nach seinem Abgang als (sehr guter) USA-Korrespondent der ZEIT in der taz aufgenommen hatten, stellt sich dem alten
weißenroten Mann in mir aber doch die Frage, ob der Arbeiterklasse wirklich ein Dienst erwiesen ist, wenn man sich dann am Ende für gutes Geld bei Porsche-Ulf und seinem Zentralorgan des bürgerlichen Klassenfeindes andient... -
Bei allem gebührenden Respekt für die harte journalistische Arbeit über die proletarische Feierkultur und seinen einsamen Kampf gegen die woken lifestyle-Linken, die ihn nach seinem Abgang als (sehr guter) USA-Korrespondent der ZEIT in der taz aufgenommen hatten, stellt sich dem alten
weißenroten Mann in mir aber doch die Frage, ob der Arbeiterklasse wirklich ein Dienst erwiesen ist, wenn man sich dann am Ende doch für gutes Geld be Porsche-Ulf und seinem Zentralorgan des bürgerlichen Klassenfeindes andient...Ah, der nächste Fleischhauer?
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Ah, der nächste Fleischhauer?
war der vorher auch mal Amerika-Korrespondent?
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war der vorher auch mal Amerika-Korrespondent?
Keine Ahnung. Dachte mehr so an frustrierter Alt-Linker mit beheiztem Pool.
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Ich glaube Fleischhauer war nie links. Der war nur schon immer alt.
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Die Spiegel-Affäre feiert dieses Jahr 60sten Geburtstag, da kann man mal in den aktuellen Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr rein schauen.
Damals sprach man von Bedingt Abwehrbereit und der Schutzheilige der CSU, FJS verlor seinen Ministerposten darüber. Heute geht man bei einer Einsatzbereitschaft von 77 % der Hauptwaffensysteme (letzter Vergleichszeitraum 76 %) von einer Verstetigung der Einsatzbereitschaft aus.
Fun fact am Rande, bei der deutschen Panzerentwicklung schließt sich der Kreis mit der Auslieferung der neuesten Version des Leopard 2 A7V. Das Gedöns um das neue Main Ground Combat System (S. 111ff) das Deutschland und Frankreich fifty-fifty bauen wollen und bei dem eh nix weitergeht, kann man daher getrost vergessen, es wird vermutlich zu Sankt Nimmerlein (30. Februar 2tba) eingeführt.
Was meine ich mit full circle? Mit dem Leopard 2 A7V kehrt die deutsche Panzerei zu ihren Wurzeln zurück, dem Sturmpanzerwagen A7V.
Leopard 2 A7V:
Sturmpanzerwagen A7V:
Ganz zufällig dürfte es wohl nicht zu dieser Bezeichnung gekommen sein.
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Interview mit vier Blackwater-Kriegsverbrechern. Also mit solchen Söldnern die Massaker an Zivilisten verübt haben, oder zumindest mit solchen, die für Kriegsverbrechen verurteilt wurden. Ich poste das Video da ich bisher immer nur Geschichten über Söldner gehört habe, nie Geschichten von Söldnern.
Wer sagt das Video würde Kriegsverbrechern eine Plattform geben, nun ich halte euch eigentlich für intelligent genug euch zu informieren und selbst eine Meinung zu bilden, also nicht alles einfach so zu glauben was die da erzählen. Bitte deswegen beim Anschauen im Hinterkopf haben, dass alles was sie erzählen Bullshit sein kann, schließlich standen sie vor Gericht und müssen ihre Unschulds-Geschichte aufrechterhalten.
Was das Video so interessant macht, sind die Gründe warum sie vielleicht doch nicht so schuldig sind und warum sie vielleicht trotz Unschuld verurteilt worden sind. Da ich euch aber nicht mit meiner Meinung zu der Geschichte beeinflussen will, am Ende ein Spoiler dazu.
Inhalt:
Zuerst gehts darum wie sie zum Militär und danach zu Blackwater gekommen sind. Dann um den Auswahlprozess, dass Training und wie Ihre Arbeit bei Blackwater ausgesehen hat, welche verschiedenen Aufträge Blackwater von der Regierung bekam, welche Abteilungen es gab, in welcher sie tätig waren. Wie sich die vier getroffen haben, ist die Einleitung zu dem Ereigniss für dass sie später vor Gericht standen.
Und am besten den Steffan machen
und auf 1,25 oder 1,5 facher Geschwindigkeit hören. Die Reden nicht sehr schnell und das Video ist sehr lang
tldr: Der irakische Premier soll für seine Wiederwahl Veurteilte gebraucht haben um gegenüber der Bevölkerung wie jemand auszusehen der die Amerikaner im Griff hatte. Alternativen waren erstens, Amerikaner müssen abziehen, zweitens keine Söldner mehr, die die ganzen Drecksaufgaben für die Armee übernehmen, drittens Exxon Mobiles Ölförderverträge würden gekündigt. Um die irakische Politik und indirekt die irakische Bevölkerung zufriedenzustellen, habe die Amerikanische Regierung die Justiz veranlasst Rechtsbeugung zu begehen.
Die Konsequenzen sind nicht ausgedacht, es gibt veröffentlichte Diplomatische Berichte aus der Botschaft ans Außenministerium in denen das so drin steht. Das Abkommen über die Truppenstationierung lief aus und die Amis hatten ein Interessa daran, es zu verlängern. Zweitens hatten sie ein Interesse weiter auf Söldner zuzugreifen, da diese den Schutz sowohl für alle möglichen Diplomaten und Nichtmillitärs, als auch einen Großteil des Sterbens übernommen hatten.
2007 war das blutigste Jahr im Irak, mit mehreren Autobomben täglich. Nachdem das Saddam Regime weg war, hatten sich einerseits die Reste neu formiert, andererseits Islamisten von überall her in das Machtvaakum gedränkt. Geblamet wurden dafür im Irak die Amis, was ja auch nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Auch in der irakischen Polizei und im irakischen Militär. Der Polizist der die Ermittlungen geleitet hat, soll mit vom Iran finanzierten Regierungsgegnern zusammengearbeitet haben. Nachdem es das Gefecht gab, hat er Beweise verschwinden lassen und die Chance gesehen, dass Ganze so zu drehen, als wäre einfach so auf Zivilisten geschossen worden.
... Dass die Staatsanwaltschaft an Beweisen rumgespielt hat, (aus welchen Gründen auch immer) und den Verteidigen nicht vollen Zugang zur Akte gab die entlastende Beweise enthielt, scheint klar. Beispielsweise ein Drohnenvideo, wo genau die 10min gelöscht wurden, in denen es die Schusswelches gab. „Routinemäßige Löschung wegen Speicherplatz”. Das Ding ist, hat die Staatsanwaltschaft an den Beweisen herummanipuliert um sie trotzt Unschuld zu verurteilen? Oder da sie leider keine Beweise hatten die zu einer Verurteilung ausgereicht hätten und sie ohne die Manipulationen Kriegsverbrecher hätten laufen lassen müssen?
...Ich will nicht alles aufschreiben was die im Eigenen Interesse erzählen, jetzt das was ich an ihrer Gesichte nicht ganz stimmig finde.
Die irakische Polizei soll Beweise vernichtet haben, gleichzeitig gibt es aber den US-Armee Typen, dessen Bericht ihnen die Staatsanwaltschaft vorenthalten hatte, der am nächsten Tag noch alles Dokumentiert hatte, Inklusive der Patronenhülsen der Angreifer.
An einem Punkt ist der eine Mad, weil ein anderer aus der Einheit gegen sie ausgesagt hat. Nicht weil er dass Unwahrheit wäre, sondern weil er damit aus seiner Sicht Unkameradschaftlich handelt.
Sie betonen immer wieder wie Verantwortungsvoll sie ihre Waffen eingesetzt hätten, an einer Stelle sagen sie aber, sie wären besorgt gewesen, dass der Dude der später gegen sie aussagte, seinen Lauf so heiß geschossen hatte, dass die Waffe kaputtgehen könne. Damit schienen sie kein Problem zu haben.
Dieses Christliche zum Schluss irritiert mich auch.
So, I don't know.
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Die Folge ist jetzt fast 8 Jahre alt und das IWANOMETER ist immer noch im Gebrauch:
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so geht das bei einem ordentlichen 60-minütigem Interview. Erstmal ein aufmacherischer Titel, vier Minuten Vorspann und ein ordentliches, egozentrikunterstreichendem Intro - alles bei spannender, klassischer Musik.
Da könnten sich die Anfänger hier bei J&N mal 'ne Scheibe abschneiden...
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Porsche-Ulf hat ein Buch geschrieben...
Mündigkeit ist ein Stahlbad – Ulf Poschardts Streitschrift „mündig“
[...] Was Poschardt in seinem Buch Mündig tut, ist erst mal nichts anderes als das, was die Trumpisten – auf ganz andere Art, wohlgemerkt – in den USA längst geschafft haben: Die hässliche Fratze Margaret Thatchers so lange mit Schminke anzupinseln, bis das geneigte Publikum glaubt, es mit Delacroix‘ Marianne zu tun zu haben.
Weil viel geschminkt und wenig gedacht wird, ist Poschardts Buch vor allem eins: schlechte Dichtung.[...]
Der „Drift am Rande des Beherrschbaren“ ist bei Poschardt stets einer, der sich irgendwo zwischen ganz stinknormaler Verklärung der Werte des demokratischen Westens und zu krassen Abenteuern hochjubilierten Kleinbürgerfreuden einpendelt. Man kann sich den „Mündigen“ bei Poschardt als Poschardt selbst vorstellen: Einer, der als aufgeklärter General morgens im Sturmgeschütz der Demokratie die Don Alphonsos und Deniz Yücels an die Front zur Verteidigung der Bundesrepublik abkommandiert, am Nachmittag in das, was er für den Diskurs hält, mit ein paar steilen Elfenbeiturm-Tweets reingrätscht und sich am Abend die „Libertinage“ des Berliner Clublebens zum Ausbruch aus dem bürgerlichen Ennui zurechtfickt.[...]
Ein Punkt aber bleibt. Wenn das die in jeder Hinsicht dürren Angebote der Gegenseite sind, warum tut sich die Linke dann so schwer, gesellschaftlichen Einfluss zu erringen. Wenn Poschardt schreibt, Meinungsführer der Linken seien „Wohlbegüterte, die sich ihr Linkssein leisten können und die moralische Distinktion pflegen“, trifft das genauso wie: „Der Blick auf die Arbeiterklasse, die Abgehängten und Verstörten fällt denkbar ungnädig aus. Oder noch schlimmer: Paternalisierend wie in einem Streichelzoo.“ Und: „Die Linke ist Organ und Propagandist der Umverteilung geworden, oder „Umfairteilung“, wie das die hippen Bürgerkinder Instagram-tauglich zum sozialistischen Karneval in die Propagandaquellen einspeisen. Wer in der Gesellschaft unten ist, soll da bleiben, aber er soll weniger leiden, so könnte man diese angestrebte sozial stabile Seitenlage nennen.“
Das trifft. Zwar hat Poschardt selber nichts anzubieten, außer eben die Abgehängten zu motivieren, sich den Aufstieg zum Wolf of the Wall Street messerstechend zu erkämpfen, aber richtig bleibt: auf der Linken sieht es auch zappenduster aus.[...]
Die Kommunist:innen vergangener Tage wollten das ganz Große, den Aufbruch der Menschheit durch ihre organisierte, bewusste Selbstveränderung hin zum gelingenden Leben. Und davon ist – zumindest hierzulande – wenig übrig. Nur weil „Linkssein“ in diesem Land zu einer Karikatur verkommen ist, können sich die Ideologen des Bestehenden so treffend darüber lustig machen. Und nur auf dieser Leerstelle können Bücher wie Poschardts Mündig überhaupt gedeihen.
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Porsche-Ulf hat ein Buch geschrieben...
Mündigkeit ist ein Stahlbad – Ulf Poschardts Streitschrift „mündig“
klingt akurat.
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...meanwhile in der Realität™...
Die Akkumulation läuft langsamer
Immer weniger Gewinne werden wieder in die Unternehmen gesteckt
[...] Zuletzt entsprachen die sogenannten Nettoinvestitionen im Jahr 2020 nur 3,4 Prozent der Gewinne. 1991 waren es noch fast 48,9 Prozent. Selbst im Vorkrisenjahr 2019 lag der Anteil lediglich bei 17 Prozent.
So stiegen die Unternehmensgewinne nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften seit 1991 bis zum Vorcoronajahr 2019 von 180,9 Milliarden auf 515 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Zuwachs von 285 Prozent. Selbst während der Corona-Pandemie betrugen die Unternehmensgewinne 434,1 Milliarden Euro. Die Differenz zwischen den Profiten und den Nettoinvestitionen stieg damit von 92,3 Milliarden auf zuletzt 419 Milliarden Euro.
Dabei entsprechen die Nettoinvestitionen jenem Betrag, den die Eigentümer*innen tatsächlich neu ins Unternehmen stecken. Denn sie sind die Differenz aus den Bruttoinvestitionen, also allen getätigten Investitionen, und den Abschreibungen, also den natürlichen Wertminderungen des Kapitals in Form etwa von Verschleiß, die ein Unternehmen eh ersetzen muss, will es nicht schrumpfen.[...]
Denn den Unternehmen sind offenbar die Dividenden ihrer Eigentümer wichtiger als Investitionen in die Zukunft. Dies macht nicht nur die Antwort auf Meisers schriftliche Frage an die Bundesregierung deutlich. Eine vergangenen November erschienene Studie von Oxfam Deutschland und Finanzwende kommt zu demselben Schluss. Demnach stiegen die Gewinne der 30 größten Aktiengesellschaften Deutschlands, der Dax-Unternehmen, zwischen 2009 und 2020 um 48 Prozent. Statt dieses Geld für nötige Investitionen, Rücklagen oder höhere Gehälter zu nutzen, wurde es vornehmlich an die Aktionäre ausgeschüttet. So stiegen die Dividenden im selben Zeitraum um 85 Prozent und damit sogar noch deutlich schneller als die Gewinne. Einzelne Unternehmen zahlten sogar in Verlustjahren Dividenden.
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Und der Staat subventioniert die Wirtschaft noch massiv mit Steuergelder, von Leuten die zu arm sind um in Aktien zu investieren, die zwangs-finanzieren aber die Gewinne mit.
Wo ist die Welt-Revolution wenn man sie braucht?! : )
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Und der Staat subventioniert die Wirtschaft noch massiv mit Steuergelder, von Leuten die zu arm sind um in Aktien zu investieren, die zwangs-finanzieren aber die Gewinne mit.
Und demnächst finanzieren die Leute auch noch direkt die Spekulationsgewinne der AktieninvestorInnen mit, wenn unsere frisch gewählte Fortschrittskoalition den alten, feuchten fdP-Traum von der kapitalgeckten Rente durch die Hintertür umsetzt und damit gleich noch ein paar Milliärdchen mehr in das Finanzcasino pumpt.
Das hat auch den ideologischen Vorteil, dass das Wohl der um ihren Wohlstand für Alle™ besorgten BürgerInnen noch abhängiger von einem angenehmen Investitionsklima an der Börse wird, und man systemische Kapitalismuskritik noch besser als direkten Angriff auf die Mittelschicht framen kann.
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A propos Rentenbeiträge und andere staatliche Finanztöpfe für Finanzmärkte und sonstige "nachhaltige" Investitionsgelegenheiten mobilisieren...:
Streit um EU-Taxonomie: Europäische Zerreißprobe
Deutschland lehnt den EU-Vorschlag zur Taxonomie endgültig ab. Es drohen Greenwashing im Finanzsektor – und aussichtsreiche Klagen.
[...] „Die Taxonomie ist ja freiwillig und wurde erst einmal für eine Nische von vielleicht 10 Prozent der Anlagen entwickelt.“ Umkämpft sei sie jetzt, weil sie immer wichtiger werde: „Die EU könnte zum Beispiel irgendwann festlegen, dass sich die umfangreichen Anlagen zur Altersvorsorge an der Taxonomie ausrichten müssen.“ Dann würde dieser Hebel für die Finanzmärkte wirklich relevant. Tatsächlich war das genau der Plan der Taxonomie-Fans: ein Instrument zu schaffen, das klein anfängt und irgendwann die „Billionen“ tatsächlich umschichtet.
EU-Länder, in denen die Grünen mit in der Regierung sitzen, haben noch einen ganz anderen Verdacht: Wenn Atom und Gas in der Taxonomie erst einmal als „nachhaltig“ anerkannt sind, könnte das auch auf andere EU-Finanzfragen übergreifen. „Frankreich geht es nicht um die privaten Investitionen, die grün sind“, sagt Claude Turmes, Energieminister von Luxemburg, der taz. „Da geht es darum, dass die EU akzeptiert, dass bei staatlichen Beihilfen auch Atom als CO2-freie Technik gilt, damit Frankreich seinen Atompark weiter mit Steuergeldern finanzieren kann.“
Auch andere EU-Töpfe liefen Gefahr, als Finanzierungsinstrument für Atom- und Gasprojekte genutzt zu werden: So der 724 Milliarden Euro schwere RRF-Fonds für den Corona-Wiederaufbau oder die Programme der Europäischen Investitionsbank EIB. Bisher verlangt die Taxonomie für das grüne Etikett, dass eine Investition „keinen signifikaten Schaden an der Umwelt anrichtet“. Wenn die Atomkraft davon freigesprochen werde – wie es ein umstrittenes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes der EU tut –, „dann ist das die goldene Brücke, um auch die Staatshilfen für Atom durch die EU-Länder in Zukunft unter grüne Investments fallen zu lassen“, warnt Claude Turmes.[...]
immerhin - In Berlin lehnt man das mit dem Atomstrom jetzt offiziell ab. Bringt zwar vermutlich nix, weil das auf EU-Ebene schon
abgekartetes Spielbeschlossene Sache ist, aber es sieht so schön grün aus. -
Zitat von Martin Soneborn via Facebook
Ein kühler Einwurf meines (stets einen Tick zu gut gelaunten) Redenschreibers Cornelius W. M. Oettle:
Putin, gibt Gas!
Brrrrr, ist Ihnen auch so kalt? Meine Wohnung (also die meines Vermieters) hat eine Gasheizung. Ich traue mich nicht mehr, sie einzuschalten, seit die jüngsten Preiserhöhungen per Brief durch den Einwurfschlitz hereingeflattert sind. Den Einwurfschlitz habe ich danach umgehend mit einem Stück Karton zugeklebt, damit es nicht mehr so zieht. Wobei es mir ja noch gut geht: Die Kartonagenfabrik in Baden-Baden, aus der ich den Karton habe, hat jetzt den Betrieb ein- und 200 Mitarbeiter freigestellt, weil das Geschäft durch den enormen Gaspreis und die damit verbundenen Herstellungskosten schlicht nicht mehr rentabel war.
Warum aber ist der Gaspreis, der auch Strom teurer macht, so hoch? Monokausal wird sich das kaum erklären lassen, aber fangen wir mit ein paar Basisbegründungen an:
1. Die monatelange Windflaute im vergangenen Jahr hat für weniger Windenergie gesorgt, was mit anderen Energieträgern (Gas) ausgeglichen werden musste. Wo ist Orkan Lothar, wenn man ihn braucht?
2. Flüssiggas wird bevorzugt nach Asien geliefert, weil dort mehr dafür bezahlt wird. Wobei die ersten US-Tanker mittlerweile schon auf halber Strecke umdrehen (kein Witz!) und Europa ansteuern, nachdem die Preise hier dermaßen in die Höhe geschossen sind.
3. Die europäischen Gasspeicher sind vergleichsweise schlecht gefüllt, weil der letzte Winter vergleichsweise kalt war, wobei der Winter ja eigentlich dafür bekannt ist, eher kalt zu sein.
4. Nein, ich mache hier keinen Pups-Witz mit den Gasen von Ex-Wirtschaftsminister Altmaier oder so.
Doch wer hat Schuld am kalten Winter? Da sind wir uns, denke ich, alle einig: der Russe mit seiner Russenpeitsche. Mit dieser Vermutung lag man zumindest in der Vergangenheit stets richtig: Wenn die Amerikaner einen dummgebräunten Orang-Utan zum Präsidenten wählen oder an der polnischen Grenze Geflüchtete im Namen der EU verprügelt werden – am Ende der Schuldkette wartet immer Putin.
Als guter Deutscher beziehe ich meine Primärinformationen aus der BILD-Zeitung. Gut hundertmal habe ich dort gelesen: „Putin dreht den Gashahn ab!“ Verantwortlich für die Eiszapfen in meinem Wohnzimmer ist also er, nehme ich an. Nun sagen die einen, Putin halte Gas zurück, um uns Lust auf Nord Stream 2 zu machen. Andere wie etwa Thomas O’Donnell, Experte für den globalen Öl- und Gasmarkt, erklären, dass Putin sich zwar gern als Gasgott inszeniere, Russland aber lediglich seine eigenen Speicher wiederauffüllen müsse und daher gar nicht allzu viel überschüssiges Gas exportieren könne. (Kurzer Wetterbericht: minus 25 Grad in Westrussland und minus 50 Grad in Sibirien.)
Das russische Erdgasunternehmen Gazprom, das zu einer Hälfte dem Staat und zur anderen Gerhard Schröder gehört, widerspricht jedoch generell: Man liefere alle Mengen, die gemäß bestehender Verträge aus dem Westen angefordert werden. Und in der Tat: Das bestätigen sowohl RWE und Uniper (die großen deutschen Gazprom-Kunden) wie auch das Bundeswirtschaftsministerium. Putin liefert wie bestellt. Hatte mich die BILD etwa unzureichend informiert?
Nachdem ich mir den Weg zum Schreibtisch freigeschippt habe, setze ich mich mit Pudelmütze, Fäustlingen und Wolldecke an den Laptop, um zu recherchieren, was Putin selbst zu seiner Verteidigung bzw. zur Gaskrise zu sagen hat. Wen kann ich aus der Sicht des russischen Regierungschefs dafür zur Rechenschaft ziehen, dass ich auf dem Weg ins Bad ständig auf dem Glatteis im Flur ausrutsche?
„Putin sieht Deutschland als Ursache für Preisanstieg bei Gas“, schreibt der MDR. Zu viel Gorbatschow jesoffen, oder wat? Deutschland?! Die Bundesrepublik würde derzeit Gas, das normalerweise durch die Jamal-Europa-Pipeline von Russland über Polen nach Deutschland gelangt, zurück nach Polen pumpen. Haha, von wegen! Während ich mir hier einen abfriere und ganze Kartonagenfabriken bankrottgehen! Wir sind doch nicht bescheuert! Wieso schreibt der MDR denn so was? Naja, der ist zwar öffentlich-rechtlich, aber halt im Osten - dahinter steckt wahrscheinlich auch Putin.
Drum informiere ich mich bei der Nachrichtenagentur Reuters. Die schreiben das doch tatsächlich auch. Überdies belegen die Daten des deutschen Gasnetzbetreibers „Gascade“, dass seit mehr als 25 Tagen Gas in die entgegengesetzte Richtung fließt. Von Deutschland nach Polen. Reuters: „Since Dec. 21, the link between Poland and Germany had been operating in reverse mode, putting upward pressure on European gas prices.“ Deutschland Schuld an steigenden Gaspreisen? Ist Reuters auch schon in der Hand von Putin? Der Mann ist überall.
Allein: Warum pumpen wir das russische Gas von Deutschland denn überhaupt nach Polen zurück, wenn’s doch schon mal da ist und hier gebraucht wird? Grund dafür ist nach meinem Verständnis ein problematisches Gemisch aus klassischer Russophobie und marktradikaler FDP-Denke: Polen hat seine langfristigen Gasverträge mit Gazprom nicht verlängert, weil man es einerseits für klug hielt, Gas künftig einfach zu Börsenpreisen einzukaufen. Europa treibt die Liberalisierung des Gasmarktes ohnehin seit Jahrzehnten immer weiter voran. Sie wissen ja, der Markt regelt alles. In der Vergangenheit erschien das mitunter auch lukrativ: Zu Beginn der Pandemie beispielsweise war Gas in Europa günstiger als in Russland.
Doch das Blatt hat sich bekanntlich gewendet. Paradoxerweise haben die Maßnahmen zur Bekämpfung von Gazproms Monopol dazu geführt, dass die Marktbedingungen für den Gaskonzern nun noch besser geworden sind. Die Bundeszentrale für politische Bildung meint: „Während vor zehn Jahren Gazproms Kunden die Vorteile der fehlenden Preisbindung nutzten, profitiert jetzt das russische Unternehmen selber.“ Was heißt „It’s the economy, stupid“ auf Russisch?
Andererseits (sorry, das vorausgehende „einerseits“ liegt schon ein paar Sätze zurück) hatte sich Polen erhofft, ohne Langfristvertrag unabhängiger von Russland zu sein. Yeah! Klare Kante gegen Putin! Lob gab es dafür auch aus den USA.
Jetzt ist es halt nur blöderweise so, dass Polen den Stoff nun tatsächlich auch auf dem sogenannten Spotmarkt, sprich: zu Börsenpreisen beziehen müsste. Der Spotmarkt ist der „Heute-und-Jetzt-Markt“, wo Gas zu den aktuellen Preisen gehandelt wird. Und das ist, wie meine abgefrorenen Zehen bezeugen, zurzeit eben sauteuer.
Deutschland hingegen bezieht Gas aus Russland dank langfristiger Verträge zu deutlich günstigeren Konditionen. (Zum Beispiel hatten die Lieferverträge von E.ON Ruhrgas mit Gazprom bereits anno 2008 eine Laufzeit bis 2036.) Deshalb machen wir gerade die Speicher leer, anstatt neues (teures) Gas aus Russland zu bestellen, und blasen das Zeug zurück nach Polen. Der Gazprom-Sprecher Sergey Kupriyanov sagt dazu, es sei „nicht rational“, die Vorräte im Winter aufzubrauchen, wenn die Nachfrage am höchsten ist. Pah! Ich lass mir sicher nicht vom Russen sagen, was rational ist. So wahr ich mir in diesem Moment ein paar Eiswürfel aus der Gefriertruhe hole, um mich dran zu wärmen.
Aaaah, herrlich, 0 Grad. So. Als Patriot hätte ich den Text an dieser Stelle eigentlich gern beendet. Nur leider gibt es da noch diesen unschönen Vorwurf aus Russland: Redliche deutsche Gasimporteure pumpten das Gas nämlich gar nicht nur aus Solidarität und Nächstenliebe zurück nach Polen (und von dort in die Ukraine). Angeblich verkaufen sie es. Zu aktuellen Börsenpreisen. Die momentan wie gesagt zigfach höher sind als die Preise des deutsch-russischen Langfristvertrags. Ebenjene Zwischenhändler würden demnach einen Reibach sondergleichen machen und die hiesige Gasknappheit (samt Preis) verschlimmern, während die Kartonagenfabrik Konkurs anmeldet und ich mich an meinen Eiswürfeln verbrenne. Das fände ich persönlich, um es mal ganz drastisch zu formulieren, nicht so gut.
Was dran ist an dem Vorwurf, kann ich Ihnen aber leider nicht sagen. Der gesamte westliche Journalismus scheint kein Interesse an einem Faktencheck zu zeigen. Da müssten Sie also schon direkt Wirtschaftsminister Robert Habeck fragen. Der wollte Putins Aussagen allerdings nicht kommentieren. Will ich (als Patriot) auch nicht.
Ich mache mir lieber ein paar warme Gedanken und erinnere mich an das beruhigende Statement unserer EU-Energiekommissarin Kadri Simson vom letzten Oktober: „Die Gaspreise werden während des Winters hoch bleiben und dürften ab dem Frühling kommenden Jahres nach und nach fallen.“ Wir können folglich wieder unbesorgt heizen, sobald es wärmer wird. Ein Hoch auf die freien Märkte.
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