Cold War Reloaded - Der neue Ost-West Konflikt

  • Der Versuch läuft doch auch sehr gut, von einem machtpolitischen Standpunkt. Zwar haben die USA etliche Milliarden in das Projekt "Ukraine in die NATO" investiert.


    Geht so und ich denke dabei nicht an die Ukraine. Mir scheint, dass in Ost- und Südosteuropa immer noch ein großes Potential an, wo nicht Russland-Affinität, kultureller Nähe vorhanden ist und vielleicht vom Baltikum und Polen abgesehen, dort auch leicht eine Russland-freundliche Regierung wie die ungarische an die Macht kommen könnte. Die "Trägheit" der Wirtschaftsinteressen treibt andere Europäer und Russland sowieso zusammen. Dagegen muss man anarbeiten. Musste man als USA auch schon zu Sowjetzeiten. Bei dieser großen neuen Einigkeit des Westens bin ich also skeptisch und ich würde sagen, schon jetzt zeigt sich diese Skepsis als angebracht.


    Aber das ist kein Vergleich zu den Kosten, die Putin seinem Land aufbürdet, um den Versuch zum Scheitern zu bringen, und selbst da ist der Erfolg trotz Invasion alles andere als sicher.


    Der Teil, wo die Weltwirtschaft runtergefahren wird, ist dir entgangen?


    Das ist ein interessanter Versuch contra-faktischer Geschichtsschreibung. Die Grundannahme scheint zu sein, dass Russland Staaten nicht angreifen würde, die es nicht als Bedrohung ansieht. Und das unterlegene Staaten sich Russland kampflos unterwerfen würden.


    Also da ich einen klaren Zusammenhang zwischen Georgien- und Ukrainekrieg und der Expansion der US-amerikanischen Einflussphäre sehe, würde ich nicht davon ausgehen, dass es zu diesen Kriegen gekommen wäre, auch wenn das Konfliktpotential natürlich da ist. Aber die USA haben sowohl diejenigen gefördert, die die Konflikte eskalieren wollten, als auch gefördert, dass sie eskalieren.


    Der Umstand, dass diese Kriege so stattgefunden haben, macht deine Annahme, dass sie ohne US-Einfluss, insbesondere über die Förderung der NATO-Expansion, ähnlich stattgefunden hätten, übrigens nicht weniger kontrafaktisch.


    Hierzu würde ich auf Tschetschenien verweisen, das von der NATO in keiner Weise unterstützt wurde, und trotzdem die Behandlung der Ukraine gekriegt hat, nur noch brutaler und rücksichtsloser, mit zehn mal mehr Toten (Stand jetzt) trotz viel kleinerer Bevölkerung.


    Nun, die Fingerabdrücke der USA sind bei Tschetschenien tatsächlich nicht so eindeutig, was eine direkte Intervention angeht, obwohl es da auch ein paar Hinweise gibt. Allerdings indirekt wurde der Konflikt in Tschetschenien (auch das Übergreifen auf Dagestan) durch die Folgen der Allianz der USA mit den Mudschahid gegen die Sowjetunion befördert, auch wenn sie aus US-Sicht damals schon abgewickelt wurde. Die Veteranen des Kampfes in Afghanistan haben dort eine große Rolle gespielt. Und das war ja nun nicht nur blowback aus Sicht der Sowjets, sondern diese Kräfte wurden von den USA mit dem Geld der Saudis und der Kooperation der Pakistanis bewusst in Stellung gebracht. Und da die US-Amerikaner die tschetschenische Unabhängigkeit damals befürwortet haben, bezweifle ich, dass sie besonders traurig waren, als diese Bewegung weiter gewirkt hat, selbst wenn ihre Dienste schon keinen Anteil mehr daran gehabt haben sollten. Das Bedauern kam, wenn, erst später mit den Anschlägen von 2001.


    Man kann argumentieren, dass Tschtschenien Teil Russlands ist und die Ukraine nicht. Andererseits scheint Putins Überzeugung von der Eigenstaatlichkeit der Ukraine nicht allzu tief verankert. Angenommen, die USA hätten den Aufstand nicht unterstützt und Janukowytsch wäre ein Jahr später abgewählt worden und durch eine pro-westliche Regierung ersetzt worden. Wieso hätte Putin dann nicht die Krim annektieren sollen und die Osten zum Aufstand treiben? Er hätte ohne NATO schließlich freie Hand, in seinem Einflussgebiet als Ordnungsmacht aufzutreten.


    Ich würde eine Revolution früher anfangen, dann haben wir sowieso eine ganz andere Ausgangslage. Aber die Russen haben davor zum Beispiel auch mit Tymoschenko zusammengearbeitet. Also sie müssen nicht unbedingt die Erwartung gehabt haben, dass die nächste Regierung völlig gegen sie sein wird. Die Regierung dagegen, die nach dem Putsch von den USA mitausgesucht wurde und der ja auch viele Personen angehörten, die gar keine Ukrainer waren, war denke ich deutlich ambitionierter in ihrer Absetzung von Russland. Aber lässt sich schwer sagen, da der militärische Konflikt parallel aufkam.


    Ohne Armee meint ohne Invasion.


    Nun dann hast du ja dein Gegenbeispiel mit Jugoslawien, das Teil der postsowjetischen Neuordnung war.


    Inwiefern Gleichgültigkeit? Die USA verfolgen ihre imperialen Interessen in der Ukraine genau wie Russland auch.


    Wenn man sich schon als Weltleviathan aufspielt, dann würde man eine gewisse Qualität der hinterlassenen Ordnung erwarten. Aber ich würde sagen seit dem Schaffen des internationalen Systems nach dem Zweiten Weltkrieg haben die USA hier nicht mehr viel geboten. Das war zwar zugegeben ein großer Wurf, aber zum einen wurde er mit den beiden anderen damals noch Weltmächten United Kingdom und Frankreich erzielt, sowie vermutlich auf dem Höhepunkt des Einfluss europäischer Intellektueller auf die USA, und zum anderen hat das System als Ordnung im Interesse der USA gearbeitet. Später als diese Institutionen sich im Zuge der Dekolonialisierung von der US-Kontrolle wegbewegt haben, ist auch das Interesse an ihnen seitens der USA immer geringer geworden.

  • Geht so und ich denke dabei nicht an die Ukraine. Mir scheint, dass in Ost- und Südosteuropa immer noch ein großes Potential an, wo nicht Russland-Affinität, kultureller Nähe vorhanden ist und vielleicht vom Baltikum und Polen abgesehen, dort auch leicht eine Russland-freundliche Regierung wie die ungarische an die Macht kommen könnte. Die "Trägheit" der Wirtschaftsinteressen treibt andere Europäer und Russland sowieso zusammen. Dagegen muss man anarbeiten. Musste man als USA auch schon zu Sowjetzeiten. Bei dieser großen neuen Einigkeit des Westens bin ich also skeptisch und ich würde sagen, schon jetzt zeigt sich diese Skepsis als angebracht.

    Orban ist russlandfreundlich, aber seine Priorität ist ganz klar die Zugehörigkeit zu EU und Westen. Er blockiert nicht den NATO Beitritt Finnlands, winkt die Sanktionen durch. Sein Land hängt finanziell an der EU. Der einzige mögliche Kandidat, den ich sehe, ist Serbien, und selbst die haben ein EU-Beitrittsverfahren am Laufen. Entscheidend ist eher die Einigkeit der großen Wirtschaftsmächte würde ich sagen, als die Frage, ob Ungarn zur Fahne hält oder aus der EU und NATO Austritt, um sich mit Russland ins Bett zu legen.


    Der Teil, wo die Weltwirtschaft runtergefahren wird, ist dir entgangen?

    Wenn die Weltwirtschaft runter gefahren wäre, hätte ich das mitgekriegt. Wann ist es denn soweit?


    Der Umstand, dass diese Kriege so stattgefunden haben, macht deine Annahme, dass sie ohne US-Einfluss, insbesondere über die Förderung der NATO-Expansion, ähnlich stattgefunden hätten, übrigens nicht weniger kontrafaktisch.

    Ja. Ist reine Spekulation. Hätte aber auch viel schlimmer kommen können als jetzt, wenn die russ. Armee freie Hand hätte und nicht durch die Amis in Schach gehalten würde.


    Allerdings indirekt wurde der Konflikt in Tschetschenien (auch das Übergreifen auf Dagestan) durch die Folgen der Allianz der USA mit den Mudschahid gegen die Sowjetunion befördert

    Die Allianz der USA mit den Mudschaheddin wurde allerdings durch die Invasion der UDSSR in Afghanistan ausgelöst. Es war also die eigene imperiale Politik, die Russland dann wieder auf die Füße gefallen ist.


    Ich würde eine Revolution früher anfangen, dann haben wir sowieso eine ganz andere Ausgangslage. Aber die Russen haben davor zum Beispiel auch mit Tymoschenko zusammengearbeitet.

    Die Frage ist, ob die russ. Armee da schon zu einer Invasion in der Lage gewesen wäre. Vielleicht gab es die militärische Option da noch nicht, also musste Russland irgendwie mit der neuen ukrainischen Regierung auskommen.

    Nun dann hast du ja dein Gegenbeispiel mit Jugoslawien, das Teil der postsowjetischen Neuordnung war.

    Eine Invasion gab es in Jugoslawien nicht. Aber in der Tat greift auch die USA auf ihr Militär zurück, es ist lediglich nicht ihre einzige Option zu Machtprojektion.

    Wenn man sich schon als Weltleviathan aufspielt, dann würde man eine gewisse Qualität der hinterlassenen Ordnung erwarten.

    Für die Staaten die Teil der Ordnung sind, also die Staaten des Westens, wo ich auch Japan, Süd-Korea und Taiwan dazurechne, bietet die Ordnung der USA durchaus eine gewisse Qualität.


    Schutz durch die US-Armee. Deutschland konnte Jahrzehnte ohne echte Armee sich durchwursteln, ohne Sicherheitsbedenken. Demokratische, freiheitliche Gesellschaft. Wohlstand. Nur für die Staaten, die nicht dazu gehören, wie die Ukraine z.B., für die ist es nicht so toll. Dagegen für die Balten oder Polen sind die Vorteile vorhanden. Und es gibt zur Zeit auch keine wirklich Alternative. Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass eine chinesische Weltordnung mehr zu bieten hätte.

  • […]


    "Demokratie und Rechtstaatlichkeit...blablabla...Slava Ukraini!"

    Scholz trägt Gorbi's Bild vom Hause Europa –mit sich untereinander verständigenden Nachbarn– zu Grabe, wenn er das wording der Leyen-EU übernimmt und von der europäischen Familie spricht, die für ein exclusives 'Wir' steht, dass auf Blutsbande beruht. Klingt verdammt nach white pride.


    Und EU-Beitrittskandidat ist die Türkei nun schon 23 Jahre lang. Aber sicherlich ist die Zögerlichkeit da nicht in kriegerischen Grenzstreitigkeiten begründet …

  • Scholz ist aus meiner Sicht trotz der gelegentlichen kämpferischen Rhetorik immer auf dem Zaun gewesen. Von dem würde ich keine Initiative erwarten, insofern benutzt er die gleichen Parolen bis klar ist, wo es hingeht.

    Ja klar. Dass Scholz und Macron hinter den Kulissen versuchen, der Kriegstreiberei der USA und ihrer treuesten Verbündeten in Osteuropa entgegen zu wirken, ist ja kein Geheimwissen. Der deutsche Wertejournalismus schreibt schliesslich schon seit Wochen dagegen an, "appeasement" gegenüber dem Russenhitler zu betreiben und zitiert dabei eifrig die hypermoralisierten Empörungen von Melnyk und den ganzen tarngrünen bis schwarzbraunen VerteidigerInnen der freien Welt, die es in Ordnung finden, einen Nazi-Verehrer zu unterstützen, so lange er nur das richtige Feindbild propagiert.


    Auch dass es in anderen Ländern des goldenen Westens mittlerweile auch öfter mal kritische Stimmem in den Mainstream schaffen, wurde hier ja schon mehrfach erwähnt. Aber dass es gerade in der veröffentlichten Meinung in UnserLand eine Verschiebung des "Narrativs" gegeben hätte, sehe ich nicht.

    Die öffentliche Erzählung geht doch mittlerweile eher dahin, dass Deutschland daran schuld wäre, sollte die Verteidigung "unserer" Werte im Donbass scheitern und die Ukraine mit einem "Diktatfrieden" des Russenhitlers vergewaltigt und unterjocht werden, weil die hochproduktive deutsche Industrie immer noch nicht per Regierungsdekret auf Kriegswirtschaft umgestellt, und alle Produktion der möglichst umfänglichen, schnellstmöglichen Versorgung der ukrainischen Freiheitsfront mit modernstem Kriegsgerät gewidmet wurde.


    Wenn Scholz dann bei seiner PR-Aktion an der Front vor laufenden Kameras die üblichen Parolen nachplappert, dann hat er offenbar mehr Angst vor seiner eigenen Außenministerin, vor der ihr zum Teil geradezu hörigen Journaille und vor dem radikalmoralischen Twitter-Mob aus wertegeleiteten Besserverdienerinnen, der in ihr die wahre Führerin des freien Europa sieht, als vor dem ökonomischen Desaster, in das sich der globale Westen gerade hinein manövriert und dabei die immer größer werdende Zahl an Schlechter- bis gar nichts mehr Verdienenden an den sozialen Abgrund treibt.

  • Wenn die Weltwirtschaft runter gefahren wäre, hätte ich das mitgekriegt

    Das ist lustig, weil Du ja offenbar auch sonst nicht so richtig viel mitkriegst, wenn es Dir nicht vom hiesigen Wertejournalismus in leicht verdauliche Häppchen geschnitten und bei Lanz & Co. vorgekocht wird. Aber vielleicht gehörst Du ja zu den glücklichen LeistungsträgerInnen unserer deutschen Wertegemeinschaft, denen eine steigende Inflationsrate von derzeit 8% nichts ausmacht.


    Das ist natürlich kein Wunder, wenn man seine Sicht auf die Welt und ihre Weltwirtschaft darauf aufgebaut hat,...

    Schutz durch die US-Armee. Deutschland konnte Jahrzehnte ohne echte Armee sich durchwursteln, ohne Sicherheitsbedenken. Demokratische, freiheitliche Gesellschaft. Wohlstand.

    ...dass die heute von den eifrigen Verteidiger*innen der freien Welt sogenannte "regelbasierte" Weltordnung seit dem Ende des zweiten Weltkrieges keinen geringeren Zweck hatte, als Frieden, Demokratie und Freiheit für alle zu sichern, und dass sie nicht dem alleinigen Ziel diente, jeglichen Versuch einer Alternative zum Kapitalismus als freiheitsfeindlichen Totalitarismus zu brandmarken, und dem westlichen Imperium und seinen treuesten Verbündeten ihren ökonomischen Wohlstand auf Kosten der restlichen Weltbevölkerung zu bescheren, um sich dann auf unserer Seite des eisernen Vorhanges als "liberale" Wertegemeinschaft gerieren zu können, die von allzu gewaltvollen Verteilungs- und Machtkämpfen in den eigenen Staatsgebieten frei blieben, während sie dieselben lustig weiter in den Rest der Welt projizierten.


    Aber mal davon abgesehen, könnte man ja wenigstens den traurigen Umstand anerkennen, dass zum der neuen Weltordnung vorangegangenen Sieg über den Originalhitler und seine Bande von völkischen Rassisten Millionen an militärischen Opfern und noch mehr ZivilistInnen von Nöten waren.

    Alleine die USA, die ja erst sehr spät aktiv in den Kampf gegen die Nazis und ihre japanischen Vebündeten eintraten, verloren dabei über 400.000 Mann. Die militärischen Verluste der roten Armee betrugen je nach Schätzung zwischen acht und zehn Millionen - und das vor dem Hintergrund, dass die damaligen deutschen Aggressoren noch weit entfernt davon waren, Atomwaffen zu entwickeln, mit denen sie gegnerische Städte mit einem Schlag in Schutt und Asche hätten legen können, so wie das dann vom zukünftigen westlichen Hegemon in Hiroshima und Nagasaki vollzogen wurde.


    So weit, den eigenen militärischen Apparat nebst Bedienpersonal direkt in das Blutbad zu tauchen geht das heutige westliche Wertesystem natürlich nicht mehr. Es begnügt sich damit, sich gegenseitig dafür auf die Schulter zu klopfen, dass man diese unangenehme Drecksarbeit nach langjähriger Vorbereitung nun an die verlängerte osteuropäische Schlachtbank und ihre von völkischen Nationalisten angetriebenen Kriegsarbeitskräfte outgesourced hat.

  • Aber vielleicht gehörst Du ja zu den glücklichen LeistungsträgerInnen unserer deutschen Wertegemeinschaft, denen eine steigende Inflationsrate von derzeit 8% nichts ausmacht.

    Im Gegenteil. Aber ich muss zugeben, dass ich ohne die Medien, die Inflation wohl nicht bemerkt hätte bisher. Die Sachen, die ich kaufe, kosten so ähnlich wie bisher. Außer Rapsöl natürlich. Benzin brauche ich nicht. Die Monatskarte kostet 9 Euro zur Zeit. Der neue Rechner war schweineteuer, das E-Bike dafür recht günstig, da hatte ich mit deutlich mehr gerechnet. Ist so ein wilder Mix.


    ...dass die heute von den eifrigen Verteidiger*innen der freien Welt sogenannte "regelbasierte" Weltordnung seit dem Ende des zweiten Weltkrieges keinen geringeren Zweck hatte, als Frieden, Demokratie und Freiheit für alle zu sichern,

    Für alle nicht. Aber für die Mitgliedsstaaten der regelbasierten Ordnung schon. Wenn man dem Westen beitritt, nehmen wir Südkorea, oder Polen, dann wird darauf geschaut, dass man sich eine westlich demokratische Staatsform zulegt. Und Kriege untereinander kommen normal nicht vor. Es gibt Regeln. Außerhalb des Westens gibt es keine Regeln, "regelbasierte Weltordnung" ist daher ziemlich übertrieben. Im Verhältnis westlicher Staaten mit nicht-westlichen Staaten herrscht das Gesetz des Dschungels.

    So weit, den eigenen militärischen Apparat nebst Bedienpersonal direkt in das Blutbad zu tauchen geht das heutige westliche Wertesystem natürlich nicht mehr.

    Naja, im russischen Wertesystem geht es noch. Das eigene Volk, die eigenen Armee und ausländische Staatschef einen Tag vor der Invasion anlügen, und behaupten man macht ein Manöver. Das ginge im heutigen westlichen Wertesystem nicht. "Liebe Bevölkerung, hier spricht Olaf Scholz, die Bundeswehr hat gerade ein Großmanöver gestartet, ähm, in Polen, Wahrschau wurde umzingelt, aber es ist kein Krieg. Ich nenne es Spezialoperation." Ich glaube, da käme er nicht mit durch.

  • Im Gegenteil. Aber ich muss zugeben, dass ich ohne die Medien, die Inflation wohl nicht bemerkt hätte bisher. Die Sachen, die ich kaufe, kosten so ähnlich wie bisher. Außer Rapsöl natürlich. Benzin brauche ich nicht. Die Monatskarte kostet 9 Euro zur Zeit. Der neue Rechner war schweineteuer, das E-Bike dafür recht günstig, da hatte ich mit deutlich mehr gerechnet. Ist so ein wilder Mix.

    Du gehst nicht oft Essen kaufen?

    Oder isst du zufällig nur Sachen, die ausgerechnet nicht teurer geworden sind? Denn Rapsöl und Sonnenblumenöl und weitere Brat- und Frittierfette sind nicht das einzige das merkbar teurer geworden ist.

    Aber schön dass du dir nen E-Bike und nen neuen Rechner leisten kannst.

  • Naja, im russischen Wertesystem geht es noch. Das eigene Volk, die eigenen Armee und ausländische Staatschef einen Tag vor der Invasion anlügen, und behaupten man macht ein Manöver. Das ginge im heutigen westlichen Wertesystem nicht. "Liebe Bevölkerung, hier spricht Olaf Scholz, die Bundeswehr hat gerade ein Großmanöver gestartet, ähm, in Polen, Wahrschau wurde umzingelt, aber es ist kein Krieg. Ich nenne es Spezialoperation." Ich glaube, da käme er nicht mit durch.

    Gehst Du ernsthahft davon aus, ich wäre der Ansicht, die putinsche Autokratie wäre eine bessere Alternative zur herrschenden westlichen Ordnung, nur weil ich letztere als Heuchelei kritisiere, oder was soll dieser Verweis auf Offensichtliches?


    Für alle nicht. Aber für die Mitgliedsstaaten der regelbasierten Ordnung schon.

    Das ist aber nicht das was unsere feministischen Werte- und Freiheitspolitiker*innen meinen, wenn sie von einer "regelbasierten Ordnung" sprechen. Dabei geht es nicht darum, dass sich formale Staatenbündnisse wie die EU irgendwelchen gemeinsamen Regeln unterwerfen, sondern darum, dass die ökonomisch und militärisch dominierenden Staaten dieser Welt allen anderen Staaten ihre Spielregeln aufzwingen wollen. Organsiationen wie die WTO oder der Internationale Währungsfonds, die auf der ganzen Welt ökonomische Zwänge ausüben und ganze Staaten ihren Regeln unterwerfen können, wurden nicht als demokratische Gremien konstituiert, in denen allen Beteiligten die gleichen Rechte und Pflichten zu kommen, sondern als vom Westen und den USA dominierte Institutionen, deren Vorgaben man sich zu unterwerfen hat, wenn man nicht riskieren will, aus dem Welthandel ausgeschlossen, mit dem ein- oder anderen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg überzogen zu werden, oder - wie in Russland einmal, oder wie im fall der Ukraine sogar gleich zweimal geschehen - einen "revolutionären" vom Westen beförderten Regimewechsel übergeholfen zu bekommen.


    Es wäre ja zumindest ehrlicher Eigennutz, diese seit dem Ende des kalten Krieges vom Westen massiv erzwungene und im Zweifel mit äußerster Brutalität durchgebombte Weltordnung zu begrüßen, weil man selbst davon ökonomisch profitiert - so wie wir alle hier im goldenen Westen.

    Aber ich verstehe nicht, wie man sich dann noch guten Gewissens die Argumente der hiesigen MoralistInnen zu eigen machen kann, wenn sie Russland auf reiner Basis irgendwelcher angeblich zu verteidigenden Werte dafür verurteilen, dass es nun versucht, seine eigenen geopolitischen Interessen gegenüber diesem Machtblock mit Gewalt durchzusetzen, weil man ihm westlicherseits jahrzehntelang jegliches Recht dazu abgesprochen hat, überhaupt eigene geopolitische Interessen haben zu dürfen.

  • Wenn die Weltwirtschaft runter gefahren wäre, hätte ich das mitgekriegt.


    Hättest du?


    Die Allianz der USA mit den Mudschaheddin wurde allerdings durch die Invasion der UDSSR in Afghanistan ausgelöst. Es war also die eigene imperiale Politik, die Russland dann wieder auf die Füße gefallen ist.


    Soso. Schonmal was von Operation Cyclone gehört?


    Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan (auf Anfrage der Regierung übrigens): 25. Dezember 1979.


    https://www.jimmycarterlibrary…s/diary/1979/d070379t.pdf



    Hier vielleicht?


    Die Frage ist, ob die russ. Armee da schon zu einer Invasion in der Lage gewesen wäre. Vielleicht gab es die militärische Option da noch nicht, also musste Russland irgendwie mit der neuen ukrainischen Regierung auskommen.


    https://www.nytimes.com/2014/0…ed-to-invade-ukraine.html


    Zitat

    April 2, 2014


    NATO’s top commander said on Wednesday that the 40,000 troops Russia has within striking distance of Ukraine are poised to attack on 12 hours’ notice and could accomplish their military objectives within three to five days.


    Aber wir wissen ja jetzt, was solche Ansagen wert sind.


    Eine Invasion gab es in Jugoslawien nicht. Aber in der Tat greift auch die USA auf ihr Militär zurück, es ist lediglich nicht ihre einzige Option zu Machtprojektion.


    Luftangriffe, durch die man gezwungen wird, die Besetzung und den Entzug eines Teils des eigenen Landes seit über zwanzig Jahre zu dulden, zählen wohl nicht? Kein Wunder, dass die Übernahme der Krim ohne große Gegenwehr so eine Bagatelle war. - Das kann man sowohl ironisch als auch nicht-ironisch sagen.


    Schutz durch die US-Armee. Deutschland konnte Jahrzehnte ohne echte Armee sich durchwursteln, ohne Sicherheitsbedenken.


    Die letzten zwei Jahrzehnte? Das lag nicht an den USA. Sollten wir nun tief in die Taschen greifen, um Länder weiter draußen in der Peripherie gegen einen unserer wichtigsten Wirtschaftspartner zu verteidigen - das schon. Freilich gehe ich nicht davon aus, dass es dazu kommt.

  • Während die Sowjets versucht haben den Regierungschef umzubringen. Hat echt komödiantische Züge diese Episode.

    Zumal die sowjetische Führung zunächst überhaupt nicht gewillt war, dem Gesuch um militärische hilfe durch die sozialistische Afghanische Regierung nachzukommen, und man sich im Kreml erst dazu entschied, als in Afghanistan schon ein Bürgerkrieg ausgebrochen war, mit dem die CIA bestimmt überhaupt nichts zu tun hatte...


    Es war auch nie das Ziel der Sowjets, Afghanistan ins "Reich" einzugliedern. Man wollte halt auch damals keine pro-amerikanische Regierung in der unmittelbaren Nachbarschaft haben und hat sich dann ziemlich hirnlos in einen langen Guerillakrieg verstricken lassen, auf den die rote Armee natürlich nicht vorbereitet war und dem sie nur mit massiver Gewalt begenen konnte - so wie die US-Army zuvor in Vietnam, wo das westliche Wertebündnis am Leib der eigenen Streitkräfte eingehend studieren konnte, wie man so einen Partisanenkampf organiseren muss, um damit eine militärisch weit überlegene Armee aus dem Land zu jagen.

  • Das aktuelle Narrativ sind irgendwelche Probleme mit den Gasverdichtern. Da würden auch mehr Röhren nichts dran ändern. Ich persönlich denke aber, dass Russland bewusst die Lieferung runterfährt, damit Europa keine Reserven aufbauen kann.


    Nebenbei gibt es Meldungen, dass das größte russische Gasfeld brennt. Vielleicht lösen sie so das Problem der Lagerung.

  • Puuuuh ... wie lange macht die das eigentlich noch? Also den Job?


  • Luftangriffe, durch die man gezwungen wird, die Besetzung und den Entzug eines Teils des eigenen Landes seit über zwanzig Jahre zu dulden, zählen wohl nicht? Kein Wunder, dass die Übernahme der Krim ohne große Gegenwehr so eine Bagatelle war. - Das kann man sowohl ironisch als auch nicht-ironisch sagen.

    Naja, auf der Krim gab es eine Invasion. Von kleinen grünen Männchen.

    Soso. Schonmal was von Operation Cyclone gehört?

    Ich lese gerade das China sich an der Operation Cyclone beteiligt hat und Waffen geliefert hat an die Mudschaheddin gegen die kommunistische Regierung und gegen Russland, zusammen mit den USA. Das ist aber schon herbe.


    Die letzten zwei Jahrzehnte? Das lag nicht an den USA. Sollten wir nun tief in die Taschen greifen, um Länder weiter draußen in der Peripherie gegen einen unserer wichtigsten Wirtschaftspartner zu verteidigen - das schon. Freilich gehe ich nicht davon aus, dass es dazu kommt.

    Sondern weil Putin so ein friedlicher Staatschef ist? Oder woran lags? Ich denke schon. Viele Waffen liefern wir ja nicht, also wird man erwarten, dass Deutschland die Wirtschaft der Ukraine finanziell unterstützt. Google sagt, Ukraine hat ein BIP von rund 200 Milliarden und ist bisher um 35% eingebrochen. Das wären dann vielleicht 100 Mrd pro Jahr, die aufzubringen wären. Japan und die EU könnten sich beteiligen. Also zu bewältigen, denke ich.

  • Das russische Verteidigungsministerium hat Zahlen zu Ausländern, die für die ukrainische Seite kämpfen veröffentlicht:


    https://eng.mil.ru/en/special_…re.htm?id=12425594@egNews


    ('leaving to the "other world"', "headless horsemen" ?)


    Die ukrainische Behauptung nennen sie auch:


    Zitat

    Recent empty statements about almost "20,000" foreigners "fighting" against the Russian Armed Forces are just plain lies.


    Und dann einige Statistiken (solche genauen Erkenntnisse wären möglich, wenn sie die Informationen aus ukrainischen IT-System holen, erbeuten oder überlassen bekommen):


    Zitat

    In total, our lists as at June 17, 2022, include mercenaries and weapons operating specialists from 64 countries. Since the beginning of the special military operation, 6,956 people have arrived in Ukraine, 1,956 have already been eliminated and 1,779 have left.


    As long as 3,321 mercenaries are alive, not yet captured, or have not yet escaped to the Ukrainian border.


    Nehme an "eliminated" schließt Gefangennahme mit ein. Wobei man nicht besonders oft von gefangengenommen Ausländern hört. Und es schließt auch Trainer ein, die fallen vielleicht schon eher unter "Militärberater":


    Zitat

    Moreover, it is not only mercenaries directly involved in combat operations as part of Ukrainian units that are now included in our databases. We also take into account the trainers who have come to train, assist in the operation and repair of Western weapons supplied to Ukraine.


    Ein paar ausgewählte Angaben zu Europäern:


    Zitat

    For example, among European countries, Poland is the undisputed leader in terms of the number of mercenaries both arriving and dying. Since the beginning of the special military operation, 1,831 people have arrived in Ukraine, of whom 378 have already been killed and 272 mercenaries have departed for their homeland. It is followed by Romania with 504 arrivals, 102 deaths and 98 departures. The UK is in third place: 422 arrivals, 101 deaths, 95 departures.


    Zu Amerikanern (sicherlich viele US- und kanadische Kämpfer mit ukrainischer Herkunft):


    Zitat

    Among the Americas, Canada leads the way: 601 arrivals, 162 deaths, 169 departures. The USA comes second: 530 arrivals, 214 deaths, 227 departures.


    Zu Südwestasiaten:


    Zitat

    From the Middle East, Transcaucasus and Asia the largest number, 355 mercenaries, came from Georgia, of whom 120 died and 90 left Ukraine. Then there are 200 terrorist fighters redeployed from the US-controlled areas of Jazira region in Syria. To date, 80 have been eliminated and 66 have left Ukraine.


    Da sind auch die Syrer dabei.

  • Gehst Du ernsthahft davon aus, ich wäre der Ansicht, die putinsche Autokratie wäre eine bessere Alternative zur herrschenden westlichen Ordnung, nur weil ich letztere als Heuchelei kritisiere, oder was soll dieser Verweis auf Offensichtliches?

    Da du die russische Heuchelei nie kritisierst, drängt sich der Verdacht auf.


    Das ist aber nicht das was unsere feministischen Werte- und Freiheitspolitiker*innen meinen, wenn sie von einer "regelbasierten Ordnung" sprechen. Dabei geht es nicht darum, dass sich formale Staatenbündnisse wie die EU irgendwelchen gemeinsamen Regeln unterwerfen, sondern darum, dass die ökonomisch und militärisch dominierenden Staaten dieser Welt allen anderen Staaten ihre Spielregeln aufzwingen wollen. Organsiationen wie die WHO oder der Internationale Währungsfonds, die auf der ganzen Welt ökonomische Zwänge ausüben und ganze Staaten ihren Regeln unterwerfen können, wurden nicht als demokratische Gremien konstituiert, in denen allen Beteiligten die gleichen Rechte und Pflichten zu kommen, sondern als vom Westen und den USA dominierte Institutionen, deren Vorgaben man sich zu unterwerfen hat, wenn man nicht riskieren will, aus dem Welthandel ausgeschlossen, mit dem ein- oder anderen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg überzogen zu werden, oder - wie in Russland einmal, oder wie im fall der Ukraine sogar gleich zweimal geschehen - einen "revolutionären" vom Westen beförderten Regimewechsel übergeholfen zu bekommen.

    Ehrlich gesagt fällt es mir schwer wirklich zu verstehen, was im Kopf eines echten Gutmenschen vorgeht. Ich glaube nicht, dass sie das meinen. Die können offenbar unvereinbare logische Widersprüche mental vereinen.


    Klar. Aber das scheint mir banal, dass eine Weltordnung den mächtigen Staaten der Welt dienen muss. Sonst wäre sie ja nicht durchsetzbar. Aber immerhin ist die WHO fair genug, dass arme Staaten wie China im Rahmen der WHO aufsteigen können zu Industriestaaten. Und die imperialen Streitigkeiten zwischen USA und Russland haben primär doch nichts mit der WHO usw. zu tun, die würden doch in jedem Fall ausgetragen. Auch wenn wir eine völlig anarchische Weltordnung hätten und alle westlichen Organisationen auflösen.

    Aber ich verstehe nicht, wie man sich dann noch guten Gewissens die Argumente der hiesigen MoralistInnen zu eigen machen kann, wenn sie Russland auf reiner Basis irgendwelcher angeblich zu verteidigenden Werte dafür verurteilen, dass es nun versucht, seine eigenen geopolitischen Interessen gegenüber diesem Machtblock mit Gewalt durchzusetzen, weil man ihm westlicherseits jahrzehntelang jegliches Recht dazu abgesprochen hat, überhaupt eigene geopolitische Interessen haben zu dürfen.

    Das meine ich mit "offenbar unvereinbare logische Widersprüche mental vereinen." Früher hätte ich gesagt, die heucheln eben. Das Werte-Blabla ist Show für den schlecht informierten Plebs und untereinander sind sie knallharte Interessen-Politiker. Ich bin inzwischen aber nicht mehr so sicher. Die Tatsache, dass wir knallharte Interessen-Politik betreiben, lässt sich wohl irgendwie verbinden mit dem festen Glauben, wir betreiben knallharte Werte-Politik.

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