Bürokratie-Umbau

  • Nachdem ich die Sendung zum nicht existenten Wahlkampf gehört habe, eine Frage an die Runde.


    Was ist das gewünschte Ergebnis eines Bürokratie Umbau, Abbau, Transformation....?


    Immer wenn ich davon höre, höre ich Abbau vor allem beim Personal aus Kostengründen.


    Legitime Forderung, aber im gleichen Atemzug muss ich aber auch dafür sorgen, dass die wenigen Mitarbeiter auch die Arbeit bewältigen können.

    Natürlich kann ich on Asylbehörden Notbesetzung aufstellen, deren Aufgabe nur noch Personenfeststellung und Ausstellung der Papiere ist.

    Genauso bei Städten, ohne genug Personal muss dann jeder Bauantrag abgelehnt bzw. ohne Prüfung anerkannt werden..


    Natürlich, dass habe ich schon mehrfach gesagt, bin ich selbst betroffen, aber ich bin auch ein Befürworter von mehr maschineller Bearbeitung und dann tiefergehender Prüfungen im Einzelfall.

    Dafür muss der Gesetzgeber die Gesetze bearbeiten und die finanziellen Mittel zur Aufrüstung der Technik bereitstellen.

  • Als Entwickler und mit meiner Erfahrung in der Erstellung von Software für unseren Staat und Bürokratische Unternehmen, kann ich mich nicht uneingeschränkt für die Automatisierung der Bürokratie aussprechen. Seit 20 Jahren erlebe ich meist eine massive Ausweitung digitaler Bürokratie zum Schaden der Arbeitenden und der Bürger.


    Automatisierung oder Digitalisierung können vieles bedeuten.


    Es könnte bedeuten dass der Kunde/Bürger ermächtigt wird, dass der einzelne selbstständig bürokratische Aufgaben bewältigen kann weil er die unterstützung von praktischen digitalen Werkzeugen erhält. Manchmal passiert das sogar.


    Leider aber ist diese Form der Digitali-/Automatisierung die absolute Ausnahme. Im Normalfall werden heute Aufgaben die von hilfreichen und kompetenten Mitarbeitern für Kunden/Bürger erledigt wurden an diese übertragen (Beispiel:Verkäufer, Pfandannahme, Beliebige Portale).

    Oft in einer Form die die Aufgabe verkompliziert und den Zugang erschwert. Die Arbeit insgesamt steigt, der Endnutzer/Bürger wird dabei immer mehr belastet.


    Gute Digitalisierung könnte Hirarchien Abbauen und die durch die Werkzeuge ermächtigten Anwender müssten nicht mehr für jede Entscheidung die Erlaubnis von Vorgesetzten einholen.

    Leider ist der Normalfall wieder das Gegenteil.


    Software zementiert hirarchien, sie kontrolliert Angestellte oder Bürger, sie marginalisiert abhängig Beschäftigte um sie durch "Offshoring" oder prekär Angestellte ersetzen zu können.


    Staatliche digitale Bürokratie bedeutet häufiger intransparente, autoritäre Kontrolle des Bürgers als digitale Demokratie.

  • Ok danke für dein Einblick.

    Mein Vorschlag bezog sich auf Teilbereiche in denen es Sinn macht.

    Zum Beispiel ist da ja die Steuerverwaltung auf den weg dahin.


    Aber das sind ja eigentlich die Mittel, die man nutzen könnte um etwas zu verändern. Mir fehlt persönlich das Konzept:

    Was ist uns bei bestimmten Verfahren wichtig?

    Wieviel Ressourcen haben wir zur Verfügung?

    Welche Punkte sind vernachlässigbar?


    Mein Problem ist, dass ich das Gefühl habe es wird von Ministerien und Politik rumprobiert ohne ein Konzept zu haben. Es erfolgt keine ordentliche Personalplanung.

  • Ich hab die gewagte Theorie, dass wenn die Politik etwas ändert es meist zu marginalisierung der Bürger und Ermächtigung von Institutionen führt.


    Ich fürchte eigentlich muss man Bürokratieabbau von unten gegen die Politik durchsetzen weil unsere Politiker von oben immer einen Bürokratieaufbau betreiben. Es gibt da leider keine Ausnahme. (Keine Ahnung allerdings wie)

  • Wie gesagt ich würde mir wünschen das man mal für jeden Vorgang überlegt was wirklich gewollt ist.


    Zum Beispiel Bauantrag:

    Was muss rein:

    -wer baut?

    -wo wird gebaut ?

    Was wird gebaut ?



    Ist das Projekt an dem Standort sicher, sinnvoll und beachtet bestimmte Kriterien zum Umweltschutz?

    Werden die richtigen Materialien verwendet?


    Hingegen fände ich die Frage ob das Dach des Hauses mit roten Dachziegeln gedeckt sein muss, damit ins Straßenbild passt nicht wichtig.


    Wenn man sich also auf bestimmte Dinge konzentriert kann man ein sinnvollen Bürokratieabbau betreiben.

    Natürlich ist das Aufwand jeden bürokratischen Vorgang zu prüfen, aber ist sinnvoller als einfach das Budget zu kürzen

  • Ich zitiere zum Thema mal meinen Amtsvorgänger. Der Bezug zum vorhergehenden Kommentar ist nur lose, passt jedoch hierhin. Ich sehe da ähnliche Beobachtungen.

    Mein persönliches Fazit in Sachen kontinuierlicher Prozessoptimierung. Häufig leidet gerade die Flexibilität. Wenn es um maschinelle Produktionsprozesse geht, ist das weniger ein Problem. Sobald es aber um Dienstleistung geht, also Menschen betroffen sind, erleben wir eine Art Kafkaisierung. Abweichungen vom Happy Path werden im Zuge der Prozessoptimierung meist einfach mit den Zuständigkeiten wegrationalisiert.

    Hier erkennt man die Problematik, wenn der Mensch nicht im Fokus steht, sondern als Störfaktor interpretiert wird.

    Das führt dann oft dazu, dass Aufgaben von Bürgern/Kunden ereldigt werden müssen, die früher in die Zuständigkeit fielen oder das besondere Fälle extrem komliziert werden, weil die Zuständigkeiten erst mühsam zusammengesammelt werden und sich dann abstimmen müssen. Letztlich wird im Zuge der Optimierung oft einfach weniger Kompetenz vorgehalten.


    Das liegt sicher auch und u.A. am Denken und unserer ökonomischen Herangehensweise an sämtliche Probleme. Unser Staatswesen intepretiert sich zudem selbst eher nicht (mehr?) als Diener des Bürgers, sondern dessen Verwalter während er die etablierten Regeln und Machtstrukturen durchsetzt. Tesla vs. Häuslebauer.


    Wenn Bürokratie nur negativ aufgefasst wird, trägt das natürlich wenig dazu bei, dass sich unser Umgang mit ihr ändert.

    Es ist eben ein Unterschied ob ich mit der Maßgabe herangehe Stellen abzubauen, oder die Servicequalität zu verbsssern. Ein gutes Beispiel für diesen Irrweg liefert die durchoptimierte Arge.


    Das Problem ist freilich nicht nur auf Behörden begrenzt. Das trifft auch auf die Privatwirtschaft zu. Ich denke da an die Wandlung von Vodafone, hatte am im alten Forum auch mal ein recht detailiertes Beispiel aus der Versicherungsbranche genannt.

  • Nö habe ich nicht.


    Der Plan war ja dass das durch die Digitalisierung entbürokratist wird und du hast recht dass dies nicht der Fall ist sondern eher das Gegenteil erfolgt ist.


    Allerdings sind halt Prozesse einfacher geworden z.B. Terminvereinbarung mit einem Amt, Arzt.


    Das blöde an der Bürokratie ist dass diese rechtsicher sein muss und zuvieles in DE genormt ist bzw diese Normung Vorschift ist

  • Ja, das mit der Flexibilität muss man auch immer erwähnen wenn es um Digitalisierung geht.


    Gerne wird ja Digitalisierung als innovation verkauft un der Anschein von "Dynamik" und "Flexibilität" erweckt. Wieder ist die Realität da eher das Gegenteil. Unternehmen die ihre Proesse durch maßgeschneiderte Software automatisieren werden lange, lange nichts mehr daran ändern. Die Dynamik von Unternehmen wird durch Software eingefroren. Innovation der Unternehmensprozesse wird massiv erschwert weil sie bedeutet, dass man neben der Anpassung der Strukturen und Prozesse auch die teure Software ersetzen muss.

  • Zum Beispiel ist da ja die Steuerverwaltung auf den weg dahin.

    Gerade bei sowas wäre mehr qualifiziertes Personal mit Sicherheit besser (i. S. v. bürgerfreundlicher) als die hauseigene IT-Abteilung.

    Gerade im Steuerrecht werden ja gern mal die Gesetzesinterpretationen der Finanzämter von Gerichten gern mal eingefangen, da immer die Formulare und Felder wieder auf Stand zu bringen ist alles andere als trivial. So kann man gegebenen Falls eben nur bei der Steuer nageben wofür die Elster ein Feld bereit hält, wenn das nächste Jahr das Feld weg ist wird's interessant.

  • Gerade bei sowas wäre mehr qualifiziertes Personal mit Sicherheit besser (i. S. v. bürgerfreundlicher) als die hauseigene IT-Abteilung.

    Gerade im Steuerrecht werden ja gern mal die Gesetzesinterpretationen der Finanzämter von Gerichten gern mal eingefangen, da immer die Formulare und Felder wieder auf Stand zu bringen ist alles andere als trivial. So kann man gegebenen Falls eben nur bei der Steuer nageben wofür die Elster ein Feld bereit hält, wenn das nächste Jahr das Feld weg ist wird's interessant.

    Natürlich ich persönlich bevorzuge dort ein ganz anderes Verfahren..

    In dem die Einkommensteuer vollkommen durch das System bearbeitet wird wie erklärt und Einzelfälle durch Mitarbeiter intensiv geprüft werden. Das ist weit aus effektiver als sich durch ein Stabel Werbungskostenbelege eines Lehrers zu wühlen wo am Ende eine Abweichung von 10€ rauskommt.


    Die Prüfungsdienste in den Finanzämter besonders bei Kleinbetrieben sind hoffnungslos überlastet und ein 90 jähriger Prüfturnus im Durchschnitt ist nun wirklich keine Abschreckung vor Steuerhinterziehung.


    Elster ist eigentlich ein interessanter Fall, da durch die Datenübermittlung bereits Daten vor ausgefüllt werden, die abgesehen von sehr speziellen Fällen nicht mehr strittig sind.


    Das fängt zumindest bei Arbeitnehmer und Rentner ein Großteil der Eintragungen auf.


    Das Problem mit der Hilfe durch die Mitarbeiter ist, dass diese nicht in dem Umfang erlaubt ist dass sie hilfreich ist.

    Mal eine Frage wo ein bestimmter Wert reinkommt ist schon das höchste Gefühle.

  • Was ist das gewünschte Ergebnis eines Bürokratie Umbau, Abbau, Transformation....?

    Im alltäglichen Betrieb sind diese Wörter so eine Art Codewörter, besonders im Zusammenhang mit der Wirtschaft, für Abbau von Regulierungen für Unternehmen, Steuersenkungen, mehr Privatisierung und Austeritätspolitik. Die Reformen der Agenda 2010 hat man damals Strukturanpassungsreformen genannt, schöner Euphemismus für Neoliberalismus. Ein anderes Wort ist auch "Modernisierung". Übrigens ist seit Beginn der neoliberalen Reformen die Bürokratie gestiegen, David Graeber hat dazu ein Buch geschrieben, sein Maß der Bürokratie war aber sowas wie die Anzahl der Formulare, die ein Mensch im Jahr auszufüllen hat, soweit ich mich erinnere.


    Bei der Union gibt es auch Pläne den Staat zu "modernisieren":


    https://www.sueddeutsche.de/po…g-nadine-schoen-1.5296606


    Was ich mir vorstellen könnte, wäre eben neue Technologien wie algorithmic governance und blockchain. In Estland gibt es schon den E-Citizen, mit dem alle staatlichen Dienstleistungen an Unternehmen übertragen werden können. Ich denke in dieser Richtung wird einiges passieren.

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