• Moin zusammen!

    Ich möchte gerne mal ein Fass aufmachen, was so ein bisschen mit Vorurteilen belastet ist: Kritik am Liberalismus.

    Die häufigste Missbrauchs-form, neben der ökonomischen ist wohl die, Meinungsfreiheit einzufordern, wenn auch immer man Widerspruch erntet. Aber es geht sehr viel weiter, schon die Intellektuellen des letzten Jahrhunderts haben einen massiven Missbrauch festgestellt, wenn es um Dinge wie Wissenschaftlichkeit geht - wenn Fakten nur noch zu Meinungen werden. Prominent sind hier sicher Popper und Marcuse, ich möchte noch Adorno und Günther Anders hinzufügen.


    Wir sehen also auf der einen Seite wichtige Werte und auf der anderen Seite Leute, die sie bewusst ausnutzen. Gestern fand wieder so eine Riesen-Demo in Berlin statt, wo wirklich die lächerlichsten Communities der Lächerlichen sich real zusammenfanden - mit ihren Gurus, die stets für Meinungsfreiheit kämpfen. Sie bedienen sich den Waffen, die sie normalerweise gegen sich gerichtet sehen wie Symbolik und Satire, um weiterhin eine riesige Community zu bedienen, die längst angefüttert wurden. Der "Love-Priest" treibt das wohl auf die Spitze.


    So frage ich mich halt immer wieder, müssen wir nicht zurück zu Locke, Hobbes und Rousseau - müssen wir nicht mal wieder über Staatsphilosophie reden, vor allem nachdem nun wohl die meisten anerkennen, dass das Modell der Eigenverantwortung gescheitert ist und scheitert - sondern Verantwortung gefragt ist (empfehle hier Heinz Bude, der sich wirklich zeitgeistig gewandelt hat).


    Was sagt ihr? Ich hab versucht das Fass recht weit auszudehnen, wer noch USA und co mit einbringen will ist willkommen!

  • Was sagt ihr? Ich hab versucht das Fass recht weit auszudehnen, wer noch USA und co mit einbringen will ist willkommen!

    Sehe die Entscheidung da eher zwischen chinesischem Modell und unserem. Die Freiheitlichkeit und Selbstverantwortung die unser Liberalismus zelebriert scheinen in die Selbstzerstörung zu führen, während die Chinesen erneuerbare Energie und etwas anderes magisches das Deutschland nicht zu interessieren scheint, nämlich Binnennachfrage ausbauen wie blöd.


    Wie liberal darf man sein, darf man den eigenen Planeten für die eigene Spezies unbewohnbar machen (auch wenn nicht alle einverstanden sind)?

  • Hmm okay ich wollte wirklich sehr viel tiefer gehen. Das Chinesische Modell ist meines Erachtens einfach nicht autokratisch. Es berechnet etwas besser das ein, was schon Eduard Heimann einfach nur als Variablen mit eingebracht haben.

    Dass es dafür von unseren System heraus variable Kritik gibt ist offensichtlich... aber darunter gibt es soviel mehr!

  • Die großen Probleme der Liberalen sind m.E, dass

    1. viele Liberale zentrale Probleme des Liberalismus nicht verstehen.
    Im Liberalismus akkumulieren sich Reichtum und Macht in der Regel in den Händen derer, die ohnehin schon darüber verfügen, einfach weil sie darüber verfügen. Moderne Liberale überspielen das gerne mit "Leistung" und ähnlichen Schlagworten, was a) sehr schmeichelhaft für die Gewinner der Strukturen ist, denn so haben sie mehr "geleistet" und b) allen Verlieren einfach mangelnde Leistung unterstellt. So einfach ist es natürlich nicht. Strukturelle Probleme werden durch das Verschieben auf die individuelle Ebene aus der Gleichung gestrichen.

    2. deren Menschenbild oft ein bis heute kaum modifiziertes Bild aus der späten Aufklärung ist.
    Liberale übersehen dabei gern die Entwicklung in Psychologie und Sozialwissenschaften, die zeigen, dass der Mensch nicht mal über sich selbst diese vollständig freie Handlungsmacht hat, wie z.B. Kant dem Menschen noch unterstellt hat (Befreiung aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit usw.).

    Liberalismus als die Gesellschaft dominierende Grundphilosophie braucht daher - entgegen den Wünschen mancher (Neo)Liberalen recht strenge Regeln, wenn er den Realitäten der menschlichen Natur Rechnung tragen will, statt einem ideell sicher schönen, aber wenig glaubwürdigen Menschenbild zu folgen, das überdies vor allem für die Gewinner dieser Gesellschaft sehr bequem ist.

  • vor allem nachdem nun wohl die meisten anerkennen, dass das Modell der Eigenverantwortung gescheitert ist und scheitert

    Diese Aussage bezweifel ich. Viele Menschen empfinden Änderungsvorschläge, die jahrelange Gewohnheiten umkrempeln würden, selbst dann als Zumutung, wenn es faktisch ihre Gesundheit verbessern würde.


    Dass Verhaltensänderungen oft schwierig sind, ist eine psychologische Banalität. Die Einsicht, dass eine Änderung gut wäre, wird ebenfalls durch psychologische Mechanismen stark beeinträchtigt (Stichwort kognitive Dissonanz).


    Für mich bedeutet Liberalismus, dass Menschen in der Lage sein müssen, überaus mündig zu handeln, aber auch erstmal zu denken... also sich die Konsequenzen des eigenen Handelns auch dann aufrichtig vor Augen führen können, wenn es schmerzhaft ist.


    Das findet oft genug nicht statt. Und daher gebe ich Dir zum einen Recht, dass Liberalismus sowieso nicht besonders gut klappt, aber auch wieder nicht Recht, dass dies allgemein anerkannt würde. Wenn man mit Menschen redet, ist ihnen ihre eigene empfundene (!) Freiheit sehr wichtig. Und selbst solche, die autokratische Politik-Strukturen wünschen, tun dies nicht selten, weil sie glauben, dass dies ihren eigenen Wünschen und Gewohnheiten am ehesten entgegenkommt.

  • Hinreichende Definition der Freiheit die Liberalismus widerlegt:

    Zitat

    „Zwischen dem Starken und dem Schwachen, zwischen dem Reichen und dem Armen, zwischen dem Herrn und dem Diener ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit.“ (Jean Babtiste Henry Lacordaire 1802-1862)

    Dieses Zitat stammt aus einer Predigt die Stellung nimmt zu Forderungen von sog. Liberalen dieser Zeit das Verbot der Sonntagsarbeit aufzuheben.


    Den sog. Liberalen war schon immer die Freiheit der Herrschenden weit mehr Wert als die Freiheit der Beherrschten. Die immer gleichen Diskussionen dazu führen wir seit 200 Jahren. Während Corona forderte die FDP verkaufsoffene Sonntage.

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