Cansin hat als Sozialarbeiterin Einblick in die Verhältnisse der sozial Benachteiligten und Albrecht kontert mit einer Anekdote die er nicht mal selbst erlebt, sondern nur erzählt bekommen hat. Nennt man das journalistisch gute Arbeit? Er kennt nicht mal den Hintergrund der Personen aus der Anekdote.
Das war mir auch aufgefallen. Und wer weiß, was der Handwerker noch so "hinzugeschmückt" hat (bewusst oder unbewusst).
Was mir allerdings bei der ganzen Diskussion gefehlt hat ist, wie Frau Köktürk die Situation des Prekariats verbessern möchte. Ein mieser Job bleibt mies, auch wenn er besser bezahlt wird. Bei den Gutverdienenden kann auch der Mann mit dem Nachwuchs auf den Kinderspielplatz, während das Prekariat im 3-Schicht-System in Lagerhallen schwitzt. Von diesen miesen Jobs haben wir mehr als genug, Tendenz steigend.
An einer Stelle bezeichnet sich Köktürk als "echte Grüne"; Davon hab ich, zumindest in diesem Gespräch, kaum was mitbekommen. Dabei wäre es so einfach.
Ich zitiere mal aus meinem Thread:
Zitat
- Umweltschäden (Erderhitzung, Artensterben usw.) können nicht durch technische Entwicklung reduziert werden1.
- Technische Entwicklung führt zu einer Verstärkung der Umweltschäden1.
- Der Begriff "Grünes Wachstum2" ist ein Oxymoron3. "Es ist eine in eine Formulierung gegossene Unvereinbarkeit." (Harald Welzer)
- "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile." (Niko Paech)
1Sofern sie nicht eingebettet ist in Suffizienz, also Konsumreduzierung, Selbstbegrenzung. Entrümpelung, Entschleunigung,
2Andere Begriffe sind: Green Economy, Green Growth, Green New Deal u. a.
3Ein Oxymoron ist ein Stilmittel aus zwei Wörtern, die sich gegenseitig widersprechen.
Aus 1. - 4. folgt und ich ergänze:
5. Die individuellen Umweltschäden sind gekoppelt an die zur Verfügung stehenden Kaufkraft.
Laut des World Inequality Report 2022 setzt das wohlhabendste 10 % der deutschen Bevölkerung sechs Mal so viel Treibhausgase frei wie die gesamte ärmere Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung zusammen.
Das heißt, wer mehr Geld zur Verfügung hat, ist auch für für mehr Umweltzerstörung verantwortlich! Das wäre das linke/grüne Thema. Geld macht nicht nur nicht glücklich, dessen Kaufkraft geht einher mit Ressourcenverbrauch und Umweltzerstörung.
Und da sind wir auch gleich beim Thema Bildung. Unser Bildungssystem ist auf Konkurrenz und Konformität ausgerichtet. Es geht um Ausbildung, Aufbewahrung und Aussortierung mit dem Ziel, nach der Schule höchst mögliche Konsummöglichkeiten zu ermöglichen. Oder kurz gesagt: Bildung ist das Düngemittel für das Bruttosozialprodukt.
Genau hier müsste man ansetzen, weg von "Schule mach ich, um später viel Geld zu verdienen" hin zu einer Bildung, die soziale und handwerkliche Fähigkeiten in den Fokus nimmt: Genügsamkeit. Verantwortungssinn, Urteilsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit. So, wie der Ökonom Schumacher es in seinem Buch "Small Is Beautiful: A Study of Economics As If People Mattered" von 1974 schrieb:
Warum arbeiten Menschen eigentlich?
Ein Ökonom würde sagen, weil sie das Geld verdienen müssen um sich dann was kaufen zu können. Wie trivial!
Schumacher sagt "Nein. Menschen arbeiten um zu reifen. Um wirklich zu spüren, dass mit ihren Händen und ihrem Kopf etwas Sinnvolles entstehen kann, das sie dann auch sehen können, es anfassen können, das sie auch in die Hand nehmen können und jemandem geben können. Der zweite Grund ist, dass die Arbeit dazu führt, dass wir miteinander kommunizieren, dass wir zusammen etwas tun. Die Arbeit führt uns zusammen, sie führt uns aus der Individualisierung heraus, sie lässt uns zu friedliebenden Menschen werden.
Von all dem hätte ich mir mehr bzw überhaupt mal was gewünscht.