#579 - Friedensforscherin Ursula Schröder

  • Heute, ab 17:30 Uhr, LIVE



    Zu Gast im Studio: Politologin Ursula Schröder. Seit 2017 ist sie Wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg sowie Professorin für Politikwissenschaft, insbesondere für Friedensforschung und Sicherheitspolitik.


    Habt ihr Fragen an Ursula zum Thema Krieg und Frieden, Waffenexporte, Russlands Überfall auf die Ukraine etc? Her damit!


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  • Auch Ursula argumentiert, dass der Ukraine mit schweren Waffen eine starke Verhandlungsposition geschaffen werden soll. Der Preis für Russland müsse maximal in die Höhe getrieben werden, um sie von ihren Kriegszielen abzubringen.


    Frage:

    Ob wir es nun als Rechtfertigung nachvollziehbar finden oder nicht: Warum fällt es Dir, Ursula, so schwer zu glauben, dass es für Russland ein existentieller Konflikt ist, der eine lange Vorgeschichte hat und ab welcher Höhe des Preises siehst Du die existentielle Bedrohung aus russischer Sicht negiert?


    ---


    Ihr Institut (Prof. Diebel) argumentiert ausserdem, dass „Waffenlieferungen weiter jenen versagt werden sollten, die massive Menschenrechtsverletzungen begehen und nach aussen hin aggressiv auftreten."


    Auch die Ukraine bombardiert seit 2014 zivile, infrastrukturelle Einrichtungen im Osten und Südosten des Landes, foltern und exekutiert Kriegsgefangene und tritt nicht nur durch ihren Botschafter in Deutschland aggressiv und teils mit Nazi-Rhetorik (Russen = Barbaren und Orks) auf.


    Frage:

    Ab welchen Menschenrechtsverletzungen würdest Du, Ursula, auch der Ukraine Waffenlieferungen verwehren?


    ---


    Ursula sagt: “Aus der Forschung wissen wir, dass Waffenlieferungen mittel- bis langfristig negative Folgen haben werden für die Menschen in der Region und auch weltweit.” Die Gefahr ist demnach vor allem bei sogenannten “leichten” Waffen sehr groß, dass sie unkontrolliert und ungehindert in andere Länder transferiert werden. Die Forschung sehe jetzt schon in der Ukraine, “dass die Lieferung von Waffen das globale Konfliktgeschehen beeinflussen kann, weil diese Waffen mittelfristig weiterverkauft werden. Das sind einfach Risikoabwägungen, die man kennen muss”.


    Frage:

    Hältst Du, Ursula, in Deiner persönlichen Risikoabwägung die negativen Auswirkungen einer militärisch neutralen Ukraine (russische Forderung) für höher, als die negativen Auswirkungen der (leichten und schweren) Waffenlieferungen regional und weltweit?


    Danke.

  • Nehmen wir mal an, die Ukraine wird durch deutsche Panzerhaubitzen und anderes schweres Kriegsgerät aus NATO-Beständen irgendwann tatsächlich in die "starke Verhandlungsposition" gegen einen russischen "Diktatfrieden" (O. Scholz) versetzt, von der auch deutsche FriedensforscherInnen gerne reden, wenn sie die Waffenlieferungen einer schnellen Verhandlungslösung zur Beendigung der Kampfhandlungen vorziehen. Bezieht man die aus den USA mehrfach offen verkündete und vor allem von den osteuropäischen EU- und NATO-mitgliedern befürwortete Absicht mit ein, Russland in diesem Krieg so zu schwächen, dass es keinerlei militärische Bedrohung mehr für seine Nachbarländer darstellen könne, dann würde das ja bedeuten, dass eventuelle Verhandlungen nicht auf Augenhöhe geführt würden, sondern das der Westen die Ukraine Russland ihrerseits Bedingungen diktieren könnte.


    Fragen:

    • Wie lange müsste der Krieg und das Leid der Zivilbevölkerung im Kriegsgebiet noch fortgesetzt werden, bis die Verhandlungsposition des Westens der Ukraine aus deutscher friedensforscherischer Sicht stark genug ist?
    • Warum glauben Du und Deine KollegInnen, dass Putin sich auf einen solchen "Diktatfrieden" zu seinen Ungunsten einlassen würde, bzw. warum er - als der grausame, gewissenslose und menschenverachtende Vernichtungskrieger und Diktator, für den ihr ihn ja offensichtlich alle haltet - dann als letztes Mittel um seine eigene Haut zu retten keine taktischen Atomwaffen einsetzen würde, um das schwere NATO-Gerät zu neutralisieren?
    • Ist es in der deutschen Friedensforscher*innen-Community tatsächlich Konsens, dass man mit dem Russen nicht verhandeln kann, bevor er nicht komplett "ruiniert" (A. Baerbock) und sein ganzes Land ökonomisch zerstört ist, weil er ein verlogener Barbarenführer ist, dem nicht über den Weg getraut werden darf und der nur die Sprache der Gewalt versteht, oder sieht das nur so aus, weil im veröffentlichten "Diskurs" in deutschen Qualitätsmedien so gut wie niemand mehr eine andere Sichtweise zum Besten geben kann, ohne dass er/sie alsdann umgehend vor ein Tribunal der öffentlichen Meinung gezerrt und bei Markus Lanz der Kollaboration mit dem Feind verdächtigt wird?

    (Sorry für die Polemik. Ich kann nicht mehr anders. Aber rein inhaltlich sind die Fragen durchaus ernst gemeint.)

  • Kann mir bitte mal jemand erklären, warum immer so darauf gepocht wird, dass die Ausbildung von ukrainischen Soldaten auf deutschen Territorium voll und ganz mit dem Völkerrecht im Einklang steht und keine Kriegsbeteiligung darstellt?


    In dem Moment, wo der Krieg läuft, ist das vollkommen unerheblich, da ist nur maßgeblich, was Putin davon hält, dass wir Ukrainer ausbilden. Dem ist doch das Völkerrecht so egal wie ein Sack Reis, der in China vom E-Bike Lastenfahrrad fällt.


    Ansonsten interessantes Interview.

  • Ich würde sagen das andauernde besprechen davon was vom Völkerrecht wie abgedeckt ist dient vor allem dazu der eigenen (westlichen) Bevölkerung zu zeigen, dass man die Guten ist und sich ja an Recht und Ordnung hält. Bei uns läuft es geordnet und zivilisiert, nicht so wie bei denen da drüben, die brechen das Recht, die halten sich nicht an Abmachungen, das sind Verbrecher. Das ist ja nun gerade dabei in ein zivilisiert VS barbarisch überzugehen.

  • Kann mir mal jemand ihre Logik hier erklären (Zeitmarke: 1:34:46):



    Sie sagt der Internationale Strafgerichtshof bzw dessen Anerkennung eignet sich nicht als Mitgliedsvorraussetzung für die Nato - also eine Art moralischen Commitment - , weil er gerade in einer Legitimationskrise ist, da die größten Menschenrechtsverbrecher (viele davon bereits im Bündnis oder zumindest damit alliiert) ihn nicht anerkennen. Das ist eine CircleFuck-Argumentation, die ich sonst nur aus den übelsten Zeiten der RegPK kenne, oder was verstehe ich hier nicht?

  • Ja aber Roy , sie sagt doch, die NATO sei ein Verteidigungsbündnis.


    Wer sich nur verteidigt, ist völkerrechtlich immer im Recht.


    Ist doch logisch.

    Das muss eines dieser narrative sein, die sie anfangs als so wichtig beschrieben hat, um alle wieder in die gleiche bubble zu kriegen. 🤔

  • Da ist es dann natürlich auch sehr hilfreich fürs Narrativ, wenn man dann in exotischen Einzelfall-Themen wie Assange nicht so eingelesen ist (Zeitmarke: 1:39:52):



    Zumindest hat Tilo alles versucht, um sie über die Linie zu schleppen und vor nem Shitstorm zu schützen - auch wenn sie sich wirklich maximal geziert hat. :thumbup:

  • Da ist es dann natürlich auch sehr hilfreich fürs Narrativ, wenn man dann in exotischen Einzelfall-Themen wie Assange nicht so eingelesen ist (Zeitmarke: 1:39:52):



    Zumindest hat Tilo alles versucht, um sie über die Linie zu schleppen und vor nem Shitstorm zu schützen - auch wenn sie sich wirklich maximal geziert hat. :thumbup:

    Naja, ich würde sie da jetzt nicht so direkt für verurteilen. Tilo hat sie da sicherlich gut in die richtige Richtung begleitet. Aber ich glaube da sogar wirklich, dass sie im Fall Assange nicht so drin ist. Sie hat ja die ganze Zeit versucht das auf ner abstrakten Betrachtungsebene zu behandeln, was ja wohl durch ihre Arbeit geprägt ist (ja eines der schon oft genannten möglichen Probleme von Wissenschaft, dass sie versucht neutral Zusammenhänge zu betrachten und zu beschreiben). Es zeigt für mich wunderbar das was ich hier auch schon öfter angesprochen habe, die Leute haben einfach keine Kapazität, weder zeitlich noch mental, um sich mit all den Themen zu beschäftigen. Jetzt magst du sagen, aber das ja nun schon alt genug und ja wohl auch sooo wichtig, aber das mag dann eben für dich gelten. Wenn ich mal überleg, wenn ich nicht hier im Forum unterwegs wäre und nicht Tilos Arbeit folgen würde, dann hätte ich von dem meisten wohl auch nicht oder viel weniger mitbekommen. Auf der anderen Seite seh ich aber auch, was ich da zeitlich für investiere. Und wenn man jetzt da in so nem Thema nicht tiefer drin ist, dann kann man entweder ne Meinung auf gefährlichem Halbwissen begründen und damit dann rumpoltern oder sich in Zurückhaltung üben und sich auf die abstrakte Ebene zurück zu ziehen oder es gleich ganz zu ignorieren. Ka wie man das Problem je lösen soll.

  • Naja, ich würde sie da jetzt nicht so direkt für verurteilen. Tilo hat sie da sicherlich gut in die richtige Richtung begleitet. Aber ich glaube da sogar wirklich, dass sie im Fall Assange nicht so drin ist. Sie hat ja die ganze Zeit versucht das auf ner abstrakten Betrachtungsebene zu behandeln, was ja wohl durch ihre Arbeit geprägt ist (ja eines der schon oft genannten möglichen Probleme von Wissenschaft, dass sie versucht neutral Zusammenhänge zu betrachten und zu beschreiben). Es zeigt für mich wunderbar das was ich hier auch schon öfter angesprochen habe, die Leute haben einfach keine Kapazität, weder zeitlich noch mental, um sich mit all den Themen zu beschäftigen. Jetzt magst du sagen, aber das ja nun schon alt genug und ja wohl auch sooo wichtig, aber das mag dann eben für dich gelten. Wenn ich mal überleg, wenn ich nicht hier im Forum unterwegs wäre und nicht Tilos Arbeit folgen würde, dann hätte ich von dem meisten wohl auch nicht oder viel weniger mitbekommen. Auf der anderen Seite seh ich aber auch, was ich da zeitlich für investiere. Und wenn man jetzt da in so nem Thema nicht tiefer drin ist, dann kann man entweder ne Meinung auf gefährlichem Halbwissen begründen und damit dann rumpoltern oder sich in Zurückhaltung üben und sich auf die abstrakte Ebene zurück zu ziehen oder es gleich ganz zu ignorieren. Ka wie man das Problem je lösen soll.

    Ich halte es für nicht überzeugend, dass jemand, der sich hauptberuflich mit Friedensforschung, Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen befasst, nicht gut genug „belesen" ist, um sich zum Fall Assange zu verhalten. Ihr gestottere war mMn auch nicht irgendwie Abstrakt, sondern ein ziemlich plumper Versuch, die Kuh im Sinne des „Narrativs" und Bündnisverpflichtungen vom Eis zu holen. Ich sehe da keinen anderen Interpretationsspielraum.


    A propos Bündnisverpflichtung: Sie äußerte an anderer Stelle auch sehr deutlich, dass für eigene aussenpolitische Perspektiven kein Raum besteht, weil sich Deutschland sonst aussenpolitisch isolieren würde. Von wem, sagt sie nicht ausdrücklich aber zwischen den Zeilen brüllen einen die drei heiligen Buchstaben (USA) regelrecht an.


    Wenn man sich mal die Mühe macht und das im Kontext mit ihren anderen Aussagen bezüglich der richtigen und wichtigen Narrative und der moralfreien NATO setzt, kann einem eigentlich nur schlecht werden.

  • Ich halte es für nicht überzeugend, dass jemand, der sich hauptberuflich mit Friedensforschung, Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen befasst, nicht gut genug „belesen" ist, um sich zum Fall Assange zu verhalten. Ihr gestottere war mMn auch nicht irgendwie Abstrakt, sondern ein ziemlich plumper Versuch, die Kuh im Sinne des „Narrativs" und Bündnisverpflichtungen vom Eis zu holen. Ich sehe da keinen anderen Interpretationsspielraum.

    Mit Sicherheit spielt bei der Zurückhaltung und dem nach Worten ringen mit rein, dass sie da keine "falsche" Position beziehen will, da ihr die Brisanz des Themas wohl schon relativ bewusst ist, gerade auch wegen ihrer eigenen Stellung und um welche Länder es da dann geht. Und gerade das kommt dann ja auch noch mit dazu, wenn man "nicht belesen genug" ist um da nun ne klare Aussage zu treffen, denn dazu müsste sie sich erstmal sicher sein was da konkret von wem wozu gesagt wurde. Die Frage war ja nun doch nicht, was hälst du vom Fall Assange, sondern das wurde schon direkt viel konkreter. Und auch wenn der Fall Assange sogar ihr Themengebiet berührt, so finde ich es eben doch sehr glaubwürdig, dass man das nicht im Detail verfolgt, denn ihr Themengebiet ist ja dann doch einfach viel größer und da muss man immer sich entscheiden wo man dann ins Detail geht. Und genau das mit solchen Vorwürfen dann ja auch so nen Problem...was will man da denn als Lösung mit bewirken?

  • Und genau das mit solchen Vorwürfen dann ja auch so nen Problem...was will man da denn als Lösung mit bewirken?

    Es geht doch nicht darum, in diesem Dialog oder Interview eine Lösung zu erreichen. Es geht darum Stellung zu beziehen. Warum man das nicht kann bzw das offenkundige nicht ausformulieren möchte, hat sicher Gründe und die hast recht blumig umschreiben, finde ich.


    Nochmal: Ursula sagt im Interview

    > politische Einigkeit sei nicht zu unterschätzen

    > wir brauchen bessere Narrative und dies sei auch die DNA ihrer Friedensforschung

    > wer gegen die Narrative argumentiert, ist/wird isoliert


    Sie hat so einige Statements rausgehauen, die im größeren Kontext betrachtet einfach nur gruselig sind. Die Quintessenz ihrer Argumentationslinien kreuzen sich dann wunderbar bei den hilflosen Antwortversuchen zu Assange. Das macht Interviewführung bzw dessen Dynamik auch so toll, finde ich.


    Persönlich finde ich es nur schade, dass Tilo ihr nicht die Gelegenheit geben konnte, auf wenigstens eine meiner Fragen, die eigentlich echt gut zu ihren Erklärungen gepasst hätten (Waffenlieferung, Risikoabschätzung, Proliferation ...), zu Antworten. Naja, vielleicht nächstes mal.

  • mich lässt es verzweifeln... Nichtmal tilo findet noch Leute die ein wenig Hoffnung geben könnten. reine Fachidioten die genau das liefern was die Geldgeber von ihnen hören wollen. ob Expertenrat ,, Studien oder Gutachten... das hat alles nichts mehr mit Demokratie zu tun. Hauptsache die Experten liefern die Begründung und ausrede für politisches handeln.

    das ist alles so deprimierend ...


    und roy schreibt


    Nochmal: Ursula sagt im Interview

    > politische Einigkeit sei nicht zu unterschätzen

    > wir brauchen bessere Narrative und dies sei auch die DNA ihrer Friedensforschung

    > wer gegen die Narrative argumentiert, ist/wird isoliert



    das bestätigt mich und hat nichts mehr mit Demokratie zu tun.


    wir haben nicht nur ein Lobby Problem sondern auch eins mit Experten "Forschern" die die regierung beraten

  • Ich würde ihr zugute halten, dass sie den Eindruck macht, als sei sie ehrlich darum bemüht, ihr Forschungsfeld weitgehend frei von Parteipolitik, wissenschaftlich und ohne moralische Verabsolutierungen zu beackern.


    Aber leider zeigt sich auch bei ihr, was die meisten PolitikwissenschaftlerInnen an diesem Anspruch scheitern lässt: Sie ist zu sehr Teil dessen, was sie erforscht. Die Friedensforschung selbst ist in dieser Form - an staatlichen Lehrstühlen und mit staatlichen Forschungsaufträgen versorgt - wahrscheinlich kaum anders zu betreiben. Aber mit dieser doch sehr staatstragenden Institutionalisierung kommt sie gar nicht umhin, als sich bei ihrer Analyse entlang der etablierten bürokratischen, nationalen und internationalen Institutionen zu orientieren.

    Das führt dann dazu, dass die Institutionen genauso wie ihre rechtlichen, bzw. völkerrechtlichen Rahmenbedingungen als solche nicht radikal hinterfragt, sondern allenfalls als schlecht umgesetzt, nicht effizient genug gemanaged, oder der Bevölkerung nicht geschickt genug als Werte an sich vermittelt beschrieben werden.


    Wenn es allerdings das geteilte Narrativ ist, das dafür sorgt, dass die StaatsbürgerInnen den Staat und die von ihm organisierte Gesellschaft anerkennen und sich ihr gutes, gerechtes und friedliches Funktionieren zur Bürgerpflicht machen, dann kann man in letzter Konsequenz auch die übelste Diktatur rechtfertigen, so lange es ihrer Staatsführung nur gelingt, einer ausreichenden Zahl ihrer UntertanInnen ein staatliches Narrativ zu präsentieren, welches sie glauben lässt, es wäre die beste aller möglichen Alternativen.

    Der Staat ist - genau wie die Kriege die er gegen andere Staaten führt - immer dann ein guter Staat, wenn eine Mehrheit seiner Bevölkerung daran glaubt dass er gut ist, und dass der Krieg für eine gerechte Sache geführt wird. Das gilt in einer Kapital-Oligarchie mit demokratischen Elementen wie den USA genau so wie in einer korrupten Autokratie wie Russland, oder in einer repräsentativen parlamentarischen "Demokratie" der Konzernlobbyisten wie Deutschland.


    Dass der Staat neben dem "Narrativ" - also einer spezifischen Staatsräson / Staatsideologie - auch von einer allgemeinen, absolut westlich geprägten Ideologie der modernen Staatlichkeit als solcher definiert wird, oder dass man derselben als staatstragende Politikwissenschaftlerin an einer deutschen Staatsuniversität keine radikale Kritik entgegen zu stellen weiß, liegt eben genau daran, dass sie eine Ideologie ist, die sich nach den bürgerlichen Revolutionen in Europa und Nordamerika zusammen mit ihrer materiellen kapitalistischen Basis als die herrschende über die ganze Welt etabliert hat, und den Institutionen und Instituten des Westens als grundsätzlicher und scheinbar alternativloser Rahmen des Vorstellbaren zugrunde liegt.


    Da kann das Friedensforschunginstitut zwar mühsam eine Studie über Polizeiausbildung in Entwicklungsländern erstellen und vielleicht zu dem richtigen Schluss kommen, dass das eigentlich nur so semi-gut funktioniert und nicht ausreicht, um in den jeweiligen Staaten einen demokratischen Rechtsstaat zu etablieren, weil dort der Staat sein Narrativ über sich selbst und seine Legitimation nicht unter Kontrolle hat, aber an der grundsätzlichen Überzeugung, dass ein Staat - ob mit oder ohne Demokratie - ein gewisses Maß an notfalls auch per unmittelbarer Staatsgewalt durchzusetzender Autorität ausüben muss, um wiederstrebende Interessen unter einen friedlichen Hut zu zwingen, wird dabei - genau wie der eigentliche Charakter dieser Interessen - nicht hinterfragt - genauso wenig wie die Vorstellung, dass letztendlich der "freie" Westen in seinem Selbstverständnis innerhalb des ideologisch vorstellbaren Meinungsspektrums immer selbst definiert, wie das auch außerhalb seiner Mitgliedsstaaten idealerweise zu funktionieren hat.

  • Es geht doch nicht darum, in diesem Dialog oder Interview eine Lösung zu erreichen.

    Das meinte ich nicht. Meine Frage war eher tatsächlich mehr an dich, der du da ihre Antwort(en) ganz konkret bezüglich Assange kritisierst. Und da ist meine Frage was du da lieber hättest bzw was der indirekte Vorwurf der entweder Unehrlichkeit oder unmoralischen Parteinahme da nun bewirken soll?

    Ich halte ihre Antwort(en) da btw weiterhin für nix davon.


    Es geht darum Stellung zu beziehen.

    Wozu denn? Sie hat die Fragen so wie sie ihr gestellt wurden beantwortet. Sie wurde doch nicht nach ihrer Stellung zum Fall Assange gefragt. Und selbst wenn, dann wäre ihre Antwort vermutlich auch eher wage und nicht zu spezifisch und vermutlich sogar auch mit dem Hinweis auf mangelndes Detailwissen ausgefallen. Hätte aber auch natürlich anders sein können, wurde so halt nicht gestellt die Frage.


    Warum man das nicht kann bzw das offenkundige nicht ausformulieren möchte, hat sicher Gründe

    Ich denke auch, dass sie es dankbar angenommen hat, dass die Fragen so gestellt wurden, dass sie da eben keine Stellung in dem Sinne wie sie hier gewünscht wäre abgeben musste, sofern sie es denn wie gesagt überhaupt so umfänglich und ehrlich könnte. Gründe sind da sicher viele vorstellbar. Und ja sie ist ja irgendwie auch "Teil des Systems" und bewegt sich als solches in ihm.

  • Sie hat die Fragen so wie sie ihr gestellt wurden beantwortet. Sie wurde doch nicht nach ihrer Stellung zum Fall Assange gefragt.

    Nein, hat sie nicht bzw doch wurde sie.


    Tilo fragt, wie groß nach dem Urteil in UK bzw der ganzen Auslieferungsfarce der Schaden für uns (= unsere Demokratie) ist und verbindet die Frage mit dem aktuellen Statement der Regierungssprecherin, die sagt (sinngemäß), dass Regierungen ein Recht auf Vertuschung von Kriegsverbrechen haben.


    Ursula bestätigt dann in ihrer ersten Reaktion, dass Regierungen aus ihrer Sicht tatsächlich ein solches Recht hätten und zwischen Pressefreiheit und Vertuschung von Kriegsverbrechen „abgewogen" werden müsse. Das vor dem Hintergrund, wie mit Assange seit Jahren umgegangen wurde und wird ... muss ich Dir nicht erzählen.


    Das ist dann auch Tilo gleich zu viel und er interveniert und referiert über die Bedeutung dieses Urteils und der Reaktion unserer Regierung für die Pressefreiheit und die Demokratie. Das ist der Zeitpunkt, wo sie einen vorsichtigen Rückzieher macht und sich als „unbelesene" versucht zu retten.


    Nach kurzem Überlegen ist sie aber noch nicht bereit, das Feld vollständig zu räumen und versucht etwas zu derailen: „Geheimschutz hat in Staaten auch eine Funktion.", sagt sie. Und weiter: „Es gibt die Notwendigkeit staatliche Praktiken im Ausland zu schützen." ..,. Rumms. Sind wir hier noch bei Kriegsverbrechen?


    Sie fährt fort: „Wir wissen auf der anderen Seite das Whistleblowing echte Effekte hat, um die demokratische Kontrolle von Sicherheitinstitutionen zu stärken." ... Auf der anderen Seite? Also nicht im Fall Assange? Gruselig.


    Es folgt ein weiteres Derailing zu „Sicherheit vs Freiheit" und einem Artikulierten Wunsch ihres Vereins, man könne doch auch langsam mal einige Sicherheitsgesetze, die nach 9/11 eingesetzt wurden, wieder absetzen....


    Tilo lässt nicht locker und bietet ihr erneut einen Exit und löst die Frage von Assange und fragt nun ganz generell, ob Kriegsverbrechen in einer Demokratie vertuscht werden dürfen. Sicherheitshalber antwortet er auch gleich selbst und sagt: „Nein!" (Alles muss man selber machen ^^)


    Sie gibt sich endlich geschlagen und stimmt zu. Aber nur mit der Einschränkung, dass es auf den Weg (die Art und Weise? ;)) ankommt, über den Kriegsverbrechen aufgedeckt werden. ... Ja, wie jetzt?


    Meine Frage war eher tatsächlich mehr an dich, der du da ihre Antwort(en) ganz konkret bezüglich Assange kritisierst. Und da ist meine Frage was du da lieber hättest bzw was der indirekte Vorwurf der entweder Unehrlichkeit oder unmoralischen Parteinahme da nun bewirken soll?

    Alles an dem Vorgang mit Assange ist verkommen und stinkt zum Himmel. Angefangen bei den Schweden über die Briten bis hin zu „unserem" Verhalten. Und über allem kreisen die überführten Kriegsverbrecher aus den USA.


    Ich erwarte, das genau so zu benennen. Gerne auch eine Analyse, warum es unserer Regierung nicht möglich ist, sich anders zu verhalten. Es muss natürlich kein Referat eines Nils Melzers sein. Als Friedensforscherin sind diese multilateralen Zusammenhängen ihr Job. Aber sie tut es nicht. Viel schlimmer noch: bis zuletzt versucht sie es irgendwie zu rechtfertigen. Und nach den ca 100 vorherigen Interviewminuten ist auch völlig klar, warum.

    Ich denke auch, dass sie es dankbar angenommen hat, dass die Fragen so gestellt wurden, dass sie da eben keine Stellung in dem Sinne wie sie hier gewünscht wäre abgeben musste, sofern sie es denn wie gesagt überhaupt so umfänglich und ehrlich könnte.

    Ich verstehe das ehrlich nicht. Haben wir unterschiedliche Interviews gesehen?


    Und ja sie ist ja irgendwie auch "Teil des Systems" und bewegt sich als solches in ihm.

    Eben. Ein System, das sie in ihrer Funktion mit Narrativen versucht zu stützen und zu schützen. Ob dabei ein Assange hops geht, ein paar 1.000 Russen und Ukrainer sterben, millionen Menschen aus Entwicklungsländern verhungern oder hier bei uns etliche ihre wirtschaftliche Existenz verlieren ist eine „Abwägungssache".


    Utan hat es ja auch schon viel besser hier formuliert, als ich es hinkriege.

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