#600 - Soziologe Stefan Schulz

  • Ja klar erklärt der Hans-Werner das. Und zwar weil er gleich im Anschluss einen Grund braucht, um Folgendes als alternativlos darzustellen:

  • Um es mit Regisseur-Sprech zu sagen, "War viel schönes dabei ..." : )


    Tilo, Hans, Stefan ... Rede und Gegenrede, vieles würde ich auch so sehen, nur die Dringlichkeit nicht. Ich denke eine Weltwirtschaftskrise würde uns mehr Sorgen machen, die letzte Große Depression hat fast keine Demokratie überlebt.


    Ich bin ja ein Freund von zwei unterschiedlichen Typen die Themen besprechen, mit Grundrespekt und vielleicht noch etwas Humor - ist ein gutes vorgelebtes Beispiel dafür jemanden nicht anzufeinden weil er in einer Splittermeinung anders denkt.


    Wird sich da ein neue Duo/Trio finden das Tagespolitik/Medien kommentiert? Ich glaube so schnell nicht, vor allem muß man erstmal Reichweite bekommen und das geht langsam, aber Unterhaltungs/Qualität setzt sich durch.

    Vielleicht findet Tilo/Hans ja doch nochmal einen soft-konservativen Counterpart : )


    Alles im allem, "Cut und Schluss!" : )

  • Also bei seiner Oberbekleidung hat Stefan mal wieder den Hobby-Psychologen raushängen lassen.

    Habe dazu folgende Szene im Kopf, wie Stefan zu sich selbst sagt: "Welche Farbe soll ich zum Interview anziehen? Rot repräsentiert oft das Alarmistische und Falsche. Das Gegenteil davon wäre dann ja die Farbe Grün. Alles klar, Grün it is! Ich bin auch ein Genie!"


    Wo er aber meiner Meinung nach recht hat, ist z.B. die Aussage, dass für Viele der Fernseher der letzte soziale Kontakt ist. Dagegen scheint dieses Forum für Einige eben dieses zu sein, wenn ich mir anschaue, dass manche User hier sehr oft und sehr lange Texte schreiben und auch noch wirklich Alles lesen. Das braucht sehr viel Zeit, was auf wenig soziale Kontakte hindeutet.

    Upsi, da bin ich mal ein Debbie-Downer, meine Anglizismus-Freunde.


    Ansonsten bin ich auch für die Wiederaufnahme des Aufwachen-Podcasts.

    Stefan ist so einer, dass er sich in die falsche Richtung treiben lassen kann. Deshalb braucht er ab und zu ein paar verbale Schellen auf freundschaftlicher Basis. Denn echte Freunde sprechen auch über das Unangenehme. Tilo und Hans müssen diese verbale Schellen sein.

    Sei eine verbale Schelle Tilo, sei eine verbale Schelle Hans!

    Fairerweise muss man aber sagen, dass auch Tilo und Hans manchmal verbale Schellen brauchen. Denn zumindest das Wort "naiv" im Namen des Formats trifft sehr oft auf beide zu.

    Muss aber natürlich nicht nur bei verbalen Schellen bleiben, wenn ihr darauf steht. Berliner sind da ja immer ein bisschen experimentierfreudiger :*

  • Ich finde ja zu Stefans Besuch hätte man den animierten Blumen-Rahmen laden können : )

    Überhaupt, mir fehlen die Snippets. Die waren gut für Deutschland, gut für Unserland. War jedenfalls nicht nur 'ne schöne Nostalgienummer, ich fand Stefans Buch echt lesenswert (ich oute mich hiermit) und auch sein Auftritt bei Tilo war klasse. Er wirkt sehr aufgeräumt irgendwie und trotz der Scheiß Aussichten hat mir das Interview auf' ne abgefuckte Art und Weise Zuversicht gegeben.

  • Ein sehr interessantes Gespräch.


    In einem Aspekt würde ich Stefan allerdings doch sehr widersprechen: Die Geburtenrate in der DDR stieg genau in der Zeit der sozialen Förderung der Gesellschaft sprunghaft an und verblieb auf hohem Niveau (im Vergleich zum Westen), bis die ungelösten Probleme des Systems immer deutlicher sichtbar wurden.

    D. h. in meiner Westentaschenanalyse genau eines: Die Sicherheit und Planbarkeit des Lebens war die entscheidende Stellschraube für die sorgenlose Fortpflanzung. Es wurden eben massiv Wohnungen gebaut, in denen man für einen schmalen Taler wohnen konnte, man hatte keine Befürchtung, seine Lebensgrundlage (Arbeitsplatz) von heute auf morgen zu verlieren, die Kinderbetreuung war gesichert (es gab auch nicht schon den bitteren Überlebenskampf in der Grundschule um die Gymnasialempfehlung) uswusf. Der Wohlstand im eigentlichen Sinne, wenn auch ohne shiny Westprodukte, war staatlich garantiert. Man lebte zwar in einer Mangelwirtschaft, aber alles Lebensnotwendige war staatlich subventioniert verfügbar. Es war nicht die Mangelwirtschaft an sich, die die "Geselligkeit" (nicht ganz der passende Ausdruck, aber ich denke, es ist klar, was ich meine) förderte, es war eben das, was Stefan später im Teil über Einsamkeit im Alter thematisierte, was es in der DDR nicht gab: das Herausfallen aus familiären und gesellschaftlichen Strukturen, sei es durch's Alter, durch einen Umzug in die Fremde oder was auch immer. Man wurde überall in (meist) staatlichen Strukturen aufgefangen (dass das der Staat nicht aus Menschenliebe allein tat ist mir natürlich klar).


    Eine andere Sache, mit der ich auch nicht ganz konform gehe: Die Sprengelzuteilung für das Schulsystem ist natürlich auch eine schwierige Kiste. Zum einen gibt es keine gesellschaftlich wünschenswerte Städtebaupolitik, die eine notwendige Durchmischung der Gesellschaft erlaubte, so separieren sich ja im urbanen Raum die guten Vorstadtschulen von den Problemschulen im Ghetto und was auch noch zu erwähnen ist, die Lehrerempfehlung für die weiterführende Schule abzuschaffen beruhte auch auf der Erkenntnis, dazu gibt es reichlich Studien, dass die soziale Segregation auch vor diesen Urteilen durch Lehrer nicht Halt machte. Kinder aus finanziell schwachen, also im Politsprech "sozial schwachen", Haushalten (Danke an der Stelle dafür, dass dieser Ausdruck mal gerügt wurde) erhielten deutlich weniger oft Gymnasialempfehlungen bei gleich guten Leistungen.

    Das Ganze muss man also systemisch denken, einfach an einer Stellschraube zu drehen, wird da nicht reichen. Das dreigliedrige Schulsystem abzuschaffen würde das Problem allerdings schonmal deutlich entschärfen, dann mehr Binnendifferenzierung uswusf. Bildung hatten wir irgendwann im Forum ja schonmal ausführlicher...

  • Also Aladin sagt das Gegenteil. Die Eltern sind viel klassistischer als Lehrer in der Entscheidung auf welche Schulform das Kind gehen soll. Akademiker schicken ihre Kinder überproportional häufig aufs Gymnasium (über die Fähigkeiten des Kindes hinaus, also trotz Realschulempfehlung), Arbeiter ihre Kinder überproportional häufig auf die Realschule (trotz Gymnasialempfehlung).


    Wenn Kinder ohne Gymnasialempfehlung nicht aufs Gymnasium dürfen nimmt der Einfluss des Gehalts oder der Bildung der Eltern auf die Abschlüsse der Kinder ab, wenn Kinder die eine Gymnasialempfehlung haben aufs Gymnasium müssten, wäre der Effekt noch stärker.

    Ich mache mir die im Forum zu diesem Thema mehrheitlich geäußerte Meinung nicht zu eigen und wiederspreche ihr hiermit ausdrücklich!

  • Also Aladin sagt das Gegenteil. Die Eltern sind viel klassistischer als Lehrer in der Entscheidung auf welche Schulform das Kind gehen soll. Akademiker schicken ihre Kinder überproportional häufig aufs Gymnasium (über die Fähigkeiten des Kindes hinaus, also trotz Realschulempfehlung), Arbeiter ihre Kinder überproportional häufig auf die Realschule (trotz Gymnasialempfehlung).


    Wenn Kinder ohne Gymnasialempfehlung nicht aufs Gymnasium dürfen nimmt der Einfluss des Gehalts oder der Bildung der Eltern auf die Abschlüsse der Kinder ab, wenn Kinder die eine Gymnasialempfehlung haben aufs Gymnasium müssten, wäre der Effekt noch stärker.

    Ich sehe den Widerspruch nicht?

    Ich habe nicht behauptet, die Lehrer wären klassistischer als die Eltern, ich habe behauptet, auch die Lehrer fällten ihre Entscheidungen nicht objektiv und das ist bzw. war nachweislich so.

    Als diese Studien (die auch die Notengebung umfassten, in der das Bild ähnlich war) herauskamen, gab es allerdings auch Reflektion in der Lehrerschaft, das sollte man an der Stelle auch nicht unterschlagen.

  • Ich muss mal zugeben, dass ich ihm unrecht getan habe, als ich nach seinem Kurzauftriit bei Kulturzeit vor ein paar Wochen gleich über ihn her zog. Dass er offensichtlich seit den Aufwachen!-Zeiten einen Lernprozess durchgemacht, und erkannt hat, dass Generationenkonflikt genau die falsche Strategie wäre, um das Demografieproblem anzugehen, und den jüngeren Generationen ein besseres Leben zu ermöglichen, muss man ihm hoch anrechnen und dass das erst in diesem längeren Gespräch klar wird ist ein Verdienst des langen Formats.


    Leider kann er mich auch mit mehrfachem Marx-Namepropping, Vermieterbashing, Verweisen auf Genossenschaftliches Wohnen, oder seinen Apellen an mehr Gemeinschaftsgefühl mit Anfassen für den Oxytocin-Haushalt nicht so recht davon überzeugen, dass er sich wirklich für "die Menschen" hinter den sozialen Systemen interessiert.

    Denn am Ende fällt ihm bei aller akribischen Analyse dessen was ist, und bei allen normativen Forderungen nach Stellschrauben im laufenden System, die wir als Gesellschaft eigentlich unbedingt besser einstellen müssten, mal wieder so gar nichts dazu ein, warum das was ist überhaupt so ist wie es ist, und was man an den grundsätzlichen Verhältnissen eigentlich ändern müsste, damit seine ganze Analyse nicht komplett für die Katz' war.


    Man kann Vereinzelung trotz Massengesellschaft, Online-Sucht, Einsamkeit im Alter, schlechte Bildungssysteme, oder mangelhafte Umverteilung kritisieren bis man schwarz wird.

    So lange man weiter in dem festen Glauben leben will, dass die bürgerliche Gesellschaft mit der Kleinfamilie als ihrer Keimzelle einfach da ist, und dass das System und seine Funktionen dann irgendwie darum herum kommunizieren, wird man nicht darauf kommen, was der zitierte Marx damals eigentlich meinte, als er von solchen Sachen wie "Entfremdung" oder "Warenfetisch" schrieb, warum er die Arbeitskraft in der kapitalistischen Klassengesellschaft nicht nur als Quelle allen Wertes, sondern auch als Objekt der Ausbeutung bezeichnete, warum er der Arbeiterklasse bescheinigte "doppelt frei" zu sein, oder warum der private, gewinnorientierte Wohnungseigentümer immer am längeren Hebel sitzen, und eine gemeinnützige Genossenschaft es sich alleine kraft ihres Gemeinschaftsgefühls nie leisten können wird, Mehrgenerationenhäuser in menschenwürdigen Städten mit tollen Gemeinschaftseinrichtungen für bezahlbare Mieten zu bauen.


    Warum die "Nazis", die AfD wählen, überhaupt Afd wählen, weil die ihnen ein wohliges Gemeinschaftsgefühl verspricht, ohne wirklich etwas an den herrschenden Verhältnissen der bürgerlichen Klassengesellschaft verändern zu wollen, wird man dann vermutlich auch nie verstehen.


    Aber wenigstens habe ich jetzt auch gelernt, dass Putin in der Ukraine Kinder und junge Menschen entführen lässt, um sein eigenes demografisches Problem mit Zwangszuwanderung zu lösen. Diese Facette der russischen Barbarei war mir bisher verborgen geblieben.


    Immerhin schön, dass ihr Euch vertragen habt. Interessante Sendung auf jeden fall.

  • Ich sehe den Widerspruch nicht?

    Ich habe nicht behauptet, die Lehrer wären klassistischer als die Eltern, ich habe behauptet, auch die Lehrer fällten ihre Entscheidungen nicht objektiv und das ist bzw. war nachweislich so.

    Als diese Studien (die auch die Notengebung umfassten, in der das Bild ähnlich war) herauskamen, gab es allerdings auch Reflektion in der Lehrerschaft, das sollte man an der Stelle auch nicht unterschlagen.

    Da hast du Recht, dann stimmen wir in dem Punkt überein.


    Ich habe deinen Beitrag so gelesen, dass du (angenommen die getrenneten Weiterführenden Schulen bleiben existieren) daraus folgerst, die Lehrerempfehlung abzuschaffen. Da wollte ich dir wiedersprechen. Aladin fordert das Gegenteil, die Lehrerempehlung in beide Richtungen verplichtend zu machen. Heißt nicht nur wer keine Gymnasialempfehlung hat darf nicht aufs Gymnasium, sondern auch wer eine Empfehlung hat, muss aufs Gymnasium.

    Ausgehend davon, dass durch Vernünftige Verfahren und Bildung der Lehrer die Empfehlung der Lehrer leichter dem Können der Kinder angepasst werden können, als die Wünsche der Eltern für ihre Kinder.

    Ich mache mir die im Forum zu diesem Thema mehrheitlich geäußerte Meinung nicht zu eigen und wiederspreche ihr hiermit ausdrücklich!

  • Aladin fordert das Gegenteil, die Lehrerempehlung in beide Richtungen verplichtend zu machen.

    Ich würde fordern, das dreigliedrige Schulsystem zugunsten einer Gemeinschaftsschule mit Binnendifferenzierung abzuschaffen.

    Man muss das Problem an der Wurzel angreifen, ob jetzt Lehrer oder Eltern über den Gymnasialbesuch entscheiden, ist mMn nur Herumdoktern an den Symptomen.

    Da hat Stefan die Krux ja treffend beschrieben, der Mittelschicht geht der Stift, wenn das Kind nicht irgendwie auf's und durch's Gymnasium gejagt werden kann, denn damit steht und fällt (zumindest aktuell noch) die berufliche Karriere.

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