Der Versuch läuft doch auch sehr gut, von einem machtpolitischen Standpunkt. Zwar haben die USA etliche Milliarden in das Projekt "Ukraine in die NATO" investiert.
Geht so und ich denke dabei nicht an die Ukraine. Mir scheint, dass in Ost- und Südosteuropa immer noch ein großes Potential an, wo nicht Russland-Affinität, kultureller Nähe vorhanden ist und vielleicht vom Baltikum und Polen abgesehen, dort auch leicht eine Russland-freundliche Regierung wie die ungarische an die Macht kommen könnte. Die "Trägheit" der Wirtschaftsinteressen treibt andere Europäer und Russland sowieso zusammen. Dagegen muss man anarbeiten. Musste man als USA auch schon zu Sowjetzeiten. Bei dieser großen neuen Einigkeit des Westens bin ich also skeptisch und ich würde sagen, schon jetzt zeigt sich diese Skepsis als angebracht.
Aber das ist kein Vergleich zu den Kosten, die Putin seinem Land aufbürdet, um den Versuch zum Scheitern zu bringen, und selbst da ist der Erfolg trotz Invasion alles andere als sicher.
Der Teil, wo die Weltwirtschaft runtergefahren wird, ist dir entgangen?
Das ist ein interessanter Versuch contra-faktischer Geschichtsschreibung. Die Grundannahme scheint zu sein, dass Russland Staaten nicht angreifen würde, die es nicht als Bedrohung ansieht. Und das unterlegene Staaten sich Russland kampflos unterwerfen würden.
Also da ich einen klaren Zusammenhang zwischen Georgien- und Ukrainekrieg und der Expansion der US-amerikanischen Einflussphäre sehe, würde ich nicht davon ausgehen, dass es zu diesen Kriegen gekommen wäre, auch wenn das Konfliktpotential natürlich da ist. Aber die USA haben sowohl diejenigen gefördert, die die Konflikte eskalieren wollten, als auch gefördert, dass sie eskalieren.
Der Umstand, dass diese Kriege so stattgefunden haben, macht deine Annahme, dass sie ohne US-Einfluss, insbesondere über die Förderung der NATO-Expansion, ähnlich stattgefunden hätten, übrigens nicht weniger kontrafaktisch.
Hierzu würde ich auf Tschetschenien verweisen, das von der NATO in keiner Weise unterstützt wurde, und trotzdem die Behandlung der Ukraine gekriegt hat, nur noch brutaler und rücksichtsloser, mit zehn mal mehr Toten (Stand jetzt) trotz viel kleinerer Bevölkerung.
Nun, die Fingerabdrücke der USA sind bei Tschetschenien tatsächlich nicht so eindeutig, was eine direkte Intervention angeht, obwohl es da auch ein paar Hinweise gibt. Allerdings indirekt wurde der Konflikt in Tschetschenien (auch das Übergreifen auf Dagestan) durch die Folgen der Allianz der USA mit den Mudschahid gegen die Sowjetunion befördert, auch wenn sie aus US-Sicht damals schon abgewickelt wurde. Die Veteranen des Kampfes in Afghanistan haben dort eine große Rolle gespielt. Und das war ja nun nicht nur blowback aus Sicht der Sowjets, sondern diese Kräfte wurden von den USA mit dem Geld der Saudis und der Kooperation der Pakistanis bewusst in Stellung gebracht. Und da die US-Amerikaner die tschetschenische Unabhängigkeit damals befürwortet haben, bezweifle ich, dass sie besonders traurig waren, als diese Bewegung weiter gewirkt hat, selbst wenn ihre Dienste schon keinen Anteil mehr daran gehabt haben sollten. Das Bedauern kam, wenn, erst später mit den Anschlägen von 2001.
Man kann argumentieren, dass Tschtschenien Teil Russlands ist und die Ukraine nicht. Andererseits scheint Putins Überzeugung von der Eigenstaatlichkeit der Ukraine nicht allzu tief verankert. Angenommen, die USA hätten den Aufstand nicht unterstützt und Janukowytsch wäre ein Jahr später abgewählt worden und durch eine pro-westliche Regierung ersetzt worden. Wieso hätte Putin dann nicht die Krim annektieren sollen und die Osten zum Aufstand treiben? Er hätte ohne NATO schließlich freie Hand, in seinem Einflussgebiet als Ordnungsmacht aufzutreten.
Ich würde eine Revolution früher anfangen, dann haben wir sowieso eine ganz andere Ausgangslage. Aber die Russen haben davor zum Beispiel auch mit Tymoschenko zusammengearbeitet. Also sie müssen nicht unbedingt die Erwartung gehabt haben, dass die nächste Regierung völlig gegen sie sein wird. Die Regierung dagegen, die nach dem Putsch von den USA mitausgesucht wurde und der ja auch viele Personen angehörten, die gar keine Ukrainer waren, war denke ich deutlich ambitionierter in ihrer Absetzung von Russland. Aber lässt sich schwer sagen, da der militärische Konflikt parallel aufkam.
Ohne Armee meint ohne Invasion.
Nun dann hast du ja dein Gegenbeispiel mit Jugoslawien, das Teil der postsowjetischen Neuordnung war.
Inwiefern Gleichgültigkeit? Die USA verfolgen ihre imperialen Interessen in der Ukraine genau wie Russland auch.
Wenn man sich schon als Weltleviathan aufspielt, dann würde man eine gewisse Qualität der hinterlassenen Ordnung erwarten. Aber ich würde sagen seit dem Schaffen des internationalen Systems nach dem Zweiten Weltkrieg haben die USA hier nicht mehr viel geboten. Das war zwar zugegeben ein großer Wurf, aber zum einen wurde er mit den beiden anderen damals noch Weltmächten United Kingdom und Frankreich erzielt, sowie vermutlich auf dem Höhepunkt des Einfluss europäischer Intellektueller auf die USA, und zum anderen hat das System als Ordnung im Interesse der USA gearbeitet. Später als diese Institutionen sich im Zuge der Dekolonialisierung von der US-Kontrolle wegbewegt haben, ist auch das Interesse an ihnen seitens der USA immer geringer geworden.