#597 - Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts a.D.

  • Frage: wie sieht er den Zustand der Unabhängigkeit der deutschen Justiz und welche Risiken/Einfallstore gibt es? In den USA erleben wir eine parteipolitische Besetzung des Obersten Gerichtes und ein Gericht, das sich selbst zum vordersten Kämpfer gegen Bürger- und Freiheitsrechte, auch entgegen jeder Bevölkerungsmehrheit und Legitimation, aufgeschwungen hat. Angesichts der Tatsache, dass der jetzige Präsident des Verfassungsgerichtes vom einen auf den anderen Tag aus der CDU Bundestagsfraktion an das BVerfG wechseln konnte, wie unabhängig ist unsere Justiz? (Womit ich auf gar keinen Fall, nicht im entferntesten und nicht mal im Ansatz das BVerfG mit dem jetzigen, teils offen faschistischen SCOTUS vergleichen will)

  • Da man sich in der europäischen Wertegemeinschaft ja gerade schon seit einer Weile mit den osteuropäischen Freunden in Polen und Ungarn über den massiven politischen Einfluss der dortigen Regierungen auf ihre Verfassungsgerichte streitet:


    • Wie kommt eigentlich die Besetzung des Bundesverfassungsgerichtes zustande und welche Rolle spielt der Parteienproporz dabei?
  • Frage: Inwiefern ist es verfassungsgemäß, dass es einen impliziten Fraktionszwang gibt? Wenn Merkel bspw. Abstimmungen „öffnet“ (vgl.Ehe für alle) ,dann ist das doch letztlich ein Zeichen dafür, dass sonst gegen die Verfassung verstoßen wird.

    Auch hinsichtlich aktueller Wahlrechtsänderungen zur Verkleinerung des Bundestags:

    War es seiner Einschätzung nach vom parlamentarischen Rat intendiert, dass bei der Zweiteilung der Mandate in Listen- und Direktmandate auch letztere faktisch nur mit Parteibuch zu erringen sind, oder wäre ein weniger parteiengebundenes Parlamentt wünschenswert?

  • Wichtige Frage zum Thema Besoldung von Beamten, da diese Frage einen Multi-Milliarden-Euro-Frage ist! :)


    Meine Eltern sind beide Beamte und klagen auf eine verfassungsrechtliche amtsangemessene Besoldung unter Einhaltung des Mindestabstands zur Grundsicherung vor dem (Bundesverfassungs-)Gericht.


    Es gab ein Entscheidung 2 BvL 4/18 bzw. Grundsätze des BVerfG unter Herr Voßkuhle, die diese Besoldungsregeln (u.a. Abstandsgebot) für die Besoldungsgesetzgeber (Bund, Länder) klar definiert hat. Allerdings dauert dieser Prozess der Findung und der endgültigen Entscheidung schon Jahre.


    Daher folge Frage:


    Wann und in welcher Höhe wird die Beamtenbesoldung deutschlandweit verfassungsgemäß reformiert und was wird (mutmaßlich) durch das BVerfG beschlossen/gefordert?


    Die in Rede stehende Summen sollen/sind gigantisch und bedürfen trotzdem tatsächlich einer Anhebung, da augenscheinlich die beamteten Richter nicht verfassungsgemäß besoldet wurden und daher rechtliche Probleme auftraten im Rahmen der Bestenauslese. Gerade unter Hinblick des kommenden Bürgergeldes (aka Hartz IV) und damit einhergehenden Erhöhung der Grundsicherung.


    Danke!


    Quelle: https://forum.oeffentlicher-di…x.php/topic,114363.0.html

  • Frage:

    Was ist wichtiger - Das Grundgesetz oder die europäische Integration?

    Zur Erklärung: Bei der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht kommt es manchmal zu Kollisionen mit dem Grundgesetz. Die Richtlinien sollen aber die EU-Staaten angleichen; das ist aus einer normativen, aber evtl. auch aus einer theoretisch-realistischen Perspektive, ein sinnvolles und wertvoll(er)es Ziel als das "Zurechtbiegen" zugunsten nationalen Rechts.


    Diese Frage kann gerne sowohl aus rechtlicher als auch aus persönlicher Perspektive beantwortet werden.

    Grüße,

    Myrddin


    Wenn wir uns alle ein wenig mehr Mühe geben, wird das schon.

    Oder?

  • Tatsächlich gibt es keine diplomatischen Bemühungen seitens der Bundesregierung

    Diese Aussage von SPX (funktioniert das mit dem @ in diesem Forum? :/) hat mich zu einer weiteren Frage inspiriert.

    Zum einen, i. B. in Rückblick auf das Gespräch mit Wulff ('stille Diplomatie'), weiß ich gar nicht so genau, ob das stimmt - dass es keine diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung oder anderer dt. Institutionen um eine friedliche Lösung des Ukraine-Krieges.


    Und nun, eben im Hinblick auf o. g. Schlagwort und sonstige Dinge, die wir nicht wissen, meine eigentliche Frage an Hr. Voßkuhle:

    Inwiefern ist die Existenz von Geheimdiensten mit unserer demokratischen Verfassung vereinbar?

    Zur Erläuterung: Ein Organ, welches mit nicht öffentlich zugänglichen Informationen arbeitet und evtl. dementsprechend Entscheidungen fällt, lässt sich grundsätzlich wohl eher schlecht demokratisch kontrollieren. Widerspricht das nicht unserer fdGO?


    Beste Grüße,

    Myrddin


    Wenn wir uns alle ein wenig mehr Mühe geben, wird das schon.

    Oder?

  • Frage: Gemäß der Präambel des GG besitzt das deutsche Volk "verfassungsgebende Gewalt". Warum werden dann Bundesverfassungsrichter, nicht auch direkt vom Volk gewält?


    2 Bedingungen würde ich dabei stellen: Man muss bereits seit einer bestimmten Zeit praktizierender und Richter sein. Und man muss sich öffentlich auf die Vakante Stelle bewerben.


    Die Medien und das BMJ müssen während einer gewissen Bewerbungszeit über die Bewerber umfassend berichten und somit das Volk in die Lage versetzen sich ausführlichst informieren zu können. Damit erhöht man auch das interesse am deutschen Justizwesen. Und Medien bringen mehr relevante Inhalte.


    Was hält Herr Voßkuhle von so einem Vorschlag?

  • Die Medien und das BMJ müssen während einer gewissen Bewerbungszeit über die Bewerber umfassend berichten und somit das Volk in die Lage versetzen sich ausführlichst informieren zu können.

    Hmm, ja. Ich bin nicht Voßkuhle, weiß ich - aber meinst du nicht, dass die mediale Berichterstattung (für meinen Geschmack dieser Tage etwas zu hysterisch) den Auswahlprozess zu stark politisieren würde? So nach dem Motto: Auch das BVerfG ist jetzt nicht mehr vor Schlammschlachten sicher.

    Ich habe da geistig den Supreme Court kurz vor dem Abtritt Trumps, der ja seeehr zügig die verstorbene Richterin Ginsburg ersetzte, vor Augen.


    Also befürchte ich durch die stärkere Politisierung auf Umwegen und wegen des dann stärkeren medialen u. politischen Drucks eine Schwächung der Unabhängigkeit des BVerfG, z. B. gegenüber der Regierung.

    Damit erhöht man auch das interesse am deutschen Justizwesen. Und Medien bringen mehr relevante Inhalte.

    Habe dich des weiteren so verstanden: 1.Die Gerichtsbarkeit wird in ihrer medialen Präsenz gestärkt - würde ich zustimmen, steigert vielleicht auch die Relevanz-Wahrnehmung in der Bevölkerung.

    2.Die größere mediale Präsenz der Gerichtsbarkeit zieht die die Berichterstattung qualitativ nach oben - weiß ich nicht.


    Vielleicht wolltest du auch gar keine überschlauen Kommentare von anderen Menschen zu deinem Vorschlag. In dem Fall: Sorry. :S


    Grüße,

    Myrddin


    Wenn wir uns alle ein wenig mehr Mühe geben, wird das schon.

    Oder?

  • Es gibt keine diplomatischen Gespräche, das ist Fakt. Mithin werden Treffen regelmäßig von Bärbock + Borrell + vonderLeyen ausgeschlagen, weil es wörtlich darum geht "Russland zu ruinieren" + "Krieg wird auf dem Schlachtfeld gewonnen".


    Ein anvisiertes Treffen zwischen Bundesaußenministerin Bärbock und dem russischen Chefdiplomaten Sergej Lawrow in New York ist zuletzt am 24.09.22 offenbar geplatzt. "Nachdem sie ihre Anfragen zu Verhandlungen mit Sergej Lawrow am Rande UN Vollversammlung gestellt und von der russischen Seite einen Terminvorschlag bekommen haben, sind die EU-Delegationen vom Radar verschwunden"...(vgl. ZDF).

    Ein anvisiertes Treffen zwischen Bundesaußenminister

  • SPX Das es nicht danach aussieht, erscheint mir auch so.


    Es ist vielleicht in erster Linie eine (unbegründete) Hoffnung, dass die Kommunikation nicht so festgefahren ist, wie es den Anschein hat. X/


    Wollte hier jetzt auch keinen Kriegs-Diskussionsthread draus machen.

    Myrddin


    Wenn wir uns alle ein wenig mehr Mühe geben, wird das schon.

    Oder?

  • Hi Myrddin,


    bite entschuldige dich nicht für kritsches hinterfragen. Du sprichst doch gute Punkte an. =)


    Ich habe dabei folgende überlegung hauptsächlich gehabt:


    Die Hysterie die wir nach meiner Auffassung nicht nur bei den Medien sondern auch in der ganzen Gesellschaft wahrnehmen muss ja versucht werden irgendwie wieder zu beruhigen. Dafür muss man über die Ursachen nachdenken.


    Ich höre aktuell quasi Retrospektiv den Aufwachenpodcast und dort wird sehr gut dokumentiert, wie dass wichtigste Bildungsinstrument der Gesellschaft (der öffentlich rechtliche Rundfunk) geleitet wird durch Quoten und einem Rundfunkstaatsvertrag der auch einen Bildungsauftrag innehat und an letzterem aber bei der Erfüllung grandios scheitert. Ich gebe der Quotenorientierung die Schuld.


    Dadurch wird die Gesellschaft schlechter gebildet und das nun entstehende unwissen sorgt für unverständniss und man erklärt sich die welt so wie man es am einfachsten versteht. Das geht aber häufig mit sehr viel Misstrauen einher. (Das ist so meine Grundthese wie man die Hysterie erklären kann.)


    Um nun die erfüllung des Bildungsauftrages besser umsetzen zu können sollte man dem öffentlich rechtlichen Rundfunk auch mit konkreten Aufgaben versehen. Diese müssen gewissen Standarts genügen. Und das soll nicht die Quote sein ;)


    Durch diese standartisierten Aufgaben kann der Rundfunk dann Routine aufbauen und seine Berichterstattung "trainieren". Ich verspreche mir dann durch dieses observierte Training nach und nach eine bessere und relevantere Berichterstattung und damit auch eine bessere Bildung der Gesellschaft.


    Von dieser konkretisierten Aufgabenstellung und der gewonnenen Qualität profitieren auch die nicht festgelegten Programmblöcke.


    Für die Gesellschaft fällt durch dieses vorgeschlagene Wahlrecht der Vorwurf weg, dass die Richter Politisch abhängig seien, da ihr Job nicht mehr von Politikern sondern vom Volk selbst bestimmt wird.


    Am Ende haben wir ein Qualitativ besseres Rundfunksystem und eine gebildetere Gesellschaft die sogar in der Verteidigung ihrer Rechte an Entscheidungsmacht partizipiert. Dadurch könnte das Misstrauen in den eigenen Staat sinken. So meine Utopie =)


    Bin gespannt ob ich deine kritik entkräften konnte :)


    LG

    Philipp

  • Verfassungsrichter/Verfassungsrichterin ist ja sicherlich kein Berufsbild, das man sich "erwählen" kann. Davon ist die Entscheidung hin zur Wahl von Verfassungsrichtern und Verfassungsrichterinnen von zu vielen Faktoren, die außerhalb der eigenen Möglichkeiten liegen, abhängig, nehme ich an.


    Gibt es trotzdem, in den Augen von Herrn Voßkuhle, Dinge - persönlicher, fachlicher wie politischer Natur -, die Juristen und Juristinnen in den Augen derjenigen, welche die Richter und Richterinnen wählen, besonders geeignet machen? Also etwa besondere fachliche Qualifikationen, besondere Kompetenzen oder ("unter vorgehaltener Hand") politische Zugehörigkeit oder ähnliches. Die Frage zielt also ein wenig darauf ab, ob es zumindest möglich ist, ein solches Berufsbild perspektivisch "anzustreben".


    Lieben Gruß

  • DorPinsel Philipp reformiert die Bundesrepublik, das Gesetzespaket heißt "Demokratische Kontrolle in allen Staats- und vierten Gewalten" ... ;)


    Okay, wenn du die ÖR reformierst, dann bin ich nicht ganz so pessimistisch.


    Wenn wir dann eine Quote von ca. 80 %* gut informierter Staatsbürger haben, die in wichtigen politischen Fragen eine halbwegs qualifizierte Entscheidung treffen können, dann sollen sie das ruhig tun.


    Es gibt ja so oder so eine Art Parteilichkeit; entweder direkt über die Bürger (wie in deinem Modell) oder indirekt über die Parteien (so, wie es jetzt gerade ist). In meiner Gegenwarts-(Wunsch-)Vorstellung ist das momentane Modell zumindest weniger anfällig für Populismus (denn der populus stimmt ja gar nicht mit ab).

    Plus, das Verfassungsgericht ist vielleicht nicht so stark der Volatilität der öffentlichen Meinung unterworfen. Dahinter steht meine Annahme, dass die Richter eher von einem "Verfassungskonservatismus" beseelt sind, der die Gesetzgebung einerseits stabilisiert, andererseits aber auch Fortschritt ausbremst. (Wobei sich dieser Konservatismus meiner Meinung nach an dieser Stelle durchaus als zukunftsfähig erwiesen hat: Klimaschutz-Urteil.)


    Kann so sein, muss aber nicht - da sitzen schließlich auch nur Menschen.


    Also Kritik entkräftet - ja und nein.

    Bin ich zu sehr abgeschweift? Vielleicht.

    Grüße,

    Myrddin


    *Mein willkürlich festgelegter Anteil.


    Myrddin


    Wenn wir uns alle ein wenig mehr Mühe geben, wird das schon.

    Oder?

  • Auch mich würde sehr interessieren, wie der Fraktionszwang vereinbar ist mit der "alleinigen Verantwortung des Abgeordneten gegenüber seinem Gewissen".

    Anm: ich bin eher Fan des imperativen Mandats, d.h. der von mir gewählte Parlamentarier sollte (wenn er/sie schon nicht seinem Gewissen folgt) eher meine Meinung als die Meinung seiner Partei vertreten.

  • Frage: Inwiefern ist es verfassungsgemäß, dass es Produkte auf dem Markt gibt, die krebserregend sind oder gesundheitsschädlich? Beispiel Asbest. Warum muss nicht vor der Zulassung bewiesen werden, dass es unbedenklich ist. Wenn sowas verwendet wird, dann steht dies doch der körperlichen Unversehrtheit von Menschen im Weg. Das würde ja nicht die freie Entfaltung in großem Maß einschränken, weil es ja Alternativen gibt.

    Man kann ja schwer wissen, dass etwas in 5-10 Jahren krebserregend ist. Wenn man so etwas wissenschaftlich nicht ausschließbar ist, was soll die Verfassung dazu sagen?


    Wenn es den Nachweiß gibt, gibt es Bundesgesetze und -verordnungen usw wie das verboten werden kann

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