Kleinstparteien wählen - Eine vergeudete Stimme?

  • Nachdem ich mich besinnt habe, und eingesehen habe, dass über alle Kleinst- und Kleinparteien eine Zusammenfassung zu schreiben, ein zu großes Projekt war (zur Information siehe Thread "Aufmerksamkeit den Kleinparteien" RE: Aufmerksamkeit den Kleinparteien!) , starte ich nun nach der Bundestagswahl doch eine Diskussion zu dem Thema Kleinparteien. Die These lautet: "Eine Stimme an eine Kleinst- oder Kleinpartei, von der absehbar ist, dass sie nicht die 5-Prozent-Hürde schaffen wird, ist eine vergeudete/verlorene Stimme." Vertreten tut sie meiner Ansicht nach Utan , dies entnehme ich seines Kommentars von gestern:


    Zitat

    "...Das gibt mir direkt Gelegenheit, mich bei den 12% "Sonstigen" - von denen es völlig erwartungsgemäß keine einzige über die 5%-Hürde zur Abgeordnetenhauswahl in Berlin geschafft hat - dafür zu bedanken, dass ich jetzt die nächsten fünf Jahre lang das biedere Kartoffelgesicht von Franzi Giffey als neue Landesmutter ertragen muss. ..." 8Bezog sich auf Berlin, aber ich denke, die selbe Meinung wird Utan auf Bundeseben vertreten, wenn nicht, gerne richtigstellen ;))

    Meine persönliche Meinung ist, jeder und jede sollte mit gutem Gewissen die Partei wählen können, die er*sie für richtig hält. Natürlich kann man sich ungefähr denken, welche Partei es schaffen wird, und welche nicht, aber eine Wahl sollte doch möglichst genau den Willen der Wählerschaft widerspiegeln, deshalb sollte man sich nicht von Umfragen blenden lassen. Zudem ist es ja nicht so, dass eine Kleinpartei nicht von Stimmen profitiert, sollte sie die 5 Prozent nicht schaffen: Umso mehr Stimmen man bei Wahlen erhält, umso mehr Parteigeld gibts vom Staat! Wie das genau geregelt ist, kann man hier nachlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/…inanzierung_(Deutschland). Eine Bundestagswahl, sprich viele Wählerstimmen, auch unter 5 Prozent der Gesamtstimmen, kann besonders für eine kleine Partei sehr nützlich sein, das Geld wird in Werbung für das Thema oder die Themen, die die Partei unterstützt gesteckt, und so können die Interessen auch außerparlamentarisch vertreten werden, das Thema findet mehr Beachtung, und vielleicht lässt sich dann durch parteiorganisierte Petitionen auch so viel erreichen!


    Ein weiteres Argument für das Wählen von Kleinparteien ist, dass man damit ein Zeichen setzen kann: Man ist nicht mit den großen Parteien zufrieden, und fühlt sich von ihnen nicht repräsentiert. Die allermeisten Kleinparteien haben gar nicht das Ziel, groß zu werden. Sie setzen sich einfach nur für eine bestimmte Sache ein, und wollen, dass diese durchgesetzt wird. Wenn diese Sache dann von den großen Parteien aufgenommen und ins Parteiprogramm integriert wird, dann wird die Kleinpartei unnötig, geht unter und die Prozentanzahl bei "Sonstiges" wird auch wieder kleiner. Doch solange diese Zahl so hoch ist, sollte man sich lieber fragen, welche Intention dahintersteckte, dass so viele Mini-Parteien gewählt haben und nach Lösungen für ihre Probleme suchen, und sich nicht darüber beschweren.


    Und am Schluss nochmal ganz konkret zu Utans Aussage: Wer sagt denn, dass die Wähler*innen wenn nicht Kleinparteien CDU oder DIE GRÜNEN gewählt hätten, und nicht auch SPD, und es so zu einem anderen Wahlsieg gekommen wäre?

  • Hier die Lösung des Problems mit der 5%-Hürde, der keine etablierte Partei zustimmen wird.

    Ersatzstimme

    Ein sehr, sehr kluger Ansatz. So würden die etablierten Parteien viel mehr um Wählerstimmen kämpfen müssen, da die Hürde, eine kleine Partei zu wählen, nahezu vollständig aufgelöst wird :-) . Fast jede*r würde sich dann erstmal überlegen, welche Interessen er*sie wirklich vertreten haben will, ohne groß Kompromisse machen zu müssen, und, wie im Wikipediaartikel erwähnt, das kleinere Übel zu wählen.

  • Und am Schluss nochmal ganz konkret zu Utans Aussage: Wer sagt denn, dass die Wähler*innen wenn nicht Kleinparteien CDU oder DIE GRÜNEN gewählt hätten, und nicht auch SPD, und es so zu einem anderen Wahlsieg gekommen wäre?

    Also dass sie in großer Zahl €dU oder sPD gewählt hätten kann man wohl ausschliessen. Jedenfalls wenn man sich die Aufschlüsselung aus der taz anguckt:

    Nie zuvor haben so viele Menschen bei einer Abgeordnetenhauswahl Parteien gewählt, die wegen der Fünfprozenthürde nicht ins Parlament kommen. 12,4 Prozent der Wäh­le­r*in­nen haben sich mit ihrer Zweitstimme für eine der zahlreichen „sonstigen“ Parteien entschieden. Von diesen schnitt die „Tierschutzpartei“ mit 2,2 Prozent (40.057 Stimmen) am besten ab, gefolgt von der Satire-Partei „Die Partei“ (1,8 Prozent), der Coronaleugner-Partei „Die Basis“ (1,3), der liberalen „Volt“ (1,1) und dem „Team Todenhöfer“ (1,0). Die Klimaliste, von der vor der Wahl wegen der zeitweiligen Dominanz des Klima-Themas viel die Rede war, landete mit 0,4 Prozent (7.854 Zweitstimmen) weit abgeschlagen im hinteren Feld der Kleinparteien.

    Nach der Wahlwerbung zu urteilen waren für die meisten der Kleinparteien in Berlin auch eher jüngere WählerInnen die bevorzugte Zielgruppe.


    Ich will aber nochmal betonen, dass es mir bei meiner "Danksagung" speziell um Berlin ging und nicht grundsätzlich um Kleinparteien. Würde ich in seinem Dortmunder Wahlkreis leben, hätte ich mit Erststimme Marco Bülow - also ein PARTEI-Mitglied gewählt. Dass er es nicht geschafft hat ist ein herber Verlust.

    Ich hätte auch nichts grundsätzliches gegen Martin Sonneborn im Berliner Abgeordnetenhaus. Aber diese Wahl war für Berlin ganz besonders richtungsentscheidend, weil die sPD unter Giffey mehr oder weniger unverholen die bisherige Koalition beenden wollte und es auf jede Stimme ankam, die Grünen und Linken eine stärkere Verhandlungsposition hätte verschaffen können.


    Hier war erstens der Anteil für Kleinparteien - auch schon in den Prognosen - deutlich höher als im Bundesdurchschnitt und zweitens waren diejenigen unter ihnen, die die meisten Stimmen bekommen haben - mal abgesehen von Todenhöfers Selbstverherrlichungsprojekt und dem Querdenker-Wahlkampfhilfensammelvehikel - überwiegend linke, oder linksliberale Parteien. Hätten letztere Grün oder links gewählt, dann wäre es deutlich wahrscheinlicher gewesen, dass die rechte "Sozialdemokratin" Giffey und ihr machtversessener Co-Vorsitzender Saleh jetzt nicht Grün und Links zu einem konservativeren Kurs erpressen könnten, oder womöglich gleich - wie Giffey mehrfach hat durchblicken lassen - mit der €dU und der in Berlin besonders widerlichen fdP eine "Deutschland-Koalition" bilden, die alles was der Rot-Rot-Grüne Senat in den letzten fünf Jahren zumindest mal ansatzweise an progressiver Politik auf den Weg gebracht hat, wieder rückgängig, und dem Betongold-Spekulationskapital die Tore der Stadt noch weiter aufmachen könnte.


    Zudem ist klar, dass offenbar sehr viele Leute zwar für den Volksentscheid zur Vergesellschaftung der Bestände der großen Immobilienkonzerne gestimmt, aber gleichzeitig kein Regierungsbündnis gewählt haben, das sie auch halbwegs sicher umsetzen wird.

    Die Berliner Grünen haben sich da zwar ein bisschen gewunden, aber es im Gegensatz zu Giffey, der €dU und der fdP immerhin nicht grundsätzlich ausgeschlossen, und die LINKE war uneingeschränkt dafür.


    So ganz grundsätzlich finde ich allerdings, dass man sich schon fragen sollte, ob man bei einer Wahl, von deren Ausgang das ganze Land betroffen sein wird, wirklich nur nach der eigenen persönlichen Wunschvorstellung gehen sollte, oder ob es nicht an der Zeit wäre, dass sich wieder mehr Menschen dafür interessieren, wohin sich die Gesellschaft als ganzes außerhalb ihres eigenen unmittelbaren Erfahrungshorizontes entwickelt. Auch wenn man dafür vielleicht selbst etwas zurück stecken muss.


    Wenn ich wirklich nur nach meiner eigenen linksfaschistischen Gesinnung hätte wählen wollen, dann wären meine Stimmen auch an irgendeine der völlig hoffnungslosen linksradikalen Kleinstparteien gegangen.

  • Die Kleinen Miniparteien sind das NEIN des kleinen Mannes, welches auf unseren Wahlzetteln fehlt. Schlecht ist, dass man damit keinen Einfluss auf die Sitzanzahl nehmen kann. Minieffekt ist auch dass man den Großen etwas vom bei ca 200 Millionen gedeckelten Parteifinanuierungstopf streitig machen kann.

    Statt dieser Krücke wäre mir etwas wie RobFord Gesinnungsgenosse s Vorschlag oder ein "meine Anteile gehen an leere Stühle" recht.


    Sonst bleibt einem, um den "aufrechten Demokraten", ans Bein zu pinkeln leider nur die AfD.

  • Sonst bleibt einem, um den "aufrechten Demokraten", ans Bein zu pinkeln leider nur die AfD.

    Klang so ähnlich auch in den O-Tönen bei der Vorberichterstattung zur Wahl des MDR durch. Ich hab mir wegen der auffälligen Entwicklung in deren Sendegebiet mal ein paar davon angetan. Durchaus interessant für diejenigen, die wirklich an einer Analyse interessiert sind, auch wenn der Bias der Sendeanstalt da einen Filter drüberlaufen lassen dürfte.

    Einige Genossen kamen heute auf die glorreiche Idee in ihrer Twitter-Bubble nach Ursachen zu fragen.

  • naja mitterweile interssiert der gemeine Politiker nicht mehr ob die afd 11 % oder 12 % hat.


    da wird eingepreist bzw. von der union wurde es glaublich auch sperrminortät missbraucht


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    DieBasis hat seltsamerweise über 1 % geschafft was mich aufgrund der Zerstrittenheit der Coronamassnahmengegner erstaunt.

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    Grundsätzlich halte ich es falsch eine Partei taktisch zu wählen, weil für die Partei den Eindruck erweckt man mache was richtig. Nichtwählen ist eh die schlechteste Option, sofern man nicht in Berlin wohnt geht das in der Regel schnell. Ich wäre auch für Geld fürs Wählen also das Gegenteil von einer Wahlpflicht sodass auch " Arme" wählen.

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    Aber ich denke auch dass die Parteiendiktur, der Demokratie schadet und quasi das land mmer zum Selbstbedienungsladen der Parteien wird.

  • Minieffekt ist auch dass man den Großen etwas vom bei ca 200 Millionen gedeckelten Parteifinanuierungstopf streitig machen kann.

    Nebeneffekt des Minieffektes ist es allerdings auch, dass dabei nicht nur Herr Todenhöfer - Ehrenkanzler der Herzen - dann auf sein nicht ganz unbeträchtliches Privatvermögen noch ein kleines steuerfinanziertes Spesenkonto zur weiteren politischen Beweihräucherung seiner selbst drauf gepackt bekommt, sondern zum Beispiel auch findige Konspiratismusvermarkter und Vorsitzende von Volkstribunalen außerparlamnetarischen "Untersuchungsausschüssen", wie Herr Dr. Jur. R. Füllmich, die damit ihre "Spenden-"Konten mit zusätzlichem Propagandabudget für die organisierte Gegenaufklärung auffüllen können.


    Kann man vermutlich verkraften, aber nur weil "die da oben" vielleicht etwas weniger davon bekommen, ist das Geld nicht unbedingt sinnvoll investiert.

  • Kann man vermutlich verkraften, aber nur weil "die da oben" vielleicht etwas weniger davon bekommen, ist das Geld nicht unbedingt sinnvoll investiert.

    Stimmt, das muss jeder für sich abwägen. Wenn allerdings jemand feststellt, dass seine Geschmacksrichtung von Scheiße im aktuellen Parteienregenbogen nicht dabei ist, gibt es nicht viele Strategien. Nichtwählen interessiert absolut niemanden, das kostet weder Geld noch Einfluß (Sitze/Stimmanteile), Stimme ungültig machen hat den selben, also keinen, Effekt, es wird nur an anderer Stelle in der Statistik verbucht. Bleibt Protestwählen; hier gibt es zwei Hauptrichtungen, eine völlig aussichtslose Partei wählen oder eine die wahrscheinlich in den Bundestag einzieht.

    Das Wählen einer aussichtslosen Partei hat fast keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments. Fast deshalb, weil sich eben die Zahl der gültig abgegebenen Zweitstimmen erhöht, was dann für kleinere Parteien mit Aussicht auf Überspringen der 5 % Hürde ungünstig ist (looking at you LINKE). Ans Geld kommt man den großen Parteien mit einer Protestwahl nur, wenn man einer Protestpartei über 0,5 % bei der Bundestagswahl beschert oder diese bei der letzten Europawahl 0,5 % bzw bei der letzten Landtagswahl 1 % erreicht hat.

    Das "im Bundestag Protestwählen" ist die Stimmabgabe für eine Schmuddelkindpartei mit der die anderen "aufrechten" Demokraten nicht gesehen werden wollen, sowas waren mal die Grünen, die LINKE ist sowas in Teilen der Republik noch, und die AfD besetzt genau und nur diese Rolle. Das könnte auch ein Grund sein warum die LINKE bös abgesackt ist, sie hat im Bund bei dieser Wahl die Funktion verloren einfach Stühle zu besetzen die ohne Wirkung bleiben weil eine realistische Machtperspektive bestand.

    Da würde einem das Feld NEIN einigen viel Arbeit abnehmen.



    Statt der ganzen komplizierten Verweigerungshaltung würde ich allerdings viel lieber in den Listen herumfuhrwerken und mir meinen Bundestag so malen wie ich ihn haben will. Damit meine ich, dass ich Kumulieren und Panaschieren will, ich will Deppen streichen können und nicht nur die von den Parteien angebotenene Listen abnicken.

    Das Gegenargument "alles zu kompliziert" lass ich nicht gelten, einerseits machen wir den Zauber nur alle 4 Jahre und da kann sich dann jeder Bürger mal drei Tage Zeit nehmen gibt halt auch Pflichten zu den ganzen Rechten; die Verwaltung kann unser Steuerrecht 24/7 durchsetzen dann muss man auch mal auszählen können (Berlin kriegt das schon hin).

    Wenn das dann eingeübt ist in 50-100 Jahren, könnte man das auf Bundeseinheitliche Listen erweitern, das Häufeln und Mischen kann der Bürger dann und kann sein Lokalkolorit in den Bundestag malen, wenn er will.

    Wenn das dann läuft, können wir diesen Wust aus EU-Institutionen evtl nochmal zum Teufel hauen und eine demokratisch nicht nur um 5 Ecken legitimiertes Europa zu bauen. Dann ist aber schon 2500 und die Chinesen haben den Vereinigten Volksplaneten Erde gezimmert...

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