#612 - Ökonomin Veronika Grimm ("Wirtschaftsweise")

  • Montag, ab 18:30 Uhr, LIVE



    Zu Gast im Studio: Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm. Sie ist seit 2008 Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftstheorie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 2020 wurde sie in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Die Wirtschaftsweisen") berufen.


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  • Hallo Tilo,
    wir haben bei unseren Mitarbeitenden einige Fragen gesammelt. Unser Blick ist nach vorne gerichtet und zielt auf ein neues Wirtschaftssystem ab.

    1. Kann das Prinzip des monetären Wachstums in Zukunft auf ein Gemeinwohlwachstum umgestellt?
    2. In der Volkswirtschaftslehre spielen dezentrale Wirtschaftssysteme keine große Rolle. Wie stehen sie dazu, dass dezentrale bürgereigene Unternehmen die Daseinsvorsorge übernehmen?
    3. Die momentane Situation in der Energieversorgung zeigt, dass die Versorgung mit Rohstoffen der Schwachpunkt ist. Sollte der Rat der Wirtschaftsweisen sich jetzt nicht klar für eine dezentrale Versorgung durch erneuerbare Energien aussprechen?
    4. In der deutschen Volkswirtschaft spielt das Ehrenamt eine große Rolle. Wäre es daher volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, dass der Staat diese meist unentgeltlich geleistete Arbeit bezahlt?

    Vielen Dank, wenn die eine oder andere unserer Fragen gestellt wird.

  • Hat unser Sozialstaat und die Rente eine Zukunft, wenn man sich den demographischen Wandel ansieht und auch falls wir uns entschließen würden dem Klima zu liebe unseren Energiehunger zu reduzieren, d.h. auf Wirtschaftswachstum zu verzichten.

    Wie sähe das aus?

  • 1. Mit was befasst sich Ökonomik/ VWL? Was ist für sie "Wirtschaft"? Wie würde sie dies Schüler:innen erklären?


    2. Für wie relevant hält sie die den Sektor der unbezahlten Arbeit (Care/ Sorgearbeit) in einer Marktwirtschaft? Könnte oder sollte dies eine größere Rolle in der VWL spielen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum?


    3. Wie steht sie zum HartzIV/ "Bürgergeld und den existenzbedrohlichen Sanktionen? Können Sanktionen auch nicht-existenzgefährdend und anreizkompatibel sein?


    4. Ist Existenz, Selbsterhaltung, Existenzsicherung o.Ä. ein relevantes Wirtschaftsmotiv? (Anreiz für wirtschaftliche Betätigung) Wie wird das in der VWL aufgegriffen? Kennt sie dazu Ansätze, Theorien usw., die das ganz bewusst als ein Wirtschaftsmotiv berücksichtigen?


    5. Für wie wichtig erachtet sie Fachexpertise in sozialstaatlichen Fragen? Wie findet sie die Expertise dazu z.B. in Gaspreiskommission oder im Sachverständigenrat vertreten? Müsste sich daran etwas ändern?


    6. Viele ökonomische Fragen sind doch auch irgendwie mit etischen Fragen verbunden. Bei den Steuern geht es auch um Steuergerechtigkeit? Verteilungsfragen sind ebenfalls Gerechtigkeitsfragen. Bei Hartz IV, aber auch bei der Gaspreisbremse, ging es um soziale Gerechtigkeit, zu der sich Ökonominnen und Ökonomen häufig äußern. Die Soziale Marktwirtschaft hat auch soziale Gerechtigkeit zum Ziel. Die sozial-ökologische Transformation soll ökologische Transformation sozial gerecht gestelten. Wie steht es also um die Expertise in ethischen Fragen in der VWL? Wie geht die VWL damit um? Gibt es Theorien, Ansätze und Konzepte, die sich mit ethischen Fragen im wirtschaftlichen Kontext befassen? Sollte dies stärker Thema im Studium sein?


    7. Wie hält sie es mit ökonomischer Ideengeschichte? Würde sie sich dafür einsetzen, dass dies wieder ein regulärer - und professionell betreuter - Bestandteil in den Lehrplänen der VWL wird? Wenn ja, wie würde sie sich dafür stark machen? Wenn nein, warum?


    8. Wie hält sie es mit der Pluralen Ökonomik? Wie mit der Vielfalt im Studium der Ökonomik? Es gibt ja verschiedene Studien zur ökonomischen Lehre, die empirisch zeigen, dass Lehrbücher einseitig (teils manipulativ) sind, die Lehre ebenfalls einseitig ist - es hier an reflexiven Fächern mangelt.(a, b, c) Wie ist ihre Erfahrung? Wie steht sie zu diesen empirischen Befunden?


    Quellen:

    a) https://www.boeckler.de/pdf/v_2016_10_21_fauser.pdf

    b) https://www.exploring-economic…nde-flecken-der-lehrbuch/

    c) https://www.exploring-economic…-wirtschaftswissenschaft/

  • Ich hätte da auch mal ein paar Fragen.

    Was wäre Ihrer Ansicht nach der perfekte Markt?

    Wie geht man mit unausgewogenen Märkten um? Ölmarkt, Gasmarkt, Erze usw.

    Sollten Monopole auf die der Staat Einfluss nehmen könnte weiterhin existieren? Z.b. Tank und Rast?

    In wie weit ist es volkswirtschaftlich sinnvoll in Bildung der Bevölkerung zu investieren? Und warum sind die Schulen so verkommen, wenn es denn sinnvoll ist?

  • Während in den rennomiertesten naturwissenschaftlichen Journalen wie der "Nature" oder "Science" der Rückgang der verfügbaren Nettoenergie und der davon abhängigen wirtschaftlichen Produktion diskutiert wird, wird das in den Wachstumsprognosen der Ökonominnen ignoriert. Wieso?


    Wie stehst du zu den Arbeiten William Nordhaus, die besagen, dass Klimawandel nur einen verschwindend geringen Einfluss auf unsere Wirtschaft haben wird? Warum hat er dafür einen Nobelpreis verdient?


    Welchen Einfluss würde eine Globale Erwärmung von 3 bis 4 Grad auf unsere Wirtschaft deiner Meinung nach haben?


    Welche Veranwortung tragen Ökonominnen (wie z.B. William Nordhaus) dafür, dass die Klimakrise nicht bewältigt wird und dass das Leben von Milliarden von Menschen bzw. das Überleben der Menschheit deshalb massiv gefährdet ist?


    So gut wie keine Ökonomin stellt das momentane Wirtschaftsystem in Frage obwohl es uns in den Klimakollaps führt. Wäre es nicht die Aufgabe der Ökonominnen Alternativen zu diesem Wirtschaftssystem zu entwickeln die mit den planetaren Grenzen vereinbar sind? Warum beschäftiigt sich keine Ökonomin damit?

  • Frage (nach kurzer Lektüre ihres Wikipedia-Eintrags):


    Ist Veronika der Meinung, dass in der Debatte bez. Energiewende genügend Naturwissenschaftler gehört werden?

    - Wenn ja, warum sieht man die dann nirgends?

    - Wenn nein, was tut sie dafür, dass wir künftig nicht mehr nur von Ökonomen und Juristen 'belästigt' werden?

    Myrddin


    Wenn wir uns alle ein wenig mehr Mühe geben, wird das schon.

    Oder?

  • Welche empirischen Studien müsste man dir darlegen, damit du es akzeptieren würdest, dass die Neoklassik ein ungeeignetes Modell für die Beschreibung der Ökonomie ist?


    (ich gehe mal davon aus, dass sie eine Vertreterin der neoklassik ist, kann mich aber auch täuschen)

  • Tolles Interview Tilo, aber es war wieder ziemlich furchtbar das auszuhalten.


    Man kann es aber in kurz zusammenfassen was Veronika sagt:


    Es ist "unrealistisch" unser Wirtschaftssystem in Frage zu stellen (nicht schnell genug, undemokratisch usw.).


    Es ist "unrealistisch" den Klimawandel durch Gesetze, wie z.B. einem Flugverbot, zu verhindern (weil das von der Bevölkerung nicht mitgetragen wird)


    Das einzige was "realistisch" ist, ist Anreize für die Unternehmen zu schaffen in den Klimaschutz zu investieren. weil nur die haben ja die Expertise uns vor dem Klimakollaps zu bewahren.


    Na dann gute Nacht. Mit solchen Expertinnen sind wir wirklich im Arsch.


    Es handelt sich wiedermal um Klimaleugnung zweiten Grades. Die Dringlichkeit wird auch von Prof. Expertin in Klimafragen nicht verstanden, der Klimawandel ist nur eine kleine Grippe des Kapitalismus. Dafür müssen wir unser kollektives Verhalten nicht verändern, bzw. wirkliche Maßnahmen zum Klimaschutz werden als unrealistisch verworfen.


    Aufrechtrhalten wird dieser Wahn durch den Aberglauben, dass die unsichtbare Hand des Marktes (und nur die) uns durch ihre Innovationskraft die nötigen Wunder beschert, damit alles so weiter gehen kann wie bisher (aber grüner). Jeder der was anderes sagt ist eben zu dumm und naiv, denn eine Veränderung unseres Verhaltens ist ausgeschlossen.


    Der Mensch ist halt so. Die Konsumenten sind eben an allem Schuld, denn die wollen ja ständig immer mehr Konsum (und sind natürlich eigentlich faule Minderleister wenn sie nicht durch autoritäre Zwangssysteme zum Arbeiten gezwungen werden). Die Unternehmen sind letztendlich unschuldig, denn alles was die tun ist ja nur unseren zerstörerischen Konsumhunger befriedigen. Wir gierigen Konsumenten werden in die Barbarei zurückfallen wenn die tapferen Unternehemen diesen Konsum nicht mehr befriedigen.


    Veronika hat ein menschenverachtendes Weltbild. Menschen sind Wettbewerber um knappe Ressourcen auf einem Markt. Das ist der Kern ihres Denkens der alles bestimmt. Man nennt das auch Neoliberal.

  • Veronika hat ein menschenverachtendes Weltbild.

    Huhuhu, was für ein niederschmetterndes Urteil!


    Fand ich jetzt auch nicht so pralle, was sie da plappert, aber damit steht sie nach meiner Wahrnehmung fast 1:1 in der Merkelschen Tradition der "Politik des Machbaren".

    Dass eigentlich noch viel mehr möglich (und nötig) wäre, wenn man nur wollte, liegt wohl außerhalb ihrer Vorstellungskraft.


    Und diese 'Human Resources'-Denke ist natürlich einerseits widerlich, andererseits auch nur Symptom ihres rein wirtschaftlichen Denkens.

    Evtl. war das auch so 'n Erklär-Modus, in dem sie wirklich nur ihre fachliche Meinung vorträgt. Kam für mich aber nicht wirklich so rüber.


    Apropos rein wirtschaftliches Denken: Hab nicht bis zu Ende geschaut, hat sie meine Frage zu naturwissenschaftlichen Positionen beantwortet?

    Ist Veronika der Meinung, dass in der Debatte bez. Energiewende genügend Naturwissenschaftler gehört werden?

    - Wenn ja, warum sieht man die dann nirgends?

    - Wenn nein, was tut sie dafür, dass wir künftig nicht mehr nur von Ökonomen und Juristen 'belästigt' werden?

    Besten Dank im Voraus,

    Myrddin


    Wenn wir uns alle ein wenig mehr Mühe geben, wird das schon.

    Oder?

  • Und diese 'Human Resources'-Denke ist natürlich einerseits widerlich, andererseits auch nur Symptom ihres rein wirtschaftlichen Denkens.

    Sehe ich eben anders. Diese Art zu denken ist der Kern neoliberaler Ideologie, weil Wirtschaftswissenschaftler eben damit den Anspruch erheben, die ganze Gesellschaft zu erklären.

    Ich halte diese Haltung für Menschenverachtend.


  • Zumal das mit der "Knappheit", aus der diese ganze Mär von der individuellen Nutzenmaximierung am Markt sich ernährt, eine reine Erfindung ist, sobald man sich mit den Volkswirtschaften der industrialisierten Welt beschäftigt.

    Knapp ist hier vor allem Kaufkraft, um sich die am Markt im absoluten Überfluss angebotenen Waren auch leisten zu können. Und die muss man sich leisten können, weil in der kapitalistischen Marktwirtschaft alles was an Waren produziert wird, so lange Eigentum der Eigentümer der Produktionsmittel bleibt, bis sie es verkaufen können, um den Mehrwert zu Profit zu realisieren.


    In einer Gesellschaft, in der es ein strafbares Eigentumsdelikt ist, täglich tonnenweise weggegworfene Lebensmittel aus Müllcontainern zu holen git es keine Knappheit.

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