#635 - Soziologe Harald Welzer

  • Ich finds trotzdem komisch, ausgerechnet bei der Ukraine mit den Gänsefüßchen anzufangen, angesichts der russischen Narrative dass sie eben kein richtiger Staat sei. Und werde in Zukunft mal darauf achten, ob dann immer auch vom Krieg im "Jemen", Bushs Angriff auf den "Irak" und dem Nato-Krieg gegen "Serbien" die Rede ist.

  • Ich finds trotzdem komisch, ausgerechnet bei der Ukraine mit den Gänsefüßchen anzufangen, angesichts der russischen Narrative dass sie eben kein richtiger Staat sei.

    Das findest Du nur komisch, weil Du offenbar genauso wenig zwischen dem Staat Ukraine, bzw. seiner momentanen Staatsführung und der auf dem ukrainischen Staatsterritorium lebenden Bevölkerung unterscheiden kannst, wie ungefähr 99% vom Rest des liberalen deutschen Bürgertums, das immer so standhaft Haltung gegen den Faschismus demonstriert.

  • Auch "Krain" oder "Uckermark" sind übrigens alte Bezeichnungen gleichen etymologischen Ursprungs für das Grenzland zwischen Kulturlandschaften.

    Wer solchen Gegenden das "Sowohl-als-auch" beider Pole nicht gönnt, der landet beim "Entweder-oder". Wer sich also dagegen sträubt, dass eins und eins zwei sei, der strebt danach, dass außer dem Ego alles null und nichtig sei.

    Wer aber der Vielfalt die Einfalt vorzieht, erlangt meist nicht die Hälfte, sondern zerstört das Ganze. Sich solcher Ambiguitäts-Intoleranz zu verweigern, mag im Kreise sich auserwählt Wähnender wehrkraftzersetzend scheinen, aber ist unmittelbare Folge des Respekts vor der in Rede stehenden Region.

  • . Und irgendwo gähnt gerade Harald Welzer.

    So Kollege,


    ich bin absolut ein Fan davon, Ebenen in einer Diskussionen zu trennen. D.h. eine medienkritische Ebene - wie wird über die Ukraine berichtet? Und eine inhaltliche Ebene - was wird gesagt?

    Wenn ich hier jemanden anspreche, was mit x gemeint ist, hat das erst mal vielleicht nichts mit dem Interview, neudeutsch iView, zu tun. So wie Welzer es auch abgrenzen wollte.


    Wer ganz stark darin war, das zu vermischen, war RDP selbst. Er hat ganz prominent herausgerufen, die UA hat keine Chance und sollte doch kapitulieren, ohne zu differenzieren wie das genau aussehen soll? So sehr ich da Welzer als Precht-Fanboy vom "besten Podcast den Deutschland zu bieten hat" enttäuschen muss, ist unser Sunnyboy schon selber in diese Falle getappt.


    Und, Fachbuch ist nicht Sachbuch? What? Selbst solche "ideengeschichtliche" Essays, oder auch wissenschaftliche Essays, müssen fundiert sein. Und da finde ich es besonders schade, dass der interessante Teil erst demnächst kommen wird: Die empirischen Auswertungen. Und damit ein Politik-Nerd so richtig aufblühen kann, werden wir uns die Fallzahlen, den R Wert, die Skalen und Kriterien ansehen u.s.w., sonst macht ja sowas kein Spaß. :) Und es wird uns nach der Panzerdiskussion ja kaum überraschen, wenn wir bestimmte "Groupthink"-Phänomene oder Bestätigungstendenzen begrüßen werden.


    Ich muss mich vielleicht nur mal irgendwann entscheiden: Entweder, es sind genug Information gegeben, sodass ich mir eine fundierte Meinung bilden kann. (Kapitulieren, ja - nein? Waffen, ja - nein? Welche?) Oder, man gibt die Wissenslücken zu und hält sich bedeckt mit Prognosen. Aber warum unterschreibe ich dann Briefe, die für einen gewissen Aktionismus protestieren und stimmen?


    Man kann nicht einfach selektiv bestimmen, welche Informationen nun die richtigen sind, und die ich mir rauspicke, a la: Na klar will Putin verhandeln, ihr müsst doch verhandeln. Und: Ok, ich weiß eigentlich gar nicht, welche Diplomaten und Gespräche im Hintergrund gerade ablaufen? (Aber einen Brief unterschreib ich trotzdem mal. 🙃 ) Was, Putin will nicht verhandeln, wer sagt das?


    Da ging auch bei Welzer selbst in dem Gespräch die Rechnung nicht ganz auf.


    Was ich ja wirklich spannend finde, was unsere Sunnyboys vielleicht gar nicht berücksichtigen in Fallbeispielen (sofern sie welche machen?, ist ja keine wissenschaftliche Arbeit), ob genau geguckt wird, welche Persönlichkeiten+Positionen diffamiert werden und welche denn die dominanten sind?


    Da ist RDP kein Opfer, weil eine Satiersendung einen Rap macht, aber es sind durchaus syrische Politiker, die in D gehindert werden anzutreten. Oder Schwarze Personen oder, am beliebtesten sind palästinensiche Stimmen, die gesilencet werden, Klimaaktivsten und es kommt auch nicht aus der Mode, Queere und Feministinnen zu diffamieren, wenn sie in Berichterstattungen auftauchen. (Bsp. "Hamas Helga") In dem Interview klang zwischendurch für mich mehr heraus: Seit doch nicht so gemein zu Ricky.


    Wer als Person aus dem Journalismus nicht argumentativ, fundiert und sachlich bleibt, disqualifiziert sich doch schon selbst... Und ich bin auch durchaus dafür, dass der deutsche Journalismus die eigenen Kriterien mal genauer reflektiert, ich bin ein Fan von der internationalen Presseschau (die durchaus ausbaufähig ist) und genauso liegt mit das beste Potential in Arte, die immer wieder gute Kooperationen und Berichterstattungen machen, die mehrere Nationen und Positionen beinhalten.


    Aber mein Eindruck ist nicht sehr stark, dass dieses Buch den richtigen Impuls setzt.

  • So Kollege,

    Huch!?


    Hmm, interessant, was du da so teilweise aus dem Interview/Buch rausgezogen hast. Also interessant insofern, als dass ich unsere Realitäten nur schwer miteinander vergleichen kann. Ist aber auch nicht nötig, vielleicht gehe ich später auf ein paar Aspekte ein.

  • Wer ganz stark darin war, das zu vermischen, war RDP selbst. Er hat ganz prominent herausgerufen, die UA hat keine Chance und sollte doch kapitulieren, ohne zu differenzieren wie das genau aussehen soll? [...]


    Welche elaborierte Differenzierung schwebt dir denn beim Akt der Kapitulation vor?

  • Und, Fachbuch ist nicht Sachbuch? What?

    Zwischen einem populärwissenschaftlichen Sachbuch und einem wissenschaftlichen Fachbuch wirst Du doch vielleicht selbst unterscheiden können, wenn Du letzteres irgendwann mal in der Hand hattest? :/

    Das adressiert nämlich ein Fachpublikum, ist entsprechend in Fachsprache verfasst (was dem Lesefluss für Uneingeweihte selten förderlich ist) und liegt nicht bei Hugendubel für 25,- € aus, sondern wird freundlicherweise von Elsevier kostengünstig für 100,- € + verlegt und sieht nie etwas anderes als ein Unibibliotheksregal aus der Nähe.

    So sehr ich da Welzer als Precht-Fanboy vom "besten Podcast den Deutschland zu bieten hat" enttäuschen muss, ist unser Sunnyboy schon selber in diese Falle getappt.

    Darüber kann man sich ja von mir aus lustig machen, wenn man möchte, aber erstens ging es um ein Interviewformat im deutschen TV und zweitens, nenn' mir nur ein anderes, dass da qualitativ mithalten kann...

    Da muss man schon bei 3Sat oder Arte nachschauen und das sind eben keine (rein) deutschen Stationen. (Vielleicht gibt es auch irgendwas noch viel tiefer im Nachtprogramm bei den Dritten oder einem der Spartenkanäle versteckt, aber das kenne ich zumindest nicht.)

  • Wer ist "sie"?

    spar dir so ein Ablenkungsmanöver, es war einfach ne Frage, was du damit ausdrücken willst


    bleib sachlich und argumentativ oder lass es

    Das war kein Ablenkungsmanöver sondern...


    <Hans Jessen Mode>


    1. ...Eine durchaus ernste Frage nach Klärung einer grammatikalisch unklaren Subjekt-Bestimmung bzw. Verb-Deklination in folgendem Beitrag:

    bei dir klang es fast, als wäre "die Ukraine" eine Erfindung und daher fraglich warum und wofür sie denn kämpfen...

    "die Ukraine" ist in dieser Form offenkundig das Singular des Staates Ukraine. Wenn es also darum ginge zu bestimmen von wem wofür gekämpft wird, dann müsste das Verb im Nebensatz entweder "kämpft" ("sie -> Die Ukraine ...kämpft" ), oder das Substantiv im Hauptsatz müsste "die Ukrainer", "die Ukrainerinnen", "die Ukrainer und Ukrainerinnen", oder "Die Ukrainer*innen", etc. lauten ("sie -> Die Ukrainer... kämpfen"), damit der ganze Satz Sinn ergibt und klar benannt ist, wer mit "sie" im Nebensatz gemeint war.


    </Hans Jessen Mode>


    2. ...ein gutes Beispiel dafür wie "die Ukraine", also die deutsche Bezeichnug für das geografische Gebiet, die Nation, den politischen Staat Ukraine mit "die UkrainerInnen", also der Bevölkerung des ukrainischen Staatsgebietes gleichgesetzt, und somit auch der Kampf eines Teils dieser Bevölkerung für ihre Freiheit von der militärischen Besatzung ihrer Städte, Dörfer und Felder durch die Truppen des fremden Staates Russland mit dem Kampf der ukrainischen Staatsregierung für ihr Recht auf ein öknomisches und militärisches Bündnis mit anderen Staaten, die dem Staat Russland und seiner Staatsregierung feindlich gesinnt sind, ganz selbstverständlich als ein und das selbe angesehen wird.


    Das ist insofern keine Spitzfindigkeit, die vom eigentlichen Thema ablenken soll, als sich die laufende Debatte hier im Forum - auch mit dem davon schwer ermüdeten Hausherrn - aus meiner Sicht ganz essenziell um die Frage dreht, was eine solche Gleichsetzung von Staat, Staatsführung und Volk - auch ganz speziell im jüngeren historischen Kontext - bedeutet, und warum sie in der deutschen öffentlichen Debatte im Fall des ukrainischen Staates und seiner Bevölkerung auch von vielen sich selbst als "links" und eher Staats- oder doch zumindest Regierungskritisch begreifenden DebattenteilnehmerInnen so kritiklos akzeptiert wird.

  • 😂😂😂

  • An einer Stelle sagt Welzer, dass nicht nur eine Einigkeit innerhalb der EU und es Westens entstanden ist, sondern auch eine Einigkeit, bestehend aus China und Russland. (so ungefähr)


    Kann mir jemand die Stelle zeigen? Finde sie nicht wieder...

    "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile."

    "Wir müssen die Lüge dekonstruieren, dass es eine technische Lösung für dieses soziale Problem gibt."

    (Niko Paech)

  • Kann es sein, dass das Gespräch mit Welzer da noch nicht integriert ist?

    "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile."

    "Wir müssen die Lüge dekonstruieren, dass es eine technische Lösung für dieses soziale Problem gibt."

    (Niko Paech)

  • Ein wirklich schönes Beispiel für die, angebliche, Deutungshoheit des deutschen Journalismus.


    Punkt 1.


    Wer den Ukraine Konflikt ernsthaft diskutieren möchte, muss sich auf die Entwicklung seit dem Zusammenbruch der SU zurückbesinnen.


    Punkt 2.


    Wer den Ukraine Konflikt ernsthaft diskutieren möchte kann sich um NATO Osterweiterung, Militarisierung der Ukraine nicht herumdrücken.


    Punkt 3.


    Wer sich ernsthaft mit diesem Konflikt beschäftigen möchte kann sich auf keinen Fall auf die Floskel Formel Putin war es zurückziehen.


    Punkt 4.


    Wer den Ukraine Konflikt ernsthaft diskutieren möchte muss sich mit dem eigentlichen Problem, der geopolitischen Auseinandersetzung, intensiv beschäftigen.


    Punkt 5.


    Wer sich mit der Lösung dieses Konfliktes ernsthaft beschäftigt kann nicht ernsthaft den Siegfrieden fordern.


    Es ist interessant zu sehen wie sich TJ permanent mit scheinbar gültigen Narrativen umgibt.

    Die allesamt zu hinterfragen wären. Und es ist interessant wie sich Welzer bemüht das Gebiet des allgemein gültigen Narratives nicht zu verlassen.


    Ein schauriges Beispiel der Selbstverliebtheit des deutschen Journalismus, der sich permanent gebärdet die Sachen einzuordnen, dem Publikum zu erklären.


    Es wäre ganz einfach.

    Sagen was ist, berichten was ist.


    Unvoreingenommen, ehrlich die Konflikte beschreibend.

    So endet das im süffisanten Rechthaben.


    Und im so tun als wäre man offen für die Betrachtungen der gesamten Welt.

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