#602 - Ökonomin Isabella Weber

  • Dienstag, ab 20:30 Uhr, LIVE



    Zu Gast im Studio: Ökonomin Isabella M. Weber. Sie forscht als Professorin für Volkswirtschaftslehre an der University of Massachusetts Amherst und lehrt und die Chinaforschung am Political Economy Research Institute leitet. Um die 2020er Jahre sorgte sie wiederholt mit stark rezipierten und kontrovers diskutierten Thesen beispielsweise zu Preiskontrollen und zur Corporate Greed als Inflationstreiber für Aufsehen. Schwerpunktmäßig beschäftigt sie sich mit der politischen Ökonomie Chinas, Internationaler Handel, der Geschichte des wirtschaftlichen Denkens sowie mit Preis- und Geldtheorie. Sie ist 2022 von Kanzler Scholz in ein Expertengremium ("Gaskommission") berufen worden, das Vorschläge für eine Deckelung des Gaspreises machen sollte.


    Habt ihr Fragen an Isabella? Her damit in den Livechat oder vorab ins Forum!


    Bitte unterstützt unsere Arbeit finanziell:

    Konto: Jung & Naiv

    IBAN: DE854 3060 967 104 779 2900

    GLS Gemeinschaftsbank


    PayPal ► http://www.paypal.me/JungNaiv

  • Da wir uns in einer Situation Realer Gas-Knappheit befinden, wird nach h.M. der Ökonomen:innen der nächsten Winter 2023/24 die wirkliche Herausforderung. Welche Möglichkeit siehst du in der Rationierung von Gas oder auch allgemeinerer Rationierung in der aktuellen Situation? Und muss man Umverteilen?

  • Interessant, da ich mir die letzten Wochen ein paar Interviews mit ihr angeguckt habe.


    Isabella hat immer historische Beispiele für Preiskontrollen gebracht, Deutschland nach dem Krieg, China nach dem Wandel zur Marktwirtschaft. Irgendwo ergeben Preiskontrollen ja auch Sinn.

    Was mir in ihren Erklärungen ein bisschen gefehlt hat sind die konkreten Mechanismen, wie bestimmt wird was den in unsicheren Zeiten der richtige Preis ist.


    Wir Leben nach einer durch den Staat hergestellten Marktlogik. Hans Werner Sinn erzählt ja immer viel vom Schnürsenkelmarkt. In Zeiten in denen wir uns durch Fortschritt oder geänderte Präferenzen nur ein bisschen vom Gleichgewicht entfernt haben, sollen Preise ein Anzeichen von Knappheit sein und so mehr oder weniger Lenkungsfunktion zu einem neuen optimalen Gleichgewicht haben. Deswegen solle in die Preisbildung nicht eingegriffen werden sondern nur hinterher umverteilt werden um soziale Gerechtigkeit zu Verwirklichen.



    Soweit zur Theorie, als eine Art Vorbemerkung von mir zu meinen Fragen, da ich davon ausgehe, dass das mehr oder weniger die Grundlage ist auf der die Preiskontrollen jetzt diskutiert werden. Ich gehe mal davon aus, dass sich das eine oder andere sowieso aus dem Gespräch ergibt. Hier mal einige Fragen die ich mir gestellt habe, als ich mir Interviews mit Isabella angeguckt habe:


    1)

    Ist es so, dass je langsamer sich „Wirtschaft” verändert, desto genauer, also mit weniger Unsicherheiten behaftet sind die Preise? Also sind stabile Preise und Unsicherheit über den richtigen Preis, ein oder zwei paar Schuhe? Heißen starke Preissprünge immer auch hohe Unsicherheit über den angemessenen Preis?

    Oder gibt es Situationen in denen die Unsicherheit über die Preise zwar viel größer wird, die Preise auf den Märkten aber stabil bleiben? Umgekehrt, gibt es Situationen in denen die Preise sich stark ändern, aber die Unsicherheit über den richtigen Preis trotzdem klein ist. Wenn ja, welche Situationen sind das?

    Wie misst man Unsicherheit von Preisen?


    2)

    Ist es egal, dass die Preise, wenn wir sie kontrollieren, nicht mehr die real existiernden Knappheiten wiederspiegeln, weil sie es wegen der großer Unsicherheit grade auch ohne Preiskontrollen nicht tun?


    3)

    Wann sollte ein Staat der Preiskontrollen eingeführt hat die Preise wieder freigeben? Als Ludwig Erhard die Preise freigab, gab es Gegner die sagten das würde zu Verwerfungen führen. Tat es ja auch insofern das kurzzeitig die Inflation hoch war, allerdings gab es dann auch sehr starkes Wirtschaftswachstum. War es damals richtig die Preise wieder freizugeben? Wenn ja warum, wenn nein warum nicht?


    4)

    Ist Preisdeckelung, weil die Märkte die Knappheiten aus Angst überschätzen, ein analoger Vorgang zu einem Nachfrageeingriff durch Konjunkturprogramme wenn in einer Rezession die Konsumenten zu pessimistisch sind um Nachzufragen?


    5)

    Ist Veränderungsfähigkeit/Anpassungsfähigkeit, die Schnelligkeit mit der Veränderungen stattfinden können, auch eine real existierende Knappheit, also begrenzt? Kann man das messen?


    Was passiert, wenn statt Preise, Preisänderungen gedeckelt werden? Bei Corona haben wir versucht über die Neuinfektionen die Zahl der Infizierten zu steuern. Bei Mieten gibt es zwar keine Preisdeckel, aber Grenzen wie schnell die Mieten erhöht werden dürfen. Glättet das die Preissprünge, erhält aber die Lenkungsfunktion der Preise?

    6)

    Braucht es manchmal auch Preisuntergrenzen (CO2-Zertifikate, Mindestlohn)?


    7)

    Nachfragestützung nach einem Angebotsschock erhöht ja in der Theorie die Inflation. Sollte der Staat die Ausgaben, um die Nachfrage der Armen nach Energie aufrecht erhalten zu können, statt über Schulden nicht lieber über höhere Steuern für die Reichen finanzieren, damit sich die Nachfrage insgesamt trotzdem verkleinert, nur dann nicht bei denen die sowieso schon am Existenzminimum leben, wozu die Marktkräfte führen würden, sondern bei den Reichen?

    Ich mache mir die im Forum zu diesem Thema mehrheitlich geäußerte Meinung nicht zu eigen und wiederspreche ihr hiermit ausdrücklich!

  • Ich frage hier mal für einen "Freund" *hust*Utan*hust. Ne Spaß, natürlich würde ich es von einer Expertin auch gerne hören:


    Stimmt es, was hier manche User wie merlin behaupten? Dass Menschen, die nicht verzichten, währendessen vom Verzichten der von Ihnen aus gesehen Ärmeren profitieren, weil diese, sofern es viele sind, die Nachfrage und damit die Preise senken?

    Natürlich steigen die Preise zwar aktuell weiter an, wären aber doch noch höher, ohne den Verzicht der Ärmeren und der darausfolgenden Nachfragesenkung, richtig?

    Und natürlich senkt die Nachfrage der Ärmeren auch die ökonomische Stärke von vielen Unternehmen, aber die Wahrheit ist doch, dass die Reichen auch mit etwas Verlust oder weniger Gewinn, reich bleiben und die Verluste oder weniger Gewinn, auch noch hauptsächlich auf die unterste Arbeiterschicht oder allgemein die in der Gesellschaft ärmeren, abgewälzt werden.


    Daraus folgt also, dass sobald die Preise durch die Nachfragesenkung der Ärmeren (Kaufkraftverlust) eintritt, die Schere zwischen Arm und Reich größer wird, wenn selbst die "Mittelschicht" sich von den Ärmeren weiter und weiter entfernt, weil die Mittelschicht und obere Mittelschicht von den gesunken Preisen auf Kosten der Ärmeren finanziell profitieren.


    Beispiel für das Produkt Gas:


    Die "Ärmeren" senken ihre Gaskosten durch Verzicht, während für die, die nicht verzichten müssen, die Gaskosten sinken, weil die "Ärmeren" verzichten.

    Die Gaskosten/Gaspreise sind zwar insgesamt trotzdem gestiegen, wären aber eben noch höher, wenn die Ärmeren nicht verzichten würden.

  • Angesichts der vielen Fehlprognosen der Mainstream Wirtschaftswissenschaft, wie z.B. zur Krise 2006 und der Opfer die diese Fordern, wie kannst du als Wirtschaftswissenschaftlerin die Beratung der Politik aus sicht des Mainstreams noch für dich verantworten?


    Muss sich die Wirtschaftswissenschaft verändern da sie auf die Krisen die dieses Wirtschaftssystem verursacht offenbar keine Antworten hat?


    Warum beschäftigt sich die Wirtschaftswissenschaft nicht damit eine Alternative zum derzeitigen Kapitalismus zu entwickeln die mit den Planetaren Grenzen und der Verhinderung des Klimakollaps vereinbar ist?


    Woran liegt es, dass die Wirtschaftswissenschaft meist den Wohlstand der Reichen verteidigt aber die Nöte der Armen ignoriert?


    Warum sind oder waren so viele Wirtschaftswissenschaftler in rechtsextremen Parteien wie der AFD?


    Welche Verantwortung haben Wirtschaftswissenschafter wie William D. Nordhaus daran, dass wir die Klimaziele von Paris verfehlen werden?


    Welche Verantwortung haben Wirtschaftswissenschaftler dafür dass es immernoch so viel Armut und Hunger auf der Welt gibt?


    Hätten wir ohne Wirtschaftswisenschaftler ein besseres oder ein schlechteres Wirtschaftssystem?

    2 Mal editiert, zuletzt von AlienObserver () aus folgendem Grund: 8 Beiträge von AlienObserver mit diesem Beitrag zusammengefügt.

    • Ist China ein kapitalistisches Land?
    • Was ist für Dich Kapitalismus?
    • Glaubst Du eine ökologisch nachhaltige, klimaneutrale, und gleichzeitig sozial "gerechte" Ökonomie ist in einer kapitalistischen Marktwirtschaft möglich, und wenn ja: Warum eigentlich ?
  • Die WIrtschaftswissenschaftler hierzulande sind de Meinung, dass höhere Löhne unweigerlich zu einer Lohn-Preis-Spirale und Inflation führen müssem. In China gab es in den letzten Jahren/Jahrzehnten massive Lohnerhöhungen, gab es dadurch höhere Inflation? Wenn nein warum nicht?


    Ist das Ziel der Geldpolitik der Zentralbanken, z.B. der EZB., Löhne hinter der Preisentwicklung zurückfallen zu lassen um so eine Umverteilung von unten nach oben zu betreiben?


    Wäre es ein gangbare Methode die jetzige Inflation zu nutzen um die soziale Spaltung und den Überreichtum einiger (etwas) in den Griff zu bekommen in dem man jetzt auf eine massive Lohnerhöhung aller abhängiger Beschäftigten (um z.B. 50%) setzt und gleichzeitig weitere Preissteigerungen der Unternehmen durch scharfe Kartellgesetze einschränkt?



    Lohnentwicklung:

  • Gibt es überhaupt ein einziges theoretisches Wirtschaftskonzept das kurz/mittelfristig (2-10 Jahre) dafür sorgt, dass die wirtschaftlich produzierte Ungleichheit durch Kolonialismus und Ausbeutung die auch heute noch stattfindet wieder ausgeglichen und behoben wird?

    - Falls es kein Konzept gibt würde mich interessieren wie überhaupt eine Einigung bei zukünftigen Ressourcen oder klimapolitischen Fragen erzielt werden kann, wenn die aufgebaute Benachteiligung nicht einmal im theoretischen Ansatz beseitigt werden kann?

    - Falls es ein Konzept gibt würde mich interessieren wie dieses aussieht, Eckpunkte usw. und ob dies in den Ländern die wirtschaftliche Macht abgeben müssten demokratisch durchsetzbar wäre, gibt es dafür in den Ländern Mehrheiten? Wo ist die Lobby für dieses Konzept?

  • Was mich noch interessiert, weil das Thema „Wie bringen wir den Markt dazu, das zu tun was wir wollen?“ eigentlich bei jedem Gespräch mit Ökonominnen angesprochen wird, auch wenn es vielleicht nicht ihr Kerngebiet ist: Wann sollten Verbote, wann Marktanreize genutzt werden?


    Beispiel Verbot: Schädliche Sachen in Nahrungsmitteln.

    Beispiel Verbot vs Markt: Benzinzertifikate vs Verbrennerverbot.

    Für die Stromerzeugung gibts zum Beispiel in der EU einen CO2-Deckel, Verbote werden trotzdem zusätzlich diskuiert.


    In jedem Fall finden sich Leute die das Verbote befürworten aber auch welche die „künstliche” Marktmechanismen befürworten. Gibt es eine Theorie, die sagt wie ich herausfinden kann wann welches Mittel gewählt werden soll? Was sind die Faktoren die die Entscheidung beeinflussen?

    Ich mache mir die im Forum zu diesem Thema mehrheitlich geäußerte Meinung nicht zu eigen und wiederspreche ihr hiermit ausdrücklich!

  • Stichwort "Corporate Greed" - mal eine völlig uninformierte, aber vielleicht trotzdem interessante Frage:

    Denkt Fr. Weber, dass wir (Menschen) es irgendwann schaffen, uns von unserer (kurzsichtigen) Gier zu lösen, und versuchen, wirklich möglichst langfristig zu wirtschaften?

    Myrddin


    Wenn wir uns alle ein wenig mehr Mühe geben, wird das schon.

    Oder?

  • Guten Abend


    Mein Chef senkt die Temperatur der Fußbodenheizung in der Werft und den Büros nicht.

    Aus dem einfachen Grund, das die Firma es sich leisten kann…


    Wie kann ich klug argumentieren um den von ihm fabrizierten Unsinn Einhalt zu gebieten?

    Über einen offenen Brief an seine Vorgesetzten habe ich auch schon nachgedacht..


    Die einmalige 1500€ Inflationausgleichzahlung will er nicht zahlen, weil es seiner Meinung nach Aufgabe der Politik wäre, dafür zu sorgen das die Bürger Hilfe bekommen.



    Zitat
  • Ein kluge Wirtschaftswissenschaftlerin. Wer hätte gedacht, dass diese Sorte existiert. Kein wunder, dass sie sie den Hass ihrer Kollegen auf sich gezogen hat. Da sehen Krugman, Summers, Sinn und co. plötzlich so aus wie die vom Kapital gekauften nützlichen Idioten die sie sind.

  • bin noch nicht ganz durch, gleich kommt hans. aber find sie sehr sympathisch und sie erklärt die dinge auch so, dass man die als laie verstehen kann ohne dass sie´s zu sehr vereinfacht. inhaltlich stimme ich mit ökonominnen auch eher selten so stark überein, auch mal ne interessante erfahrung. freu mich wenn sie wieder kommt und über china und corporate greed reden darf

  • Zu 100% weiß ich es natürlich nicht, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Alle, die für die Reicheren in der Gas-Kommission sind, bereits vorher sich über entsprechende Tricks Gedanken machen konnten, während die Anderen quasi spontan und dann auch noch fast pausenlos in einer 35-Stunden-Arbeitsrunde natürlich nicht genug Zeit und in den späteren Stunden auch nicht genug (geistige) Kraft hatten, die ganzen Tricks komplett zu durchschauen und dementsprechend dann so ein Quatsch rauskommt, der vorallem Wohlhabendere begünstigt.


    Ansonsten finde ich Frau Weber etwas naiv, was die Beurteilung oder Nicht-Beurteilung der persönlichen Motivation von Personen in der Gas-Kommission angeht.

    Dass einige von denen einfach gut bezahlte Lügner und vielleicht grundsätzlich Arschlöcher sind, sollte einem schon klar sein, bevor man in so eine Runde geht und nicht im Nachhinein dann sich ein bisschen wundern, wenn es quasi schon zu spät ist, überhaupt etwas oder etwas substanzielles zu ändern.

    Außerdem fehlt ihr meiner Meinung nach der Kampfgeist. Ist ja schön und gut, wenn sie vielleicht kompetent ist, aber aus der stillen Ecke lässt sich nichts zum Guten wenden. Da muss man auch mal lauter sein als das laute Arschloch, das für die Reicheren Einfluss nimmt.

  • weiß nicht, hab ich so nicht rausgehört. ich würde eher sagen, sie ist sich schon bewusst, dass da arschlöcher sitzen, sie wollte nur nicht die sein, die das in der öffentlichkeit so deutlich sagt. kann man ihr dann natürlich auch zum vorwurf machen, auf der anderen seite wird sie wenn sie das macht warscheinlich nie wieder bei solchen fragen irgendeinen einfluss haben dürfen weil sie dann gar nicht mehr eingeladen wird.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!