A!449 - Saufomas

  • Ich bin erstmal Fan von Niemanden. Personenkult ist mir grundlegend zuwider. Zizek hat klasse Sachen rausgehauen, labert mitunter auch gerne mal wirsch daher. Wie die meisten anderen Menschen irgendwie auch. ;)


    Insofern wäre es mir lieber, wir alle würden mehr in Argumenten denken als in schwarz/weiss Schubladen mit Aufschriften wie "Zizek", "Böhmermann", "Wagenknecht" oder was weiss ich.

  • Wenn zwei sich widerwillig an eine Vereinbarung halten müssen, es hier und da tun, hier und da nicht, und einer der beiden dann plötzlich den Anderen überfällt und angreift, ist die Diskussion über die vorherige Zeit der Vereinbarung im Grunde genommen hinfällig. Dass Kiew (wie Moskau) Minsk I und II verletzt haben, ist jetzt wurst, da Moskau die Minsk-Abkommen ausradiert hat. Moskau hat die potenziell friedliche Lösung zunichte gemacht.

    Kannst du begründen, warum die (Über-)Reaktion der einen Seite jahrelange Provokationen der anderen (und insbesondere von deren Verbündeten) für die Einordnung des Geschehens hinfällig macht?

  • Kannst du begründen, warum die (Über-)Reaktion der einen Seite jahrelange Provokationen der anderen (und insbesondere von deren Verbündeten) für die Einordnung des Geschehens hinfällig macht?

    Weil es für einen Angriffskrieg keine Rolle spielt. Dafür kann es keine Rechtfertigung oder Entschuldigung geben. Man kann nicht in einen Angriffskrieg hineinprovoziert werden.

  • Weil es für einen Angriffskrieg keine Rolle spielt. Dafür kann es keine Rechtfertigung oder Entschuldigung geben. Man kann nicht in einen Angriffskrieg hineinprovoziert werden.

    Nach deinen Maßstäben kann man das nicht, auch nicht nach meinen. Aber unsere moralischen Ansprüche tun hier nichts zur Sache - Politiker und Militärs kennen durchaus das Konzept des Präventivschlags (preemptive strike, you know?). Das hier plötzlich zu vergessen wäre Messen mit zweierlei Maß (double standards).

  • Ich glaube, es gibt einfach immer noch das Missverständnis, dass hier angeblich irgendwas gerechtfertigt oder entschuldigt wird (oder es ist ein Strohmann). Aber darum ging es nie. Wenn man eine Lösung im Einvernehmen erreichen möchte - und nur die kann es sein, weil eine Lösung auf dem Schlachtfeld am ehesten noch Russland erreichen kann - dann muss analysiert werden, welche Partei in dem Konflikt welches Motiv hat, welche Motivation und was zu der Eskalation geführt hat.


    Nun ist diese Analyse nicht sonderlich schwer. Sie wird nur aus irgendwelchen Gründen bei uns schlicht abgelehnt, was dann so groteske Züge annimmt, dass die Auseinandersetzung mit der russischen Perspektive zum moralischen no-Go deklariert wird - oder eben als Rechtfertigung oder Entschuldigung. Dabei ist die Auseinandersetzung mit den Perspektiven der Konfliktparteien unumgänglich, wenn man einen Frieden verhandeln möchte.


    Die Ignoranz dieser völlig einfachen Tatsachen ist das eigentlich haarsträubende an der ganzen Debatte.


    Und noch grotesker: Diese Ignoranz hat letztendlich zu dieser Katastrophe geführt und nun soll noch mehr Ignoranz diese Katastrophe lösen. Es ist der gleiche Wahnsinn, wie Kapitalisten die elementaren Probleme des Kapitalismus mit noch viel mehr Kapitalismus lösen wollen.

  • Ich glaube, es gibt einfach immer noch das Missverständnis, dass hier angeblich irgendwas gerechtfertigt oder entschuldigt wird (oder es ist ein Strohmann).

    Tilo

    Es ist nunmal so, dass Russland sich das Recht herausnimmt, zu tun was sie gerade tun in der Ukraine. Und sie nehmen sich das Recht heraus unter Berufung auf westliche Vorbilder - ob in der Frage territorialer Integrität (Jugoslawien) oder bezüglich Präventivkrieg (Irak). Die Russen - und nicht nur die - lachen über uns, wenn wir mit der Moralkeule ankommen und bezichtigen uns der Heuchelei. Leider nicht zu Unrecht.


    Auch das ist Teil der Geschichte dieses Krieges, ob es uns gefällt oder nicht. Und auch wenn wir es vergessen - die anderen vergessen es nicht.

    Einmal editiert, zuletzt von Hannes628 () aus folgendem Grund: Ich schieb „Iran“, meinte aber natürlich „Irak“

  • Ich bleibe dabei: es findet im kollektiven Westen - und insbesondere im deutschen Bildungsbürgertum von "links"-liberal bis rechtskonservativ einfach eine völlig unkritische Gleichsetzung des ukrainischen Staates und seiner Staatsführung mit seiner Bevölkerug statt.


    Niemand hier hält es für legitim, dass die russische Führung ihren für sich selbst definierten Anspruch auf den Großmachtstatus samt Einfluss auf seine Nachbarläder auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung und seiner eigenen Soldaten mit brutaler Gewalt durchsetzt.


    Aber wer daraus den Umkehr- und geistigen Kurzschluss zieht, dass Solidarität mit jener Bevölkerung sich nur dadurch erweisen könne, dass man sich bedingungslos auf die Seite ihrer Staatsführung schlägt, deren selbst definierte Kriegsziele für sakrosankt erklärt, und sich jede Kritik an ihr verkneift, weil das dem verhassten Aggressor in die Hände spielen könnte, der argumentiert im Grunde nicht anders als Putin und andere Nationalisten, für die Volk, Nation und Nationale Führung als eine untrennbare Einheit zu gelten haben, die gegen jeden schädlichen Eifluss von innen wie von außen immunisiert werden müsse.


    Das ist alles aber nicht links - auch wenn Slavoj Zizek das Gegenteil behauptet.

  • Weil es für einen Angriffskrieg keine Rolle spielt. Dafür kann es keine Rechtfertigung oder Entschuldigung geben. Man kann nicht in einen Angriffskrieg hineinprovoziert werden.

    Kann man so sehen. Jedenfalls tut es weh.

    Eine Rechtfertigung und Entschuldigung dafür kann es nicht geben. Niemand kann in einen Angriffskrieg hineinprovoziert werden. Der Kompromiss sah bisher so aus:

    ...und ging auch durch.


    So, was tun wir denn jetzt?

  • Lügt Wagenknecht?


    Tilo und Hans werfen Sahra das bezüglich ihrer Aussagen bei Servus-TV im Kontext einer RAND-Studie vor. Was ist dran an dieser Anschuldigung? Was sagt Wagenknecht wirklich?


    Sie fordert, die deutsche Regierung solle auf Washington „Druck ausüben, das zu tun, was ja sogar die RAND Corporation […] von Biden fordert, nämlich abzugehen von dem Weg, einen langen Abnutzungskrieg […] mit Waffen zu munitionieren, weil sogar die RAND Corporation sagt, es ist wahnsinnig gefährlich, dieser Krieg kann eskalieren, auch atomar…“


    Einwurf Restle: „Das sagt nicht die Rand Corporation…“


    Wagenknecht: „Ja natürlich…“


    Geplänkel, Restle redet dazwischen.


    Wagenknecht weiter: „Die Rand Corporation hat sehr deutlich gesagt, aus zwei Gründen, der eine: der Hauptgegner ist China. Deswegen ist es ungut, sich da jetzt so zu involvieren […]. Aber sie hatten auch die ganz klare Ansage, sie gehen nicht davon aus, dass Russland dort irgendwann das Feld räumt, ohne alle militärischen Möglichkeiten ausgereizt zu haben und deswegen gibt es die Gefahr einer atomaren Eskalation, ganz klar, und je länger dieser Krieg geht, umso mehr.“


    Soweit, so richtig. Was Wagenknecht hier sagt ist tatsächlich die Essenz einer bei RAND erschienenen Studie, wir hatten sie bereits verlinkt:


    Avoiding a Long WarU.S. Policy and the Trajectory of the Russia-Ukraine Conflict


    Zitat

    President Biden has said that this war will end at the negotiating table.[74] But the administration has not yet made any moves to push the parties toward talks. Although it is far from certain that a change in U.S. policy can spark negotiations, adopting one or more of the policies described in this Perspective could make talks more likely. We identify reasons why Russia and Ukraine may have mutual optimism about war and pessimism about peace. The literature on war termination suggests that such perceptions can lead to protracted conflict. Therefore, we highlight four options the United States has for shifting these dynamics: clarifying its plans for future support to Ukraine, making commitments to Ukraine's security, issuing assurances regarding the country's neutrality, and setting conditions for sanctions relief for Russia.


    A dramatic, overnight shift in U.S. policy is politically impossible—both domestically and with allies—and would be unwise in any case. But developing these instruments now and socializing them with Ukraine and with U.S. allies might help catalyze the eventual start of a process that could bring this war to a negotiated end in a time frame that would serve U.S. interests. The alternative is a long war that poses major challenges for the United States, Ukraine, and the rest of the world.


    Tilo und Hans machen ihren Vorwurf der Lüge an zwei Punkten fest:


    1. Es ist nicht „DIE“ RAND Corporation, die das sagt, sondern es ist ein einziger Artikel unter vielen.

    2. Andere Artikel von RAND sagen das Gegenteil.


    Zu 1.

    Es ist durchaus üblich, insbesondere bei nicht besonders bekannten Autoren, zu sagen „Der Spiegel“, „die FAZ“ oder „die Zeit“ schreibt dies und jenes. Wahrscheinlich geschieht das viel häufiger als die explizite Nennung des jeweiligen Autors. Wie wir in unserer kleinen Presseschau bereits sahen, haben renommierte Medien diese Praxis auch für den besagten RAND-Artikel übernommen:

    Mir erscheint es etwas kleinlich, daraus einen Lügenvorwurf zu konstruieren. Wir sollten zukünftig ganz genau darauf achten, ob Tilo und Hans bei Zitaten aus Artikeln oder Clips die jeweiligen Autoren nennen und nicht beispielsweise sagen „Die Tagesthemen“ oder „das Nordmagazin“.


    Zu 2.

    Wichtiger erscheint mir der inhaltliche Aspekt. Gibt es bei RAND aktuelle Artikel, die das Gegenteil behaupten oder empfehlen gegenüber dem, was die von Wagenknecht zitierte Studie sagt?


    Ich versuche, Hans‘ Statement dazu so originalgetreu und verständlich wie möglich wiederzugeben. Nachzuhören ist es bei 2:41:12:


    "[...] vom Chefberater des RAND-Präsidenten geschrieben (???) über die Perspektive und Verhandlungen [...] ein schönes, merkbares Zitat [...], jetzt auf Deutsch gesagt: "Verhandlungen sind nicht das Gegenteil, die Alternative zum Konflikt, sondern Verhandlungen sind die Weiterführung des Konfliks." Und er hat gesagt "Verhandlungen können nicht mehr erreichen als militärisch erreichbar ist." Das ist eine komplett andere Einschätzung als die, die Wagenknecht da immer zitiert und auch das ist veröffentlicht von der RAND Corporation auf ihrer Seite."


    Eine komplett andere Einschätzung?


    Hans‘ RAND-Zitat ist so richtig wie banal. Verhandlungen sind die Fortführung des Konflikts mit anderen Mitteln, nämlich friedlichen. Ihr großer Vorteil ist, dass beim Verhandeln in der Regel keiner stirbt.


    Richtig ist auch, dass derjenige beim Verhandeln die besseren Karten hat, der militärisch stärker ist. Bezüglich Russland und der Ukraine ist das klar die Atommacht Russland. Auch konventionell scheint Russland aktuell im Vorteil zu sein. Die Ukraine müsste bei einer Beendigung des Krieges durch Verhandlungen wohl Gebietsverluste hinnehmen - jetzt mehr als vor etwa einem Jahr, als Verhandlungen nicht zuletzt am Unwillen des Westens gescheitert sind.


    Steht das jetzt irgendwie im Widerspruch zu der von Wagenknecht zitierten Studie? Diese sagt etwas zur territorialen Integrität der Ukraine und über den Preis, der dafür wahrscheinlich zu zahlen wäre:


    „Furthermore, if Ukraine does push beyond the pre-February 2022 line of control and manages to retake areas that Russia has occupied since 2014 (particularly Crimea, where the Russian Black Sea Fleet is based), the risks of escalation—either nuclear use or an attack on NATO—will spike. The Kremlin would likely treat the potential loss of Crimea as a much more significant threat both to national security and regime stability, given the assets deployed there and the political capital invested in the annexation of the peninsula.“




    Keine Rückeroberung des Donbass oder der Krim um den Preis eines Atomkriegs. Das ist die Haltung der von Wagenknecht zitierten Studie. Hans‘ RAND-Zitate stehen dazu in keiner Weise im Widerspruch, sondern bilden lediglich die Basis für diese nüchterne, an den Interessen der USA orientierte Analyse.


    Lügt also Wagenknecht? Nein, natürlich nicht.


    Nachtrag: Deutsche Übersetzung von Hans' RAND-Text als PDF eingefügt am 19.03.2023 um 19:54 Uhr


    RAND - Die Folgen des Krieges in der Ukraine - Das Ende und darüber hinaus.pdf

  • Echte Fleißarbeit @Yes. :thumbup:



    "Dazulernen":

    Bei Geschichte ist es immer wichtig, von welchem Anfang man sie erzählt

    Es ist üblich geworden, zu Beginn jeder Erwähnung der ungeheuren Tragödie um den Ukraine-Krieg wie eine Schwurformel von der „Zeitenwende“, vom völkerrechtswidrigen brutalen Angriffskrieg Putins bei feststehender Alleinschuld der russischen Seite zu reden und demütig zu bekennen, wie sehr man sich geirrt habe im Vertrauen auf eine Phase der Entspannung und der Versöhnung mit Russland nach der großen Wende 1989/90.

    Diese Schwurformel wird wie ein Ritual eingefordert, wie ein Kotau, um überhaupt weiter mitreden zu dürfen. Die Feststellung ist ja auch nicht falsch, sie verdeckt aber häufig genau die zentralen Fragen, die es eigentlich zu klären gäbe.

  • Danke RobFord Gesinnungsgenosse . Ist an mir vorbeigegangen, dass sie gestorben ist. Es ist die Melodie einer weisen, intelligenten und orientierten Vergangenheit.

    Europa sollte nicht immer auf der Suche nach Schurkenstaaten sein

    In unseren Medien verkörpert die Ukraine das Ideal und Vorbild einer freiheitsliebenden westlichen Demokratie heroischen Zuschnitts. Die Ukraine, so heißt es, kämpfe nicht nur für ihre eigene Nation, sondern zugleich für die universale historische Mission des Westens. Wer sich machtpolitisch behauptet, wer seine Existenz mit blutigen Opfern und Waffen verteidigt, gilt als Bollwerk für die europäischen Ideale der Freiheit, koste es, was es wolle. Wer aber den Weg des Konsenses, der Kooperation, der Verständigung und der Versöhnung sucht, gilt als schwach und deswegen als irrelevant, ja als verachtenswert. Von daher sind Gorbatschow und Selenskyj die eigentlichen Antitypen in der Frage, was es heute heißt, Europäer zu sein und die europäischen Tugenden zu verkörpern.

    [...]

    Es ist ein fataler Irrtum, zu meinen, durch den Widerstand gegen die anderen imperialen Mächte gewinne der eigene Nationalismus so etwas wie eine historische Unschuld. Das ist Selbstbetrug und einer der folgenschwersten europäischen Irrtümer. Er verführt auch heute noch viele junge Demokratien dazu, sich nur als Opfer fremder Mächte zu sehen und die eigene Gewaltgeschichte, die eigenen Gewaltphantasien für berechtigt zu halten. Was Europa immer wieder zu lernen hatte und historisch meist verfehlte, ist die Kunst der Selbstbegrenzung, der friedlichen Nachbarschaft, der Fairness, der Wahrung gegenseitiger Interessen und des Respektes voreinander. Was Europa endlich verlernen muss, ist das ständige Verteilen von Ketzerhüten, das Ausmachen von Achsen des Bösen und von immer neuen Schurkenstaaten.

    [...]

    So anders wie der unerträglich chauvinistische Lärm im Heute.

  • Kannst du bitte aufhören ständig Statements via Verlinkung hier einzufordern, vor allem wenn du die Hosts der Lüge bezichtigst? Ein post in die Richtung reicht.

  • Das ist mir auch sauer aufgestoßen.

    Man kann die Argumentation selbstverständlich so führen, und sie ist ja auch anscheinend sachlich richtig, dass es verschiedene Stimmen aus diesem RAND-Dingens gibt, das macht aber Wagenknechts Aussage nicht zur Lüge, denn auch ihre Aussage ist sachlich richtig.

    Man kann ihr da fehlende Differenzierung vorwerfen, man kann ihr auch manipulative fehlende Differenzierung vorwerfen, der Vorwurf der Lüge ist aber sachlich falsch und seinerseits manipulativ. Aktivistischer Grabenkampf. Schade, auch für Deutschland.

  • Falls ihr das Nord Stream-Thema nochmal aufgreift, könntet ihr euch mal ein paar der Auffälligkeiten vornehmen, also Fragen wie:

    • Warum ist ein Explosionsort physisch so weit von den anderen drei entfernt?
    • Warum fand die Explosion an diesem Ort zeitlich Stunden vor den restlichen Explosionen statt?
    • Warum wurden bei Nord Stream 1 beide Stränge der Pipeline zerstört, bei Nord Stream 2 aber nur ein Strang dafür gleich an zwei unterschiedlichen Stellen?
    • Warum wurden bei Nord Stream 1 beide Stränge der Pipeline zerstört, bei Nord Stream 2 aber nur ein Strang dafür gleich an zwei unterschiedlichen Stellen?

    Bei dem Punkt würde mich interessieren, ob man Sprengstoffladungen am verbliebenen Strang gefunden hat, ergo es eine Fehlzündung gab. Das ist für mich tatsächlich immer noch der fishiest part.

  • Podcast:

    „Wenn die Ukrainer Selenskyj nicht mehr wollen, dann können sie ihn ja abwählen.“


    Ukrainischer Soldat:

    Im Video zu sehen: Möglicherweise ein Ukrainer.

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