Frankreich

  • Ich dachte mal, dass die aktuellen Geschehnisse doch einen eigenen Thread verdienen könnten. Bisher tauchen Artikel ja in diversen Diskussionen auf, aber nirgendwo fokussiert.


    Generell interessieren mich persönliches Quellen aus erster Hand (Fotos, Videos, Kommentare), übersetzte französische Presse und deutsche Presse, die nicht im neoliberalen Mainstreammedien Tunnel klebt.


    Gerne kann auch meinetwegen bisher gepostetes, was klar zuordbar ist, hierhin verschoben werden.


    Ich eröffne mal mit zwei hübschen Screenshots von heute:



    Video zum zweiten Screenshot: Klick

  • Use of force signals ‘crisis of authority’ as France’s pension battle turns to unrest

    Fury at President Emmanuel Macron’s decision to bypass parliament on pension reform has sparked days of unrest across the country, reviving scrutiny of police’s heavy-handed tactics and leaving French cities shrouded in tear gas and smoke – with no end in sight to an increasingly bitter standoff.

    Ich dachte bisher immer, France24 sei so was wie n-tv - also irgendein News-Ableger eines privaten Medienkonzerns - aber tatsächlich ist der Sender (laut Wikipedia) komplett im Besitz des französischen Staates und wird über Gebühren und Zuschüsse aus dem Staatshaushalt finanziert.


    Erstaunlich, dass die so relativ Regierungsfern über diese Staatskrise berichten.

  • Das eher linksliberale, von einem Ex-Chefredakteur der Qualitätszeitung Le Monde gegründete Portal Mediapart richtet sich hier recht klar gegen den zunehmend autoritär agierenden Präsidenten, liefert aber ganz interessante Hintergünde aus dem politischen Paris. Offenbar hat Sonnenkönig Macron den Vorschlaghammer von Article 49-3 nicht nur am Parlament, sondern auch an seiner eigenen Premierministerin vorbei gezogen.

    The beginning of the end for Macron’s presidency?

    The French government on Thursday announced it will use an article of the constitution that allows it to adopt as legislation its proposed and hotly contested reform of the pensions system without a vote in Parliament. In this op-ed analysis of the move, Mediapart political correspondent Ilyes Ramdani argues that it is not only the latest manifestation of President Emmanuel Macron’s top-down exercise of power, but it may also represent one too many, opening up a profound crisis into which his second and final term in office is now plunged.

  • Zitat

    Macron said the “crowd” had “no legitimacy” in the face of France’s elected officials.

    Das ist gut!


  • "Auch wenn es in den deutschen Medien als ausgemacht gilt, dass Macrons Rentenreform längst beschlossen ist und in Kraft treten wird, muss die formale Gültigkei erst noch durch den Verfassungsrat bestätigt werden. Nachdem Regierung und Opposition gleichermaßen dieses Gremium, welches als höchstes Gericht fungiert, angerufen haben, wird nun eine Entscheidung innerhalb eines Monats erwartet. Das Gremium, welches sich formal aus den noch lebenden Staatspräsidenten (Sarkozy hatte sich aufgrund der zahlreichen Ermittlungsverfahren gegen seine Person schon vor Jahren zurückgezogen) und je drei vom Parlament und dem Senat bestimmten Personen zusammensetzt, wird die ernsthafen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in dieser Frist zu prüfen haben.


    Dabei geht es vor allen Dingen um Verfahrensfragen. So gilt der Verfassungsgrundsatz, dass eine allgemeine und umfassende Debatte von Gesetzen in der Nationalversammlung zu gewährleisten ist. Diese hat die Regierung durch zahlreiche Verfahrenstricks allerdings verhindert. So wurde das Gesetz zu einem Haushaltsgesetz umdeklariert, um die Debattenzeit zu verkürzen. In der zweiten Lesung wurde gar nicht erst debattiert, sondern der Artikel 49.3 genutzt. Es gab also nicht eine einzige wirkliche Beschlussfassung zum Gesetzestext. Damit sei das Recht des Parlaments auf umfassende Aussprache und Diskussion verletzt, meinen Verfassungsjurist*innen.


    Eine zweites Problem sind "sachfremde" Artikel im Gesetz, die ebenfalls verfassungswiedrig sind. So gibt es einen Artikel, der sich mit der Erhöhung der Beschäftigtenrate von älteren Menschen befasst. In einem Gesetz, dass sich aber mit den Grundlagen der Finanzierung und Struktur des zukünftigen Rentensystems befasst, könnten die Mitglieder des Verfassungsrates Maßnahmen zur Beschäftigung von Menschen über 60 Jahren als deplaziert und damit rechtswiedrig betrachten.


    Wie bereits erwähnt, sind die Mitglieder alle Ex-Politiker*innen, demzufolge wird die Entscheidung des Gremiums, dem der ehemalige Außenminister Lauren Fabius vorsitzt, auch unter politischen Gesichtspunkten fallen. Es wird sich zeigen, ob der Verfassungsrat den Zorn im Lande bremsen will und das Gesetz zumindestes teilweise stoppt, oder ob Staatspräsident Macron freie Hand gegeben werden soll und eine Beschädigung seiner Person durch ein grundlegendes Urteil gegen die Reform unterbleiben wird."


    Kommentar S. Chwala

  • Ich dachte bisher immer, France24 sei so was wie n-tv - also irgendein News-Ableger eines privaten Medienkonzerns - aber tatsächlich ist der Sender (laut Wikipedia) komplett im Besitz des französischen Staates und wird über Gebühren und Zuschüsse aus dem Staatshaushalt finanziert.

    Erstaunlich, dass die so relativ Regierungsfern über diese Staatskrise berichten.

    War bei uns auch mal so, das mit dem regierungsfern berichten. Ist aber irgendwie aus der Mode gekommen.


    Staatstragend genug ist man aber immerhin noch, Melenchon als Brandstifter zu bezeichnen. ("Firebrand")


    Fun fact: Dieser Staatsbesuch musste wohl abgesagt werden, weil die Angestellten in dem Schloss, wo das stattfinden sollte, nach Kenntnisnahme des Besuchs von Macron in Streik getreten sind. Hehe.


    Ach ja, jetzt fällt mir wieder ein, was mich an unserer Mentalität am meisten anwidert: Diese biedere, feige Obrigkeitsgläubigkeit.

  • Deutsche Qualitätsjournalisten (privat) lassen unterdessen keine Gelegenheit aus, den Linken die Schuld daran in die Schuhe zu schieben, dass die Rechtsradikalen Zulauf bekommen, wenn der "liberale" Präsident mal ordentlich durchgregiert:


  • "It should be stressed that Le Pen and the National Rally have play effectively no role in this protest movement. The movement is led by labor unions, going from moderate labor unions to more militant left-wing labor unions, and it’s being led by the parties of the left.


    I think it’s an important point to stress here. People that sort of expected or thought that maybe the French left was dead or that labor unions in France couldn’t mobilize anymore have been proven wrong by this movement. You have a mass movement that’s really — that’s being led by labor, that has shown it continues to have the sort of cultural appeal, the sort of power to mobilize the French workforce."


    Cole Stangler via Democracy Now



  • Diese Amerikaner verstehen halt nichts von europäischer Demokratiekultur.

    Auch hierzulande haben linksextreme Ideologen offenbar ein zweifelhaftes Demokratieverständnis. Zum Glück ist der deutsche Linksliberalismus wehrhaft und Widerspruchslustig:



    (Symboltweet)

  • Auch wenn als "nur" rhetorische Frage markiert, hier kam der D. Dehm her. Den weiteren Bezug müsste man dann wohl den fragen, der da gepostet hat.



    Zum Bezug von Wagenknecht kann ich in dem Kontext hier erstmal nix beitragen, aber auf der hauen hier manche, wie es scheint, so ganz prinzipiell gerne ein.

  • Vielleicht sollte man mal anfangen, sich grundlegend von diesen polarisierenden Reizfiguren zu lösen, zum Guten wie zum Schlechten.


    Letztendlich ist das eine Scheindiskussion, die sowohl von dem, was da gerade passiert als auch von dem, was nötig und möglich wäre, nur ablenkt.


    Wenn alle nur hysterisch-verkürzend hysterisch-verkürzende Twitter posts teilen wird nicht differenziert über Inhalte gesprochen.


    Ich finde sowohl diese Dehms als auch diese Böhmermanns und vor allem das ganze Gehampel drumherum nur noch störend, verkürzend und ablenked.


    Stell dir vor es ist Twitter und keiner geht hin.

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