#628 - Militärexperte Thomas Wiegold (1 Jahr Krieg in der Ukraine)

  • Freitag (Jahrestag des russischen Überfalls), ab 18 Uhr, LIVE



    Zu Gast im Studio: Journalist Thomas Wiegold mit den Schwerpunkten internationale Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, Militär und Bundeswehr. Seit dem deutschen Einsatz im Rahmen von UNOSOM II berichtet Wiegold regelmäßig über Einsatzgebiete der Bundeswehr auf seinem Blog Augen geradeaus!


    Habt ihr Fragen zum Krieg in der Ukraine, westliche Waffenlieferungen, Aufrüstung bei der Bundeswehr, etc? Her damit!


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  • Verändert sich das "Gleichgewicht des Schreckens" zwischen den beiden großen Atommächten, wenn es nicht mehr beiden Parteien vor allem darum geht, ihren Machtbereich abzusichern und so den Status Quo zu erhalten? Sondern wenn für eine Partei der Fall 'business as usual' die Erosion des eigenen Einflussbereichs bedeutet und deren Führung das Ruder mit aller Macht herumreißen will, also den Status Quo zu verändern sucht?


    Worauf ich hinaus will: unser Verständnis der atomaren Abschreckung stammt aus der Zeit der Konfrontation zweier ungefähr gleichstarker Blöcke während des Kalten Krieges. Beide Seiten waren in ihrem Status nicht unmittelbar bedroht und hätten durch einen großen Krieg viel aufs Spiel gesetzt. Der "Wadenbeißer" Russland von heute mit einer Bevölkerung von unter 150 Mio Menschen und einer Wirtschaftskraft vergleichbar mit der Brasiliens erscheint mir dagegen näher am Status von Iran oder Nordkorea zu sein, als dem der Supermacht UDSSR. Bedeutet das was für das Risikokalkül des Kernwaffeneinsatzes?

  • Im Zuge allen Geredes über den sich derzeit in der Ukraine austobenden Konflikt, sehen sich viele Stimmen genötigt, ihre Positionen mit historischen Kriegsereignissen zu untermauern – Die einen sehen Parallelen zu Wk2, die anderen zu Wk1, wieder andere zu Irak oder Afgahnistan oder Napoleon oder …


    Können solche Vergleiche sinnvoll sein?

    Falls ja: Welche historischen Parallelen siehst Du zum Kriegsgeschehen einerseits oder Chancen auf Frieden andererseits?

    • Wie sieht aus seiner Sicht eine nachhaltige Sicherheitsarchitektur in Europa aus?
      Besonders unter der Voraussetzung, dass Krisen zunehmen werden (ökonomisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich, global)
      Welche Rolle spielt dabei Entmilitarisierungen und nukleare Abrüstung?
    • Wie bewertet er Putin als Verhandlungspartner - der Sicherheitsabkommen gebrochen hat und im Hinblick auf die russischen Kriegsverbrechen an ukrainischen Zivilisten - für ein nachhaltiges (Friedens-)Abkommen?
    • Welchen Einfluss hat derzeit die Wagner Gruppe unter Prigoschin im Krieg? Vielleicht auch, wie er die Enthüllungen aus den Akten bewertet?
    • Welche Auswirkungen haben Desinformationen und Fake-News auf das unmittelbare Geschehen?
    • Wie verläuft die Entwicklung von Pesco unter den aktuellen Geschehnissen?
    • Konzentriert sich Europa zu sehr auf militärische Strategien (Sicherheitsdilemma) und vernachlässigt dabei Friedensprojekte?
    • Sieht er Chancen für eine UN-Friedensmission in der Ukraine?
      (Auch in Anbetracht des UN-Sicherheitsrates.)
    • Welche Bedeutung hat nun das "Aussetzen" des Abrüstungsvertrages New Start?
    Zitat

    Der Vertrag begrenzt die Atomwaffenarsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und je 1550 einsatzbereite Sprengköpfe. Zudem ist geregelt, dass Washington und Moskau Informationen über ihre strategischen Atomwaffenarsenale austauschen und bis zu 18 Verifikationsbesuche pro Jahr abhalten dürfen.


    https://www.dw.com/de/russland-setzt-abrüstungsvertrag-new-start-aus/a-64774734

    • Welche Bedeutung hat nun das "Aussetzen" des Abrüstungsvertrages New Start?


    https://www.dw.com/de/russland-setzt-abrüstungsvertrag-new-start-aus/a-64774734

    https://www.democracynow.org/2…22/putin_new_start_treaty

    Zitat

    [...]

    Well, you know, it [inaudible] dialogue between the United States and Russia on the critically important topic of controlling nuclear weapons. And there’s no way around that. Having said that, I think there are a couple of things that are important to recognize. One is that the New START treaty, while somewhat useful, is a very limited document and very inadequate treaty. It still allows the United States and Russia to maintain — and they do — 3,100 strategic nuclear weapons, ranging in size from 100 kilotons to 800 kilotons. That is six to 50 times more powerful than the bombs which destroyed Hiroshima.

    Now, a study that was published last August showed that if those weapons still allowed under the New START treaty were used in a war, they would cause 150 million tons of soot to be blasted into the upper atmosphere, blocking out the sun and dropping temperatures across the planet an average of 18 degrees Fahrenheit. In the interior regions of North America and Eurasia, the temperatures would drop 45 to 50 degrees Fahrenheit. In the ensuing famine, something like three-quarters of the human race, between 5 billion and 6 billion people, would die. If that’s not bad enough, the same study showed that even a very small fraction of those arsenals would cause worldwide catastrophe. Only 250 of the smallest weapons in the strategic arsenal, 100 kilotons, would still generate enough soot to trigger a famine that would kill 2.1 billion people and end civilization as we know it.

    That means that this treaty allows both the United States and Russia to maintain arsenals which are capable of destroying modern civilization six times over. So, it’s bad that Russia is suspending its participation, but we need to understand that this treaty itself is deeply flawed, and we need to go far beyond it and establish a treaty like the Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons, which actually bans and eliminates these weapons.

    [...]

    Zitat

    [...]given the fact that first the Bush administration withdrew from one treaty, then the Trump administration withdrew from the Intermediate Forces Treaty, and now Putin’s suspension of Russia’s participation in this treaty.[...]

    Zitat

    Now, the Russians have indicated that they do not intend to exceed the cap that was established. But even if they do, there is no reason for the United States to build more nuclear weapons. As I mentioned, we already have the ability to destroy modern civilization six times over. Adding to that the ability to destroy civilization eight times or 10 times or 12 times over does nothing to enhance our security.

    [...]

  • Ah, interessant, danke! Aber mich interessiert das tatsächlich aus der Sicht von Wiegold, weil solche Abkommen für Sicherheitsstrategien eine Rolle spielen können und wie jemand die aktuelle Lage bewertet.

    • Ist 'Ökologie' ein Thema in der Rüstungsindustrie? Welche Entwicklungen gibt es hier?
    • Werden in der Ukraine bereits sogenannte"Tödliche autonome Waffen" eingesetzt? Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Waffensysteme in Zukunft verboten werden?
    • Was spricht gegen eine europäische Armee?
  • Die UN-Charta garantiert den Mitgliedsstaaten territoriale Integrität, allerdings ermöglicht das Vetorecht fünf Staaten, die staatliche Integrität anderer Staaten zu verletzen, ohne dass die fünf dazu bindend verurteilt werden können.


    Das ist ja mit Absicht so.


    Die USA mit der Monroe-Doktrin, China im Südchinesischen Meer und Russland jetzt mit den ehemaligen Sovietrepubliken. Mindestens drei sagen ganz unverblümt, dass sie sich durch ihr Vetorecht nicht an die Einhaltung der territorialen Unversehrtheit gebunden sehen. (Von Aktionen der Vergangenheit gar nicht zu reden).


    Wenn das Völkerrecht, so wie es jetzt ist, den Vetomächten ermöglicht militärisch um Einflusszonen zu kämpfen, ohne dass diese dafür verurteilt werden können, wäre es da nicht sinnvoller die Existenz von Einfusszonen völkerrechtlich anzuerkennen und deren Grenzen am Schreibtisch statt auf dem Schlachtfeld festzulegen?


    edit:

    Ok, nach hören des Interviews unpassende Frage. Hätte nicht gedacht das sich 2,5h interessant mit tatäschlich nur Kriegsfragen füllen lassen, ohne über Strategie, und Geopolitik zu sprechen. Am Ende sind ja sogar noch Punkte offen geblieben. Würde mich sehr Freuen, wenn Thomas nochmal wiederkommt, wie am Ende des Interviews in Aussicht gestellt.

    Ich mache mir die im Forum zu diesem Thema mehrheitlich geäußerte Meinung nicht zu eigen und wiederspreche ihr hiermit ausdrücklich!

    Einmal editiert, zuletzt von Adelheid ()

  • Auftragstaktik geht schon bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in die Preußische Armee zurück.

    In den anderen Natostaaten, bis auf Ausnahmen in Spezialeinheiten, wird das Führen mit Auftrag meines Wissens nach auch nicht unbedingt in der reinen Lehre praktiziert.



    Fun Fact: Bis nach dem ersten Weltkrieg gab es in der Form gar kein deutsches Militär, sondern Bayern, Würtemberg und Sachsen hatten je eine eigene Armee, insbesondere mit eigenem Budget und eigener Struktur.

    Im Kriegsfall standen diese dann aber unter dem Oberbefehl des Kaisers.


    In etwa so wie heute die Militäre der Mitgliedstaaten der Nato, die im Kriegsfall unter Oberbefehl der Nato (mit amerikanischen Oberbefehlshabern) stehen.




    edit1, zum Vergeben von fire mission in der ukrainischen Armee:



    edit2, bezüglich Freiwilliger, Interview mit dem Briten der von der DPR zum Tode verurteilt wurde und dann in einem Gefangenenaustausch freigekommen ist:

    Ich mache mir die im Forum zu diesem Thema mehrheitlich geäußerte Meinung nicht zu eigen und wiederspreche ihr hiermit ausdrücklich!

    4 Mal editiert, zuletzt von Adelheid ()

  • Meine Perspektive kommt eher aus dem Internationalen Politik Bereich, von daher empfand ich das Gespräch auch als sehr technisch-lastig. Das war auf jeden Fall sehr aufschlussreich, wenn man nicht in den Details steckt. Mich hätte es nicht unbedingt interessiert, ob er zur Demo geht, das war ja absehbar, das europäische Sicherheitsdenken hingegen hätte mich mehr sehr interessiert. Wenn aber so oft das Schlagwort Waffenlieferungen fällt, ist es sogar gut wenn die technischen Fragen geklärt werden, um darauf differenzierte Einsichten zu gewinnen. (Die Lage über Instandsetzung & Reparatur, war mir z.B. nicht bewusst.)


    Sofern er noch mal wieder kommt und sich dann das Gespräch auch in einem Teil auf die Sicherheitspolitik ausrichtet, find ich das ok. 👍

  • Thomas Wiegold, gern immer wieder.

    Sein Angesprochenes Thema "Mittlere Kräfte" wäre tatsächlich ein baldiges Wiedersehen wert, was ist das, braucht's da eine Durchbruchswaffe wie es die Amis grad wieder einführen (Stug 2.0)...

    Die Zeiten von Sicherheit als Selbstverständlichkeit sind jetzt auch in Deutschland vorbei.


    streiche: Frank Walther Meier

    setze:

  • https://www.fr.de/kultur/gesel…bitterernst-92108110.html


    „Es wird das Argument vorgebracht, die Ukraine könne keine Atommacht bezwingen – dabei haben Vietnam und auch Afghanistan vorgemacht, dass es geht.


    Streeck: Der Vergleich ist auf die denkbar lächerlichste Weise schief. Die USA liegen auf einem riesigen Inselkontinent und sind deshalb mit konventionellen Mitteln unangreifbar. Wenn sie irgendwo auf der Welt Landkriege verlieren, wie sie es ja mehr oder weniger laufend tun, können sie sich auf ihren Kontinent zurückziehen, auf den ihnen niemand folgen kann. Sie haben dann einen Krieg verloren, aber nicht ihr Land oder ihren Staat.


    Das ist in Russland anders. Der Sieg gegen Russland, den sich die gegenwärtige ukrainische Regierung vorstellt, aber wohl auch die deutsche Außenministerin, mit Putin als Gefangenem, der dann vor einem Haager Tribunal endet, erfordert einen Einmarsch der ukrainischen Armee in Moskau, zusammen mit ihren dazu benötigten Verbündeten, wer immer sich da in die Front der kriegführenden Mächte einreihen würde, vielleicht Polen, vielleicht „Europa“, vielleicht Deutschland unter einer Kanzlerin Baerbock, so wie die sowjetischen Truppen 1945 in Berlin einmarschierten. Wenn ein solcher Einmarsch sich abzeichnete, würde Russland zu seinen nuklearen Gefechtsfeldwaffen greifen. Was dann geschähe, steht in den Sternen; ein „Sieg der Ukraine“ wäre es sicher nicht.“


    Das oben skizzierte Einmarsch-Szenario scheint tatsächlich vielen vorzuschweben; auch bei Restle habe ich diesen Eindruck (siehe Servus TV, dazu vielleicht später mehr). Erstaunlich, dass offenbar nicht jeder in der Lage ist, die damit verbundenen Implikationen zu Ende zu denken. Warum kann das ein Streeck, eine Schwarzer, ein Vad, aber ein Wiegold scheinbar nicht?

  • oben skizzierte Einmarsch-Szenario scheint tatsächlich vielen vorzuschweben

    Woraus wird abgeleitet, dass die EU oder D ein Interesse daran hätten bis nach Moskau "einzumarschieren"?


    Ich kann nicht nachvollziehen, dass sich verschiedene Positionen vorstellen Putin konkret gefangen zu nehmen. Da ist denke ich, unsere Außenministerin realistisch genug, dass nicht als konkretes Ziel zu formulieren... Und dann ist es immer noch sehr unpraktisch, dass USA und RUS gleichermaßen den internationalen Gerichtshof nicht anerkennen.


    Ob Putin jemals vor dem Gerichtshof stehen wird, kann doch zu diesem Zeitpunkt niemand beantworten.

  • Woraus wird abgeleitet, dass die EU oder D ein Interesse daran hätten bis nach Moskau "einzumarschieren"?


    Ich kann nicht nachvollziehen, dass sich verschiedene Positionen vorstellen Putin konkret gefangen zu nehmen. Da ist denke ich, unsere Außenministerin realistisch genug, dass nicht als konkretes Ziel zu formulieren... Und dann ist es immer noch sehr unpraktisch, dass USA und RUS gleichermaßen den internationalen Gerichtshof nicht anerkennen.


    Das EU-Parlament stimmte am Mittwoch mit überwältigender Mehrheit für das Einsetzen eines internationalen Sondergerichtshofs, um die mutmaßlichen Kriegsverbrechen im russischen Krieg gegen die Ukraine zu untersuchen. Zuvor hatte Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock ein solches juristisches Format vorgeschlagen.“


    https://www.krone.at/2908144

  • Ja natürlich werden bereits Daten und Kriegsverbrechen gesammelt, aber das impliziert doch keinen Einmarsch bis nach Moskau.


    Edit:

    Man könnte ihn auch in Abwesenheit verurteilen.

  • Das oben skizzierte Einmarsch-Szenario scheint tatsächlich vielen vorzuschweben; auch bei Restle habe ich diesen Eindruck (siehe Servus TV, dazu vielleicht später mehr). Erstaunlich, dass offenbar nicht jeder in der Lage ist, die damit verbundenen Implikationen zu Ende zu denken. Warum kann das ein Streeck, eine Schwarzer, ein Vad, aber ein Wiegold scheinbar nicht?

    Keine Ahnung wo du das Szenario Einmarsch Moskau herfantasierst, aber das ist Quatsch.

  • https://www.br.de/nachrichten/…nd-zerlegt-werden,T7Isff7

    "Vollständig entkolonialisieren": Muss Russland zerlegt werden?

    Der Kreml müsse sein "Imperium" verlieren und Putins Reich aufgeteilt werden, fordert der bestens vernetzte US-Autor Casey Michel. Das löste in Moskauer Medien ein breites Echo aus: "Es ist klar, dass das nicht nur eine persönliche Meinung ist."


    Orginalartikel:

    https://www.theatlantic.com/id…-ukraine-chechnya/639428/



    Ich mache mir die im Forum zu diesem Thema mehrheitlich geäußerte Meinung nicht zu eigen und wiederspreche ihr hiermit ausdrücklich!

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