#605 - Ulrike Herrmann über das Ende des Kapitalismus

  • Ja schon - aber doch vor allem durch die britische Ostindienkompanie, die erst ab Mitte des 18. Jahrunderts so richtig fahrt aufnahm, und dem britischen Imperialismus zu seiner führenden Handelsmacht in der Welt verhalf, als das britische Manufakturwesen schon weit fortgeschritten war und Adam Smith seine berühmten Theorien zum Wohlstand der Nationen veröffentlichte.


    Die holländische Ostindienkompanie war zu Beginn des 17. Jahrhuderts, als die Amsterdamer Börse entstand, noch wesentlich stärker auf den Import knapper Güter fixiert, und vor allem wurde sie damals nicht ansatzweise so stark durch ein Königshaus massiv gefördert und mit staatlich legitimierter Gewaltausübung in den Kolonien beauftragt, wie ihre britische Nachfolgerin.

    Ja, definitiv. Deshalb hat ja Ulrike damit recht, dass der Kapitalismus in England entstand. Die Holändische Börse war aber eine wichtige Entwicklung damit es dazu kommen konnte.

  • Die Holändische Börse war aber eine wichtige Entwicklung damit es dazu kommen konnte.

    Ja richtig. Deshalb schrieb ich ja auch in Hinblick auf dieselbe:

    Das war zwar schon eine Vorstufe zum modernen Finanzmarkt, die später dazu beitrug, dass die Industrialisierung überhaupt fiannziert werden konnte,

    Ich wollte nur dem Eindruck entgegenwirken, dass es vor der Industrialisierung schon eine nennenswerte "Produktion" von Geld zu noch mehr Geld gegeben habe, die sich auf mehr als einen relativ kleinen Kreis von städtischen Kaufleuten und geschäftstüchtigen Feudalherren erstreckte.


    Ich behaupte allerdings nach wie vor, dass selbst heute noch die industrielle Verwertung von privatem Kapital (plus Energie und Rohstoffe) mittels menschlicher Arbeitskraft die Voraussetzung dafür ist, dass überhaupt Geld zu noch mehr Geld gemacht werden kann.


    G - G' ist ein Resultat, aber nicht der eigentliche Prozess. Der ist immer noch G - W - G'. Ohne Waren, die produziert und zu Geld gemacht werden, mit dem dann neue Waren gekauft werden können, ist das Geld einfach nichts wert.

  • Ja, und ich war froh dass ich das nicht mehr machen musste, weil du ds schon so eloquent getan hast.

  • Der Unterschied zu Ulrikes Definition ist eben nicht allzu goß. Das wäre ja auch seltsam.


    Die Verfügbarkeit von Fossilen Brennstoffen und die Möglichkeit, dass man menschliche Arbeitskraft durch billige Energie ersetzen kann, ist die Vorrausetzung dafür, dass der Kapitalismus das ist was er heute ist. Da sind sich glaube ich alle (hier) einig.


    Wie wir aber gerade herausgearbeitet haben entstand der Kapitalismus schon vorher und Leistungslose Vermögenseinkommen, Massenproduktion von Gütern, Arbeiter und Kapitalisten, gab es schon ab dem 18 Jh, bevor die Dampfmaschine erfunden war.


    Diese Tatsache ist was eben gegen Ulrikes Definition von Kapitalismus spricht. Der Kapitalismus findet mit den fossilen Energieträgern die Perfekte Methode um durch "die industrielle Verwertung von privatem Kapital (plus Energie und Rohstoffe) mittels menschlicher Arbeitskraft " Geld zu Geld zu machen. Existierte aber schon bevor diese existierte.

  • Das ist aber kein Mittelalter mehr. So ab der Neuzeit war die Entwicklung immer mehr hin zu einer Geldwirtschaft, Preisrevolution und Kommerzialisierung, Kolonialismus usw. Praktisch die Entwicklung zum Kapitalismus hin begann. Werte begannen sich zu ändern. Deswegen setzt man ja den Beginn der Neuzeit ins 15.-16. Jahrhundert, weil ab dieser Zeit die ganzen Prozesse angefangen haben, die alle die Bedingungen für den modernen Kapitalismus gelegt haben. Die Fugger waren auch einer der wenigen Familien, die den Aufstieg von Kaufleuten in den Adel geschafft haben, das war sehr selten :) Später hat das Bürgertum dann in den Adel eingeheiratet und die Klassen haben sich vermischt.

  • Sorry, wenn ich mich hier so spät in die Diskussion einklinke, aber ich würde sie gerne noch um einen weiteren Aspekt erweitern.


    Ich finde es einerseits erfrischend und mutig, wie sie sich positioniert, aber den Satz "Der Kapitalismus war ein Segen." muss ich als eurozentristisch zurückweisen.


    Wenn man das Mittelalter als Maßstab nimmt, ergeben sich hier, bei uns, vor Ort klare Vorteile in Sachen Wohlstand, Bildung und Gesundheitsvorsorge. Das liegt zum einen daran, dass so Dinge wie Rohstoffgewinnung oder die Produktion mancher problematischer Güter gerne auch mal ins Ausland verlagert werden und dort für einen verheerenden gesellschaftlichen und ökologischen Impact sorgen - ohne einen wirtschaftlichen Aufschwung zu generieren. So weit bin ich noch beim Diskurs Marx vs. Hermann dabei.


    Die Situation von Ureinwohnern wird von Wirtschaftstheoretiker:innen gerne beiseite gewischt. Allerdings haben wir es hier oft mit gut funktionierenden Gesellschaftsmodellen mit alternativen Begrifflichkeiten von Wohlstand, Bildung und medizinischer Versorgung zu tun. (Vielleicht spielen sie auch im Vergleich zur allgemeinen Lebenszufriedenheit, die Ulrike komplett außen vor lässt, auch eine untergeordnete Rolle.) Und ich muss wohl kaum erwähnen, dass der Kapitalismus diesen Menschen extremst zusetzt und sie in existenzielle Nöte reißt, die sie vorher - bei aller Bescheidenheit ihres Lebensstils - nicht kannten.

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  • Ich habe direkt nach dem Interview das Buch gelesen und würde sehr gerne eine Diskussion zwischen Maurice und Ulrike über diese Ideen hören. Es wäre doch super spannend diese Zukunftsversion zu vertiefen. Das ist das erste Mal ein glaubwürdiger Ansatz.

  • Ulrike glaubt, die Regierung in De hat damals den Niedriglohnsektor aufgebaut, weil die Leute glauben, Löhne sind Kosten.🙄 Was ist das für eine merkwürdige Logik?

    Ich bin mir nicht mehr sicher, aber hatte sie nicht auch erklärt das es rein aus BWL Perspektive möglicherweise sinnvoll bzw logisch erscheinen mag möglichst niedrige Löhne zu zahlen, für den jeweiligen Betrieb kann das ja durchaus ein Wettbewerbsvorteil sein...es allerdings aus VWL Perspektive für die Binnenwirtschaft schädlich ist ein zu niedriges Lohnniveau zu haben(weil die Leute kein Geld haben um den ganzen produzierten Müll zu kaufen)?

  • Ich bin mir nicht mehr sicher, aber hatte sie nicht auch erklärt das es rein aus BWL Perspektive möglicherweise sinnvoll bzw logisch erscheinen mag möglichst niedrige Löhne zu zahlen, für den jeweiligen Betrieb kann das ja durchaus ein Wettbewerbsvorteil sein...es allerdings aus VWL Perspektive für die Binnenwirtschaft schädlich ist ein zu niedriges Lohnniveau zu haben(weil die Leute kein Geld haben um den ganzen produzierten Müll zu kaufen)?

    Ja sry ich hab wie so oft nicht deutlich geschrieben, weil ich meistens vom smartphone aus schreibe und versuche alles in kurzen Sätzen auszudrücken. Löhne sind natürlich direkt Kosten für den Arbeitgeber. Es gibt ja nen Zusammengang zwischen Gewinn und Lohn. Wenn der Lohn sinkt, steigt der Gewinn für den Arbeitgeber. Weil Gewinn eigentlich nur nicht bezahlter Lohn ist. Ich fand es eher merkwürdig, dass sie einen Zusammenhang macht zwischen dem, was die Leute angeblich denken und dass das dann auf zauberhafte Weise in die Politik diffundiert. Wie kann sowas über unser politisches System, das darauf basiert, dass man vorgegebene Meinungsbilder wählt, überhaupt zustande kommen? Als gäbe es einen heimlichen Prozess, der die Gedanken der Bevölkerung in die Gedanken der Politiker beamt.

  • Um nochmal den Punkt zusammenzufassen: Wenn Herrmann sagt, dass es Profitmaximierung, Privateigentum usw. in früheren Epochen der Menschheitsgeschichte schon gab, dann hat sie damit recht. Aber der Unterschied zu heute ist, dass das damals keine dominanten Aspekte der Gesellschaft waren. Das waren verstreute Randphänomene, die heutzutage aber zu zentralen Eigenschaften unserer Gesellschaft geworden sind.

  • Ich habe gerade das Interview nachgehört.


    Das wir wirtschaftlich schrumpfen müssen war mir klar (Übrigens auch, dass das bedeutet, dass irgendwann auch Tesla nicht mehr als private PKWs verkauft werden dürfen. Gruß geht an alle, die mich für einen verstrahlten Fanboy halten).


    Klar war mir allerdings nicht, dass das auch bedeutete, dass Lebensversicherungen nicht mehr funktionieren.

    Jetzt noch eine Aktienrente zu starten ist also einfach nur irrsinnig. Ein Hoch auf unseren Finanzminister.

  • Ja die Aktienrente ist der größte Wahnsinn den man sich ausdenken kann. Offensichtlich geht es darum die Spekulationsblase mit Steuergeldern nochmal aufzublasen damit man sie dann mit fetten Gewinnen platzen lassen kann. Alle wissen dass der Zug auf den Abgrund zurauscht, wer als letzter Aussteigt verliert. Warum nicht dafür sorgen, dass es arme Rentnerinnen sind die ohnehin am Existenzminimum knapsen? Das ist doch ne tolle Idee.

  • Ulrike glaubt, die Regierung in De hat damals den Niedriglohnsektor aufgebaut, weil die Leute glauben, Löhne sind Kosten.🙄 Was ist das für eine merkwürdige Logik?

    Die gleiche mit der Söder und Merz immer wieder behauptet, Aufstocker hätten weniger Netto als Hartz4 Berechtigte ohne Arbeit in gleichen familiären Verhältnissen.


    Es gibt wirklich genug Menschen, die das glauben ohne es nachzuprüfen. Und dann auch noch fest davon überzeugt sind, selbst auf diesen Unsinn gekommen zu sein.


    Aber wenn ich Ulrike Herrmann richtig verstanden habe, dann war es Ihrer Meinung nach eher so, da die Bürger nichts dagegen hatten und nur einige wenige Parteien den besonders neoliberalen wegen Wahlstimmen hinterhergelaufen sind.

  • Ulrike glaubt, die Regierung in De hat damals den Niedriglohnsektor aufgebaut, weil die Leute glauben, Löhne sind Kosten.🙄 Was ist das für eine merkwürdige Logik?

    Die gleiche mit der Söder und Merz immer wieder behauptet, Aufstocker hätten weniger Netto als Hartz4 Berechtigte ohne Arbeit in gleichen familiären Verhältnissen.


    Es gibt wirklich genug Menschen, die das glauben ohne es nachzuprüfen. Und dann auch noch fest davon überzeugt sind, selbst auf diesen Unsinn gekommen zu sein.


    Aber wenn ich Ulrike Herrmann richtig verstanden habe, dann war es Ihrer Meinung nach eher so, da die Bürger nichts dagegen hatten und nur einige wenige Parteien den besonders neoliberalen wegen Wahlstimmen hinterhergelaufen sind.

  • Michael Burry verkauft alles ausser Gefängnisaktien?

    Wer auch immer nach der Revolution die Konterrevolution niederschlagen muss, wird sicher gesteigerten Bedarf an Inhaftierungsmöglichkeiten haben.

    Bei den privaten Haftanstalten im Land der Freien und Mutigen, kommt noch hinzu, dass die schon darauf angelegt sind, den entstandenen Schaden an der Volksirtschaft dann von den Delinquenten in Zwangsarbeit beheben zu lassen.


    Alles in allem eine sehr ökonomische Entscheidung.

  • da die Bürger nichts dagegen hatten

    Genau dieser Umstand fällt mir als die absolut primäre Ursache für so ziemlich alle Schweinereien und Probleme immer mehr auf. Solang einen was nicht richtig aktiv und unmittelbar betrifft, ist es den aller Meisten einfach egal. Bei denen, welchen es an sich nicht egal ist, ist zudem dann auch noch die große Mehrheit dann aber nicht bereit was dagegen zu sagen geschweige denn zu machen.

  • Genau dieser Umstand fällt mir als die absolut primäre Ursache für so ziemlich alle Schweinereien und Probleme immer mehr auf. Solang einen was nicht richtig aktiv und unmittelbar betrifft, ist es den aller Meisten einfach egal. Bei denen, welchen es an sich nicht egal ist, ist zudem dann auch noch die große Mehrheit dann aber nicht bereit was dagegen zu sagen geschweige denn zu machen.

    Es gibt aber noch eine andere Erklärung. Nämlich, dass die Leute sowieso nicht viel von der Politik erwarten bzw. sich auf eine gewisse Weise ohnmächtig fühlen und halt nur das geringste Übel wählen unter allen Umständen und Versprechen, die im Wahlkampf gemacht werden. Ulrike Herrmann hat wohl die Meinung, die parlamentarisch-repräsentative Demokratie wäre Demokratie schlecht hin, ohne die Kritik an dieser Form von Demokratie zu beachten. Ich verstehe nicht, wie man wirklich glauben kann, dass die Parteien den Willen der Wähler repräsentieren.

  • Ja die Aktienrente ist der größte Wahnsinn den man sich ausdenken kann. Offensichtlich geht es darum die Spekulationsblase mit Steuergeldern nochmal aufzublasen damit man sie dann mit fetten Gewinnen platzen lassen kann. Alle wissen dass der Zug auf den Abgrund zurauscht, wer als letzter Aussteigt verliert. Warum nicht dafür sorgen, dass es arme Rentnerinnen sind die ohnehin am Existenzminimum knapsen? Das ist doch ne tolle Idee.

    Es sind ja nicht die Senioren, die private Verluste machen. Der deutsche Staat soll Aktien kaufen, um die Rente zu 'stabilisieren'. Also mit den Steuergeldern aller Bürger werden den Aktionären die zukünftigen Schrottaktien abgekauft.

    Der Staat trägt erst mal die Verluste. Wer dann die Leidtragenden sind, weil wegen Schuldenbremse kein Geld da ist, ob Rentner oder Bürgergeldempfänger, Schulkinder usw. muß dann noch entschieden werden.

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