#605 - Ulrike Herrmann über das Ende des Kapitalismus

  • Aus Max Weber - Protestantischen Ethik:


    Erwerbstrieb«, »Streben nach Gewinn«, nach Geldgewinn, nach möglichst hohem Geldge-winn hat an sich mit Kapitalismus gar nichts zu schaffen. Dies Streben fand und findet sich bei Kellnern, Aerzten, Kutschern, Künstlern, Kokotten, bestechlichen Beamten, Soldaten, Räubern, Kreuzfahrern, Spielhöllenbesuchern, Bettlern: - man kann sagen: bei »all sorts and conditions of men«, zu allen Epochen aller Länder der Erde, wo die objektive Möglichkeit dafür irgendwie gegeben war und ist. Es gehört in, die kulturgeschichtliche Kinderstube, daß man diese naive Begriffsbestimmung ein für allemal aufgibt. Schrankenloseste Erwerbsgier ist nicht im mindesten gleich Kapitalismus, noch weniger gleich dessen »Geist«. Kapitalismus kann geradezu identisch sein mit Bändigung, mindestens mit rationaler Temperierung, dieses irrationalen Triebes. Allerdings ist Kapitalismus identisch mit dem Streben nach Gewinn, im kontinuierlichen, rationalen kapitalistischen Betrieb: nach immer erneutem Gewinn: nach »Rentabilität«. Denn er muß es sein. Innerhalb einer kapitalistischen Ordnung der gesamten Wirtschaft würde ein kapitalistischer Einzelbetrieb, der sich nicht an der Chance der Erzie-lung von Rentabilität orientierte, zum Untergang verurteilt sein.

  • Der Staat war ziemlich wichtig für die Konstitution des Kapitalismus in seiner historischen Entstehung. Und das ganz einfach deshalb, weil Menschen, wenn man sie alleine lässt, nie im Leben auf die merkwürdige Idee kommen, dass man eine Wirtschaft am besten auf unendlicher Ausbeutung von Mensch und Natur aufbaut. Leute wie die klassischen Liberalen sahen im Kapitalismus eine geeignete Alternative zur feudalen Wirtschaft. Aber nur wenige haben das Zerstörungspotential des Kapitalismus wirklich vorhergesehen. Und die Unternehmer waren natürlich schon in die Logik des Kapitals eingebunden und haben auch ihre Macht spielen lassen.

  • Die Verfügbarkeit von Fossilen Brennstoffen und die Möglichkeit, dass man menschliche Arbeitskraft durch billige Energie ersetzen kann,

    Haltet ihr es für sinnvoll, die rechtliche Ermöglichung des ganzen, auch als einen technischen Prozess zu verstehen? Dies würde Ulrikes Definition, um die von euch bemängelten Aspekte ergänzen, oder übersehe ich etwas ?

  • Die technische Entwicklung lief übrigens nicht immer linear zum Besseren in der Geschichte. Im Mittelalter wurde viel Technologie der Römer zerstört und vergessen, wie z. B. die ganzen Abwassersysteme. Wer weiß, vielleicht kann das in der Zukunft in einer post-kap. Gesellschaft wieder passieren. Aber dann werden das wohl bestimmt nicht die Abwassersysteme sein, i hope 😅

  • Was Wissenschaft angeht:

    Bis ungefähr zum Ende des 19. Jahrhunderts hin, kann man nicht sagen, dass Wissenschaft eine besondere Rolle bei der Entwicklung der Technologie gespielt hat. Viel mehr "hinkten" die wissenschaftlichen Theorien immer der Technologie hinterher. Neue Maschinen ect. wurden verbessert aufgrund der Erfahrungen und dem Einfallsreichtum der Handwerker. Immer nach einer neuen technischen Entwicklung, die meistens aus der konkreten Praxis entstanden, passte man die Theorien an. Der Wendepunkt kam erst Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts. Deutschland war das erste Land, das den Ingenieur und die Wissenschaft als ökonomische Größen erkannt hat. Ein Grund dafür war die verbreitete spekulative Philosophie, die unter anderem auch von Hegel kam. Dadurch konnte Deutschland seine späte Industrialisierung wieder einholen. Das war der Beginn der kapitalistischen Verwertung der Wissenschaft, die zur wissenschaftlich-technologischen Revolution geführt hat. So haben sich auch z. B. die Universitätssysteme und die polytechnischen Hochschulen von Deutschland in Europa und besonders in den USA verbreitet.



    Henry Gantt :

    It is an economic law that large profits can be permanently assured only by efficient operation. The supreme importance of efficiency as an economic factor was first realized by the Germans, and it is this fact that has enabled them to advance their industrial condition, which twenty years ago was a jest, to the first place in Europe, if not in the world. We naturally want to know in detail the methods they have used; and the reply is that they have recognized the value of the scientifically trained engineer as an economic factor.

    In the United States, superb natural resources have enabled us to make phenomenal progress without much regard to the teachings of science, and in many cases in spite of our neglect of them. The progress of Germany warns us that we have now reached the point where we must recognize that the proper application of science to industry is of vital importance to the future prosperity of this country. . . . Our universities and schools of higher learning are still dominated by those whose training was largely literary or classical, and they utterly fail to realize the difference between a classical and an industrial age.

    This difference is not sentimental, but real; for that nation which is industrially most efficient will soon become the richest and most powerful.



    Was er hier interessantes schreibt ist, dass die USA so viel Ressourcen in ihrem Land hatte, dass sie sich wenig für Wissenschaft interessierten (ausser klassischer Bildung). D. h. die Kapitalisten hatten wenig interesse an Wissenschaft, weil sie mit den bestehenden Ressourcen Profit gemacht haben.

  • Welche Rolle soll eigentlich der Staat in einer post-kapitalistischen Gesellschaft spielen? Wenn der Kapitalismus überwunden ist, wird auch der Staat gehen müssen.

    Wird wohl darauf ankommen wer den Kapitalismus überwindet!

    Wenn es das Klima ist hast du wohl recht, dann braucht es auch keinen Staat mehr beziehungsweise wird der sich in vielen Ländern nicht mehr halten können!

    Sollte es der Mensch sein wären Strukturen ganz Nützlich im Chaos wird das sonst wohl eher nichts werden ist ja schon schwierig genug mit einer Demokratie die Mehrheiten braucht.

    Aber die Frage wäre ja, durch was willst du den Staat ersetzen?

  • Welche Rolle soll eigentlich der Staat in einer post-kapitalistischen Gesellschaft spielen? Wenn der Kapitalismus überwunden ist, wird auch der Staat gehen müssen.

    Wenn wir uns darauf einigen können das hier mit Staat ein durch nationale Grenzen definiertes Gebilde gemeint ist in dem reiche Leute "die es besser wissen" Entscheidungen ohne wirkliche Beteiligung der Bevölkerung treffen, dann ja.


    Aber ein Staat ist auch eine Zusammenschluss der Menschen um die Dinge zu organisieren die wir füreinander in unserem Kollektiv tun, wie ein Gesundheitssystem, Schule, Gewaltmonopol, Militär, Verwaltung, Versorgung mit Strom Wasser etc. Das ist ja auch die eigentliche Legitimation des Staates. Natürlich muss das nicht gehen.


    Wenn der Staat aber diese Aufgaben nicht mehr erfüllt und zu einem "failed state" wird, dann muss er weg. Meinst du das?


    Meiner Anscht nach ist das tatsächlich der Weg wie die Transformation geschehen wird. Die Entwicklung ist ja offensichtlich die, dass all die Dinge die wir in einem Kollektiv füreinander tun im Kapitalismus heute in Frage gestellt werden. Versorgung wird Privatisiert oder abgeschafft, immer mehr Geld fliesst (z.B. über Bankenrettung) vom Staat zu den Kapitalisten anstatt in den Betrieb der Schulen oder Krankenwägen. Es ist der Kapitalismus der den Staat nach und nach abschafft.


    Immer mehr Staaten oder Regionen, werden vom Kapitalismus am ende dieser Entwicklung aufgegeben und die Bevölkerung ist gezwungen sich selbst zu organisieren. Das passiert in Rojava oder in Detroit. Aber auch in Griechenland mussten die Leute schon anfangen ihre Krankenhäuser lokal selbst zu organisieren.


    In der Transformation in ein Postkapitalistisches System müssen diese Strukturen wieder aufgebaut werden und Staatlichkeit wieder geschaffen werden. Am besten eben von unten nach oben wie das in Rojava geschehen ist.

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