#630 - Journalist Andreas Zumach über Ukraine & Geopolitik

  • Morgen, Montag, ab 15 Uhr, LIVE



    Zu Gast im Studio: Journalist Andreas Zumach. Von 1988 bis 2020 war er Schweiz- und UN-Korrespondent für die tageszeitung (taz) mit Sitz am europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf. Andreas gilt als ein Urgestein der Friedensbewegung.


    Wir sprechen mit ihm über den russischen Überfall auf die Ukraine uvm.

    Her mit euren Fragen zum Frieden in der Ukraine!


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    Zuletzt (wie in A!448 gezeigt) war Andreas in der Phoenix Runde zu sehen


    • Glaubst Du dass die deutschen Qualitätsmedien mit ihrer Berichterstattung über den Krieg und über seine Rezeption in der deutschen Gesellschaft eher dem Frieden dienlich sind, oder eher zu einer Verlägerung des Krieges und zu weiteren Eskaltionen beitragen?
    • Wie kritisch kann Berichterstattung noch sein, wenn sich die BerichterstatterInnen offen mit den Zielen einer der beiden Kriegsparteien und mit der eigenen politischen Führung gemein machen?
  • Zumach ist mit seinem Geschichtsbewusstsein, seiner Fähigkeit zu Selbstreflektion gepaart mit seiner Unerbittlichkeit medialen Vereinnahmungsversuchen gegenüber ein absolutes Fossil, was sowohl den geostrategischen Dialog als auch den gesellschaftlichen & medialen Umgang anbetrifft.


    Vor dem Hintergrund lohnt es sich (stundenlang) genau den Vektor der Konfliktherleitung und unserem medialen damit Umgang abzufragen, da wird man Ansichten und Aussagen herausholen können, die dieses iView zu einer stringenten logischen Abhandlung des ganzen Zeitenwendekomplexes machen und damit ganz nebenbei stellaren Abrufzahlen verhelfen kann, was wir so dringend brauchen wie nur irgendwas in Zeiten tumber lanz'scher Hexenverbrennung.


    Ausserdem traue ich ihm als einem der Wenigen zu, Defizite, Fehler und Irrtümer aufseiten von Putins Russlands nüchtern zu benennen, zu analysieren und einzuschätzen, denn das wird ohne Schaum vor dem Mund geschehen. Die Fehlannahmen auf westlicher Seite fallen dabei mit ab, wobei hier die widerspenstige Haltung des globalen Südens ein spannender Abzweig wäre.


    Und auch die Frage: 'Krieg "gewonnen" - was nun?' worin aus seiner Sicht dieser Konflikt münden wird, welche Herausforderungen welches Szenario mit sich trägt und worauf geachtet werden muss, damit das Verhältnis RU & West nicht permanent "Reset" erfahren muss, muss unbedingt mit rein.


    Falls nach diesen 6h noch Luft bleibt, als Bonus Nordstreamsprengung abfragen :).

    • Was müsste sich in D ändern, wie wir Ost-Europäische Interessen bewerten?
    • Was schätzt er, welche Bedingungen mittelfristig für einen Waffenstillstand erfüllt werden müssen? Hält er eine Demarkationslinie für denkbar? - Wer könnte diesen Waffenstillstand international begleiten/sichern? (Welche Vorbilder gibt es?)
    • Welche Bedingungen müssten langfristig aus seiner Sicht erfüllt sein, für einen nachhaltigen Frieden? Geht das ohne rus. Regimewechsel?
    • Wie bewertet er die bisherigen Verhandlungen und Vermittlerstaaten und welche Rolle spielt dabei die russische Glaubwürdigkeit?
    • Wie funktionieren Verhandlungen, wenn sich rus. als militärisch überlegen ansieht?
    • Welche strukturellen Veränderungen wird dieser Krieg für die internationale Ordnung bringen?
    • Mal abgesehen von den in Hollywood kultivierten russischen Feindbild seit den 1950er Jahren, glaubt Andreas wir hätten heute einen anderen Putin vor uns, wenn es seit 2004 keine NATO Beitritte gegeben hätte? - Wie konnte sich Putin derart in seinem Denken "gegen die Verwestlichung" radikalisieren und ein Autokrat werden, dabei selber den eigenen Staat vernachlässigen für soziale Reformen und kapitalistische Oligarchen fördern, die am liebsten selber im Westen leben?
  • G.r.o.s.s.a.r.t.i.g.


    4h! Würdig. Spannend. Voller Details. Tonnenweise zitierwürdige Stellen. Und die Aussicht auf mindestens 2 vertiefende Fortsetzungen.


    Vielen lieben Dank & sehr gut gemacht hansj.


    Ich hoffe und glaube, die Vorhersage bzgl der riesigen Zugriffszahlen geht auf.

  • Gute Besserung an die Technik!


    Ansonsten: Holy Cow, wie kann man in so einem langen Interview durchgehend so klar und strukturiert die Dinge erklären. Allein performancetechnisch alle Achtung. Inhaltlich kann ich leie nur zustimmen.


    Danke J&N, wird fleißig geteilt.

  • Es war sehr dicht und aufschlussreich, danke dafür, auch besonders an Hans!


    Auch wenn viele hier schockverliebt sind, ich bins nicht so ganz und ich glaube es liegt vielleicht daran, dass er exakt das gleiche Baujahr wie mein Vater ist, der hat auch ein Talent dafür viel zu weit auszuholen und er ist eben ein Zeitzeuge. Und Zeitzeugen bringen immer auch eine eigne Wahrnehmung mit rein.


    Ich glaube für den nächsten Besuch müsst ihr das mit Obama aufklären, das war wirklich verwirrend, aber gut, man kann bei so viel Geschichte auch mal was durcheinanderbringen. Solche Erzählungen schmücken ihn natürlich, aber N-Wort fand ich dennoch absolut überflüssig.


    Was ich ebenso kritisch fand, waren seine Ausführungen darüber, wenn man der einen Seite etwas zugesteht, dann der anderen eben auch. Es geht hier ja nicht um eine Eissorte und jeder soll eins bekommen. Ich finde sowas ist Unsinn und ich sehe die US Stützpunkte sehr kritisch, aber russische Stützpunkte wären nun auch nicht Teil der Lösung, dass denke ich auch über die Ausweitung der chinesischen Stützpunkte. Später kam er dann eh zur Abrüstungskontrolle und auch das muss begleitet werden.


    Richtig gut fand ich, dass die Initiative von Kofi Annan ins Spiel gebracht wurde! Das wird oft vergessen, auch bei der Frage wie wir denn nun Verhandlungen voran bringen, welche Rolle die UN spielen kann! Und endlich bringt auch jemand Ansätze von einem postkolonialen Verständnis mit rein, das hören wir auch nicht oft.


    Übrigens gibt es dazu Felwine Sarr, der in Afrotopia ganz gut beschreibt wie wichtig eine emanzipierte Wirtschaft ist. Allerdings zeigen die Generalversammlungen eine Sache: die afrikanische Union ist weit davon entfernt mit einer Stimme zu sprechen. Wer wissen will schnell chinesische Investitionen Abhängigkeiten schaffen, muss sich nur die Geschichte vom Hafen in Sri Lanka ansehen. In Tanzania gibt es gerade Streit um einen Hafen und in Senegal wurde neben dem Flughafen auch Museum gebaut (mit chinesischen Feuerlöschern, kein Scherz).

  • Welche meinst du jetzt? Die Abkommen, die die USA gebrochen oder aufgekündigt haben, oder die, die Putin gebrochen hat?


    Also bleibt noch die Frage, wie international Abrüstungsabkommen am besten umgesetzt werden könnten.

  • Mir fällt es zwar schwer ihn grundsätzlich zu kritisieren, weil er ja in Bezug auf den westlichen Umgang mit dem Krieg in der Ukraine und dessen Vorgeschichte in etwa das selbe sagt wie ich, aber es war halt leider wirklich ein Fest der Anekdoten und Veteranengeschichten, das den überzeugten AnhägerInnen von "Frieden schaffen mit Waffen" einfach zu viele offene Flanken bietet, durch die sie Zumach vorwerfen können, er habe sich nicht ausreichend empathisch mit den Betroffenen solidarisiert


    Trotzdem Danke dafür, dass ihr mal jemand eingeladen habt, der zu diesem Thema nicht mehr oder weniger auf Linie unserer politischen Klasse und des sie stützenden "liberalen" Bildungsbürgertums argumentiert.


    Und danke hansj. für das - wenn auch etwas verklausulierte - Stellen meiner Frage.

  • https://twitter.com/berthoppe/status/1633575473044176900



    Nun, was ist hiermit:


    https://www.washingtonpost.com…sky-interview-transcript/


    Zitat

    When it comes to all warnings or signals from certain partners, here is what I explained to them: If we don’t have enough weapons, it will be difficult for us to fight. We will fight them, that’s for sure. And they don’t want to talk. [Russian President Vladimir Putin] hasn’t been willing to communicate for three years. So I don’t want to listen to this nonsense that Russians are ready to talk, this is nonsense. I clearly explained that. Everything we need is weapons, and if you have the opportunity, force him to sit down at the negotiating table with me. I’d been talking about this specifically, because we believed there will be an invasion.


    Direkt danach kommt er auf die sieben Milliarden pro Monat Wirtschaftsschäden zu sprechen. Die Stelle, die im nächsten Twitterbeitrag zitiert wird.


    Aber selbst die angesprochene Stelle kann man anders lesen:


    Zitat

    Q: So did you personally believe full-scale war was coming?


    A: Look, how can you believe this? That they will torture people and that this is their goal? No one believed it would be like this. And no one knew it. And now everyone says we warned you, but you warned through general phrases. When we said give us specifics — where will they come from, how many people and so on — they all had as much information as we did. And when I said, “Okay, if they’re coming from here and it’s going to be heavy fighting here, can we get weapons to stop them?” We didn’t get it. [...]


    Ich würde sagen, was Selenskyj meint nicht gewusst zu haben, so wie er es sagt, ist "they will torture people and that this is their goal" - gut, das glaubt er vermutlich nicht mal selbst. Also interpretieren wir mal, dass er eigentlich meint, wonach gefragt wird, nämlich "full-scale war". Was er hier anzudeuten scheint, die USA haben den Ukrainern nur eine allgemeine Warnung vor einem Angriff gegeben und konnten nicht sagen, ob eine russische Intervention nur das Donezbecken betreffen würde oder mit einem Einmarsch in andere Teile des Landes einherginge. (Das wäre wirklich interessant, wenn diese Darstellung zutrifft und die USA das eben doch nicht eindeutig vorhergesagt haben. Auch wenn das nochmal ein Unterschied zu selbst nicht gewusst ist.) In dieser Lesart wäre konkret vor einem Angriff gewarnt worden, bloß der Umfang war nicht klar.


    Mutmaßlich hätte Selenskyj im Fall der begrenzten Intervention die ganze aus seiner Sicht schädliche Aufmerksamkeit lieber vermieden. So geht auch die Antwort weiter:


    Zitat

    [...] Why do I need all these warnings? Why do I need to make our society go crazy? Since February, even from January as there was a lot going on in the media, Ukrainians transferred out more money than Ukrainians abroad received in assistance. Tens of billions of dollars in deposits have been withdrawn, so Ukrainians spent much more money in Europe compared with the amount Ukrainians had been given there, with all due respect.


    Ich habe das Interview mit Zumach noch nicht gesehen, aber die relevante Stelle im Interview. Wörtlich zitiert er Selenskyj aus dem Gedächtnis sicherlich nicht, aber bei der ersten oben zitierten Stelle sagt dieser schon ziemlich klar, sie sind davon ausgegangen, dass es eine Invasion gibt und direkt darunter spricht er Oktober 2021 an. Wozu ich tatsächlich nichts finde, ist hunderttausend potentielle Soldaten, die sonst das Land verlassen hätten.


    Also etwas hoch aufgehangen hier von dem Historiker, zumal ihm ja selbst der Satz "I’d been talking about this specifically, because we believed there will be an invasion." beim Faktencheck entgangen ist. Woran man mal wieder sieht, dass ein Faktencheck, leicht Gefahr läuft, den nächsten Faktencheck zu benötigen. Ist eben leider nicht so einfach mit der Medienkompetenz.

  • Also etwas hoch aufgehangen hier von dem Historiker, zumal ihm ja selbst der Satz "I’d been talking about this specifically, because we believed there will be an invasion." beim Faktencheck entgangen ist. Woran man mal wieder sieht, dass ein Faktencheck, leicht Gefahr läuft, den nächsten Faktencheck zu benötigen. Ist eben leider nicht so einfach mit der Medienkompetenz.

    Der hängt sich halt an dem "wörtlich" auf und wörtlich hat Selenskyj das ja tatsächlich nicht so gesagt wie Zumach behauptet.


    Allerdings muss ma sich schon entweder absichtlich dumm stellen, oder sich eine ordentliche Brezel ins Hirn biegen, damit das Weltbld wieder schön im Zirkel geschlossen wird und das Monumet des edlen Kriegsführers der freien Welt keine Kratzer bekommt, um nicht festzustellen das das inhaltlich auf's gleiche raus kommt.

  • ABSOLUT HÖRENSWERT!!!

    Interessant, Faktenreich, offen und ehrlich. So zumindest kam es für mich rüber und hat mir auch mal wieder gezeigt, wie verlogen doch oftmals der Westen ist und wie wir uns vieles zurecht drehen weil es uns gerade so passt.

    Nicht anders die Russen, aber wir tun ja immer so, als wären nur wir das Gelbe vom Ei.


    Danke für diesen tollen Gast und diese tolle Sendung.

    Könnt ihr gern nochmal einladen, sehr spannend.

  • Vielleicht kann mir jemand kurz helfen: An einer Stelle spricht Zumach davon, das Ergebnis des Uno Sicherheitsrats nicht zu hoch zu hängen, weil zwar eine große Zahl von Ländern den Krieg verurteilen, aber die bevölkerungsreichen sind nicht dabei (so ungefähr)


    Kann mir jemand die Stelle zeigen?

    "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile."

    "Wir müssen die Lüge dekonstruieren, dass es eine technische Lösung für dieses soziale Problem gibt."

    (Niko Paech)

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