Klimawandel [Sammelthread]

  • Macht und Mut um was zu tun?

    Macht in Bezug auf Führung. Ein*e, in meinen Augen, mächtige*r Staatsmann/Frau würde es gar nicht soweit kommen lassen, dass sich innerhalb von wenigen Wochen Energiepreise vervielfachen. Ich sehe darin wirklich ein Scheitern und vor allem Machtlosigkeit.


    Mut in Bezug darauf, dieses Scheitern auch einzugestehen. Heute laufen wieder alle möglichen Kohlekraftwerke, die fast doppelt soviel CO2 emittieren wie Gaskraftwerke und zudem völlig unflexibel vor sich hintuckern. Man müsste sich als Politker*in jetzt vor eine Kamera stellen und sagen: "Liebe, Bürger, wir haben in der Vergangenheit viele Fehler gemacht. Der 1. und wichtigste Fehler war der mangelhafte Ausbau der erneuerbaren Energien samt Speicheranbindung. Der 2. Fehler war, dass wir glaubten über Wettbewerb am Energiemarkt eine Situation herzustellen in der die Energiewende besser möglich ist als ohne Wettbewerb. Auch hier lagen wir falsch. Der 3. Fehler war geopolitische Interessen vor die Versorgungssicherheit Europas zu stellen und eine sich längst im Bau befindliche Pipeline des russischen Gasunternehmens Gazprom zu sabotieren. Der 4. Fehler war, dass wir uns eher in Ankündigungen zur Energiewende, als mit der Ausarbeitung einer konsistenten Strategie beschäftigt haben....."


    Also... in meinen Augen ist die komplette EU-Klimapolitik mit dieser Krise komplett gescheitert. Das Problem ist, dass sie Bürger, Unternehmen und Energieversorger im Grunde nur noch damit helfen kann diese verdammte Pipeline zu öffnen. Ob jetzt der Wegfall der EEG-Umlage wirklich hilft, glaube ich gar nicht mehr. 65€ pro MWh kann der Markt innerhalb einer Woche zulegen, wenn bspw. für Januar kalte Temperaturen vorhergesagt werden und windstille Tage. Dann wäre nämlich ohne zusätzliche Gasmengen klar, dass die Gasspeicher nach dem Winter noch leerer sein werden als im vorangegangenen. Wenn dann immer noch nicht klar ist vorher eigentlich bezahlbares Erdgas kommen soll, befinden wir uns in einer Endlosschleife in der solange höhere Preise aufgerufen werden, bis klar ist, dass die Nachfrage schrumpft und Angebot und Nachfrage wieder ausgeglichen sind. Und schrumpfende Nachfrage sehe ich nur dann, wenn große Energieabnehmer den Laden dicht machen. Man kann das als einen erwünschten und längst überfälligen Transformationsprozess begreifen. Ich glaube allerdings, dass das der Anfang vom Ende einer grünen Energiepolitik wäre. Derart hohe Energiepreise, wie die jetzt bald drohen, haben ein revolutionäres Potential. Aber diese Revolution wäre keine linke, sondern eine ziemlich rechte....



    EDIT:


    Ich meine, wenn Du seit heute, als Privatperson, mit EON keinen Gasvertrag mehr abschließen kannst, dann muss Dir doch irgendwie klar sein, dass hier ganz gewaltig etwas schief läuft!

  • Gibt's beim Gas eine Analogie zur Grundversorgungspflicht beim Strom?

    Ja, gibt es. FunFact; alle Abnahmestellen unseres Landratsamts fallen ab morgen in die Grundversorgung, also in unsere Versorgung. Kindergärten, Schulen, Verwaltungsgebäude etc. Die haben vor 2 Jahren eine Ausschreibung (waren sie gesetzlich zu verpflichtet) gemacht bei der irgendein Billiganbieter auf den Spotpreis zockte. Das wird jetzt immer mehr.

    Ich schätze mal EON zog auch deshalb dicht. Die sind nämlich ein ziemlich großer Grundversorger und denen dämmert jetzt langsam was auf sie zukommt. Eine richtige Pleitewelle diversester Energieversorger. Mein Tipp ist am Ende YELLO.

  • Und könnt ihr das übernommene Risiko packen? Auf den ersten Blick klingt das für mich nach Domino spielen.

    Werden jetzt halt Mondpreise für unseren Landrat, aber das muss letzten Endes der Geschäftsführer entscheiden und wenn nicht muss der Landrätin mal mindestens erklärt werden, dass wir ihr da sehr entgegenkamen. Könnte an anderer Stelle noch hilfreich sein.

    Aber klar. Zurzeit ist es nicht einfach. Wir haben gerade weder im Gas, noch im Strom irgendetwas übrig, sondern eher jetzt schon zu wenig. Einstellige Prozente, aber deutlich sechsstellige Beträge bei den Marktpreisen. Das kommende Jahr sieht dafür bislang sehr gut aus.

    Domino trifft es ganz gut. Da wird noch mehr kommen. Die Krise ist brutal. Einzig die Aussicht auf Wind und mildere Temperaturen gibt mir gerade Hoffnung.

  • Ein*e, in meinen Augen, mächtige*r Staatsmann/Frau würde es gar nicht soweit kommen lassen, dass sich innerhalb von wenigen Wochen Energiepreise vervielfachen. Ich sehe darin wirklich ein Scheitern und vor allem Machtlosigkeit.

    Auf die Idee, dass die Macht genauso genutzt wird, dass es zum jetzigen Problem kommt, weil die ihre Macht falsch einsetzen... kommst Du nicht?

    Oder anders formuliert: Die absurde Idee der relativ freien Märkte auch im Energiesektor steckt halt in den Köppen der Politiker und vieler Ökonomen tief drin. Angesichts der Tatsache, das Energieerzeugung oft von Staatskonzernen erbracht wird (Russland, Saudi-Arabien) und es eben eine der wichtigsten Grundressourcen ist, halte ich diese Denke ja auch für fatal und schlicht unfassbar bescheuert.


    Aber Du stellst die Behauptung auf, die Politiker wüssten eigentlich, wie es "richtig" geht, hätten nur keine Macht, sich durchzusetzen. Ich glaube dagegen... sie wissen gar nicht, oder noch besser - sie WOLLEN teilweise gar nicht wissen, was für ein Quatsch ihnen ihre Suffleusen in die Köpfe setzen.


    Und es gibt ja auch noch eine andere Variante, um Ausgleich zu schaffen: Subventionen.


    Genau das wird jetzt auch schon als Forderung erhoben:

    https://www.spiegel.de/wirtsch…93-4af2-874a-a1a8b084f736


    Wenn der Staat für die teuren Energiekosten aufkommt... ist doch alles gut, oder? Wirtschaft gerettet.


    Ich verstehe Deine Kritik und teile sie zu einem erheblichen Teil. Umgekehrt sind viele Deiner Punkte etwas, was vor 10/15 Jahren hätte intensiviert, statt verringert werden müssen. Und DAS ist ein Beleg, der eher nach meiner Theorie wirkt. Wir waren ja schon auf dem Weg, die erneuerbaren viel intensiver zu betreiben. Und das wurde kurz nach der sogenannten Finanzkrise 2008/2009 dann nach und nach zurückgefahren und die Investitionen in eine veränderte Infrastruktur, die mit vielen, kleinen dezentralen Energieressourcen gut klar kommt, ebenfalls liegen gelassen.

    Aus meiner Sicht ist das ein Indiz, dass nicht einfach nur "Macht" fehlte - sie wollten nicht. Vermutlich weil sie dachten oder hofften, dass das alles schon nicht so schlimm wird und diese "Klima-Warner" vielleicht ja doch völlig übertreiben. Und dass gegen die neue Pipeline lobbyiert wird ist ja auch erst seit wenigen Jahren so.


    In einem simplen Satz: Macht und Mut sind irrelevant, wenn Politiker völlig andere Einstellungen zur Realität haben, als Du und ich.

  • Hoffe, die entlassenen Werker bedanken sich auch artig bei Greta und Luisa.

    Ja mensch, Indi!


    Hätten wir Greta und Luisa die letzten sechzehn Jahre lamg doch bloß nicht immer wieder zur Doppelkanzlerin gewählt!


    Andererseits - dann müssten wir ja jetzt irgendwen anders für alles verantwortlich machen, das politisch in Sachen Klimawandel verbockt wurde...

  • Geil! 75 ist das Neue 70. So in etwa müssen sich die letzten Jahre der DDR angefühlt haben.


    Zur Erklärung: Seit Tagen blicken alle Beteiligten mit Sorge auf den Gasspeicherstand:




    Quelle: https://agsi.gie.eu/#/historical/DE



    Natürlich schaue ich da auch drauf und ging heute morgen davon aus, dass dieser Fehler behoben wird. Jetzt lese ich diesen Artikel (Zeit) und bin sehr "beeindruckt". Man erklärt jetzt also die gleiche eingespeicherte Gasmenge seien nicht mehr 70% sondern 75%... vielleicht weil man bestimmte Speicher gar nicht mehr mitzählt? Krass, krass, krass. Die Energiepolitik, die hier betrieben wird, ist einfach nur noch rein semantischer Natur. Irre! Absolut irre! Aber nun die gute Nachricht: so wie es aussieht kriegen wir bis weit in den November hinein milde Temperaturen. Und wenn man dann noch ein paar Gasspeicher weniger mitzählt kommen wir vielleicht noch auf 110% Planübererfüllung.


    Hier der Artikel falls Paywall:

    Europäische Union_ EU-Kommission erwägt gemeinsamen Gaseinkauf _ ZEIT ONLINE.pdf

  • Heute beginnt die "Russian Energy Week".


    Ich denke die Reihenfolge der russischen Prioritäten wird hier richtig wiedergegeben:


    https://www.bloomberg.com/news…ssia-s-golden-opportunity


    Zitat

    Putin wants to press the European Union to rewrite some of the rules of its gas market after years of ignoring Moscow’s concerns, to tilt them away from spot-pricing toward long-term contracts favored by Russia’s state run Gazprom, according to two people with knowledge of the matter. Russia’s also seeking rapid certification of the controversial Nord Stream 2 pipeline to Germany to boost gas deliveries, they said.


    Wobei auch die Zulassung von Nord Stream 2 letztlich dem Ziel dient, stabile Langzeiteinkünfte (in Form von Gazprom-Divenden) zu garantieren, weil die Kosten für Gazprom über den Direktimport in die EU deutlich geringer sind als über die Transitländer. Der geopolitische Vorteil, der Ukraine Einkünfte zu entziehen, kommt dann noch dazu.


    Das hier scheint mir ein weiteres Indiz zu sein, das auf Limitierungen der Produktion hindeutet. Die Maßnahme würde ich als Zeichen einer gewissen Nervosität gegenüber Störungen des Betriebs unter den gegenwärtigen hohen Exportanforderungen interpretieren:


    https://www.upstreamonline.com…-be-dismissed/2-1-1080821


    Zitat

    Two Russian regions in West Siberia - Yamal-Nenets and Khanty-Mansiysk - have introduced mandatory coronavirus vaccinations for shift workers who arrive at oil and gas installations from other regions of the country.


    [...]


    The requirements extend to other profession and have provoked uproar in Russian social networks as they contradict earlier pronouncements from authorities, including President Vladimir Putin's statement that the Covid-19 vaccination will remain voluntary in the country.


    Hier ist auch nochmal ein Artikel von dieser BNE Intellinews-Seite, der darstellt was eigentlich der Beitrag des starken Rückgangs der Gasförderung in Europa an der gegenwärtigen Lage ist.


    https://intellinews.com/from-d…the-current-crisis-223314


    Diese Grafik, nur für die EU, fasst den Trend zusammen:


    1021EuropegasproductionEU.png


    Insofern muss ich sagen, habe ich auch das Argument, dass Nord Stream 2 die Abhängigkeit von Russland erhöht nie wirklich verstanden. Inwiefern ist das anders, wenn das Gas weiter über die Transitländer im Osten läuft? Entscheidend sind doch die Anteile an der Deckung des Bedarfs. Wenn man an Nord Stream 2 etwas sieht, dann dass Russland als engagierter Marktteilnehmer auftritt mit den Mitteln und Möglichkeiten sich Anteile schneller zu sichern, als etwa ein Projekt wie die Trans-Saraha-Pipeline zur Diversifizierung der EU-Versorgung umzusetzen ist.


    Schließlich das ist mir noch untergekommen. Die Lage in der Türkei klingt auch recht angespannt:


    https://www.reuters.com/articl…tracts-bite-idUSL8N2R71OY

  • Siemens dazu 2016:


    Also im Prinzip genau das, was du vorschlägst.

    Wäre interessant zu wissen, was so große Hersteller heute in welchen Zeiträumen für möglich halten. Also wie haben sich die Technologien entwickelt, bezüglich Leistungsfähigkeit und Preis. Was ist die vermutete Entwicklung für die nächsten 10 Jahre. Wie siehts mit den Geschäftsmodellen aus, wo hindern die Strommarktgesetze die Dekarbonisierung, was müsste geändert werden?


    Mit große Hersteller meine ich solche wie Siemens, Bosch, ABB, General Electrics. Die bauen Generatoren, Transformatoren, Schaltanlagen und Hochspannungsleitungen. Außerdem Windräder (ABB nur Generatoren)., Dampfturbinen, früher für Kohlekraftwerke, jetzt für Gas, GE auch für Flugzeuge. In Solar und Batterien sind die meine ich alle nur sekundär über Leistungselektronik dafür vertreten. Elektrolyseure machen ABB und GE mit Partnerfirmen, Siemens direkt.

    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft.

  • Auf die Idee, dass die Macht genauso genutzt wird, dass es zum jetzigen Problem kommt, weil die ihre Macht falsch einsetzen... kommst Du nicht?


    ...


    Aber Du stellst die Behauptung auf, die Politiker wüssten eigentlich, wie es "richtig" geht, hätten nur keine Macht, sich durchzusetzen. Ich glaube dagegen... sie wissen gar nicht, oder noch besser - sie WOLLEN teilweise gar nicht wissen, was für ein Quatsch ihnen ihre Suffleusen in die Köpfe setzen.

    Naja... also wenn ich jetzt mal so in groben Zügen die Energiepolitik der nächsten 10 bis 15 Jahre nach allen erdenklichen Verlautbarungen beschreiben müsste, würde ich sagen, der Plan war bisher:


    Erneuerbare so schnell wie möglich ausbauen, vor allem Wind und Solar und das Ganze dann mit flexiblen (Erd-)Gaskraftwerken ausbalancieren. (Nebenbei Wasserstoffkapazitäten aufbauen und im Zweifel dem Erdgas beimischen) + Ausstieg aus Kohle und Atom


    Das hat jeder Verstanden und erschien halbwegs machbar. Dann muss man allerdings auch dafür sorgen, dass Erdgas in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht. Wenn man das nicht macht, kann man weder Kohle- noch Atomkraft abschalten. Zusätzlich kommt erschwerend hinzu, dass auf Grund der sehr trägen technischen Fahrweise bei Windspitzen bspw. derartige Überkapazitäten entstehen, dass abgeriegelt werden muss. Es ist völlig BallaBalla wie hier mit dem wichtigsten Energielieferanten für Erdgas umgesprungen wird! Ohne Erdgas braucht es eine völlig neue "Vision" wie denn die Energiewende in welcher Reihenfolge vonstatten gehen soll.


    Es ist hier immer die Rede davon, dass Russlands Ruf als Energielieferant auf dem Spiel stände. Ich sehe das eher umgekehrt, Europas Ruf als Handelspartner steht auf dem Spiel, wenn wir bei solch entscheidenden Dingen erstmal das "okey" aus Washington brauchen. Wieso sind wir nicht in der Lage so simpel und pragmatisch wie möglich vorzugehen? Und da weiß ich jetzt auch nicht mehr ob das wirklich "Absicht" ist oder einfach nur saudämlich?! Was glauben denn die Europäer was Russland nach dieser Nummer für Schlüsse zieht? Die können zu dem Ergebnis kommen, dass Europas Politiker im Zweifel lieber Geopolitik betreiben als Wirtschafts-, Energie- oder Klimapolitik. Dann werden die sich sagen: "Wir brauchen vielleicht neue Geschäftspartner, die ebenfalls Interesse an unserem Erdgas haben könnten." Also mir fallen da jetzt eine Menge Geschäftspartner ein. Und wir können uns dann, angewiesen auf ein paar LNG-Frachter, unsere gesamte Wirtschafts-, Energie, oder Klimapolitik in den Hintern schieben. Da wird China dann deutlich bessere Produktionsbedingungen dank russischem Erdgas geboten bekommen haben.


    Vielleicht hast Du also recht: Es geht nicht um Machtlosigkeit oder fehlendem Mut. Es geht vielleicht nur darum, das die kognitiven Fähigkeiten unserer Entscheidungsträger nicht ganz so gut ausgeprägt sind. Wenn dann noch Arroganz dazu kommt ist die Katastrophe wirklich perfekt!

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