#580 - Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine

  • Aber er sieht halt leider nicht, dass seine ihm vermutlich von kindesbeinen an von seinen "patriotischen" Eltern anerzogene Vorstellung von der nationalen, kulturellen Einheit der Ukraine als höchstes Gut und Inbegriff der "Freiheit" genau das ist, was allen Faschistischen Ideologien schon immer zu Grunde lag.


    Ich habe da sehr die Eltern im Verdacht. Da er aus Lemberg kommt, wird es wohl kein Zufall gewesen sein, dass sie ihm den Vornamen Andrij gegeben haben.


  • Rossoliński-Liebe ist mir schon über den Weg gelaufen. Er hat die Biographie "Stepan Bandera: The Life and Afterlife of a Ukrainian Nationalist: Fascism, Genocide, and Cult" geschrieben. Es könnte sein, dass (unter anderem) er mit die Polen (in dem Fall Deutsch-Pole), die sich etwas ausdenken, gemeint ist, denn wegen dem Buch gab es eine große Kontroverse in der Ukraine.


    Hier gibt es von einem anderen Historiker einen Kommentar auf den Vorgang, der die Arbeit von Rossoliński-Liebe als kontraproduktiv einordnet. Erstaunlich ist seine Charakterisierung der ukrainischen Historiker:


    https://muse.jhu.edu/article/477515/pdf


    Zitat

    Given the rather weak sensitivity of Ukrainian historians to this issue, inadequate training in and poor knowledge of Holocaust studies, and – last but not least – a lack of healthy distance from their own national history, the chances that today's Ukrainian historians in the nearest foreseeable future could come up with such a book are rather slim.


    (Ein Buch wie Jan Gross "Nachbarn. Der Mord an den Juden von Jedwabne", also eine Aufarbeitung der polnischen Rolle im Holocaust, ist gemeint.)

  • Ah, ich habe bisher nur ein paar der kontroversen Ausschnitte gesehen und meine Fragen im Transkript nachgeschaut. Ehrlich gesagt, ich bin ja von Melnyk ziemlich verschont geblieben, weiß nicht ob ich mir das antue.

  • Erstaunlich ist seine Charakterisierung der ukrainischen Historiker


    Ich hatte oben schon einen Historiker zitiert, der für das der Russenfreundlichkeit wohl eher unverdächtige U.S. Holocaust Memorial Museum schon in 2013 beschrieb, wie ungläubig seine Studenten in der Ukraine reagiert hätten, als man sie mit der außerhalb der Ukraine gut erforschten Tatsache konfrontierte, dass auch UkrainerInnen an der Ermordung von Juden beteiligt waren.


    Some Ukrainian educators believe the Holocaust is not an appropriate topic for teaching because in a Holocaust course a professor would need to let Ukrainian students know that some Jews were betrayed to the Nazis by Ukrainian neighbors. In addition, the OUN and UPA took part in the annihilation of Jews in western Ukraine, and this knowledge can shock young Ukrainians.


    It is true: I noticed the horror on the faces of my university students as they heard, on our excursion to the Kharkiv Holocaust Museum, the details of Jewish deportations to ghettos and the reaction of local inhabitants; many young Ukrainians could not believe it and asked a guide several times: “Is it really true that local Ukrainians also participated in the annihilation of Jews?” hoping to receive a negative answer.


    Er schob das natürlich darauf, dass das Thema Holocaust überall in der Sowjetunion kaum behandelt wurde, weil man den "großen Vaterländischen Krieg" dort staatsideologisch auf den Großen Widerstandskampf der heldenhaften sowjetischen SozialistInnen gegen das klassenfeindliche Nazideutschland reduziert hatte - Also im Grunde gar nicht unähnlich dem "Narrativ" dass sich ukrainische NationalistInnen (und ihre amerikanischen Stichwortgeber und tarngrünen Papageien aus dem Snyder-Universum) angeeignet haben, um Bandera als Befreier vom sowjetischen Joch zu verklären, der lediglich ein Zweckbündnis mit den Nazis eingegangen sei, um die russischen Barbaren loszuwerden.

  • Ein Artikel auf wsws.org deutet die Rolle des ukrainischen Botschafter in Deutschland nochmal anders:


    https://www.wsws.org/de/articles/2022/07/02/meln-j02.html



    Ich glaube ja doch eher, dass man peinlich berührt ist, aber für die, die es nicht sind, würde ich meine Hand bestimmt nicht ins Feuer legen.

  • Ein Artikel auf wsws.org deutet die Rolle des ukrainischen Botschafter in Deutschland nochmal anders:

    Das kann man doch eigentlich nicht ernst nehmen, was die von der WSWS da schreiben.


    Das Problem mit der Bundesregierung und den anderen Kriegstreibern und Moralbellizisten in der veröffentlichten Meinung ist nicht, dass die alle längst zu heimlichen FaschistInnen geworden sind, sondern dass sie - genau wie Seine Exzellenz, der Botschafter - von ihrer eigenen moralischen Deutungshoheit und ihrem völlig verqueren Selbstverständnis als eiserne Front der Freiheit gegen den dämonischen Imperial-Faschismus von Russenhitler so berauscht sind, dass sie nicht sehen können, wie sie täglich mehr Gefahr laufen, einem neuen Faschismus den Boden zu bereiten, wenn sie weiter daran festhalten, ihre eigene Bevölkerung zur Opfergabe für die US-ukrainischen Kriegsziele zu verpflichten.

  • Faschistoid wäre es, wenn die Bevölkerung dieses Opfer mit Begeisterung bringen und dabei einem großen Führer folgen würde. Das könnte man vielleicht denken, wenn man sich nur die ganzen emotional verwirrten twitter-liberalen oder ihre Vordenker bei Lanz & Co. anguckt, aber das ist ja bis jetzt alles noch eher Opferromantik und ganz viel virtue signalling gegenüber Leuten, die so eigennützig sind, berechtigte Ängste vor solchen Lapalien wie dem persönlichen Ruin oder einem Atomkrieg anzumelden.


    Spätestens wenn die im nächsten Winter alle die Gelegenheit bekommen, sich auch beim tatsächlichen Frieren für den Frieden die Freiheit, unter Einsatz der eigenen Gesundheit und der ihrer Kinder als ganz mutige, solidarische Antiputinist*innen zu erweisen, wird das - glaube ich jedenfalls - mit der gefühlten Opferbereitschaft ganz schnell auch bei denen ein Ende haben.


    Aber die ersten die darunter tatsächlich materiell zu leiden haben werden, sind natürlich nicht diese Schreibtischstrategen und MoraltheoretikerInnen, sondern Leute die wenig Geld für viel Arbeit bekommen - Also der Teil der Bevölkerung, der sowieso mehrheitlich nicht Grün wählen wird.

  • bei Teilen des grünen Klientels auch die Hoffnung auf Verwirklichung einer Postwachstums- und Degrowth-Ideologie.

    Das grüne Klientel besteht hauptsächlich aus BesserverdienerInnen, die weder einer Postwachstums- noch einer Degrowth-"Ideologie" anhängen, sondern der Ideologie des progressiven Neoliberalismus.


    Wenn Du Superminister Habeck zuhörst, dann wirst Du schnell feststellen, dass dessen "Philosophie" darin besteht, Wachstum um jeden Preis voran zu treiben, weil er ganz fest daran glaubt, dass der grüne, ethische Kapitalismus möglich ist, und uns endlich in die ökosoziale Marktwirtschaft führen wird, wenn er nur alles gut genug erklärt und dabei ein besorgtes Gesicht macht.

  • Es wäre aber schon zu fragen, ob dieses „Opfern“ der eigenen Bevölkerung, oder zumindest von Teilen davon, für irgendwelche Kriegsziele nicht schon faschistoide Züge trägt.

    Verstehe die grundsätzliche Gefühlslage. Wenn man sich die neu kommunizierten Normen mal anschaut, Normen wie:


    *Abkehr vom Pragmatismus hin zur offenen Irrationalität

    *Stilisierung von Opferbereitschaft

    *völlige Abgrenzung

    *Dekontextualisierung

    *Aktives Befördern von Gruppendenken

    etc...


    dann hat jedenfalls das Danach weniger mit intelligentem Leben zu tun als das Davor. Das kann am Ende der Weimarer Republik nicht so viel anders gewesen sein.

  • Antisemitismus-Beauftragter schaltet sich ein

    Damit scheint dann aber bei der Bundesregierung auch das Höchstmaß an Bereitschaft erreicht zu sein, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.


    Andererseits ist es auch egal. Geht Melnyk, kommt halt ein anderer, dem im Kampf für die Freiheit™ kein Fanatiker zu fanatisch ist. Da kann er auch gleich da bleiben. Sorgt immerhin für ordentlich #empörtainment auf twitter.

  • Andererseits ist es auch egal. Geht Melnyk, kommt halt ein anderer, dem im Kampf für die Freiheit™ kein Fanatiker zu fanatisch ist. Da kann er auch gleich da bleiben. Sorgt immerhin für ordentlich #empörtainment auf twitter.

    Wobei das wäre ja dann wieder ein herber Schlag fürs richtige und wichtige Narrativ, wenn sie nur Fanatiker als diplomatisches Personal haben.

  • Wobei das wäre ja dann wieder ein herber Schlag fürs richtige und wichtige Narrativ, wenn sie nur Fanatiker als diplomatisches Personal haben.

    Ich würde ihn selbst ja gar nicht als Fanatiker bezeichnen - jedenfalls nicht als faschistischen.


    Melnyk ist halt narzisstischnaiv genug, zu glauben, dass spontane emotionale Ausbrüche auf dem Jahrmarkt der 280-Zeichen-Eitelkeiten, ein Akt politischer Kreativität sind. Da hat er in Diplomatenkreisen natürlich einen unique-selling-point gefunden.

  • Ich würde ihn selbst ja gar nicht als Fanatiker bezeichnen - jedenfalls nicht als faschistischen.


    Melnyk ist halt narzisstischnaiv genug, zu glauben, dass spontane emotionale Ausbrüche auf dem Jahrmarkt der 280-Zeichen-Eitelkeiten, ein Akt politischer Kreativität sind. Da hat er in Diplomatenkreisen natürlich einen unique-selling-point gefunden.

    Ja, kann man vielleicht so sehen. Ich denke aber, dass die fanatische Radikalität in seiner Kriegsdiplomatie - also seinem USP - , die Grundlage in seinem Weltbild hat.


    Anders ausgedrückt: nur wer geistig im Stande ist, Massenmord und Holocaust mit seinem Weltbild zu vereinen, kann „diplomatisch" so agieren, wie er es tut. Das deckt sich auch mit den Umgangsformen anderer hardcore Nationalisten auf der politischen Weltbühne.

  • Anders ausgedrückt: nur wer geistig im Stande ist, Massenmord und Holocaust mit seinem Weltbild zu vereinen, kann „diplomatisch" so agieren, wie er es tut. Das deckt sich auch mit den Umgangsformen anderer hardcore Nationalisten auf der politischen Weltbühne.

    Ja klar ist er Nationalist. Ich würde ihn sogar als "völkisch", oder zumindest kulturchauvinistisch einordnen.


    Aber was er sonst so erzählt, passt eigentlich eher auf einen, der vor allem ein zwar völlig unreflektierte, aber umso strammerer Antikommunist ist - auch weil er das sicher schon als kleines Kind zusammen mit dem Feindbild Sowjetunion beigebracht bekam -, der zwischen dem Erzkapitalisten Putin und dem Staatssozialistischen Diktator Stalin keinen Unterschied sieht, und der tatsächlich von der westlich-(neo)liberalen Erzählung aus der ukrainischen Diaspora in den USA und Kanada überzeugt ist, dass nur die freie kapitalistische Marktwirtschaft der Ukraine auch die nationale Freiheit bringen wird.


    Man kann ihn natürlich auch als fanatischen Russenhasser sehen, aber immerhin hat er eine russischstämmige Frau geheiratet - die natürlich ukrainisch lernen musste, und sich mit ihrer Verwandschaft in Russland entzweit hat. Das scheint dann doch eher Kulturchauvinismus als Rassismus zu sein.

    Und ich nehme ihm ab, dass er wirklich glaubt, die schocktherapeutische Neoliberalisierung seines Landes werde es binnen zehn Jahren weit genug demokratisiert haben, um der Eurozone beizutreten.


    Aus meiner Sicht sind das alles gefährliche Irrtümer, die den faschistischen Fanatikern in die Hände spielen, aber ich glaube Melnyk ist schlicht zu verblendet, um sich dessen bewusst zu sein, oder sich gar mit Absicht dem Faschismus zu verschreiben.

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