Die (volks)deutsche Politikwissenschaftlerin und Co-Chefredakteurin der "linken" tageszeitung Ulrike WInkelmann, beschwört den drohenden Untergang der globalisierungskritischen ökologischen Linken des Abendlandes herauf, weil eine von deren Ikonen, die kanadische Jüdin Naomi Klein, sich nicht der deutschen Staatsräson zur Lage im Morgenland anschliessen will:
Die Linke und die Barbarei der Hamas: Sie verstehen den 7. Oktober nicht
Wenn Israel schwach ist und Jüdinnen und Juden ermordet werden: Müsste es im persönlichen politischen Koordinatensystem nicht irgendwo jucken?
Alles anzeigen[...] Naomi Klein gehört zu den jüdischen AktivistInnen in Nordamerika, die sich schon länger für die Rechte der PalästinenserInnen einsetzen. Das war bisher aber nicht ihr Hauptthema. Klein hat seit über zwanzig Jahren die linke und globalisierungsskeptische Debatte geprägt. Mit Büchern wie „No Logo!“, auf Deutsch 2001 erschienen, oder 2007 „Die Schock-Strategie“ hat sie den kapitalismuskritischen Diskurs auch in Deutschland stark beeinflusst.
Es ist selten seriös, PublizistInnen sofort als „Ikonen“ oder „Säulenheilige“ zu bezeichnen, nur weil sie Hörsäle füllen und sich ihre Bücher gut verkaufen. Aber jede soziale Bewegung hat ihre Thesen- und PointenlieferantInnen, und Naomi Klein ist davon eine besonders wirkungsvolle.
Ich nenne sie hier dennoch nur stellvertretend für die vielen, von denen ich schlicht angenommen hätte, dass der 7. Oktober bei ihnen etwas im Kopf verschieben würde. Klein ist alt und belesen genug, um zu wissen, dass der Nahostkonflikt, wenn überhaupt, dann sicher keine einfache Lösung kennt.
Einmal unterstellt, dass für Klein wie für viele andere die palästinensische Sache schon deshalb ins ideologische Programm gehörte, weil anständige Linke immer erstmal zu den Schwächeren halten und der Staat Israel so stark wirkte: Das hat sich an jenem Samstag erledigt. Müsste es dann nicht im persönlichen politischen Koordinatensystem irgendwo jucken?
„This changes everything“ (deutscher Titel: „Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima“) von 2015 ist ein weiterer Bestseller Kleins. Für klimapolitisch Eingelesene mag darin nicht viel Neues gestanden haben. Aber der englische Titel brachte die Notwendigkeit, angesichts schier überwältigender Ereignisse (Klimawandel) grundlegende Mechanismen (Marktwirtschaft) zu überdenken, auf eine großartige Formel. Vielleicht hoffte ich deshalb, Klein würde nach dem Pogrom der Hamas wenigstens sagen: „This changes something.“
Ist aber nicht so. Und es frustriert mich zutiefst, dass so viele Leute, mit denen ich Ideen und Ziele teile oder zu teilen dachte, die Bedeutung dieses 7. Oktobers für Jüdinnen und Juden, für Israel, und für menschlichen Umgang insgesamt zu ignorieren scheinen. Die Globalisierungskritik hat seit Ende der 1990er Jahre eine neue internationale, von Beginn an ökologische Linke geschaffen. Sie hat so viel erreicht. Mir ist nicht klar, wie die Bewegung diesen Oktober überstehen soll. Mir ist nicht klar, wie die Linke überhaupt diese Runde des Nahostkonflikts überstehen soll.