#616 - Justizexperte Ronen Steinke

  • Alle Staaten haben ein Recht, aber manche sind rechtsstaatlicher als andere ...


    Frage 1: Wo liegt die Grenze zwischen einem Rechtsstaat und einem Unrechtsstaat?


    Nachtrag:

    JonnyMadFox und Marner - ich bezog meine Frage eigentlich auf graduelle Unterschiede. Minen an einem Grenzzaun können innerstaatlich rechtlich abgesichert sein, auch wenn das moralisch als Unrecht gelten kann. Was mich bei dieser Frage beispielsweise interessiert, ist der Auf- und Abbau von Rechtsstaatlichkeit durch das Hinzufügen oder Fortnehmen von juristischen Kernelementen, Repressionen gegen Richter, Rechtsbeugung. Die Regierungen von Polen und Ungarn bspw. haben in jüngster Vergangenheit ihre Rechtsstaatlichkeit ordentlich ausgehöhlt, obwohl diese doch verpflichtend für EU-Mitglieder ist.


    Ein interessanter Aspekt der Rechtsstaatlichkeit für den Interview-Gast wäre vielleicht i. B. die Zugänglichkeit des Rechtssystems für sozio-ökonomisch geringer Gestellte.

    Also:


    Frage 2: Wie gering müssen die Hürden zum Rechtsweg sein, um ihn allen zugänglich zu machen, ohne gleichzeitig in die transatlantische I-will-sue-you-Kultur zu verfallen?

    (Wenn es da überhaupt einen Zusammenhang gibt.)

    Myrddin


    Wenn wir uns alle ein wenig mehr Mühe geben, wird das schon.

    Oder?

    Einmal editiert, zuletzt von Myrddin ()

  • Alle Staaten haben ein Recht, aber manche sind rechtsstaatlicher als andere ...


    Wo liegt die Grenze zwischen einem Rechtsstaat und einem Unrechtsstaat?

    Rechtsstaat ist ein Begriff, der in De eine starke Tradition hat. Rechtsstaat bedeutet nicht nur, dass ein Staat ein Rechtssystem hat oder so, sondern er bedeutet, dass es eine unabhängige Justiz gibt, die zwischen dir und dem Staat vermittelt. Wenn du z. B. von der Polizei angeklagt wirst, dann ist es praktisch der Staat, der dich anklagt. Die Polizei handelt im Interesse des Staates, sie ist sein ausführendes Organ. Du kannst aber gegen die Vorwürfe der Polizei immer Einspruch erheben und dir einen Anwalt holen, der kein Staatsanwalt ist und der dann mit dir zusammen sozusagen gegen die Vorwürfe des Staates vorgeht und deine verfassungsmäßigen Bürgerrechte geltend macht. Wenn du dir nur einen Anwalt holen könntest, der ein Staatsanwalt ist, dann wäre das ziemlich witzlos. Weil du als Normalbürger keine Chance gegen den Staat hättest, falls er z. B. korrumptiert wäre.

    Die DDR wäre also, nach der deutschen Auffassung von Rechtsstaat, kein Rechtsstaat. Weil es in der DDR keine unabhängige Justiz gab.

  • achtrag:

    JonnyMadFox und Marner - ich bezog meine Frage eigentlich auf graduelle Unterschiede. Minen an einem Grenzzaun können innerstaatlich rechtlich abgesichert sein, auch wenn das moralisch als Unrecht gelten kann. Was mich bei dieser Frage beispielsweise interessiert, ist der Auf- und Abbau von Rechtsstaatlichkeit durch das Hinzufügen oder Fortnehmen von juristischen Kernelementen, Repressionen gegen Richter, Rechtsbeugung. Die Regierungen von Polen und Ungarn bspw. haben in jüngster Vergangenheit ihre Rechtsstaatlichkeit ordentlich ausgehöhlt, obwohl diese doch verpflichtend für EU-Mitglieder ist.

    Da wird es philosophisch, das ist alles keine Naturwissenschaft und wird von unterschiedlichen Gesellschaften zu verschiedenen Zeiten anders beantwortet werden.

    Verwandte Fragestellungen sind

    "Wie viele Snadkörner kann man vom Sandhaufen nehmen bevor er aufhört ein Sandhaufen zu sein?" oder das Paradox vom Schiff des Theseus.


    NB:

    Eine Nachfrage in einen Vorherigen post zu packen ist ungeschickt, das geht leicht unter. Da ist ein neuer Beitrag sinnvoller.

  • Geltendes Recht muss nicht immer mit Rechtsempfinden übereinstimmen. Wenn man die Aktionen des Aufstands der letzten Generation als Beispiel dafür nimmt, ist es dann nicht so, dass die Aktivisten im Grunde eine Abkehr von rechtspositivistischer Praxis zugunsten einer naturrechtlichen Moral fordern? Wo setzt das Verfassungsgericht hier an?

  • naturrechtlicher Moralvorstellungen

    ein großes Wort gelassen ausgesprochen.

    In eine Wertdiskussion möchte ich hier aber nicht einsteigen.


    Seh ich auch nicht, schließlich wollen dies Letztgeneratonista nichts selbst ausserhalb des gesetzten Rechtes ändern, sondern nur die existierenden staatlichen Institutionen zum Handeln auffordern innerhalb des alten Systems zu handeln.

    Von demher sind die harmlos, eigentlich wären die leicht auszublenden indem man sie nichtmal ignoriert.

  • ein großes Wort gelassen ausgesprochen.

    In eine Wertdiskussion möchte ich hier aber nicht einsteigen.


    Seh ich auch nicht, schließlich wollen dies Letztgeneratonista nichts selbst ausserhalb des gesetzten Rechtes ändern, sondern nur die existierenden staatlichen Institutionen zum Handeln auffordern innerhalb des alten Systems zu handeln.

    Von demher sind die harmlos, eigentlich wären die leicht auszublenden indem man sie nichtmal ignoriert.

    In der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zu den Klimaprotesten heißt es ja, dass die Bundesregierung "das Leben und die körperliche Unversehrtheit" schützen soll, darauf beziehen sich die Aktivisten. Ich denke, dass das eine eher naturrechtliche Sache ist, die eben mit Moralvorstellungen verbunden ist. Es ist auch nicht klar, was genau mit "Unversehrtheit" gemeint ist. Aber ich bin kein Jurist, vielleicht ist das ja doch irgendwo näher beschrieben. Ich finde die Frage einfach interessant, ob Moralvorstellungen auch eine Rolle spielen sollten und dass Recht nicht immer Rechtsempfinden entspricht, worauf sich die Aktivisten ja auch beziehen (zb beim Wegwerfen von guten Lebensmitteln, was rechtlich legal ist, weil eigentum vom supermarkt, es entspricht aber nicht den üblichen Moralvorstellungen der Menschen). Aber wie gesagt, bin da kein Experte.

  • Geltendes Recht muss nicht immer mit Rechtsempfinden übereinstimmen. Wenn man die Aktionen des Aufstands der letzten Generation als Beispiel dafür nimmt, ist es dann nicht so, dass die Aktivisten im Grunde eine Abkehr von rechtspositivistischer Praxis zugunsten einer naturrechtlichen Moral fordern? Wo setzt das Verfassungsgericht hier an?

    Mir fällt gerade auf, dass das wohl immer so war bei sozialen Bewegungen. Also dass aus einer Moral heraus argumentiert wurde. Was ja ok und gut ist IMO, aber wahrscheinlich immer eine Herausforderung für Gerichte aus rechtspositivistischer Sicht ist.

  • https://www.sueddeutsche.de/me…ar-1.5712441?reduced=true hat auch nen kommentar geschrieben, aber leider hinter der paywall. ist ja auch kaum gesellschaftlich relevant das thema

    Achwas, wenn keiner mehr mit den Spinnern redet und denen der Zugang zur Öffentlichkeit entzogen wird, dann sind die garnicht weg sondern es gärt im Dunklen weiter, konnte ja niemand ahnen...


    #deplatformingwarschonimmereinedummeidee

  • Guten Morgen. Hab mich angemeldet, um eine Anmerkung loszuwerden: Der Kanal landet bei mir in einem Feed Aggregator. Seit einiger Zeit erscheinen die Interviews dort schon sehr früzeitig. Das hier findet in 87 Tagen statt. Entweder ich verwerfe es und verpasse es, oder ich schleife es drei Monate in meinem Aggregator mit, was ich nicht ideal finde. Am schlimmsten war/ist das Interview mit Ricarda Lang. Das hab ich direkt rausgekickt, weil ich es sonst ca. ein Jahr im Aggregator hätte vorhalten müssen. Kann das Dilemma jemand nachvollziehen? Hat jemand eine Lösung dafür?

  • Kann das Dilemma jemand nachvollziehen?

    Ja, ein paar Beiträge vorher und auf Twitter kann man lesen warum das so ist, dieses Interview hier mit Ronen Steinke z.B. wurde erstmal abgesagt weil Tilo krank ist:

    Und das Interview mit Ricarda Lang wurde von den Grünen abgesagt:

    Update: Der Interviewtermin kommende Woche wurde seitens der Grünen voerst abgesagt. Sobald es einen neuen Termin gibt, lass ich es euch wissen

  • Tilo

    Hat den Titel des Themas von „#614 - Justizexperte Ronen Steinke“ zu „#616 - Justizexperte Ronen Steinke“ geändert.

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