Bilanz der Handelsperiode 2013 bis 2020 - Industrie und Erdgas leben gut unterm Emissionshandel
Als das bisher am besten funktionierende Klimaschutz-Instrument gilt der europäische Emissionshandel. Eine Bilanz für die Jahre 2013 bis 2020 zog jetzt die Deutsche Emissionshandelsstelle. Die fällt für Deutschland gar nicht so gut aus.
Alles anzeigen[...] Regelrecht enttäuschend sind die Ergebnisse des ETS in der deutschen Industrie. Erst 2019 sanken hier die Emissionen unter das Niveau von 2013, bevor sie 2020 coronabedingt kurzzeitig einbrachen, gibt die Emissionshandelsstelle an.
Von 2013 bis 2020, also über die gesamten acht Jahre, habe die Industrie ihre jährlichen CO2-Emissionen im Schnitt nur um ein Prozent gesenkt, musste Behördenchef Jürgen Landgrebe einräumen. "Das ist kein Hinweis auf wirklich stringente Investitionen in die Dekarbonisierung."
Für Landgrebe erklärt sich das auch aus dem "relativ geringen Zukaufbedarf" der Industrie bei den Emissionszertifikaten, wie er es ausdrückte. Nach Angaben seines Hauses wurden in der dritten Handelsperiode etwa 90 Prozent der Industrie-Emissionen durch Zuteilung kostenloser Zertifikate abgedeckt. Im Emissionshandelsdeutsch nennt sich das "bedarfsgerechte Ausstattung".
Bei den Energieanlagen machte die "bedarfsgerechte Ausstattung" 2020 nur rund 16 Prozent aus, was sich dann offenbar auch in den erzielten CO2-Einsparungen niederschlägt.
Zu Kritik an der Praxis im Industriesektor konnten sich Landgrebe und sein Team auch auf Nachfrage nicht durchringen. Zwar fehlten damit Anreize für Zukunftsinvestitionen. "Wir müssen da sehr viel mehr tun", sagte Landgrebe. Die CO2-Bepreisung sei aber nur ein Element im "Policy-Mix", zu dem schließlich auch Förderprogramme gehörten.
Zur kostenlosen Zuteilung der CO2-Zertifikate hieß es von der Emissionshandelsstelle, damit solle ein Carbon Leakage, also ein Abwandern energieintensiver Unternehmen aus der EU, verhindert werden.
Finanzmarktakteure willkommen
Zum Umstand, dass Finanzgruppen den ETS als Spekulationsobjekt entdeckt haben und den CO2-Preis nach oben treiben, wollte Landgrebe nicht explizit Stellung nehmen, unter anderem weil seine Behörde an der Leipziger Börse selbst Emissionsrechte versteigert.
Man beobachte aber die Situation, sagte Landgrebe. In der Preiskurve sei immer auch ein Teil Marktspekulation enthalten. Das sehe man schon allein daran, wie die Ankündigung, das Einsparziel der EU von 40 auf 55 Prozent zu heben, den CO2-Preis "getriggert", also in Wallung gebracht habe.
Zu hören war auch, dass bei den CO2-Auktionen deutscher Zertifikate an der Börse derzeit die rund 20 "Käufer" etwa zur Hälfte Finanzmarktakteure sind. Deren Agieren sieht die Emissionshandelsstelle grundsätzlich positiv. Sie würden dazu beitragen, dass die Zertifikate sich im Markt verteilen. Nicht jeder Kraftwerksbetreiber könne selbst an der Börse präsent sein.
Fazit: Industrie und Erdgas leben ganz gut unterm Emissionshandel, Steinkohle wurde stark aus dem Markt gedrängt, Braunkohle offenbar deutlich weniger. Finanzjongleure fühlen sich immer wohler im ETS.
Wenn das die Kriterien für einen funktionierenden Emissionshandel sind, dann funktioniert der ETS wohl. Nur bei seinem eigentlichen Zweck – der CO2-Minderung – ist noch jede Menge Luft nach oben.