Dass Geheimdienste wie die CIA auch im, bzw. für das Ausland Propaganda betreiben, ist doch klar. Das hat der KGB allerdings auch gemacht - wenn auch nicht so erfolgreich, weil sowjetische Medien nicht "frei" waren und man ihnen im Westen ohnehin nicht traute, während ein wohlplatzierter Aufsatz irgendeines rennomierten "Experten" aus dem militärisch-industriellen Komplex in der New York Times natürlich auch heute noch in der ganzen Welt rezipiert wird.
Ein bisschen schade finde ich allerdings, dass Du in deinem Zitat aus dem Artikel der Süddeutschen Zeitung über die "cablegate"-Affäre ein paar wichtige Stellen weggelassen hast. z.B. die hier:
[...] Ein Teil der Depeschen allerdings erlaubt neue Einblicke in die Lobbyarbeit von US-Diplomaten für amerikanische Unternehmen. Zum Teil sind das diplomatische Bemühungen auf hohem Niveau. Man kümmert sich wirklich um die eigenen Firmen. Auch um Monsanto.[...]
Weil darin explizit darauf hingewiesen wird, dass die Diplomaten - was ja nicht automatisch CIA-Agenten sind - direkt Lobbyarbeit für amerikanische Unternehmen im Ausland machen - Also genau das, was auch deutsche Diplomaten und sogar deutsche SpitzenpolitikerInnen bis hin zu RegierungschefInnen, Außen- und Wirtschaftsministern in der Vergangenheit auch schon immer gemacht haben.
Wenn ein deutscher Minister zu einem längeren Staatsbesuch ins Ausland fliegt, dann hat er in der Regel nicht nur eine Latte LeitmedienvertreterInnen dabei, die seine Geschäftsreise als diplomatische Mission im Dienste der demokratischen Welt verschriftlichen, sondern auch Vertreter - bis hin zu den CEOs persönlich - aus der systemrelavanten Privatwirtschaft.
Da werden dann natürlich Milliarden-deals klar gemacht, die das deutsche Bruttoinlandsprodukt steigern und damit nicht nur dem deutschen Exportindustriekapital die Taschen noch voller machen, sondern auch den politischen Führungskräften politisches Kapital für die Wiederwahl verschaffen sollen.
Die Verseilschaftung des Großkapitals in die Parlamente und die Exekutive war vom Anbeginn des Kapitalismus gegeben. Als die britische Ostindienkompanie - also eigentlich eine private Handelsgesellschaft - ab Mitte des 18. jahrhunderts auch mit militärischer Gewalt einen Großteil des indischen Subkontinents unter ihr Handelsmodopol zwang, hatte sie dafür die offizielle Erlaubnis des englischen Königs und seines Parlaments.
Wie die Erzählung der Süddeutschen von der Einflußnahme amerikanischer Diplomaten auf die Bayerische Landesregierung - die selbst nicht wenig Geld dafür ausgibt, um ihrerseits in Berlin, Brüssel und im sonstigen Ausland die Interessen bayerischer Konzerne durchzusetzen - ausging hast Du leider auch nicht zitiert:
[...] Das US-Konsulat in München verspricht, sich bei der bayerischen Regierung dafür stark zu machen, dass Monsanto "fair" behandelt werde. Aber hoffnungsvoll klingt das nicht. Als die Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) 2009 die Gentech-Maissorte MON810 von deutschen Äckern verbannt, fällt die Reaktion des Konzerns eher routiniert aus. Monsanto verklagt die Bundesregierung - und verliert dann in zwei Instanzen vor Gericht.
Die US-Diplomaten, die sich darauf verstehen, hinter den Kulissen aggressiv zu agieren, suchen im Fall Monsanto offenkundig nach der richtigen Strategie für Europa. So wird in einem diplomatischen Schriftstück vom 16. April 2009 die "Notlage von MON810" beschrieben. Deutschland verbietet zu jener Zeit die umstrittene Genmais-Sorte. Sorgen bereitet den Diplomaten zugleich die Neuwahl des Europäischen Parlaments. Es gehe wieder mal um die Zukunft von MON810: "Daher ist es zwingend notwendig, neue und kreative Wege zu finden, um mit einem neuen Parlament und einer neuen Kommission zu arbeiten." Man wolle eine Erneuerung der Zulassung von MON810 und eine Aufhebung der Verbote von Mitgliedsstaaten, sondern auch die Zulassung weiterer Produkte in der "Gentech-Pipeline" erreichen.[...]
Es wurde also aggressiver Lobbyismus - sicher auch mit Hilfe von Geheimdiensten und allerlei schmutzigen Methoden - betrieben, um die eigene Wirtschaft gegenüber der internationalen Konkurrenz "wettbewerbsfähiger" zu machen. Manchmal funktioniert das aber auch nicht so , wie man es gerne gehabt hätte. Neulich - im Fall von Lockheed Martin und den F-35 Jagdbombern für die "nukleare Teilhabe" - hat es offenbar sehr gut funktioniert, aber da hatte man ja auch schon den russischen Schreckensmann übergroß an die Wand gemalt.
Das ist jedoch alles keine Neuigkeit im schon zu Zeiten des British Empire global vernetzten (handels-)Kapitalismus, und die Offenbarungen aus cablegate oder aus Snowdens NSA-Leaks haben damals eigentlich nur Leute wirklich überrascht, die bisher tatsächlich angenommen hatten, dass die deutsch-amerikanische Freundschaft irgendwas mit einer echten Freundschaft und geteilten Werten™ zu tun habe, anstatt sie als das Zweckbündnis zu sehen, welches sie schon immer vor allem dann war, wenn es darum ging westliche Ideologie und die damit legitimierten Kapitalinteressen gegen andere Staaten und deren Ideologien abzusichern.
Angela Merkel und andere RegierungsvertreterInnen, die damit selbst ins Visier der Überwachung geraten waren, haben das dann ja auch entsprechend achselzuckend hingenommnen, für die Öffentlichkeit hier und da ein bisschen Empörung geheuchelt, und sind dann schnell wieder zur üblichen transatlantischen Geschaftsordnung übergegangen.
Das Beispiel Monsanto zeigt jedenfalls eigentlich ganz gut, dass Kapitalinteressen nicht gleich Kapitalinteressen sind, und dass selbst das mächtige US-imperium nicht immer seinen Willen, bzw. den Willen amerikanischer Mega-Konzerne durchsetzen kann, wenn die VertreterInnen deutscher Konzerninteressen und Lobbyverbände sich dagegen stemmen.
Der Kapitalismus ist immer noch im Prinzip eine auf ökonomischer Konkurrenz gebaute Weltordnung. Natürlich tun global agierende Konzerne alles dafür, sich die Konkurrenz vom Hals zu schaffen (und den Kapitalismus damit in die nächste Krise zu stürzen) und natürlich wird ihnen dabei politisch gerne geholfen, so lange sich das unter Wahrung des demokratischen Scheins öffentlich als solide Standortpolitik verkaufen lässt. Aber letztendlich ist es den AktionärInnen scheissegal, in welchem Land ihr Geld zu noch mehr Geld gemacht wird.
Profit kennt keine Grenzen. Das Problem das der Wertewesten mit Leuten wie Putin hat ist, dass die das eigentlich nie so richtig verstanden haben.