A!449 - Saufomas

  • *trommelwirbel*

    Danke! Der erhobene Vorwurf wiegt schwer, da ist die ungeteilte Aufmerksamkeit des geneigten Publikums umso wichtiger.


    Zunächst einmal gilt es, sich mit der strittigen Materie vertraut zu machen:


    Deeskalation im Ukraine-Krieg: US-Thinktank rät zu Verhandlungen


    Zitat

    Wie kann man das Morden stoppen? Die Rand-Corporation, eine nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA gegründete Denkfabrik, die neben dem Pentagon auch das Weiße Haus berät, hat sich darüber im Gegensatz zur EU Gedanken gemacht. Die Autoren Samuel Charap und Miranda Priebe stellen dabei die Interessen der USA – die »nicht gleichbedeutend sind mit den ukrainischen« – in den Mittelpunkt. Ihr Fazit: »Die Kosten und Risiken eines langen Krieges… sind erheblich und überwiegen die möglichen Vorteile eines solchen Kurses für die Vereinigten Staaten.«


    Link zu RAND: https://www.rand.org/pubs/perspectives/PEA2510-1.html


    Hans (2:41:12):

    "[...] vom Chefberater des RAND-Präsidenten geschrieben (???) über die Perspektive und Verhandlungen [...] ein schönes, merkbares Zitat [...], jetzt auf Deutsch gesagt: "Verhandlungen sind nicht das Gegenteil, die Alternative zum Konflikt, sondern Verhandlungen sind die Weiterführung des Konfliks." Und er hat gesagt "Verhandlungen können nicht mehr erreichen als militärisch erreichbar ist." Das ist eine komplett andere Einschätzung als die, die Wagenknecht da immer zitiert und auch das ist veröffentlicht von der RAND Corporation auf ihrer Seite."


    Hans weist dann darauf hin, dass die RAND Corporation "sehr unterschiedliche Gedanken" veröffentliche. Wagenknecht wirft er vor, einzele der Gedanken, die in ihr Narrativ passen, selektiv rauszusuchen und so zu tun, "als sei das DIE Haltung dieser Institution. Da manipuliert und damit LÜGT Wagenknecht einfach [...].


    Soweit der Vorwurf von Hans. In der Fortestzung schauen wir uns an, was Wagenknecht unter Berufung auf RAND tatsächlich gesagt hat.


    - wird fortgesetzt -

  • Wir können uns vermutlich auf die ukrainische Bevölkerung als Ziel von Solidarität einigen, ich persönlich würde das erweitern auf alle, die im Konfliktgebiet leben. Denke der Unterschied ist verständlich. Das bringt mit sich, dass die Interessen dieser größeren Gruppe schonmal nicht allein von der ukrainischen Regierung vertreten werden, aber ignorieren wir das an dieser Stelle. Warum aus dieser Solidarität folgt, dass man im Grundsatz erstmal alles, was die ukrainische Regierung tut, für legitim halten soll oder zielführend, auch warum die Ziele, die sie verfolgt, übernommen werden sollten, das erschließt sich mir nicht.


    Und dann ist im zweiten Schritt die Frage, inwiefern diese Regierung überhaupt Herr ihrer eigenen Entscheidungen ist. Man kann natürlich den Zusicherungen unserer Seite glauben, dass wir den Ukrainern nur - soweit möglich - helfen, dass sie in dem, was sie entscheiden, frei sind, dass sie selbst bestimmen, wann sie verhandeln usw. Nur, wenn man den Großteil der Rechnungen zahlt, ist das in der Regel nicht, wie es läuft. Und es ist ja nicht so, dass die US-Amerikaner in dem Spiel - bewusste Verwendung - das sie gegen die Russen spielen, nicht auch gelegentlich ihren Eingriff in ukrainisches Handeln signalisieren. Etwa als sie via New York Times o. ä. die Behauptung verbreitet haben, dass die HIMAR-Systeme so modifiziert sind, dass die Ukrainer sie nur auf eine bestimmte Art und Weise verwenden können. Es ist auch nicht so, dass nicht schon Medienkommentatoren "auf der Seite der Ukrainer" gepriesen haben, wenn die weise Hand aus dem Westen die heißblütigen ukrainischen Instinkte moderiert, um die Eskalation zu begrenzen.


    Ich habe meine eigene Meinung, was ich für im Interesse der Betroffenen halte. Darin liegt natürlich auch immer eine gewisse Anmaßung, aber ich billige das jedem zu, ganz unabhängig vom Kenntnisstand. Ich denke allerdings, diese Meinung wird fundierter, wenn man die Entstehung und Entwicklung des Konflikts versteht, wenn man die Separatisten nicht als Schergen des Aggressors ausblendet, wenn man sich der geopolitischen Dimension bewusst ist. Und ich würde nicht mal in Abrede stellen, dass diese Meinung durch mein Eigeninteresse oder meine Sicht auf andere Fragen gefärbt ist, ohne dass ich das sauber trennen kann. Aber ich halte sie dennoch für weniger beeinträchtigt, als die Leute, die sich der Phantasie hingeben durch die Ukrainer Russland oder die Russen oder das russische Regime oder Putin entgültig loszuwerden. Insbesondere wenn sie sich dabei auf das edle Ansinnen der Ukrainer stützen, ihr Leben für diese gute Sache zu geben.

  • Lügt Wagenknecht?


    Bevor wir uns (morgen) Wagenknecht zuwenden und ihrer Interpretation der strittigen RAND-Studie, hier noch eine kleine Presseschau:


    Berliner Zeitung:

    RAND Corporation: Diesen Krieg kann keiner gewinnen. Kehrt jetzt Vernunft ein?


    Die US-Denkfabrik RAND Corporation rät zu Waffenstilstand und Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Grundlage ist eine schonungslose Militär-Analyse.


    Jacobin:

    Selbst die RAND Corporation sagt: Eine militärische Lösung gibt es nicht


    Ein neuer Bericht der RAND Corporation – dem vielleicht einflussreichsten strategischen Thinktank der USA – bestätigt: Der Ukraine-Krieg endet am Verhandlungstisch oder gar nicht.


    RND:

    Lösungen am Verhandlungstisch? Denkfabrik stellt Ideen für Frieden in der Ukraine vor


    Wie und wann kann der Krieg in der Ukraine beendet werden? Dieser Frage ist das US-amerikanische Thinktank Rand Corporation nachgegangen. Die Denkfabrik stellt Lösungsansätze dar, die nicht nur Kiew Vorteile bringen würden.



    Was auffällt: Keiner dieser Berichte über die RAND-Studie weist darauf hin, dass die Studie von Samuel Charap und Miranda Priebe in dem Think-Tank nur eine Meinung unter vielen, teils sogar gegensätzlichen darstellt.


    Hans und Tilo : LÜGEN diese Medien?


    - Wird fortgesetzt -

  • Georg sagt heute zu damals nichts anderes. Aber damals ist nicht heute.


    Warte schon darauf, dass du mir meine Haltung von damals um die Ohren haust. Dazulernen ist schließlich verdächtig.

  • Georg sagt heute zu damals nichts anderes. Aber damals ist nicht heute.

    Ja damals ist nicht heute, weil damals die ukrainische Armee und diverse Nazipatriotische Milizen mehr oder weniger völkerrechtskonform gegen die eigenen abtrünnigen StaatsbürgerInnen auf dem eigenen Territorium eingesetzt wurden, während heute die russische Armee und russische Söldner völkerrechtswidrig in ein anderes Land eingedrungen sind und dessen StaatsbürgerInnen terrorisieren.


    Ich habe schon verstanden, dass hier der völkrerrechtswidrige Angriff zum Zweck der Aneignung fremden Territoriums und die sich daraus ergebende Missachtung der territorialen Integrität des ukrainischen Staates als absolut ungeheuerlicher Tabubruch der russischen Führung angesehen wird, der im politischen Berlin sogar die Zeit gewendet, und alle historischen Entwicklungen, die in den letzten fast dreißig Jahren zu dieser furchtbaren Eskalation geführt haben, einfach bis zum - auch von Hans immer wieder gerne angeführten - Budapester Memorandum von 1994 zurück gespult hat.


    Aber die territoriale Integrität und uneingeschränkte Staatlichkeit der Ukraine - die Euch allen offenbar so heilig ist, dass ihr es richtig findet, wenn die ukrainische Führung jeden Zentimeter davon ohne Rücksicht auf Verluste verteidigt, und dafür ihre männliche Bevölkerung auch mit Gewalt an die Front und in den Tod zwingt - war auch damals schon durch die russische Führung und die von ihr unterstützten Separatisten in den sogenannten Volksrepubliken in Frage gestellt.

    Und dennoch hat Restle damals nicht gefordert, man solle dem Ukrainischen Staat westlicherseits bedingungslos zum militärischen Sieg gegen die Aufständischen und ihre russischen Sponsoren, und somit zur vollständigen Wiederherstellung der Souveränität über sein offizielles Staatsgebiet verhelfen, sondern er hat die EU dazu aufgefordert, sich (auch mit Druck auf die ukrainische Führung) für ein schnelles Ende des Bürgerkrieges einzusetzen.


    Nichts anderes fordert jetzt eine "Querfront" aus Sahra Wagenkecht und Alice Schwarzer mit solchen rechtspopulistischen DemagogInnen wie etwa der leider gerade verstorbenen ehemaligen Budestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, dem amerikanischen Urgestein der Bürgerrechtsbewegung und Methusalem des linken Antiimperialismus Noam Chomsky, oder dem absoluten Pro-Europäer und linken Kämpfer für eine tatsächlich progressive humanistisch aufgeklärte EU Yanis Varoufakis.


    Man kann sich nun wie der staatstragende öffentlich rechtliche Haltungsjournalist Georg Restle - und leider offenbar auch Hans und Du - darin ergehen, auf jeder Friedenskundgebung die Reichsbürger, Neo-Nazis und Putinisten zu zählen, oder an irgendwelchen Manifesten und offenen Briefen zu kritisieren was da alles nicht drin steht, und daraus dann ableiten, dass sich deren ProtagonistInnen der - von einer aus allen Rohren, in allen Medien feuernden, und von klickzahlentreibenden Algorithmen zu bisher ungekanntem Ausmaß potenzierten politischen Kriegspropaganda zur neuen Wirklichkeit erklärten - "Realität" verweigerten, oder dass sie womöglich gar mit voller Absicht das perfide Spiel des Kremlhitlers und seiner rechtsradikalen AgentInnen im freien Westen spielten, um die Geschlossenheit der westlichen Völker hinter den Kriegszielen ihrer politischen Führungen zu spalten und die Wehrkraft der wehrhaften Demokratie zu zersetzen.


    Oder man kann anerkennen, dass es weder der russischen, noch der ukrainischen, und schon gleich gar nicht der amerikanischen Führung bei diesem Gemetzel um das Wohl "der Ukrainer", um das Völkerrecht, oder um sonst irgendwelche höheren Werte geht, sondern um die Durchsetzung ihrer jeweiligen geopolitischen und nationalen Machtinteressen, und dass die immer wieder so vehement geforderte Solidarität mit den mittlerweile in die Hunderttausende gehenden Opfern dieses Krieges nicht das gleiche ist, wie Solidarität mit der ukrainischen Regierung und mit ihrem Anspruch auf die volle Souveränität ihrer Herrschaft über das ukrainische Staatsgebiet.


    Es mag ja sein, dass mit der russischen Führung derzeit wirklich kein Frieden zu machen ist. Aber so lange man es nicht wenigstens ernsthaft versucht, anstatt täglich aufs neue publikumswirksam zu bekunden, dass mit dem brutalen Angriffskrieger Putin nicht zu verhandeln sei, und dann ganz diplomatisch in der Welt herum zu reisen, um Länder des globalen Südens, die sich bisher unwillig zur bedingugslosen Parteiahme zeigen, mit der Macht der westlichen Weltmarktdominanz auf "unsere" Seite des Kofliktes zu ziehen, macht man sich als deutsche Staatsregierung und als politische Klasse - inklusive ihrer publizistischen BeipflichterInnen - mitschuldig daran, dass ukrainisches Land und ukrainische Städte jeden Tag ein Stück weiter verwüstet und zerstört, und dass tausende von ZivilistInnen und SoldatInnen vertrieben, verletzt und getötet werden.

    Dazulernen ist schließlich verdächtig.


    Und wenn "dazulernen" heißt, dass man die Fortsetzung des Mordens und Totschlagens für "unsere" Werte in einem anderen Land nach der #Zeitenwende wieder für notwendig und unterstützenswert erachtet, nur um sich als westliche Wertegemeischaft gegenseitg der eigenen moralischen Deutungshoheit und Treue gegenüber irgendwelchen nationalen Identitäten und Internationalen Rechtsprinzipien zu versichern, dabei völlig auszublenden, dass diese Selbstherrlichkeit und die eigene willkürliche Missachtung jener Prizipen bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit dazu beigetragen haben, dass dieser Krieg überhaupt erst zustande kam, und statt dessen alle Widersprüche dieser heiligen globalen Ordnung allein dem russischen Autokraten und seiner Kamarilla zu überantworten, dann ist das nicht "verdächtig" sondern einfach nur unglaublich töricht und gefährlich für die ganze Welt.


    Und den Opfern des Krieges, mit denen man sich allenthalben so öffentlich solidarisch präsentiert, hilft es absolut überhaupt nichts.

  • Lassen wir mal beiseite, dass du in der Vorstellung lebst Wehrpflicht im Verteidigungsfall = Zwang zum Schießen/Töten an der Front... Wenn du nicht schießen willst, wirst du halt in anderen Bereichen eingesetzt. Das ist die Realität und bei uns grundgesetzlich verankert.

    Nicht in der Ukraine... und darum ging es im Podcast. Auf diese Zustände hat sich dann schließlich auch Dein "Ditt is halt so" bezogen. Als aufmerksamer Zuhörer des zwanziger Salons war mir zumindest klar worüber Stefan da redet. Wolfgang brachte dieseñ Artikel letztlich mit und verurteilte genauso wie wir diese Praxis. Im letzten "Wohlstand für alle" kommentierte Wolfgang dann wiederum die Idee, wie "Süß und ehrenvoll es sei fürs Vaterland zu sterben" und ich kann mir durchaus vorstellen, dass er das mit Blick auf Euren Podcast tat. Ich hörte das als Kommentar, der auch an Deine Adresse ging und kann mich dem dort Gesagtem nur anschließen.


    Viel schwieriger find ich, dass du jemanden, der zumindest überlegen würde im Verteidigungsfall Soldat zu sein mit Nationalist (böse) gleichsetzt. Das ist sooo krass. Ist denn derjenige, der nach dem ersten Schuss sofort das Land verlässt und vom Strand eines anderen Landes den Verteidigungskrieg seiner Heimat beobachtet, ein Held für dich?

    Sagen wir mal so; Ich kann einen gewissen Nationalismus tolerieren. Ohne Nationalismus, kein (National-)Staat. Grundsätzlich "böse" finde ich das auch nicht. Ich kann es mir nur nicht vorstellen Deutschland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Und wenn ich auf jemanden schießen würde, dann wohl eher noch auf jene, die aus einem Lieferwagen springen um mich zu zwingen das zu tun.

    Und Helden? ... gibt's im Kino.

    Hier sind viele weder links noch pazifistisch noch anti-imperialistisch, scheint mir. Solidarität mit dem Opfer/dem Schwächeren? Fehlanzeige

    Was ist denn für Dich links, pazifistisch oder anti-imperialistisch? Etwa Mehrarbeit für mehr Waffen? (Siehe Dänemark) Oder "frieren für die Freiheit"? Wie sieht es denn hierzulande in vielen Haushalten so aus, seit dem sich die Energiepreise verdoppelt haben und wen unterstützen wir da eigentlich auch mit der Aufgabe unseres Wohlstandes? Da kann man jetzt antworten: "den Angegriffenen" Ich weiß nicht ob es dazu nicht mehr zu sagen gäbe. Ich bin sogar klar der Meinung, dass es dazu mehr zu sagen gibt ohne, dass ich hier einen ertragbaren Korridor verlasse.

    Auch ich bin natürlich der Meinung, dass Putin moralisch, menschlich, politisch alles verspielt und falsch gemacht hat. Und nein: russischer Imperialismus ist nicht besser als amerikanischer Imperialismus. Deshalb ist westliche Kriegspropaganda aber auch nicht besser als russische Kriegspropaganda. Ich für meinen Teil möchte versuchen einen realistischen Blick auf die Dinge zu behalten, jenseits von schwarz und weiß und jenseits von Helden und "Orks".

  • Möchtest du hier wirklich mit deiner triefenden Häme punkten?

    Nein, tut mir leid. Das ist mein scharfer Humor. Der bereitet mir aber zugegebener Maße auch irl immer wieder Probleme. Aber so wie Hans, trage ich solche Dispute nur mit Menschen aus, die ich respektiere und dir mir etwas bedeuten. :)

  • Die Forderung nach Solidarität mit dem Opfer ist interessant. Pauschal wird sie gefordert und auf die Frage, wo sie denn enden soll, würde man vermutlich auch wieder keine Antwort bekommen.


    Es ist der zweite Schritt nach der dafür notwendigen Reduzieren auf den Akt der Invasion zur Opfer-/Täterdeinordnung. Es ist ein rhetorischer Trick, der in diesem Fall die Ukraine idealisiert. Nicht selten wird an dieser Stelle auch der Vergleich mit einem schlimmen Verbrechen (z.B. Vergewaltigung) gegen eine wehrlose Person herangezogen, damit der Victim Blaming Vorwurf besonders verfängt.


    Eine solche Idealisierung funktioniert nicht, wenn man Hintergründe und Vorgeschichte (Tathergang) im Diskurs zulässt. Daher wird die Auseinandersetzung damit auch verweigert.

    Die Idealisierung hilft dann dabei sich zu versichern, auf der Seite der Guten zu stehen und Handlungen zu legtimieren, derer Falschheit man sich ansonsten eigentlich bewusst ist, und die man beim "Bösen" auch anprangern würde. Man überlistet seinen eigenen Verstand. Wir hatten ja durchaus auch schon empörte Artikel über Berichte von russischen Fahnenflüchtigen über deren Schicksale. Genauso ist das mit den zurecht kritisierten russischen Nazis. Da klappt das Anwenden der moralischen Grundsätze dann immer noch hervorragend.


    Dass man solch emotionale Befangenheit und ihre Dynamiken besonders in Krisenzeiten hervortreten und das Denken kontaminieren, wie in diesem Fall durch den Krieg, liegt möglicherweise an der damit verbundenen Furcht und der Ungewissheit, die einen dazu veranlassen, sich auf bereits zuvor vergewisserte Feindbilder zu fokussieren. In Gefahrensituationen ist keine Zeit zum Nachdenken.

    Mit genug Abstand zum eigentlichen Geschehen wäre man aber durchaus dazu in der Lage.


    Die Stimmung kippt analog dazu durch gegenseitige Selbstverstärkung.

    Die Journalisten scheinen in solchen Situationen mehrheitlich besonders voranzuschreiten und eine Schlüsselrolle zu spielen, um den Schutzreflex gesamtgesellschaftlich auszulösen. So richtig scheint der Stimmungsfunke aber dieses mal nicht übergesprungen zu sein. Macht ja nichts, es reicht dass man in den Machtzentren Feuer und Flamme ist.


    Die Beschämung derer, die nicht bereit sind sich "solidarisch" zu opfern gehören dazu. Früher bekam man Sybmbole angesteckt, wenn man keinen Kriegsdienst leisten konnte. Im modernen Meinungskrieg etikettiert man die Kriegsgegner als Lumpenpazifistenschwurbler.

    Früher konnte der Kaiser die Friedensdemos einfach verbieten. In der modernen Demokratie wird erstmal die Nähe zur geächteten radikalen rechten konstruiert. Gleichwohl ist es offensichtlich generationenübergreifend, dass viele Menschen im Ernsfall ihre Ideale einfach über Bord werfen können. So ist halt Krieg.


    Und dass die Willkür Bewertung über die Legitimität der Kriegsdienstverweigerung auch immer vom sich wendenden Zeitgeist abhängig ist, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Wenn es drauf ankommt, zählt der Erhalt des Stammes eben am Meisten.

  • Wie schon öfter mal gesagt, ich fand mich nach initialem Schock, dass sich die Situation radikal anders entwickelt hatte, als von mir erwartet, vor einem Jahr in der komfortablen Lage wieder, dass ich mein Weltmodell nicht anpassen musste und es stattdessen nachhaltig bestätigt fand. Hier, schon 26. Februar:


    Eigentlich denke ich mittlerweile mein zentraler Irrtum in der Bewertung war, dass ich nicht wusste, wie weit wir auf der Eskalationsleiter hochgestiegen waren, alles andere ist gar nicht so anders.


    Ich habe seitdem enorm viel dazugelernt, hat jetzt auch nicht "geholfen". Man kann mir vorwerfen hier einem klassischen Bestätigungsfehler zu unterliegen, dass ich eben nur das dazulerne, was meine Sicht stützt. Ich persönlich glaube natürlich, dass ich schon vorher im Ansatz einigermaßen richtig lag und deshalb keine größeren Korrekturen vornehmen musste.


    Insofern wer hat schon was gegen dazulernen? Bloß wenn das Dazulernen jemanden zu Ansichten bringt, die man selbst zumindestens toleriert, ist es okay, wenn es Ansichten sind, die man nur schwer toleriert, ist es halt doof. Und der Person, die dazugelernt hat, wird es umgekehrt nicht anders gehen. Die Hoffnung für beide Seiten bleibt mehr dazulernen, idealerweise - jedenfalls wenn man gerne recht behält, so wie ich - beim jeweiligen Gegenüber.

  • Georg sagt heute zu damals nichts anderes. Aber damals ist nicht heute.


    Warte schon darauf, dass du mir meine Haltung von damals um die Ohren haust. Dazulernen ist schließlich verdächtig.

    Insofern wer hat schon was gegen dazulernen? Bloß wenn das Dazulernen jemanden zu Ansichten bringt, die man selbst zumindestens toleriert, ist es okay, wenn es Ansichten sind, die man nur schwer toleriert, ist es halt doof. Und der Person, die dazugelernt hat, wird es umgekehrt nicht anders gehen. Die Hoffnung für beide Seiten bleibt mehr dazulernen, idealerweise - jedenfalls wenn man gerne recht behält, so wie ich - beim jeweiligen Gegenüber.


    Zur Klarstellung: Es ist das Gegenteil von Dazulernen, wenn man bis zum 24.02.2022 Gewusstes schlagartig vergisst.

  • Was für eine perfide Verdrehung von dir. Hier geht's nicht um "vergessen", sondern um eine Neueinordnung alles Geschehenen. Denn was ist am 24. Februar passiert?

    Na eine (maximale) Eskalation, von der man bis 24.02. immerhin noch warnte und die mit den Minsk-Verhandlungen vermieden bzw hinausgezögert werden sollten, no?


    Die Bestätigung der Analysen bis zum Tag des Einmarschs kann doch nicht gleichzeitig Begründung einer Neueinordnung sein. Oder was übersehe ich?

  • Wenn zwei sich widerwillig an eine Vereinbarung halten müssen, es hier und da tun, hier und da nicht, und einer der beiden dann plötzlich den Anderen überfällt und angreift, ist die Diskussion über die vorherige Zeit der Vereinbarung im Grunde genommen hinfällig. Dass Kiew (wie Moskau) Minsk I und II verletzt haben, ist jetzt wurst, da Moskau die Minsk-Abkommen ausradiert hat. Moskau hat die potenziell friedliche Lösung zunichte gemacht.

  • Da es auch hier ja viele Zizek-Fans gibt...


  • Aber er sagt auch, dass man kein russischer Patriot sein kann, ohne hinter der Ukraine zu stehen. Das setzt auch den Rest dem Verdacht aus, eine steile These zu sein.


    Im Ernst, Žižek ist doch noch nie damit aufgefallen, dass er Pazifismus etwas abgewinnen konnte, oder?

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