Cold War Reloaded - Der neue Ost-West Konflikt

  • Dass die Russen in der Region Kharkiv auf gepackten Koffern gesessen hatten habe ich tatsächlich gestern abend so vernommen. Ich habe auch so meine informierten "Kreise". Die von Gerassimov vorhergesagte Offensive in Richtung Mariupol, die wohl tatsächlich demnächst losgehen sollte, ist der Grund. Für die Russen ist es schwierig mal eben Verbände aus dem Norden in den Süden zu verlegen. Das braucht eine Eisenbahnreise von >1000 km rund um die Ukraine herum. Deswegen wurde damit wohl schon vor einer Woche angefangen. Denn der Süden scheint den Russen wichtiger zu sein als der Norden.


    Die Ukraine hat dagegen viel kürzere Wege um Ihre Leute, Geschütze und Panzer zu bewegen. Auch sie ist jedoch auf die Eisenbahn angewiesen. Die Eisenbahn funktioniert in der Ukraine hauptsächlich elektrisch. Das erklärt warum Russland den Stromausfall gestern abend herbeigeführt hat. Man hat sich so ein wenig Zeit gekauft bevor es im Südosten richtig knallt. Und man hat wohl in der Nacht auch ein paar dieser (stillstehenden) Transporte gezielt angegriffen.

  • Zitat

    Die Kreml-Streitkräfte erleben im Nordosten der Ukraine ein militärisches Debakel – nun wird Präsident Putin ungewöhnlich scharf kritisiert: Vor allem Russlands Nationalisten zeigen sich wütend


    Nun, diese Entwicklung ist natürlich schon immer unser Problem gewesen. Die Kritik läuft darauf hinaus, dass zu wenig gemacht wird. Die wollten schon seit Monaten eine Kriegserklärung, eine Mobilisierung, in ihrer Darstellung endlich Samthandschuhe ausziehen und aufhören die Ukrainer zu schonen. Das heißt man kann diese Entwicklung eigentlich nur als positiv sehen, wenn man sich wirklich sicher ist, dass das dann an den fehlenden russischen Möglichkeiten scheitern würde und alles zusammenfällt. Man hat natürlich über die letzten Monate immer wieder behauptet, dass wegen fehlender Mittel alles demnächst zusammenfallen wird. Gut das ist sehr wahrscheinlich komplett Propaganda, also wer weiß, was unsere Seite wirklich darüber weiß. Irgendwelche Fans einer Nullverhandlungslinie im Internet haben aber mit ziemlicher Sicherheit keine Kenntnis darüber.

  • Vermutlich will man das unter unseren WertejournalistInnen und MoralbellizistInnen auch deshalb nicht wahrhaben, weil man dann ja zugeben müsste, dass der Russe bisher eher keinen "Vernichtungs-", sondern einen ganz banalen (Teil-) Eroberungskrieg geführt hat, bei dem er immerhin weniger zerstörerisch vorging, als die Amerikaner und ihre Verbündeten, als sie den Irak damals als allererstes mal per Kampfflugzeug und Marschflugkörper von seiner Infrastruktur befreiten, bevor sie ihre Panzer auch nur in die Nähe der irakischen Armee brachten.


    Aber dass Putin jetzt einfach den Schwanz einziehen und sich widerstandslos zu Hause zum Horst machen lassen wird, können die doch eigentlich gar nicht ernsthaft glauben, ohne schmerzhafte kognitive Dissonanzen mit dem Bildnis des brutalen Inbegriffs megalomaner toxischer Alpha-Männlichkeit zu erzeugen, das sie ihm seit Jahren in ihrem kollektiven Wertebewusstsein errichtet haben.

    Ja eben. Davon ist nicht auszugehen und deshalb ist die Annahme, die Russen hätten nach wie vor das Eskalationspotential in ihrer Hand, überzeugend. Wenn die Ukrainer schon Zivilisten von der Straße einsammeln müssen, um ihre herben Verluste zu kompensieren, sehe ich da nichts nachhaltiges an dem kleinen PR-Sturm.


    Es sieht mehr danach aus, dass ihnen das Narrativ im Westen verloren geht und das jetzt ein letzter verzweifelter Versuch ist, den Westen entscheidend zu involvieren. Unsere Heimatfrontbellezisten haben den Ruf anscheinend verstanden und nutzen das kleine Zeitfenster auf allen Kanälen massiv.


    Letztendlich sind wir jetzt langsam genau da, wovor immer gewarnt wurde. Es wird wohl deutlich dreckiger und blutiger und damit nimmt die Eskalationsspirale eine fahrt auf, die keinem denkendem Menschen gefallen kann.

  • Wenn man "West-Ost, West-Ost, West-Ost. West-Ost..." immer wieder ganz schnell hintereinander sagt, kommt dabei irgendwann sowas wie "Westeros" heraus.


    Das wäre dann allerdings eher ein Nord-Süd Konflikt.:/

    biden ist ein alter kranker mann, solche leute braucht man als vorposten, sprich: vollpfosten. der wurde genauso plaziert wie alle andren,auch die bei uns. ich würde keinen von denen aufknüfen oder was man sonst noch alles hier liest. ab nach sibierien hätte man früher gesagt, aber ohne rückkehroption.

  • [...] scheint mir eigentlich nur zwei Schlüsse zu zulassen: Entweder das Gebiet war sowieso schon ausgehöhlt oder es gab einen Abzugsplan, der schnell umgesetzt werden konnte, also man saß bereits auf gepackten Koffern.


    Also wenn das stimmt war es ausgehöhlt:


    https://ria.ru/20220912/kharkov-1816116254.html



    Via Google Translate:



    Ich habe Angaben von 10-30 Tausend für die Größe der Offensive gesehen, demnach hätten die Russen und Separatisten dort nur 1250-3750 Leute gehabt. Ist natürlich unklar auf welches Gebiet sich diese Angabe beziehen soll, nur die Grenzbereiche oder der ganze Raum, der bis Samstag freigemacht wurde, oder sogar alles bis Sonntag.

  • Wow...



    Das sieht mir nicht danach aus, als hätte der Krieg in Russland noch uneingeschränkte Unterstützung einer gleichgeschalteten Elite. Selbst der alte Duma-Apparatschik nennt es einen Krieg (wenn die Übersetzung korrekt ist) und das wurde offenbar trotzdem ausgestrahlt und bisher auch niemand verhaftet.


    Interessant ist, dass der lauteste Kritiker, der Ex-Stellvertretende Dumapräsident Boris Nadezhdin, gleich zu Beginn davon spricht, Putin sei falsch beraten worden, bevor er dann von einem (laut englischen Untertiteln) "colonial war" spricht und von einem anderen Duma-Abgeordneten ermahnt wird, seine Zunge im Zaum zu halten. Man gibt also nicht unbedingt dem Präsidenten die Schuld (zumindest nicht öffentlich im Fernsehen). Aber eigentlich sehen alle - egal ob für oder gegen den Krieg eingestellt - dass es überhaupt nicht gut läuft.


    Shaun Walker, der Guardian-Journalist, der das auf twitter gepostet hat, schreibt auch noch, dass es in dieser Sendung überraschend zivilisiert zuging, und man sich nicht - wie offenbar in solchen Schaudiskussionen üblich - übertrieben theatralisch gestritten, sondern relativ sachlich diskutiert habe.

  • Um das herauszufinden müsste man einfach nochmal lesen was ich am Anfang schrieb. Da mir niemand zeigen konnte dass Baud definitiv falsch liegt, nur dass man anderer Meinung sein kann, ist der "Verschwörungstheoretiker"-Stempel wohl tatsächlich unangebracht. (Damit sage ich nicht dass ich alles glaube was Baud schreibt. Im Gegenteil.)

    Wie soll jemand zeigen dass Baud falsch liegt, wenn du alle Informationsquellen als unzuverlässig ansiehst? Das ist doch schon rein logisch unmöglich. Ich seh nur nicht, auf welcher Basis man das Thema dann diskutieren sollte.

  • Gibt übrigens noch eine weitere Erklärung, warum die Russen - bisher wohl immer noch unkommentiert - die Infrastruktur der Stromversorgung angegriffen haben bzw. einen Vorwand gesehen haben das zu tun. Nämlich als Vergeltung für diese behaupteten Angriffe:


    https://eng.mil.ru/en/special_…re.htm?id=12437734@egNews



    TASS-Bericht von gestern zu den Angriffen in Donetsk:


    https://tass.com/politics/1505951


  • Offenbar haben sich die Russen gestern auch im Nordosten der Region Charkow ziemlich weit zurückgezogen. Also auch dort, wo die Ukrainer von sich aus erstmal nicht vorgestoßen waren. Mit anderen Worten sie haben es tatsächlich schon wieder gemacht. Das ganze ist ähnlich wie der Rückzug aus dem Norden vor Monaten.


    Im Gegensatz zu damals scheint hier tatsächlich die ukrainische Offensive zumindestens initial den Rückzug erzwungen zu haben. Aber die Geschwindigkeit und dass sich Berichte wirklicher Kampfhandlungen am Boden auf einige temporär gehaltene Positionen wie Balaklija beschränkten und erst wieder an der mutmaßlichen neuen Frontlinie, die die Russen bereit sind zu verteidigen, auftauchen, scheint mir eigentlich nur zwei Schlüsse zu zulassen: Entweder das Gebiet war sowieso schon ausgehöhlt oder es gab einen Abzugsplan, der schnell umgesetzt werden konnte, also man saß bereits auf gepackten Koffern. Letztlich werden wir es sehen, wenn die Ukrainer auch dort vordringen können, wo die Russen versuchen die Front zu stabilisieren, dann geht vielleicht noch etwas anderes vor sich.


    Der Anfang von diesem Al Jazeera-Artikel zeichnet das gleiche Bild, wie ich es mir erschlossen habe:


    https://www.aljazeera.com/news…unteroffensive-in-kharkiv



  • how the turn tables ...

  • Hört auf zu spekulieren, Das wird heute Abend alles auf der demokratischen Agora öffentlich und ultimativ ausdiskutiert. Sicher sehr kontrovers:


  • Auch die Propaganda muss den Schwung nutzen, denn es sieht bisher so aus als würden die kleinen ukrainischen Offensiven, die nach dem Erfolg gestartet wurden, weitgehend gegen die Wand laufen. Der vermutlich auch mit Blick auf diese Wirkung verursachte weitflächige Stromausfall scheint bereits ein Dämpfer gewesen zu sein.

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