#629 - Energie-Ökonomin Claudia Kemfert (DIW)

  • Freitag, ab 15 Uhr, LIVE (KEIN Daniel Günther Interview an dem Tag aus Krankheitsgründen)



    Zu Gast im Studio: Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert. Sie ist Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg. Ihr aktuelles Buch: "Schockwellen - Letzte Chance für sichere Energien und Frieden" (Campus Verlag, 2023)


    Habt ihr Fragen an Claudia? Her damit!


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  • Frage an Frau Prof. Kemfert: Wenn uns die Erde um die Ohren fliegt, weil zu viel CO2 emittiert wurde UND die Energie knapp ist, weil zu wenig erneuerbare Energien gebaut wurden... Wie wird Energie dann verteilt werden? Was braucht unabdingbar Energie? Was nicht? Wer kann dann über die Zuweisung (halbwegs verlässlich) bestimmen? Was ist für sie in diesem (nicht abwegigen) Fall ein realistisches Energie-Szenario?

  • Ähnliche Frage wie an Ulrike Hermann neulich :

    Warum setzt selbst ein Land wie China welches in viele längeren Zeiträumen planen kann weiter auf fossile Rohstoffe obwohl sie sich damit absehbar ihre eigenen Absatzmärkte zerstören? Auf welche Wunschtechnologie hoffen die?

  • Ich arbeite im Bereich der Energiewirtschaft, im weitesten Sinne. "Grüner Wasserstoff" ist der heiße Scheiß, wenn man die beiden Zauberwörter auf einen Förderantrag schreibt, dann ist Kohle vom Staat so gut wie sicher.


    Nun las ich vor Kurzem, dass das Wasserstoff-Vorzeigeprojekt in Wunsiedel vor dem Aus steht, wirtschaftlich unrentabel: https://www.br.de/nachrichten/…yseanlage-das-aus,TSeV2BF


    Frage daher: Welches Potential sieht Claudia noch im (grünen) Wasserstoff? Ich meine mich zu erinnern, dass sie mal eine große Befürworterin dieser Technologie war.

  • So ganz kapiere ich den Artikel nicht. Warum sollte der Windpark den Strom für 13 Cent an den Wasserstoffproduzenten verkaufen, wenn er an der Börse 30 bekäme. Und umgekehrt: klar macht es Sinn überschüssigen Strom aus Wind- und Solarkraft zu Wasserstoff zu verarbeiten, aber normalerweise sinkt ja der Börsenpreis wenn Überschüsse entstehen (in der Vergangenheit ja sogar ins negative), und genau dann könnten Wasserstoffproduzenten sich doch günstig über die Börse versorgen.


    Das eigentliche Problem scheint mir eher zu sein, dass eben der Strom zu teuer und zu knapp ist, um wirtschaftlich derzeit Wasserstoff herzustellen, das hat dann aber nichts mit der Ausgestaltung der Bremse zu tun, oder?

  • So ganz kapiere ich den Artikel nicht. Warum sollte der Windpark den Strom für 13 Cent an den Wasserstoffproduzenten verkaufen, wenn er an der Börse 30 bekäme. Und umgekehrt: klar macht es Sinn überschüssigen Strom aus Wind- und Solarkraft zu Wasserstoff zu verarbeiten, aber normalerweise sinkt ja der Börsenpreis wenn Überschüsse entstehen (in der Vergangenheit ja sogar ins negative), und genau dann könnten Wasserstoffproduzenten sich doch günstig über die Börse versorgen.


    Das eigentliche Problem scheint mir eher zu sein, dass eben der Strom zu teuer und zu knapp ist, um wirtschaftlich derzeit Wasserstoff herzustellen, das hat dann aber nichts mit der Ausgestaltung der Bremse zu tun, oder?

    So wie ich das verstehe, wollten die den Strom kaufen, den der Windpark dann produzieren würde, wenn er seinen Strom an der Börse nicht verkauft bekommt. Sprich Überangebot bei viel Wind. Statt Abschaltung sollten sich die Räder weiterdrehen und der Strom für 0,13€ an den Wasserstoffproduzenten verkauft werden. Genau diesen "Nebenhandel" verhindert die Übergewinnsteuer.

  • Ja, wir haben noch zu wenig Erneuerbare (zu wenig Überschusstrom, Müllstrom in Zukunft dann zu möglichst günstigen Preisen erzeugter), als das sich Wasserstoff rechnen würde.

    Wenn wir die EE Einspeisung verdoppeln sieht das schon ganz anders aus. Dann gibts massig Zeiten mit 100% EE + Überschusstrom. Je öfter und je mehr EE abgeschaltet werden, desto mehr lohnt sich Wasserstoff.


    Es bleibt aber trotdzem ein „Problem”, besser Fakt, das Elektrolyseure bei uns nur etwas die Hälfte der Zeit Laufen würden (dann wenn Überschuss da ist), die andre Hälfte, wenn zu wenig Strom da ist, nicht. Das ist insofern für die Betreiber nicht so gut, da sie dann nur die Hälfte der Zeit mit ihren Anlagen Wasserstoff produzieren könnten, während sie trotzdem den vollen Anschaffungspreis zahlen müssten. Das ist kein Argument gegen Wasserstoff, nur ein Punkt der bei der Kostenrechnung berücksichtigt werden muss.


    Letzendlich zeigt das, dass fehlende Speicher im Moment noch nicht das Problem sind. Um den EE Anteil zu erhöhen brauchen wir im Moment nicht Speicher (um an den paar Tagen an denen es Überschuss gibt zu Speichern, statt abzuschalten) und auch nicht unbedingt Leitungen (um den Überschussstrom dahinzuleiten, wo es eventuell keinen Überschuss gibt), sondern mehr EE.


    Speicher und Leitungen sind in Zukunft wichtig, deswegen sollten die jetzt geplant werden und auch angefangen die zu bauen. Wird deswegen auch gemacht, was richtig ist. Hauptfokus muss aber nach wie vor der Ausbau der Windkraft und Photovoltaik so schnell wie möglich sein.

    Ich mache mir die im Forum zu diesem Thema mehrheitlich geäußerte Meinung nicht zu eigen und wiederspreche ihr hiermit ausdrücklich!

  • Ich arbeite im Bereich der Energiewirtschaft, im weitesten Sinne. "Grüner Wasserstoff" ist der heiße Scheiß, wenn man die beiden Zauberwörter auf einen Förderantrag schreibt, dann ist Kohle vom Staat so gut wie sicher.


    Nun las ich vor Kurzem, dass das Wasserstoff-Vorzeigeprojekt in Wunsiedel vor dem Aus steht, wirtschaftlich unrentabel: https://www.br.de/nachrichten/…yseanlage-das-aus,TSeV2BF


    Frage daher: Welches Potential sieht Claudia noch im (grünen) Wasserstoff? Ich meine mich zu erinnern, dass sie mal eine große Befürworterin dieser Technologie war.

    Schau Dir mal die Tabelle hier an... Und selbst da können von Kategorien A bis C einige weg bei einer sinnvollen Transformation.


    Z.B. kann man weitgehend auf Düngemittel verzichten, wenn man komplett auf ökologische Landwirtschaft + Agroforst + Agro-PV + Permakultur umstellt.


    Viele der A-Kategorien werden für Öl-/Gas-Verarbeitung benötigt. Stahlproduktion wird man auch stark reduzieren müssen usw.

  • Letzendlich zeigt das, dass fehlende Speicher im Moment noch nicht das Problem sind. Um den EE Anteil zu erhöhen brauchen wir im Moment nicht Speicher (um an den paar Tagen an denen es Überschuss gibt zu Speichern, statt abzuschalten) und auch nicht unbedingt Leitungen (um den Überschussstrom dahinzuleiten, wo es eventuell keinen Überschuss gibt), sondern mehr EE.

    Nee, das zeigt letztendlich nur eines: Der Kapitalismus und ein an Profit orientierter Markt ist nicht dazu geeignet, Strukturen aufzubauen, die langfristig gesellschaftliche Bedürfnisse decken.

  • Nee, das zeigt letztendlich nur eines: Der Kapitalismus und ein an Profit orientierter Markt ist nicht dazu geeignet, Strukturen aufzubauen, die langfristig gesellschaftliche Bedürfnisse decken.

    Aus dem jetzigen Interview, Kemfert: "Du sagst es sei ein grundsätzliches Problem mit dem Kapitalismus, aber vielleicht liegt es auch an den Strukturen...."


    Sie ist da auf einer heißen Spur. Lass nochmal 4,5 Jahre warten, vielleicht weiß sie dann, woher diese gottgegebenen Strukturen stammen.

  • Für mich ist natürlich extrem wohltuend Claudia Kemferts Einschätzung zu grünem Wachstum zu hören.

    Ich habe diese Folge nicht gesehen/gehört (würde es gerne, schaffe es aber aus Zeitgründen gerade nicht) und mir nur kurz die vor dir verlinkten 1 oder 2 Minuten angesehen. Daher meine Frage:

    Kommen Tilo und Kemfert auch auf die Folgen dessen zu sprechen?

    Mir kommt es nämlich so vor, als wenn mittlerweile tatsächlich einige das Grüne Wachstum als das entlarven, was es ist (ein Mythos), aber das, was daraus folgt ist den meisten nicht richtig klar (ich verweise auf meine vier Thesen).

    "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile."

    "Wir müssen die Lüge dekonstruieren, dass es eine technische Lösung für dieses soziale Problem gibt."

    (Niko Paech)

  • Hallo,

    ich möchte etwas zu dem angeblichen Problem des Begriffs "Nachhaltigkeit" sagen. Es ist doch überhaupt kein Problem, wenn das Substantiv als solches in verschiedenen Zusammenhängen verschiedene Bedeutungen trägt, die Polysemie von Wörtern ist ein Charakteristikum unserer Sprache.

    Es lässt sich ganz einfach Klarheit schaffen, indem man ein Adjektiv voranstellt, z. B. "ökologische...", "ökonomische... " etc.

    Also bitte keine Probleme konstruieren, die es eigentlich gar nicht gibt, ist sozusagen Energieverschwendung :)

  • Das war sehr informativ. Für mich ist natürlich extrem wohltuend Claudia Kemferts Einschätzung zu grünem Wachstum zu hören.

    Kommen Tilo und Kemfert auch auf die Folgen dessen zu sprechen?

    Mir kommt es nämlich so vor, als wenn mittlerweile tatsächlich einige das Grüne Wachstum als das entlarven, was es ist (ein Mythos), aber das, was daraus folgt ist den meisten nicht richtig klar (ich verweise auf meine vier Thesen).

    Ich glaube ihr versteht da irgendwas falsch, ich habe dieses Interview auch gesehen und es entspricht nicht eurer Darstellung.

    Es geht in diesem Gespräch eher um "unendliches" grünes Wachstum wo einfach generell wie bisher alle möglichen Bereiche weiter wachsen(was selbstverständlich niemand der noch halbwegs bei Verstand ist befürworten kann, ich lehne "unendliches" kapitalistisches Wachstum auch ab)...damit nicht gemeint ist aber zB sowas wie ein - zumindest temporär - deutlich größeres Wachstum von EE, wir brauchen für einige Jahrzehnte ein deutlich größeres Wachstum dieser Technologien um die alten fossilen Systeme zu ersetzen, dieses ständige undifferenzierte Bashing kann man sich also wirklich sparen, wenn man gegen EE hetzt - und damit deren Zubau abwürgt - führt das nämlich vorallem dazu den Verbrauch fossiler Rohstoffe möglichst lange noch möglichst hoch zu halten, ihr erreicht damit das Gegenteil von dem was eigentlich unser Ziel sein sollte, nämlich eine Umstellung möglichst vieler Bereich auf deutlich umweltfreundlichere Formen der Energieerzeugung etc.


    Das Claudia Kemfert größeres Wachstum von zB Solarenergie oder Windenergie befürwortet, wird übrigens auch im weiteren Verlauf der Diskussion deutlich, es ist nicht so wie es von euch dargestellt wird, Tilo spricht an folgender Stelle zB Wachstum von Wind und Solarenergie an und Claudia stimmt ihm dort auch zu (nur halt temporär bzw als Zyklus...und nicht "unendlich"):

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