Warum Grünes Wachstum ein Mythos ist und was daraus folgt

  • Das hilft bei der Problemanalyse, ist aber kein Werkzeug zur Gestaltung.

    Gebe ich dir recht. Hab ich aber auch nicht behauptet.

    Die Rohstoff- und Umweltkrisen sind da. Siehst Du in der Bevölkerung den Willen zur völligen Abkehr von z. B. fossilen?

    Sind sie das? Die Supermärkte sind voll, Amazon liefert. Verglichen mit dem, was auf uns zu kommt, leben wir nach wie vor in dekadentem Luxus (ja ich weiß, nicht alle).

    Offensichtlich sind die Wertekategorien derart verschoben, dass die Frage, was der Gesellschaft einen Mehrwert bietet, ziemlich eindeutig ausfällt: pro Unternehmensberater von PWC...

    Noch.

    Das hängt aber auch damit zusammen, dass wir einen Scheinklimaschutz betreiben, der ziemlich gewissensberuhigend wirkt. Und zum Scheinklimaschutz gehören so ziemlich alle Maßnahmen, die zurzeit von der Ampel geplant werden.

    Ich stellte bei ihm immer wieder eine ideelle Rückkehr zu quasimittelalterlicher Subsistenzwirtschaft fest. Da haben dann alle ihr kleines Gärtlein, in dem sie ihr Gemüse anbauen, gehen ins Bett, wenn die Sonne untergeht und geben sich ansonsten mit mehr sozialem Miteinander zufrieden.

    Ich denke, so richtig beschäftigt hast du dich mit ihm noch nicht. Hör dir doch mal den Podcast im ORF an, den ich neulich verlinkt habe.

    "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile."

    "Wir müssen die Lüge dekonstruieren, dass es eine technische Lösung für dieses soziale Problem gibt."

    "In einer parlamentarischen Demokratie gibt es so etwas wie eine Systemlogik. Wahlen gewinnt nur, wer Geschenke verteilt und den Menschen nichts zumutet."

    (Niko Paech)

  • Gebe ich dir recht. Hab ich aber auch nicht behauptet.

    Habe ich Dir auch nicht unterstellt, ich wollte nur darauf aufmerksam machen, dass uns Graeber bisher gesellschaftlich auch nicht weitergeholfen hat in der Hinsicht (und der ist schon drei Jahre tot und das Buch schon fünf Jahre alt...).

    Sind sie das? Die Supermärkte sind voll, Amazon liefert. Verglichen mit dem, was auf uns zu kommt, leben wir nach wie vor in dekadentem Luxus (ja ich weiß, nicht alle).

    Das werden wir ja voraussichtlich auch weiterhin.

    Die Krisen sind aber trotzdem bereits da, wir ignorieren das nur auf Kosten der ärmeren Länder.

    Und genau an der Stelle kommt dann eben meine Frage ins Spiel, wer genau entscheiden soll, was "gut" für die Gesellschaft sei, wenn wir es mit einer globalen Biosphäre, aber eben mit nationalen (oder anderweitig lokal organisierten) Gesellschaften zu tun haben.

    Noch.

    Das hängt aber auch damit zusammen, dass wir einen Scheinklimaschutz betreiben, der ziemlich gewissensberuhigend wirkt. Und zum Scheinklimaschutz gehören so ziemlich alle Maßnahmen, die zurzeit von der Ampel geplant werden.

    Kein Widerspruch.

    Ich sehe allerdings auch nicht, dass sich da das Bewusstsein oder die Politik in nächster Zeit ändern würde. Warum auch? Siehe einen Absatz weiter oben, uns geht es ja noch gut.

    Ich denke, so richtig beschäftigt hast du dich mit ihm noch nicht. Hör dir doch mal den Podcast im ORF an, den ich neulich verlinkt habe.

    Also auf so in etwa 10-15 Streitgespräche und Interviews dürfte ich bei Paech bisher gekommen sein.

    Ich höre mir aber gerne auch den von Dir verlinkten nochmal an.

  • Das sind halt wieder die gleichen Fragen. Wie sollen die Menschen überhaupt ihren Konsum ändern, wenn nicht von der Politik und den Unternehmen die Möglichkeit dafür gelegt wird?


    Ich glaube auch nicht, dass Paech vom individuellen Konsum spricht. Er redet eher davon, dass sich ein Bewusstsein in der Gesellschaft für alternative Wirtschaftsformen bildet.


    Skidrow Wieso siehst du technologische Lösung als nicht machbar?


    fruchtoase Die Subsistenzwirtschaft im Mittelalter hatte einen ganz anderen Charakter als Subsistenzwirtschaft heute. Das kann man schlecht vergleichen. Ein Rückkehr in Stammesstrukturen wie es Anarchoprimitivisten fordern, würde zu einem weltweiten Genozit führen. Sowas ist unmöglich.

    Aber wenn wir den derzeitigen Zustand unserer Wirtschaft heute "einfrieren" würden. D. h. jede Firma arbeitet nur noch, um sich selbst zu erhalten, dann wären wir schon in einer Subsistenzwirtschaft und würden einfach nur unseren derzeitigen Lebensstandard erhalten. Eine einfache Lösung Wachstum zu verhindern, ist ihn einfach nicht zu forcieren. Dann gibt es natürlich noch Verteilungsfragen. Aber ein Form von Subsistenzwirtschaft muss es sein.

  • Die Krisen sind aber trotzdem bereits da, wir ignorieren das nur auf Kosten der ärmeren Länder.

    Und genau an der Stelle kommt dann eben meine Frage ins Spiel, wer genau entscheiden soll, was "gut" für die Gesellschaft sei, wenn wir es mit einer globalen Biosphäre, aber eben mit nationalen (oder anderweitig lokal organisierten) Gesellschaften zu tun haben.

    Wir ignorieren es ja nicht. Im Gegenteil, die Medien sind voll damit. Die Politik auch.

    Nur leider führen alle Maßnahmen nicht nur nicht zur Reduzierung von Umweltschäden sondern sie erhöhen sie. Alleine der Satz "Wir tun zu wenig", den man überall hört, ist schon falsch, Das ist vergleichbar mit einem Drogenabhängigen, der eigentlich clean werden will, aber jede Woche seine Heroindosis ein bisschen erhöht und der Arzt daraufhin sagt: "Sie tun zu wenig".


    Und warum ist das so? Weil uns von allen Seiten vom Mythos des Grünen Wachstums erzählt wird; Wir brauchen unseren Lebensstil nicht zu ändern, die Technik wird's richten! Um diesen Glaubenssatz zu verbreiten wird gelogen, verdreht, verschwiegen (schönes Beispiel, wo alles dabei ist: Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt in der Wohlstand für alle Folge).

    Ich sehe allerdings auch nicht, dass sich da das Bewusstsein oder die Politik in nächster Zeit ändern würde.

    Das Bewusstsein in der Politik kann sich nicht ändern, zumindest dann nicht, wenn sich nicht zuvor in der Bevölkerung postwachstumstaugliche Lebensstile etabliert haben (wie immer die auch aussehen).

    Würde die Politik ab morgen Umweltschäden (CO2 Emissionen, Flächenversiegelung usw.) tatsächlich reduzieren wollen, wäre die Ansage: Autobahnen zurückbauen, Flughäfen schließen (nebenbei: dann hätte man auch mehr Fläche für Windräder), Kreuzfahrten verbieten, tierische Produkte deutlich reduzieren, Digitalisierung zurückfahren, quantitativ weniger Konsumieren.


    ich brauche nicht erwähnen, was hier los wäre, wenn ein Politiker dies fordern würde. Das wäre (mind. politischer) Selbstmord. Und deswegen ist die Politik völlig machtlos!


    Wir leben in einer Periode, wo typisch kindliche Verhaltensmuster - Selbstüberschätzung, Grenzenlosigkeit, (man denke an ungezügelten Konsum und ungebremste Produktion), fehlende Selbstkritik sowie mangelnde Um- und Voraussicht - geradezu eine Leitbildfunktion für die ganze Gesellschaft bekommen haben. Und das zeigt sich daran, dass "Erwachsene" sich für die drängenden Probleme nicht zuständig fühlen. Und das entspricht dann auch der kindlichen Haltung, der zufolge (natürlich) die Erwachsenen (die da oben, Politik etc.) die wichtigen Dinge zu regeln hätten. Nach dem Motto: Ich bin mit Geld verdienen und Konsumieren beschäftigt, die wichtigen Dinge regeln Mami und Papi!

    "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile."

    "Wir müssen die Lüge dekonstruieren, dass es eine technische Lösung für dieses soziale Problem gibt."

    "In einer parlamentarischen Demokratie gibt es so etwas wie eine Systemlogik. Wahlen gewinnt nur, wer Geschenke verteilt und den Menschen nichts zumutet."

    (Niko Paech)

  • Und die Frage, die wir uns stellen müssen ist nicht auf was wir verzichten sollen, sondern was ist ein gutes Leben? Wird durch materiellen Reichtum überhaupt glücklich?


    Das Bewusstsein in der Politik kann sich nicht ändern, zumindest dann nicht, wenn sich nicht zuvor in der Bevölkerung postwachstumstaugliche Lebensstile etabliert haben (wie immer die auch aussehen).

    Würde die Politik ab morgen Umweltschäden (CO2 Emissionen, Flächenversiegelung usw.) tatsächlich reduzieren wollen, wäre die Ansage: Autobahnen zurückbauen, Flughäfen schließen (nebenbei: dann hätte man auch mehr Fläche für Windräder), Kreuzfahrten verbieten, tierische Produkte deutlich reduzieren, Digitalisierung zurückfahren, quantitativ weniger Konsumieren.

    Das Bewusstsein der Politik kann sich nicht ändern, weil die Politik von den Arbeitgebern/Kapitalisten beeinflusst wird. Es gibt eine riesige Machtasymmetrie in der Hinsicht. Ich würde sogar sagen, dass sich erst ein neues Bewusstsein in der Gesellschaft entwickelt und dann muss die Gesellschaft gegen die Politiker/Kapitalisten kämpfen, die am alten System hängen und deren größte Profiteure sie sind, sozusagen.


    Würde die Politik ab morgen Umweltschäden (CO2 Emissionen, Flächenversiegelung usw.) tatsächlich reduzieren wollen, wäre die Ansage: Autobahnen zurückbauen, Flughäfen schließen (nebenbei: dann hätte man auch mehr Fläche für Windräder), Kreuzfahrten verbieten, tierische Produkte deutlich reduzieren, Digitalisierung zurückfahren, quantitativ weniger Konsumieren.

    Jo. Solange Politik nur im bürgerlichen Spektrum gemacht wird, d. h. solange der Kapitalismus nicht angerührt wird, kann aber keine sozial Gerechte Politik gemacht werden. Der Normalbürger ist immer der gearschte in diesem System.


    Ich würde sogar sagen, dass nicht mal der Großteil der Bevölkerung ihren Lebensstil ändern müssten, sondern nur die oberen 10% ;)



    70% der Waren kaufen die Leute ungeplant. Vielleicht sollte man es mal so machen, dass die Leute nur kaufen, was sie auch tatsächlich brauchen ;) (wenn der satz wegen den zwei kommata zu kompliziert war, sagt bescheid)


    addendum: Die Frage ist auch, in wie weit sind die Entscheidungen, die die Menschen in unserer Gesellschaft, treffen, eigentlich Entscheidungen, die sie aus freiem Willen heraus entschieden haben? 🤔 Das Problem der Governmentalität, über das Foucault geschrieben hat, ist nochmal ein ganz eigenes Kapitel. In wie weit spielen Sachzwänge eine Rolle?

  • Wir ignorieren es ja nicht. Im Gegenteil, die Medien sind voll damit. Die Politik auch.

    Nur leider führen alle Maßnahmen nicht nur nicht zur Reduzierung von Umweltschäden sondern sie erhöhen sie. Alleine der Satz "Wir tun zu wenig", den man überall hört, ist schon falsch, Das ist vergleichbar mit einem Drogenabhängigen, der eigentlich clean werden will, aber jede Woche seine Heroindosis ein bisschen erhöht und der Arzt daraufhin sagt: "Sie tun zu wenig".


    Und warum ist das so? Weil uns von allen Seiten vom Mythos des Grünen Wachstums erzählt wird; Wir brauchen unseren Lebensstil nicht zu ändern, die Technik wird's richten! Um diesen Glaubenssatz zu verbreiten wird gelogen, verdreht, verschwiegen (schönes Beispiel, wo alles dabei ist: Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt in der Wohlstand für alle Folge).

    Und wieder landen wir bei einer Terminusfrage: Was bitte soll das sein, wenn nicht ignorieren? Ja, zum Teil wird darüber laut und schrill berichtet, aber eben konsequenzlos. Das ist ignorieren.

    Dass zum Teil auch falsche Richtungen eingeschlagen werden, wie z. B. sich mit einem vermeintlich grünen Wachstum aus der Problematik "herauszuwachsen", geschenkt.

    Tja, jetzt hast Du eine schöne Problembeschreibung geliefert.

    Da würde ich ja auch allem zustimmen, aber was genau fangen wir mit dieser Erkenntnis jetzt an?

    (Und umso absurder mMn TrueKrauts Einlassung, "die Eliten" würden an einer Abschaffung des Kapitalismus arbeiten.)

  • Wer so über die Runden kommt imaginiert Fingerzeige (die Reichen, der Chinese).
    Angst, sich Freiheit vom Hamsterrad zu gönnen, haben alle.

    Asoooo. Einkommens- und Vermögensungleichheit sind ja auch nur Hirngespinste des Pöbel. Hat doch gar keine Auswirkungen in der Realität. 🤪


    Dass Utan (der selbstbezeichnete "radikale marxist" ) das geliked hat, spricht wieder Bände.

  • Dass Utan (der selbstbezeichnete "radikale marxist" ) das geliked hat, spricht wieder Bände.

    Band 1: Wie ich mit hinterhältigen Likes im Jung & Naiv-Forum die Selbstermächtigung des Proletariats verhindert habe.


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  • Ich würde sogar sagen, dass nicht mal der Großteil der Bevölkerung ihren Lebensstil ändern müssten, sondern nur die oberen 10%

    Das würde schon mal was bringen.

    Das materiell wohlhabendste 10 % der deutschen Bevölkerung setzt sechs Mal so viel Treibhausgase frei, wie die gesamte ärmere Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung zusammen (lt. World Inequality Report).

    Ich sagte ja schon mehrfach den entscheidenden Satz: Die Umweltschäden, die ein einzelner verursacht und zu verantworten hat sind proportional zur ihm zur Verfügung stehenden Kaufkraft. Oder siehe das Zitat von Paech in Punkt 4 in meiner Signatur.

    Dass zum Teil auch falsche Richtungen eingeschlagen werden, wie z. B. sich mit einem vermeintlich grünen Wachstum aus der Problematik "herauszuwachsen", geschenkt.

    Aber das ist doch eben entscheidend. Aus Sicht der Politik und auch der meisten Medien sind das keine falschen Richtungen. Es passiert aus deren Sicht nur zu langsam! Und das ist falsch! Siehe mein Beispiel mit dem Drogenabhängigen.

    Merkel wurde seit 2006 weltweit als „Klimakanzlerin“ bezeichnet. Absurder geht es nicht. Alleine die CO2 Emissionen sind jedes Jahr gestiegen, ebenso die Flächenversiegelung. "Technophiler Enthusiasmus", ein Begriff von J. R. R. Tolkien.

    Da würde ich ja auch allem zustimmen, aber was genau fangen wir mit dieser Erkenntnis jetzt an?

    Wieso müssen wir jetzt damit etwas anfangen? Da fängt das Problem doch schon an, wir sind so sehr an einen Tun-Modus gewöhnt, dass es uns gar nicht mehr auffällt.


    Aber ich kann dir sagen, was ich tue: Ich habe gerade vor einigen Tagen meine Arbeitszeit dauerhaft deutlich reduziert. Für mich war das nicht so schwer, weil ich nie viel Geld brauchte. (Obgleich es ein mulmiges Gefühl hervorbrachte, deswegen fand ich den Satz von septembersonne weiter oben so passend).

    Aber ich bin ohnehin erst einmal in meinem Leben geflogen, Urlaub machen wir in den Alpen und fahren meistens mit der Bahn. ein dickes Auto brauche ich auch nicht, mein Smartphone ist 6 Jahre alt (läuft mit einer Custom Rom und hat Android 12), mein Laptop ist 12 Jahre alt (aktuelles Linux).

    Läuft halt alles noch.

    Ich und meine Familie sind seit drei Jahren an einer Obst- und einer Gemüse-SOLAWI angeschlossen (Tschüss sog. Marktwirtschaft!). Die Felder und Wiesen liegen alle in einem Umkreis von 8 km. Manchmal nehmen wir an Aktionen teil, wo wir beim Ernten helfen. Die Kinder lieben das. Fleisch gibt's da nicht, vermissen wir aber auch nicht.

    Demnächst nehme ich an einer (kostenfreien) Fortbildung zum Insektenbeauftragten des BUND teil.

    Das ist ein kurzer Umriss dessen, was ich mit der Erkenntnis anfange.

    "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile."

    "Wir müssen die Lüge dekonstruieren, dass es eine technische Lösung für dieses soziale Problem gibt."

    "In einer parlamentarischen Demokratie gibt es so etwas wie eine Systemlogik. Wahlen gewinnt nur, wer Geschenke verteilt und den Menschen nichts zumutet."

    (Niko Paech)

  • Und wieder landen wir bei einer Terminusfrage: Was bitte soll das sein, wenn nicht ignorieren? Ja, zum Teil wird darüber laut und schrill berichtet, aber eben konsequenzlos. Das ist ignorieren.

    Dass zum Teil auch falsche Richtungen eingeschlagen werden, wie z. B. sich mit einem vermeintlich grünen Wachstum aus der Problematik "herauszuwachsen", geschenkt.

    Tja, jetzt hast Du eine schöne Problembeschreibung geliefert.

    Da würde ich ja auch allem zustimmen, aber was genau fangen wir mit dieser Erkenntnis jetzt an?

    (Und umso absurder mMn TrueKrauts Einlassung, "die Eliten" würden an einer Abschaffung des Kapitalismus arbeiten.)

    Wie ich schon eingeräumt habe ist der Begriff Eliten an der Stelle tatsächlich irreführend. Ich habe an "Vordenker/Aktivisten" wie Paech oder Welzer gedacht deren Problemanalysen ich auch nicht mal grundsätzlich in Frage stelle. Die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse und gerade charakteristische Aspekte der Konsumgesellschaft sind vollkommen Irre und ich kann damit schon immer wenig anfangen.

    Was mich an Paechs Artikel einigermaßen schockiert hat war hauptsächlich der Punkt der unter "zurück zu den Stammesstrukturen" schon angesprochen wurde. Da drängt sich auch schnell die unangenehme Frage auf wie unter diesen Gesichtpunkten mit dem Bevölkerungswachstum umgegangen werden soll. Also ist die Masse an Menschen auf dem Planeten überhaupt ohne Massenproduktion von Lebensmitteln etc noch zu versorgen?

    Hier auf dem Land hat vor 80 Jahren noch jeder seine eigene Landwirtschaft gehabt und die Familien haben dementsprechend auch Eigentum mit Grundstücken da könnte man ja durchaus wieder Gemüse anbauen, stellt sich halt nur die Frage was macht der Rest der in der Großstadt in ner kleinen Wohnung lebt..

  • Was mich an Paechs Artikel einigermaßen schockiert hat war hauptsächlich der Punkt der unter "zurück zu den Stammesstrukturen" schon angesprochen wurde.

    Kannst du bitte mal ganz konkret beschreiben, was du damit meinst? Welchen Satz meinst du in Paechs Artikel?

    Da drängt sich auch schnell die unangenehme Frage auf wie unter diesen Gesichtpunkten mit dem Bevölkerungswachstum umgegangen werden soll.

    Ich empfinde es als zynisch, wenn wir Deutschen auf das Bevölkerungswachstum verweisen, während wir durchschnittlich ~20 mal so viel Umweltschäden verursachen, wie es eigentlich unter dem Gesichtspunkt globaler Gerechtigkeit vertretbar wäre.

    Da fehlt nicht mehr viel zu sagen: Die Afrikaner sollen endlich weniger Kinder bekommen, damit ich weiter fliegen und SUV fahren kann!

    (Ich will dir diesen Zynismus nicht unterstellen, möchte nur darauf aufmerksam machen, welche Richtung das nehmen kann.)

    stellt sich halt nur die Frage was macht der Rest der in der Großstadt in ner kleinen Wohnung lebt

    Das kommt halt auf die Lebensweise an. Die Hamburger HafenCity Universität hat 2016 ausgerechnet, ob und wie es möglich ist, auf regionale Ernährung - hier im Falle von Hamburg - umzustellen. Das Ergebnis zeigt, dass Hamburg im Umkreis von 100 km dazu in der Lage wäre, sich selbst zu versorgen, und zwar Bio, wenn man die Ernährung, durchschnittlich, an die Ernährungsempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ausrichtet. Es müssten, statistisch, noch nicht mal alle Veganer werden, aber natürlich muss der Fleischverzehr deutlich reduziert werden (um rund ein Drittel). Paech hat in seinen Vorträgen oftmals eine Seite mit den Ergebnissen dieser Studie dabei.


    Und: Um sein Gemüse und sein Obst von einer SOLAWI beziehen zu können, muss man nicht zwingend selbst anbauen und man muss auch nicht zwingend auf dem Land leben. Zu meinem SOLAWI Beispiel von oben: Es gibt mehrere Abholstellen, wo wir unseren Gemüse- und Obstanteil abholen können. Und die sind bei uns durchaus in der Stadt zu finden, sogar sehr zentral.

    "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile."

    "Wir müssen die Lüge dekonstruieren, dass es eine technische Lösung für dieses soziale Problem gibt."

    "In einer parlamentarischen Demokratie gibt es so etwas wie eine Systemlogik. Wahlen gewinnt nur, wer Geschenke verteilt und den Menschen nichts zumutet."

    (Niko Paech)

  • Kannst du bitte mal ganz konkret beschreiben, was du damit meinst? Welchen Satz meinst du in Paechs Artikel?

    Zitat

    Was benötigen Menschen um an dieser kulturellen Sabotage des Wachstumsdogmas mitzuwirken? Resilienz,Widerstandsfähigkeit und Disziplin, vermittelt über die Fähigkeit, durch
    nahräumliche und selbst(mit-)gestaltete Versorgungseinheiten weniger von Konsum, Verkehr und Techniknutzung abhängig zu sein

    Also Kommune aufmachen und aussteigen. Hilft bestimmt aber das wirkt irgendwie wie ein Reset auf Europa nach dem zusammenbruch des römischen Reiches.

    Bei der Bevölkerungszahl habe ich jetzt eher an Länder wie Indien oder China gedacht. Die haben ja später die Schwelle zur industrialisierten Gesellschaft überschritten und wer kann es den Menschen dort verübeln jetzt auch mehr konsumieren zu wollen bzw mal im eigenen Wagen zur Verwandtschaft zu fahren.

    Das Zynismus Argument ist auch ein schwieriges weil es mag ja stimmen das die Vorfahren von uns Europäern anderen was weg genommen haben (Kolonien) und man daraus natürlich gut erklären kann warum es uns hier besser geht. Aber jungen Menschen hier jetzt zu sagen das ist halt die Erbschuld deal with it könnte man auch als zynisch beschreiben.

  • Aber das ist doch eben entscheidend. Aus Sicht der Politik und auch der meisten Medien sind das keine falschen Richtungen. Es passiert aus deren Sicht nur zu langsam! Und das ist falsch! Siehe mein Beispiel mit dem Drogenabhängigen.

    Merkel wurde seit 2006 weltweit als „Klimakanzlerin“ bezeichnet. Absurder geht es nicht. Alleine die CO2 Emissionen sind jedes Jahr gestiegen, ebenso die Flächenversiegelung. "Technophiler Enthusiasmus", ein Begriff von J. R. R. Tolkien.

    Ja nun, wieder kein Widerspruch meinerseits.


    Wieso müssen wir jetzt damit etwas anfangen? Da fängt das Problem doch schon an, wir sind so sehr an einen Tun-Modus gewöhnt, dass es uns gar nicht mehr auffällt.

    Na dass Du ein Dilemma beschrieben hast, ist Dir doch aber klar? :/

    Du schreibst: "Das Bewusstsein in der Politik kann sich nicht ändern, zumindest dann nicht, wenn sich nicht zuvor in der Bevölkerung postwachstumstaugliche Lebensstile etabliert haben (wie immer die auch aussehen)."

    Klassisches Dilemma, denn was macht denn die Politik? Sie schafft für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung den politisch-gesellschaftlichen Rahmen deren Leben. Das heißt, wenn sich das eine nicht ändert, ändert sich auch das andere nicht (in gesellschaftlich relevantem Ausmaß jeweils) und vice versa.


    Dass Du da persönlich für Dein Leben Veränderungen gefunden hast, mit denen es Dir besser geht, gratuliere (ernst gemeint!). Aber das hat doch gesamtgesellschaftlich quasi keinerlei Auswirkung, dessen musst Du Dir doch auch bewusst sein, wenn Du die Augen aufmachst und in Deinem Lebensumfeld feststellst, dass Du mit dem Verhalten der Solitär bist.

    (Ich finde das trotzdem, vor allem aufgrund der Vorbildwirkung, sehr löblich und handle selbst ähnlich, nur damit wir uns da nicht falsch verstehen.)

    Das reicht einfach hinten und vorne nicht, um gesellschaftlich den Bock umzustoßen, von global gar nicht erst zu reden.

  • Also Kommune aufmachen und aussteigen.

    Was hat das denn mit aussteigen zu tun? Ich empfinde mein Leben überhaupt nicht als Ausstieg. Eher im Gegenteil.

    Selbst solche sehr konsequenten Formen wie das Wohnprojekt Kalkbreite in Zürich würde ich nicht als Ausstieg bezeichnen.

    und wer kann es den Menschen dort verübeln jetzt auch mehr konsumieren zu wollen bzw mal im eigenen Wagen zur Verwandtschaft zu fahren.

    Es geht nicht ums Verübeln. Klar kann man das verstehen. und bis zu einem gewissen Grad ist das ja auch möglich. Selbst Paech spricht nicht von Abschaffung des Pkw. Aber das Konzept, das jeder Mensch auf dieser Welt ein eigenes Auto besitzt, geht nicht auf! Dafür muss man nicht mal Umweltschützer sein, da reichen die Grundlagen an Mathematik.

    (Kolonien)

    Erbschuld

    Darauf beziehe ich mich gar nicht. Selbst wenn es den Kolonialismus nicht gegeben hätte, stünden wir heute trotzdem vor dem Problem, dass wir in Deutschland brutalst über unsere Verhältnisse leben, was die Ressourcen- und Energieverbräuche angeht. Und wir fröhnen einem Lebensstil, der nur für einen kleinen Teil der Weltbevölkerung möglich ist.

    Na dass Du ein Dilemma beschrieben hast, ist Dir doch aber klar?

    Ich meinte damit, dass es vor allem nicht darum geht, etwas tun zu müssen, sondern es geht darum, etwas zu unterlassen. Das Buchen einer Flugreise zu unterlassen, daraufhin weniger Geld zu benötigen und daraufhin die Arbeitszeit zu reduzieren, setzt mehr die Bereitschaft des Unterlassens voraus als eine Bereitschaft des Handels.

    Sie schafft für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung den politisch-gesellschaftlichen Rahmen deren Leben.

    Aber es gibt oder gab doch keinen gesellschaftlichen Wandel in einer parlamentarischen Demokratie, der sich nicht zurückverfolgen lässt zu den avangardistischen Zirkeln, Netzwerken, Reallaboren oder sozialen Experimenten.


    Egal ob das Social Media ist, oder Smartphones, Frauenrechte, ökologische Ernährung (z.B. SOLAWI) oder eine bestimmte Popmusik: alles fängt immer an in einem Reallabor, wird erprobt, tritt in Erscheinung, wird imitiert über eine sogenannte soziale Diffusion oder Interaktion verbreitet und kann dann aufgegriffen werden von der Politik, den Medien.


    Natürlich ist es wichtig, dass die Politik Entwicklungen in Nischen spürt und diese aufgreift. Nur so sind in der Geschichte soziale Prozesse angestoßen worden. Aber die Änderung kam immer von unten.

    "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile."

    "Wir müssen die Lüge dekonstruieren, dass es eine technische Lösung für dieses soziale Problem gibt."

    "In einer parlamentarischen Demokratie gibt es so etwas wie eine Systemlogik. Wahlen gewinnt nur, wer Geschenke verteilt und den Menschen nichts zumutet."

    (Niko Paech)

  • Das reicht einfach hinten und vorne nicht, um gesellschaftlich den Bock umzustoßen, von global gar nicht erst zu reden.

    Das stimmt.

    Was empfiehlst du stattdessen?

    "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile."

    "Wir müssen die Lüge dekonstruieren, dass es eine technische Lösung für dieses soziale Problem gibt."

    "In einer parlamentarischen Demokratie gibt es so etwas wie eine Systemlogik. Wahlen gewinnt nur, wer Geschenke verteilt und den Menschen nichts zumutet."

    (Niko Paech)

  • Ich meinte damit, dass es vor allem nicht darum geht, etwas tun zu müssen, sondern es geht darum, etwas zu unterlassen. Das Buchen einer Flugreise zu unterlassen, daraufhin weniger Geld zu benötigen und daraufhin die Arbeitszeit zu reduzieren, setzt mehr die Bereitschaft des Unterlassens voraus als eine Bereitschaft des Handels.

    Mir ist vollkommen klar, was Du meinst.

    Aber das ist eben ein sehr individualistischer Ansatz und da wird, auf die Gesamtgesellschaft hochgerechnet, nicht viel bei 'rumkommen.

    Aber Dir scheint nicht ganz klar zu sein, dass sich mein Aufruf, etwas zu tun, eben nicht primär an das Individuum richtet, sondern an die Politik, die in einer demokratischen Gesellschaft die Rahmenbedingungen setzt, die das individuelle Handeln sowie das individuelle Unterlassen zu großen Teilen bestimmen.

    Nur um es mit dem Holzhammer darzustellen: Nehmen wir an, die Politik entscheidet, Deine Solawi (also das Konzept an sich) mit absurden Auflagen zu versehen (such Dir was aus, Hygiene, Bürokratie, irgendwas), was dafür sorgt, dass Solawi einfach nicht mehr kostendeckend betrieben werden kann. Genauso könnte sie aber auch Fördertöpfe aufsetzen, um das Konzept Solawi zu fördern. Diese Macht hat die Politik und diese Macht nutzt sie natürlich in allen möglichen Feldern, um das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft zu steuern.

    Diese Macht kann (und muss) man für das Gute einsetzen, wenn wir diese Krise überstehen wollen. Das ist das Handeln, welches ich herbeisehne, und ohne das es nicht gehen wird.


    Weil Du das Beispiel Flugreise gebracht hast, warum nicht einfach die Kerosinsteuer erheben, anstatt das Fliegen wie aktuell künstlich zu subventionieren? Dann ist auch für jeden individuell die (Preis-)Hürde, über einen Flug nachzudenken, viel höher.

    Gleichzeitig könnte man sich endlich mal intensiv für ein vernünftiges Fernstreckennetz (Europa) auf der Schiene einsetzen, um dies konkurrenzfähig zu machen (sowohl zeittechnisch als auch finanziell).

    Das ist das Handeln, welches ich sehen will und das macht es dem Individuum viiiiiel leichter, die klimatisch bessere Option zu wählen, auch wenn er nicht ideologisch überzeugt ist. Und genau um die muss es letztlich gehen. Dich brauche ich ja nicht mehr überzeugen, die müssen "zu ihrem Glück gezwungen" werden.

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