Cold War Reloaded - Der neue Ost-West Konflikt

  • Was Putin angeht, so waren die Einlassungen Lawrows bisher so, als ob er versucht unter Ausschluss der USA mit Selenskyj zu einer Einigung zu kommen. Na gut, die Garantien der NATO kriegt er sowieso nicht. Höchstens die Aufhebung der Sanktionen.

    Was bringt Dich denn zu dieser Annahme?


    Putin hat bisher jede direkte Verhandlung mit Zelenskyj verweigert, obwohl sie ihm - zumindest nach ukrainischer Darstellung - wohl mehrfach angeboten wurde. Meines Wissens - man mag mich bitte (mit Quellenangabe!) korrigieren, falls das nicht stimmt - hat auch Außenminister Lawrow seit Beginn des russichen Angriffes nicht mehr direkt mit Zelenskyj gesprochen.


    Die bisherigen Verhandlungen fanden zwischen Delegationen statt und haben bisher noch keine Ergebnisse zu Tage gefördert, die nahelegen würden, dass es in nächster Zeit zu direkten Verhandlungen auf Kabinetts- oder gar auf Staatschefebene kommen könnte.


    Nicht nur meiner Ansicht nach liegt das vor allem daran, dass Putin die NATO und insbesondere die USA als eigentliche Verursacher des Konfliktes und inoffizielle Kriegsgegner erachtet, und daher auch erst ernsthaft verhandeln wird, wenn der Commander in Chief des größten NATO-Partners Verhandlungen zustimmt.


    Bisher hat Joe Biden jedenfalls öffentlich keinerlei Anstalten gemacht, so etwas auch nur in Erwägung zu ziehen. Im Gegenteil: Er hat vielmehr sein Bestes getan, um Putin ganz undiplomatisch als Völkermörder und Kriegsverbrecher zu brandmarken und ganz offen zugegeben, dass er ihn nicht länger im Amt sehen will - was selbst seinen eigenen Apparat zu dem Versuch veranlasste, seine Aussagen im nachhinein zu relativieren.


    Biden hat übrigens - im Gegensatz zu diversen europäischen Staats- und Regierungschefs - ebenfalls noch keinerlei Anstalten gemacht, seinen stellvertetenden Verteidiger der freien Welt in Kiew zu besuchen, und sich mit eigenen Augen vom Erfolg seiner jahrelangen Bemühungen um die Westanbindung der Ukraine zu überzeugen.

  • Die PR, mit der sich der Westen jetzt erstmal bis zum Ende des Krieges retten wird, ist das Anlernen von Ukrainern an westlichen Waffensystemen. Könnte ein Grund sein, warum so ein langer Zeithorizont für die Kriegshandlungen in Aussicht gestellt wird. Wie vielversprechend das letztlich ist, kann man sich denken. In diesem Artikel wird es mit einem aus meiner Sicht durch die Präsentation nicht gestützten positiven Spin vorgetragen:


    https://www.forbes.com/sites/c…ecedented-and-inevitable/

  • Was man im ÖRR alles an unaufgeklärten Verbrechen direkt Russland zuspricht ist schon beachtlich. Die ÖRR sind da voll auf Zelensky-Azov-Linie.


    In Russland sind das Berufssoldaten bei denen die Familien vom weiteren Einkommen abhängen, in der russischen Armee sind die Vorsetzten immer in Einsatznähe, deswegen ist auch schon ein General gefallen, die sitzen nicht in Büros in irgendwelchen Ämtern. Als wenn die Leuten die Hände auf den Rücken binden und sie dann reihenweise erschießen?! Wo die oberste Strategie war Zivilisten zu schonen?

    Auf der anderen Seite haben wir hochideologisierte Ultranationalisten/Kriminelle/Hooligans, da kann man sich dann überlegen wem man so manche Exekution zutraut, oder wer anderweitige Opfer inszeniert...



  • Was bringt Dich denn zu dieser Annahme?


    Putin hat bisher jede direkte Verhandlung mit Zelenskyj verweigert, obwohl sie ihm - zumindest nach ukrainischer Darstellung - wohl mehrfach angeboten wurde.


    Nicht nur meiner Ansicht nach liegt das vor allem daran, dass Putin die NATO und insbesondere die USA als eigentliche Verursacher des Konfliktes und inoffizielle Kriegsgegner erachtet, und daher auch erst ernsthaft verhandeln wird, wenn der Commander in Chief des größten NATO-Partners Verhandlungen zustimmt.

    Die Videos von Lawrow auf RT-Deutsch:

    Zitat

    "Der russische Außenminister Sergei Lawrow erklärte nach der dritten Konferenz der Außenminister der Nachbarländer Afghanistans am Mittwoch, dass die russische Regierung die Ergebnisse der Verhandlungen mit der Ukraine als positiven Fortschritt, aber nicht als endgültiges Ergebnis betrachtet."

    Mögliche Verhandlungen mit der USA oder eine Aufhebung von Sanktionen werden gar nicht erwähnt. Putin selbst kann schlecht verhandeln, solange er noch nicht erobert hat, was er haben will. Falls er das schafft, wird man sehen, wie er sich die Sache vorstellt.


    Ja, da kann er lange warten. So wie der Krieg momentan läuft halten die USA das auch 20 Jahre problemlos durch.

  • Die Videos von Lawrow auf RT-Deutsch:

    ...die Du da - natürlich ohne Link oder Datumsangabe - zitierst, belegen allerdings überhaupt nicht Deine kühne These, Putin wolle an den USA und der NATO vorbei irgendwas mit der Ukraine aushandeln.


    Lawrow sagte schon vor Wochen nach den ersten Treffen der Verhandlungsdelegationen an der weißrussischen Grenze, dass man zwar einen "positiven Fortschritt", aber noch nichts endgültiges zu vermelden habe.

    Bis heute hat sich außer solchen schwammigen Statements allerdings real immernoch überhaupt nichts Positives ergeben. Man hat es ja nicht einmal geschafft, sich auf einen gemeinsamen Modus zur Einrichtung von Fluchtkorridoren aus den umkämpften Städten zu einigen. Auch von ukrainischer Seite wurde bisher nichts dergleichen verkündet. Statt dessen werfen sich beide Seiten weiter vor, diesebezügliche Bemühungen mutwillig zu sabotieren.


    Im Übrigen ist es ja nicht so, als hätten die USA jemals angeboten, ernsthaft mit Putin zu verhandeln. Aus Putins Sicht haben die vielmehr schon seit Jahren jede ausgestreckte Hand Russlands beiseite geschlagen. Da wird er - jetzt, wo er allen gezeigt hat, dass er keine Skrupel hat, die ukrainische Bevölkerung als Faustpfand in die Hand zu nehmen und als Geisel zu halten - doch nicht von sich aus in Washington D.C. um einen Deal bitten.


    Natürlich ist das Ziel der Biden-Administration (und ihrer olivgrünen Wertepartner*innen in der Bundesregierung), Russland durch die Verlängerung des Krieges und immer härtere Sanktionen so weich zu klopfen, dass Putin - oder noch besser: irgendein anderer Silowik/Oligarch, der an besseren Geschäftsbeziehungen mit dem Imperium interessiert ist - vor der Übermacht der westlichen Werte auf die Knie fällt und den Imperator um Gnade anfleht.


    Ich fürchte auch, dass Putin mittlerweile gar nichts mehr verhandeln wird, bevor er seine laufende, und für Russland sicher sehr teure und verlustreiche Offensive im Donbass nicht als Erfolg verbuchen kann. Aber genau weiß das natürlich niemand. Und offenbar will man es in Washington D.C., in Brüssel, und im Berliner Bundesministerium für äußere Werte und Feminismus auch gar nicht so genau wissen, weil man ja mit Hitler 2.0 sowieso nicht verhandelt, wie so ein feiger britischer Appeaser.


    Das kranke an der westlichen "Logik" ist doch, dass man sich einerseits allenthalben fürchterlich darüber echauffiert, was für ein widerlicher alter weißer Mann Wladimir Putin ist, dessen barbarisches Russentum nur dumpfe Gewalt hervor bringen könne, und der seine geopolitischen Ambitionen ganz unzivilisiert gegen jede regelbasierte Weltordnung aus dem "Recht des Stärkeren" ableite - dabei aber andererseits von Washington D.C. bis Warschau selbst daran festhält - und vom "links"- bis rechtsliberalen Bürgertum von Sascha Lobo bis Friedrich Merz darin bestärkt wird - die westlichen Werte mit Gewalt auf Kosten der UkrainerInnen durchzusetzen, und dabei auf keinen Fall den Eindruck zu erwecken, man sei zu irgendwelchen schlappschwänzigen Pazifimsmen oder gar Friedensverhandlungen bereit.


    Wenn diplomatische Offensiven - die man als atomar und konventionell hochgerüstetes "Verteidigungsbündnis" des transatlantischen Wertesystems, mit zusammengerechnet einem Vielfachen des Bruttoninlandsproduktes der restlichen Welt ja absolut nicht mit heruntergelassenen Hosen führen müsste - als Ausweis der Schwäche gegen einen gewaltbereiten Aggressor betrachtet werden, dann fragt man sich halt als verbohrter alter Linksideologe, woher sich der Wertewesten eigentlich das moralische Recht nimmt, sich als Garant einer friedlichen Weltordnung zu beweihräuchern?


    Und ein großer Teil der bruttoinlandsproduktmäßig nicht so vorteilhaft bereicherten Welt hat sich das ohnehin schon gefragt, lange bevor das westliche Imperium in seiner unendlichen Weisheit dekretiert hat, dem ganzen Planeten die Lieferketten und Geldströme kaputt zu sanktionieren und damit garantiert eine ganze Reihe von neuen Krisenherden anzuzünden, in denen man als zivilisierte Welt dann wieder ganz klassisch humanitär per Luftangriff und "Spezialoperation" intervenieren kann, so lange die Barbaren keine eigenen Atomwaffen haben.

  • A propos Barbaren mit Atomwaffen...

    Russland testet Interkontinentalrakete, die USA reagieren entspannt

    Russland hat eine mit Atomsprengköpfen bestückbare Rakete abgefeuert, Moskau rühmt sich vor allem für die Reichweite. Der Test während des Krieges wurde laut der USA aber angekündigt.

    [...] Das Waffensystem habe »beste taktisch-technische Eigenschaften und ist in der Lage, alle modernen Mittel der Raketenabwehr zu überwinden«, sagte Putin. »Das ist eine wirklich einzigartige Waffe, die das Kampfpotenzial unserer Streitkräfte stärken wird und verlässlich die Sicherheit Russlands schützt vor äußeren Bedrohungen.« Die Waffe zwinge »jene zum Nachdenken, die im Feuereifer einer abgebrühten, aggressiven Rhetorik versuchen, unser Land zu bedrohen«.

    Die Sarmat hat eine Reichweite von 18.000 Kilometern. Damit kann Russland sowohl über den Nord- als auch über den Südpol angreifen und Ziele weltweit erreichen.

    Die USA reagierten betont gelassen auf die Machtdemonstration Moskaus. Pentagon-Sprecher John Kirby sagte in Washington, Russland habe die Vereinigten Staaten im Rahmen seiner Verpflichtungen aus dem atomaren Abrüstungsvertrag New Start »ordnungsgemäß davon in Kenntnis gesetzt, dass es einen ICBM-Test plant«. Die Abkürzung ICBM steht für Interkontinentalrakete.

    »Solche Tests sind Routine, und sie waren keine Überraschung«, betonte er. Der Test werde nicht als Bedrohung für die Vereinigten Staaten oder ihre Verbündeten angesehen. [...]

    Zum Glück hat der Sprecher meiner atomaren Schutzmacht umgehend angeordnet, dass das kein Grund zur Beunruhigung zu sein habe, sonst hätte ich mich als treuer Verbündeter der Vereinigten Staaten von einer "mit dem Nato-Codenamen SS-X-30 Satan 2" designierten Atomwaffe womöglich noch bedroht gefühlt.

  • Die Koalition der Willigen beschränkt sich weiterhin auf die üblichen Verdächtigen und plant eine Fortsetzung ihrer w€rtegetriebenen Diplomatie.

    In einer demonstrativen Machtprobe kündigen die führenden Staaten des Westens, darunter Deutschland, eine faktische Sabotage des heutigen Treffens der G20-Finanzminister an. Wie es in Berlin heißt, werde man während und nach der Zusammenkunft „eine starke Botschaft“ gegen die Teilnahme Russlands setzen; US-Finanzministerin Janet Yellen will G20-Zusammenkünfte ganz oder teilweise boykottieren, solange Moskau zu ihnen eingeladen wird. Auf einer solchen Einladung besteht Indonesien, das dieses Jahr den G20-Vorsitz innehat; unterstützt wird es dabei nicht zuletzt von China. Die Machtprobe des Westens folgt auf gescheiterte Versuche, einflussreiche Staaten jenseits der transatlantischen Welt zur Teilnahme an der Isolierung Russlands zu nötigen. Derlei Versuchen widersetzen sich neben China unter anderem Indien, Brasilien, Südafrika – die BRICS-Länder –, aber auch die Erdölstaaten der Arabischen Halbinsel und viele andere mehr. Sie halten an der Zusammenarbeit mit Moskau fest und bereiten sich zum Teil darauf vor, nach dem Ausstieg westlicher Konzerne deren Russlandgeschäft zu übernehmen.

  • Hufeisen!



    und das nicht gut, wenn man für diese Lösung ist, denn nun da Trump dafür ist muss natürlich alles das gegen ihn ist auch dagegen sein...

  • Auch Kanada verhandelt nicht mit den Schergen Hitlers!



    Auch Mitglieder der im illustren Club der "world's democracies" versammelten G20:


    Türkei - Von einem faschistoiden Autokraten regierte "Demokratie", die seit Jahren Opositionelle, kritische Medien und ethnische Minderheiten nicht nur im eigenen Land systematisch unterdrückt, sondern gerade jetzt mal wieder völkerrechtswidrig in einem Nachbarland eingefallen ist, um dort "Spezialoperationen" zur ethnischen und politischen Säuberung durchzuführen.


    Saudi Arabien - Erbdiktatur die von einem Feudalherren regiert wird, der seine Herrschaft mit wahabitischem Fundamentalismus legitimiert, Frauen volle Menschenrechte verweigert, Homosexuelle nach äußerst harter Auslegung der Scharia drakonisch bestraft, und öffentlich Prügelstrafen und Hinrichtungen vollziehen lässt. Sein Königreich ist außerdem seit Jahren dabei, einen völkerrechtswidrigen Angriffs- und Belagerungskrieg im Yemen zu führen, der eine der größten Humantitären Katastrophen der Nachkriegsgeschichte ausgelöst hat.


    [Edit: USA - Imperiale Großmacht, die von einer vollständig von Spendengeldern privater Oligarchen abhängigen politischen Klasse regiert wird, die erfolgreich verhindert, dass mehr als zwei Parteien zur Wahl stehen, und seit über 60 Jahren immer wieder völkerrechtswidrige Angriffskriege auf der ganzen Welt angezettelt hat.]


  • https://www.hrw.org/news/2022/…-forces-trail-death-bucha


    Zitat

    Russian forces committed a litany of apparent war crimes during their occupation of Bucha, a town about 30 kilometers northwest of Ukraine’s capital, Kyiv, from March 4 to 31, 2022, Human Rights Watch said in a detailed report released today.


    Human Rights Watch researchers who worked in Bucha from April 4 to 10, days after Russian forces withdrew from the area, found extensive evidence of summary executions, other unlawful killings, enforced disappearances, and torture, all of which would constitute war crimes and potential crimes against humanity.


    “Nearly every corner in Bucha is now a crime scene, and it felt like death was everywhere,” said Richard Weir, crisis and conflict researcher at Human Rights Watch. “The evidence indicates that Russian forces occupying Bucha showed contempt and disregard for civilian life and the most fundamental principles of the laws of war.”

  • https://verfassungsblog.de/fri…am-reisbrett-des-westens/


    Zitat

    Liebe westeuropäische Intellektuelle: Ihr habt keine Ahnung von Russland“ lautet die Überschrift eines Artikels von Szczepan Twardoch in der Neuen Zürcher Zeitung. Im Untertitel folgt sogleich die nächste Provokation: „Niemand im Westen kann verstehen, was es heisst, im russischen Machtbereich leben zu müssen.“ Twardoch hält den „Westplainern“ einen Spiegel entgegen. Das reflektierte Bild ist nicht schmeichelhaft. Manche mögen sagen, es sei zu sehr verzerrt. Sich abzuwenden wäre aber falsch. Twardochs Anliegen ist nicht nur das einer Einzelstimme.

    Zitat

    Debatten im „Westen“, wie diese zu einem Friedensabkommen für die Ukraine führen können, wirken dabei wie ein Brennglas für das Ringen nicht nur um die staatliche Souveränität der Ukraine, sondern auch eine ‚intellektuelle Selbstbestimmung‘ der Ukrainer*innen. Diskussionen über diese Verhandlungen ist zuweilen die Tendenz eigen, die Subjektivität der Ukraine – als Staat und Verhandlungspartei – in den Hintergrund zu verschieben. Sie weicht Perspektiven und Argumentationen mit einem – unbestreitbar berechtigten – Fokus auf internationalisierter Konfliktregulierung zwischen dem Westen und Russland. Die Ukraine wird dabei zum Ort und Objekt von Verhandlungs- und Sicherheitsstrategien und dem vielzitierten „End Game“. Die Ukraine als Objekt, statt als Subjekt von Verhandlungen zu betrachten ist kein unbekanntes Muster der internationalen Sicherheitspolitik. Es geht mit der gefährlichen Tendenz einher, Russlands „Nahes Ausland“ auch im westlichen politischen und auch wissenschaftlichen Diskurs letztlich zur „Pufferzone“ zu machen.

    Zitat

    Aktuelle Diskussionen um das Ukraine Peace Settlement Project sind beispielhaft für die rechtwissenschaftlichen Dimensionen der umrissenen Spannungsfelder.

    [...]

    Gegenstand der Diskussionen sind vor allem der Entwurf eines möglichen Rahmenabkommens als unverbindliche Vorlage sowie Beiträge wie „An Off-Ramp for the War in Ukraine“ und „Ukraine: How to End the War“. Da für diese Beiträge aktuell die Kommentarfunktion nicht mehr freigeschaltet ist, hat sich die Kommentierung in die Sozialen Medien verlegt. Das ist bedauerlich, denn leider ersetzen Twitter-Threads keine ausformulierten Kommentare und Argumentationslinien.

    [...]

    Neben der inhaltlichen Dimension zu den an anderer Stelle bereits ausführlich diskutierten Fragen zur Neutralität der Ukraine, zu Sicherheitsgarantien und zum Status von verschiedenen Gebieten des Landes richtet sich hier die Kritik deutlich auch auf Fragen der Inklusion von Regionalexpertise und der Teilhabe regionaler Expert*innen. Die prominenten und erfahrenen Architekten dieses Friedensprojekts scheinen einen wichtigen Punkt übersehen zu haben. Die militärische Asymmetrie der Kriegsparteien ist zugegeben unbestreitbar. Beide sind jedoch, um in der Terminologie der Kriegführung zu bleiben, juristisch durchaus hochgerüstet.

    Zitat

    Es ist eine begrüßenswerte Entwicklung, dass nun zunehmend ukrainische Wissenschaftler*innen und auch Vertreter*innen von Medien und Zivilgesellschaft zu Wort kommen, wenn es um den Krieg gegen die Ukraine geht.

    [...]

    Ukrainischen Expert*innen, von denen einige geflüchtet sind und andere sich noch im Land aufhalten, sowie ihre Netzwerke sind eine wichtige Ressource, wenn es darum geht, realistische Szenarien für Friedensverhandlungen und Abkommen und auch für Transitional Justice zu entwickeln.

    Zitat

    Die konsequente Gegenfrage ist nun natürlich, ob Gleiches nicht auch für russische Wissenschaftler*innen/Jurist*innen gelten sollte. Bereits seit der Annexion der Krim und dem Ausbruch des Kriegs im Donbas 2014 war der Austausch mit russischen Völkerrechtler*innen schwierig; vor allem, wenn auch differenzierte Stimmen zu Wort kommen sollten, die nicht zum Spektrum der Opposition gehörten. So durfte die illegale Annexion der Krim nicht als solche öffentlich benannt werden. Seither wird immer wieder darüber diskutiert, ob und wie Völkerrechtler*innen nunmehr weitgehend der Kreml-Linie folgen, Differenzierungen und Varianten aus Argumentationslinien und Debatten verschwinden, und der russischen Ansatz zum Völkerrecht gar revisionistisch geworden ist. Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat nun jegliche Formen des offiziellen (und auch informellen) direkten Austausch nochmals erschwert. Wie spricht man über die Beendigung eines Angriffskriegs, der nicht einmal Krieg genannt werden darf? Welche wissenschaftlichen Gesprächspartner*innen ließen sich noch finden angesichts der Tatsache, dass die Rektor*innen aller führenden staatlich finanzierten russischen Universitäten eine gemeinsame Stellungnahme unterschrieben haben, die Präsident Putin und sein Vorgehen unterstützt? Konferenzreisen ins Ausland und finanzielle und Status-Anreize für internationale Publikationen im Gratifikationssystem der russischen Universitäten werden heruntergefahren.

    Zitat

    Denn gerade die Auseinandersetzung mit der Expertise der Expert*innen der Verhandlungsparteien offenbart die realen Schwierigkeiten und die Herausforderungen für einen darauf abgestimmten Pragmatismus. Wer Brücken zwischen den Konflikt-Parteien bauen will, sollte frühzeitig beginnen, das Ausmaß des entstandenen Abgrunds zwischen den Interessen und Positionen – auch der Expert*innen – genau zu vermessen.

    Zitat

    Was ist von Russland und seinen Expert*innen in Friedensverhandlungen zu erwarten? Wird ein Staat, der Konzepte wie „Nahes Ausland“, „Russkii Mir“ und einer „Great Power“ verfolgt und von „Entnazifizierung“ oder gar „Entukrainisierung“ der Ukraine als Kriegsziel spricht, tatsächlich guten Willens verhandeln und ein Abkommen dann auch umsetzen? – Seit den 1990er Jahren betrachtet die Russländische Föderation alle anderen 14 unabhängigen Staaten, die zur ehemaligen Sowjetunion gehörten, als sein „Nahes Ausland“, also einen strategischen Raum, an dem es besonderes Interesse hat und wo Staaten nur über eine bedingte Souveränität verfügen.

    [...]

    In dieses Bild der limitierten Souveränität passt auch Russlands Rolle in Bezug auf Territorialkonflikte und nicht-anerkannte de facto Staaten im post-sowjetischen Raum in Georgien (Abchasien, Südossetien), in der Republik Moldau (Transnistrien) sowie im armenisch-aserbaidschanischen Konflikt um Berg-Karabach.

    [...]

    Zitat

    In diesen Konflikten entwickelte Russland rechtspolitische Instrumente und Handlungsskripte, die sowohl bei der Annexion der Krim, bei der Passportisierung des Donbas, in den Verhandlungen im Rahmen des Normandie-Formats und nicht zuletzt am 21.02.2022, am Vorabend des Angriffskriegs, in der Anerkennung der sogenannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk Anwendung fanden. Die Begründungen sind u.a. in den Reden des Präsidenten, seines Außenministers sowie in Stellungnahmen des Ständigen Vertreters im UN-Sicherheitsrat nachzulesen. Die Instrumente und das Handlungsskript sind kohärent, aber gleichzeitig auch variabel einsetzbar und werden nun mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine erweitert.

    Zitat

    der Kreml ist nicht voller Raumtheoretiker und ‚Schmittianer‘ und auch nicht voller beleidigter Geopolitiker mit einer „Russian Angst“-Neurose vor der Erweiterung der NATO. Der russische Staat unter der aktuellen Führung produziert und assimiliert Konzepte und Ideen, die seinen Zielen und seiner tatsächlichen oder angestrebten Stellung innerhalb der regionalen und globalen Ordnung entsprechen. Rechtliche und politische Konzepte in Bezug auf Raum, Souveränität, territoriale Grenzen und Staatsbürgerschaft sind dabei zentrale Themen. Weltbilder und Theorien werden eklektisch verbunden und bilden immer weitere Schichten von politischer Agenda, Pseudo-Ideologie, „Whataboutism“, Populismus und Propaganda und verbinden sich zu einem geschlossenen und kohärenten machtpragmatischen System, das seine Handlungs- und Aggressionsbereitschaft spätestens seit dem russisch-georgischen Krieg 2008 wiederholt unter Beweis gestellt hat.

    Zitat

    die „Entnazifizierung“ der Ukraine nun im öffentlichen Diskurs lanciert einen hässlichen Zwilling bekommen hat, die Idee der „Entukrainisierung“ der Ukraine. Der TASS-Artikel, der diese Idee darlegt, trägt den vielsagenden Titel: Что Россия должна сделать с Украиной (Was Russland mit der Ukraine tun sollte).

  • "Friend of the Show" Albrecht von Lucke erklärt nochmal, warum die Linke eigentlich die besten Karten zur Zeit hätte, aber sie es dennoch - solange die elenden "Putlinversteher" nicht die Partei verlassen - einfach nicht schaffen wird.

    Schön auch wie er im selben Atemzug Sarah Wagenknecht - die ziemlich radikal für eine friedliche Verhandlungslösung plädiert und nicht für willenlose Unterwerfung unter den Russenhitler, während sie ökonomisch und sozialpolitisch mittlerweile längst klassisch sozialdemokratische Reformpositionen vertritt - als hörige Putinistin und Schuldige identifiziert, und dann der Partei empfielt, sich endlich als reformistische und radikalpazifistische Partei zu profilieren.


    Da muss man wohl erst zwanzig Semseter Politologie studiert haben, um diesen Widerspruch wegzudenken.

  • Schön auch wie er im selben Atemzug Sarah Wagenknecht - die ziemlich radikal für eine friedliche Verhandlungslösung plädiert und nicht für willenlose Unterwerfung unter den Russenhitler, während sie ökonomisch und sozialpolitisch mittlerweile längst klassisch sozialdemokratische Reformpositionen vertritt - als hörige Putinistin und Schuldige identifiziert, und dann der Partei empfielt, sich endlich als reformistische und radikalpazifistische Partei zu profilieren.


    Da muss man wohl erst zwanzig Semseter Politologie studiert haben, um diesen Widerspruch wegzudenken.

    Yep, ich finde ja, der komplette Kommentar ist einziges Paradoxon. Aber so macht man das heute wohl. Das erkennen ja eh nur "Putinversteher".

  • Einige interessante Meldungen im Bezug auf zukünftige Friedensverhandlungen:


    https://tass.com/world/1440965



    https://tass.com/politics/1440795



    https://tass.com/world/1440753


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