#562 - Osteuropa-Historiker Wolfgang Eichwede

  • Am Montag, 7. März, ab 18 Uhr, LIVE



    Zu Gast im Studio: Wolfgang Eichwede, Historiker und Gründungsdirektor der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen. Mit der Gründung der Forschungsstelle Osteuropa 1982 übernahm er die Leitung des Instituts, die er bis 2008 innehatte. Unter seiner Leitung wurde in der Forschungsstelle Osteuropa eines der größten Samisdat-Archive weltweit angelegt. Dies war insbesondere auch durch Eichwedes enges persönliches Verhältnis zu Dissidenten in Osteuropa möglich. Eng verbunden ist er mit der Menschenrechtsorganisation Memorial. Er engagiert sich bis heute für die Sozial-, Bürgerrechts- und Freiheitsbewegungen in Osteuropa. Das Bemühen um Freundschaft mit Russland, so Eichwede, müsse der Machtpolitik Putins „auch seine Grenzen zeigen – Grenzen, die sich aus dem Völkerrecht und den Rechten der kleineren, eben nicht so mächtigen Staaten ergeben“


    Habt ihr Fragen an Wolfgang zum Krieg in der Ukraine, Putin etc? Her damit!


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  • Was ist die Einstellung der russischen Regierung und Putins zu Stalin?

    Wie wird Stalin heute in den verschiedenen russischen Bevölkerungsgruppen wahrgenommen?

    Wo unterscheidet sich die Position von Memorial und der Regierung zu Stalin, wo gibt es Gemeinsamkeiten?


    Richtet sich der Verbot von Memorial gegen deren heutige Bürgerrechtsarbeit oder gegen deren Beschäftigung mit Stalinistischen Verbrechen?


    Wenn es mehr um das Erste ging, ließe sich nicht Bürgerrechtsarbeit und Historische Arbeit trennen, wenn nein, warum nicht? Hätte es das Verbot überhaupt verhindert?


    Organisation in der Sowjetunion, gegenüber des heutigen Russlands. Also wie funktionier der russische Staat heute, wie war es vor 1990. Oder anders, wie viel Sowjetunion steckt noch in Russland?

    (Ich frag das als Westdeutscher der nach der Wiedervereinigung geboren ist und in der Schule nur die Weimarer Republik und Bundesrepublik kennengelernt hat. Der Staat der DDR zum Beispiel ist mir komplett fremd. Klar kenne ich Namen wie Honecker und Ulbricht, die SED. Bezeichnungen wie Generalsekretär, Staatsrat etc. Aber ich habe keine Ahnung welche Befugnisse die hatten und wie die Kompetenzen unter denen aufgeteilt waren.)

    Ist das was Putin gemacht hat ein Weg zurück in die Sowjetdiktatur, oder ein Weg „nach vorne” in eine „moderne” Diktatur? Modern ist das falsche Wort, andere Diktatur. Zeitgenössische Diktatur.

    Ich mache mir die im Forum zu diesem Thema mehrheitlich geäußerte Meinung nicht zu eigen und wiederspreche ihr hiermit ausdrücklich!

    2 Mal editiert, zuletzt von Adelheid ()

  • Welchen Einfluss haben neofaschistische Philisophen wie Alexander Dugin auf Putin und seine Oligarchen?

  • Gibt es irgendeine Idee, was Putin unter "Entnazifizierung" verstehen könnte?

    (Ergänzung: Steht durchaus in Bezug zu oben stehende Frage in Post#3 zu Dugin & Co - ich habe den Eindruck, mit "Entnazifizierung" adressiert Putin in Wirklichkeit die von ihm unerwünschte eigenständige ukrainische Identität bzw. das ukrainische Nationalbewusstsein - somit wären all diejenigen Nazis, die sich als Ukrainer und nicht als Russen fühlen?)


    Wieso hat sich der Westen so stark in die Ukraine eingemischt bzw. welche Meinungen gibt es hierzu, wieso "wir" das getan haben - insb. bei der Absetzung bzw. beim Putsch von Janukowytsch? Oder noch allgemeiner - wie stark war damals in 2014 beim "Euromaidan" der Einfluss "des Westens" wirklich - lässt sich das ansatzweise beziffern?


    Wie weit entfernt war die oligarchische Wirtschaft/Gesellschaft der Ukraine (bis vor dem Krieg von Putin) hinsichtlich einer offeneren Kapitalismus-Gesellschaft, die der Westen anstrebt? Die Wirtschaftskraft der Urkraine ist ja bis vor kurzem so niedrig gewesen, wie vor 30 Jahren, als die UdSSR sich aufgelöst hat. Wie kann das sein, dass dort scheinbar so wenig Entwicklung stattgefunden hat und das Land so korrupt ist?


    Wieso hatten die osteuropäischen Länder nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion solch eine Angst vor Russland, dass sie unbedingt in die NATO wollten? Hat die NATO diese Ängste massiv geschürt und die Länder stark motiviert in die NATO zu kommen? Oder war dies gar nicht nötig?


    Wieso hat Russland solch eine Angst vor der NATO, obwohl das Atomwaffen-Arsenal Russlands so groß ist, dass niemand ernsthaft Russland angreifen könnte, ohne befürchten zu müssen, selber ausradiert zu werden?


    Wieso hat Russland den Krieg vermutlich in 2021 geplant, obwohl die NATO seit Jahren mehr und mehr zerstritten ist und sogar Zerfallserscheinungen öffentlich diskutiert wurden? War nicht klar, dass ein solcher Krieg die NATO einen würde (oder zumindest könnte)?


    Hätte es ab 2007/2008 eine Möglichkeit gegeben, Russland viel stärker mit der EU und der NATO zu verbinden und wäre dadurch Putin eventuell viel weniger zum Autokraten geworden? Hätte Putin evtl sogar demokratische Strukturen gestärkt, oder ist dies eine eher unwahrscheinliche Annahme?


    Wieso sind nach dem Fall der UdSSR dort fast überall "starke Männer" an die Macht gekommen, entweder in Form von Wirtschaftsführern oder von politischen Führern, die versuchen, enorm viel Macht auf sich zu ziehen? War es nach 70 Jahre UdSSR unmöglich, dass sich demokratischere Strukturen etablieren konnten? Wurde z.B. nirgends ein "demokratischer Sozialismus" angedacht?


    Wenn in Russland Putin nicht mehr an der Macht wäre... wie wahrscheinlich wären demokratischere Entwicklungen im Vergleich zu einem ähnlich oder noch stärker autokratischen Machthaber, der Putin einfach nur ersetzen würde?


    Wie sind die Entwicklungen in den "Euro-Ländern" Rumänien und Bulgarien in den letzten 10 Jahren? Sind diese Länder eher Erfolgsmodelle oder eher weniger?


    Wieso sind ausgerechnet in Polen und Ungarn so stark nationalistische Regierungen seit längerem an der Macht? Gibt es hier Gemeinsamkeiten?

  • Vor dem Hintergrund, dass dem ukrainischen Innenministerium eine neo-nazi Kampftruppe unterstellt ist: wie ausgeprägt ist der Einfluss von neo-nazis auf die Regierung und wie passt das mit einem jüdischen Präsidenten zusammen?

  • Einspruch, Euer Ehren! In weiser Voraussicht auf das Gespräch, angesichts der NGOs, wenn das Wort "Foreign Agent" fällt, das hat Obama als Gesetz eingeführt und Russland später 1:1 Wörtlich übernommen.


    Ich kann mir im Moment nur schwer vorstellen das man die Ukraine in eine Vollsouveränität entlässt, der Gedanke des Geo-Blocks Belarus/Ukraine/Russland ist ja verlockend.


    Oder die Ukraine bleibt ein Puffer, sowas wie Erdogans Sicherheitszone von Syrien (was ja niemanden wirklich stört).




  • Wie einsam ist ein Diktator, der zwischen sich und seinen engsten Vertrauten einen Kilometer Tisch aufbaut.




    Wenn er da mit seinen Freunden sitzt geht´s lockerer zu, auch distanztechnisch.

  • Ganz ganz großartiges Interview, Tilo und hansj. Die besten Stunden zum Thema Ukraine die ich in den letzten zwei Wochen in den Medien insgesamt (Fernsehen, Podcasts, Texte) verfolgt habe, und das war ziemlich viel. Ich habe viel gelernt und werde aus dem Gespräch eine Menge mitnehmen.

  • Vor dem Hintergrund, dass dem ukrainischen Innenministerium eine neo-nazi Kampftruppe unterstellt ist: wie ausgeprägt ist der Einfluss von neo-nazis auf die Regierung und wie passt das mit einem jüdischen Präsidenten zusammen?

    Antwort: irgendwas mit Tschetschenen und Wagner Gruppe. 👍🏼

  • Wolfgang Eichwede ist sympathisch und das interview extrem interressant. Meine Voruteile gegenüber der Zunft der Historiker wurden aber zum Teil bestätigt. Innerhalb der Gemeinde der Historiker gibt es eine gewisse verklärung der Nachkriegszeit und der Rolle der USA. Das schmälert nicht sein umfangreiches wissen und seine genaue Analyse in vielen Teilen des Interviews, aber er ist Teil einer institutionalisierten Geschichtswissenschaft die in ihren zentralen Veröffentlichungen eher zahm mit dem dem US Empire umgeht.


    Dieser etwas einseitige Verklärung in den Geschichtswissenschaften wurde von Kritikern wie Howard Zinn, Michael Parenti, Oliver Stone oder anderen oft versucht eine Geschichte von unten entgegenzusetzen. Hier Michael Parenti zu diesem Thema:


  • Innerhalb der Gemeinde der Historiker gibt es eine gewisse verklärung der Nachkriegszeit und der Rolle der USA.

    Ich würde eher vermuten, dass seine Sichtweise davon geprägt ist, dass er als Teil der kulturellen Elite im Westen wahrscheinlich auch eher mit der kulturellen Elite im Osten zu tun hatte, die dort sicher deutlich liberaler und "westlicher" gestimmt ist, als die gemeine arbeitende Bevölkerung, die auch jetzt - mangels anderer Inofrmationsquellen - der russischen Propaganda vom Freiheitskampf gegen die "Nazis" im Nachbarland auf den Leim geht und begeistert ein "Z" auf ihre Autos klebt.


    in jedem Fall gilt...


    "[...] Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d.h. die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht. Die Klasse, die die Mittel zur materiellen Produktion zu ihrer Verfügung hat, disponiert damit zugleich über die Mittel zur geistigen Produktion, so daß ihr damit zugleich im Durchschnitt die Gedanken derer, denen die Mittel zur geistigen Produktion abgehen, unterworfen sind.

    Die herrschenden Gedanken sind weiter Nichts als der ideelle Ausdruck der herrschenden materiellen Verhältnisse, die als Gedanken gefaßten herrschenden materiellen Verhältnisse; also der Verhältnisse, die eben die eine Klasse zur herrschenden machen, also die Gedanken ihrer Herrschaft.

    Die Individuen, welche die herrschende Klasse ausmachen, haben unter Anderm auch Bewußtsein und denken daher; insofern sie also als Klasse herrschen und den ganzen Umfang einer Geschichtsepoche bestimmen, versteht es sich von selbst, daß sie dies in ihrer ganzen Ausdehnung tun, also unter Andern auch als Denkende, als Produzenten von Gedanken herrschen, die Produktion und Distribution der Gedanken ihrer Zeit regeln; daß also ihre Gedanken die herrschenden Gedanken der Epoche sind. [...]"

    ______________________________________________

    You know who...

  • Was auch immer der Grund, mich hat sein Statement über den "Coca Cola Imperalismus" ziemlich erschüttert. Das ist angesichts von Millionen ermordeten Sozialisten, Intellektuellen und Gewerkschaftlern durch die faschistischen Schergen des US Imperialismus in Indonesien, Chile, Phillipinen, Argentinien, Guatemala, Nicaragua, Honduras, Irak, Iran, Kongo usw. doch eine sehr beschönigende Darstellung des US Imperialismus.

  • Also ich muss auch sagen, ich habe jetzt mal die erste Stunde gehört, und die Stationierung von Elementen von Raketenabwehr in Osteuropa als Folge einer "amerikanische[n] Hypnose" zu bezeichnen, deutet mir auf deutlich zuviel guten Willen für die USA hin. In der Zeit haben die US-Amerikaner auch angefangen aus Abrüstungsverträgen auszusteigen und die Ära einer "nuclear primacy" der USA als Ablösung von MAD wurde offen diskutiert. Weiß nicht wie gut der historische Zusammenhang hier beforscht ist, aber ich denke die Angst in der US-Regierung vor den Raketen aus Iran war etwa so authentisch wie die vor den irakischen Massenvernichtungswaffen. Unabhängig davon, dass man den russischen Sorgen vor den Möglichkeiten solcher Stationierungen ja dann genauso eine hypnotische Fixierung unterstellen könnte.

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