Ben Shapiro ist zwar kein Israeli
...aber Ashkenazi.
Allerdings sehe ich das auch wieder mit Siedler-Chauvinismus verschränkt. Denn diese Logik, dass es einer besonderen Grausamkeit bedarf, ist typisch für (post-)koloniale Zusammenhänge, insbesondere unter den Bedingungen einer Minderheitsherrschaft wie es zum Beispiel in Rhodesien oder Südafrika der Fall war.
Daniel Matè erwähnt es auch in seinem TikTok-Video zur Holocaust-"Psychose": Die Mehrheit der heutigen Israelis zählen nicht mehr zu den europäischstämmigen Ashkenazi, sondern zu den Arabisch- Nordafrikanisch- und Asiastischstämmigen Mizrahi. Die waren allerdings vor der Staatsgründung Israels nicht Ansatzweise im selben Maße von der Verfolgung durch Nicht-Juden betroffen wie die Juden Europas. In den überwiegend muslimischen Ländern, aus denen die Mizrahi kamen, lebten sie vorher Jahrhundertelang - genau wie dortige Christen - zwar auch nicht völlig gleichberechtigt mit Muslimen, aber es gab dort nie solche Pogrome oder andere Vernichtungsorgien, oder gar so etwas wie den Holocaust in Europa.
Die Theorie, es handele sich da hauptsächlich um den üblichen Chauvinismus vorwiegend weißer Siedler und Kolonisatoren gegenüber ihren unterentwickelten Kolonialvölkern trifft höchstens auf die Anfangsphase der Staatsgründung zu, als die meisten der neu nach Israel kommenden Juden noch Europäischstämmig waren.
Es gab und gibt auch durchaus inner-jüdischen Rassismus in Israel. Viele der erst später aus arabischen und nordafrikanischen Ländern hinzu gekommenen Juden und JüdInnen sprachen kein modernes hebräisch - was sowieso eine Kunstsprache ist - und hatten auch sonst ganz andere kulturelle Eigenheiten. Selbst in der religiösen Tradition unterscheiden die sich voneinander.
Wenn man da Faschismus ins Spiel bringen will, wäre für mich eher die Frage, wie sieht man das Verhältnis von Systemen postkolonialer Minderheitsherrschaft und Faschismus, denn Israel ist im größeren Kontext von Mandatspälestina eher das als etwa ein revanchistischer Staat in einer Nachbarschaft vergleichbarer Länder.
Die Vergleiche hinken meiner Ansicht nach alle, weil Israel eben ein auf dem Reißbrett geplanter, dann mit Gewalt in ein bereits bewohntes Gebiet gesetzter, und dann mit noch mehr Gewalt gegen die erzürnten Nachbarn verteidigter Staat ist, wie es ihn in dieser Form bisher nie gegeben hat.
Und das alles konnten und können die israelische Regierung und ihre westlichen Unterstützer eigentlich nur dadurch rechtfertigen, dass in Europa der größte Massenmord an Juden in der Geschichte stattfand und dass so etwas jederzeit wieder geschehen könne, wenn man nicht eisern gegen die Feinde zusammen stünde. Die Paranoia ist von Grund auf in das Fundament des Staates eingemauert.
Wenn die israelische Regierung z.B. heute junge Juden und Jüdinnen aus Amerika auf ihre bezahlten "Birthright"-Reisen nach Israel einlädt, dann werden die vorher erst mal nach Osteuropa geschickt, wo man ihnen nochmal ganz eindringlich in Auschwitz und anderen Horror-Lagern vor Augen bringt, wie schrecklich es da vor 80 Jahren zuging. Und erst dann kommen sie endlich ins sonnige Mediterrane Israel, und bekommen ihren "sicheren Hafen" und seine most moral Army in the world samt Wein, Weib und Gesang von seiner schönsten Seite präsentiert.
Der Rassismus gegen die Palästinenser ist meiner Ansicht nach ein Nebeneffekt dieser fabrizierten Ur-Angst vor dem Holocaust, weil man sie eben jetzt als eine Art mutierte Nachfolger der Nazis sieht, denn die Judenverfolgung war vor 1948 eigentlich immer eher ein christliches, als ein muslimisches Phänomen. Die Kolonialherrenmentalität in den Siedlungen kommt vor allem von den Amerikanern und Osteuropäern die sich da niederlassen.
Der eigentliche Kern der Sache liegt aber in der Definition des "sicheren Hafens". Ohne die verliert der Staat - auch in den Augen seiner Unterstützer - als solcher komplett seine Glaubwürdigkeit. Und deshalb braucht es immer einen fürchterlichen Todfeind, gegen den das ganze Volk zusammen stehen und sich mit allen Mitteln verteidigen muss.