Klimawandel [Sammelthread]

  • Ist ja ok. Ich teile Eueren Glauben und Eure Erzählungen nur in Teilen. Vor allem wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, glaube ich auch nicht, dass das irgendeinem Markt überlassen werden kann. Das ist unbestritten.

    Man kann hier aber, wenn es um Klimaschutz geht Statistiken bemühen, eigene Berufserfahrung mitteilen... alles egal, wenn es nicht zum Glauben passt.

    Nee, @Danton, so geht's nicht.


    Du kannst nicht einfach Deinen eigenen Glauben an die "Effizienz" des Kapitalismus/Marktes/Wettbwerbs "Wirtschaftssystems" und an ein auf dieser ideologisch induzierten Axiomatik aufgebautes, marktabhängiges Instrument wie den CO2-Preis als effizientes Mittel zum Klimaschutz in den Raum stellen, und dann allen anderen vorwerfen, sie würden hier nur auf Glaubensbasis argumentieren.

    Der CO2-Preis ist einfach ein gamechanger

    Und hier entsteht in meinen Augen, zum aller ersten mal zwischen Klimaschutz und konkretem Handeln, eine sinnvolle Verknüpfung in einem Wirtschaftssystem, dass eines besonders gut kann: effizient sein....

    Zum einen gab es schon seit Ende 90er Jahre etwa mit der "Ökosteuer" ( deutliche Erhöhung der Mineralölsteuer um den Kraftstoffverbauch für PKWs zu reduzieren), dem Flaschenpfand für PET-Flaschen oder dem Dualen System für recyclebare Kunststoffverpackungen allerlei politisches Handeln, mittels dessen das "Wirtschaftssystem" über Steuer- bzw. Preisdruck dazu angereizt werden sollte, sich umweltfreundlicher zu benehmen, und die allesamt nicht Ansatzweise die intendierte ökologische Wirkung entfalten konnten.


    Zum anderen hatten wir beide eine, dieser Diskussion um Markt und Effizienz ganz ähnliche Debatte hier im Forum schon mindestens einmal in Bezug auf Produktivität, wo Du - um Deine eigenen "Glaubenssätze" zu verteidigen - genauso geflissentlich ausblenden musstest, dass Worte wie "Effizienz" und "Produktivität" (betriebs)ökonomische Begriffe sind, die sich auf wirtschaftliche Kosten/Nutzen-Analysen beziehen, bei denen die Nützlichkeit des "Nutzen" sich nicht auf einen tatsächlichen Gebrauchswert der möglichst produktiv und effizient zu produzierenden Waren bezieht, sondern nur darauf, inwiefern einem geldwerten Input (->Kosten) ein möglichst hoher geldwerter Output (-> Nutzen) gegenüber gestellt werden kann.


    Effizienz beweist die kapitalistische Marktwirtschaft gegenüber allen anderen bisher in bedeutendem Umfang entstandenen gesellschaftlichen Produktions- und Distributionsweisen nur insofern, als sie den Anbietern von Gütern und Dienstleistungen (-> Waren) für ihren Kapitaleinsatz (Input / Kosten) durch die Verwertung von Rohstoffen, Arbeitskraft, technischen Produktionsmitteln etc. zu handelbaren Produkten (Output) einen möglichst hohen, am Markt zu realisierenden Profit (Nutzen) verschaffen kann - sofern sich genügend kaufkräftige AbnehmerInnen für ihr Warenangebot finden.


    In Sachen nicht quantitativer Energieeffizienz - also bezogen auf die Frage von Energieeinsatz und Verbrauch nicht nachwachsender ernergetischer Ressourcen im Vergleich zum Output an tatsächlich nützlichen(!) Gütern und Dienstleistungen - haben sich die kapitalistische Wirtschaft und ihr wettbewerbsgetriebener Distributionsmechanismus hingegen bisher als extrem ineffizient und über die Maßen verschwenderisch erwiesen - so verschwenderisch, dass sie mittlerweile sogar die natürliche Lebensgrundlage ihrer menschlichen Betreiber in einem Ausmaß verschwendet, das dieselbe dabei von der Zerstörung bedroht ist, wenn die Menscheheit ihr nicht schleunigst Einhalt gebietet.


    Nur um das nochmal zu rekapitulieren: Ursprünglich hatte ich in der Diskussion mit dem theoretischen Partikel folgendes behauptet:

    Mein Punkt ist und war schon immer, dass politische Klimaschutzmaßnahmen, die auch nur annähernd umfassend genug wären, um vielleicht irgendwie noch das allergröbste an katastrophalen Auswirkungen zu verhindern nur gegen die Interessen des organisierten Industriekapitals durchgesetzt werden könnten.

    Und damit natürlich - wie leider viel zu oft - geglaubt, mich gegen den implizierten Vorwurf verteidigen zu müssen, die Systemfrage sei im Zusammenhang der drohenden Klimakatastrophe eine abwegige Grundsatzdiskussion, die nichts zur (hier ja bevorzugt techischen) Lösung des Problems beitragen könne.


    ...Woraufhin Du "Big Money" ins Spiel brachtest, und damit offensichtlich vor allem die mono- und oligopolistisch organisierte Digitalwirtschaft meintest, und Dich im Folgenden dann darauf kapriziertest, dass letztere sich durchaus "ehrlich" für den Klimaschutz einsetzen könne, weil laufende politische Maßnahmen wie der CO2-Preis sich gar nicht direkt negativ auf deren eigenes Profitinteresse auswirken würden.

    Du setzt also im Grunde - wie schon in früheren Diskussionen - eine betriebswirtschaftliche mikro-Betrachtung gegen eine Systemkritische makro-Perspektive, die sich gar nicht auf einzelne tech(okrat)ische Bausteine bezog, sondern auf das ganze Gebäude, indem Du Dir aus dem kapitalistischen Gesamtsystem nur ein Teilsystem heraus pickst, und daran dann die vermeintliche Effizienz einer Einzelmaßnahme bemisst.


    Abgesehen davon sind selbst die beiden derzeit (nach reiner Schätzung ihrer investierten Vermögen) reichsten Menschen der Welt, die beiden Big-Tech Lichtgestalten Elon Musk und Jeff Bezos, mit ihren zusammengerechnet ungefähr 300 Milliarden Dollar Privatvermögen nicht "Big Money", sondern in erster Linie Personality-Stars, die von einer treuen Fangemeinde und einer betriebsblinden Wirtschaftsberichterstattung zu Überwesen hochgefeiert (oder dämonisiert) werden, weil sie überirdischen privaten Reichtum angehäuft haben.

    Big Money sind Institutionen wie Investmenbanken, Versicherungskonzerne, Pensionsfonds und andere professionelle Kapitalsammelstellen, die zusammen eine rasant wachsende Menge an profitabel zu verwertendem Geldkapital in dreistelliger Billionenhöhe verwalten, die das Weltbruttoinlandsprodukt um ein vielfaches übersteigt und der ein ebenso rasant wachsender Berg an hauptsächlich privaten Schulden gegenüber steht, die laufend getilgt und verzinst werden müssen.


    (1/2)

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    Ein großer Teil dieser Geldanlagen steckt überhaupt nicht in den bei der täglichen Börsenshow in den Himmel gehypten Aktien der hippen, neuen Digitalwirtschaft, sondern in langfristigen, deutlich weniger schnell, dafür aber halbegs stabil aufwertenden Anlagen in Indexfonds, Unternehmens- und Staatsanleihen, langfristigen(!) Immobilien, etc.

    Von der Rentabilität solcher realtiv "sicheren" Anlagen hängt nicht nur der persönliche Reichtum privater AnlegerInnen ab, sondern auch der größte Teil aller möglichen kapitalgedeckten Altersvorsorgen, Versicherungen und Bankensysteme auf dem ganzen Globus.


    Nur weil alle westliche Welt heute vom digitalen Kapitalismus, von "intelligenten" Maschinen und von super smarter green technology für super smarte green people redet - so wie es ihr die PR-Maschine und die Werbetreibende Industrie täglich auf allen Kanälen vor die Nase hält - Kann man nicht einfach ausblenden, dass der weitaus größere Teil der kapitalistischen Wirtschaft immer noch aus Unternehmen besteht, die ihre Umsätze mit der Förderung von Rohstoffen und der Produktion von realen Gütern generieren und dazu eine Menge Kapital in altes, weniger klimafreundliches technisches Gerät investiert hat, welches sich erst mal rentieren muss, bevor man es abschreiben und gegen neues, klimaschonendes Gerät austauschen kann, weil sonst das eingesetzte Kapital (-> Kosten) nicht effizient genug im Sinne der Profiterwartungen (-> Nutzen) der KapitaleigentümerInnen verwertet würde, und ganze Industriezweige unter Kapital- und Liquiditätsmangel und geplatzten Krediten zusammenzubrechen drohten, wenn sie keine Geldgeber mehr fänden, die ihnen noch zutrauen, halbwegs sicher aus ihrem Geld mehr Geld zu machen.


    Was man auch nicht ausblenden darf, ist der traurige Umstand, dass in einer modernen kapitalistischen Marktwirtschaft keine politische Entscheidung auf nationaler Ebene in Gesetzesform gegossen wird, ohne dass die jeweilige politische Klasse der Nation vorher intensive Verhandlungen mit den VertreterInnen der heimischen Wirtschaft geführt hat.

    Und gerade im Exportindustrieland Deutschland ist die heimische Wirtschaft vor allem ein Kartell von Autogiganten und ihren abhängigen mittelständischen Zulieferern, sowie eine hauptsächlich auf Investitionsgüter und Vorprodukte spezialisierte Industrie - also private Unternehmen deren Absatzmärkte größtenteils im Ausland liegen und deren Wettbewerbsfähigkeit weniger davon abhängt, ob sich ein kommunales Stadtwerk in Deutschland ihre CO2-bepreisten Produkte leisten kann, sondern vor allem davon, ob sie gegenüber der Konkurrenz aus anderen Ländern Marktanteile behaupten können.

    Und weil der Liebe Gott die unsichtbare Hand des Marktes es so gewollt hat, dass nationale Regierungen sich selbst mit ihren engsten Nachbarn und Währungsunions-Partnern einen ewigen Standortwettbewerb um die effizientesten Verwertungsgelegenheiten für investiertes Kapital liefern müssen, unterhält die jeweilige nationale Wirtschaft natürlich auch einen entsprechenden Beratungsapparat, welcher der politischen Klasse bei Entscheidungen die ihre Wettbewerbsfähigkeit betreffen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite steht.


    Der CO2-Preis, dessen langfristige Effizienz als marktbasiertes Regularium zum wirksamen Klimaschutz Du anhand der aktuellen Zahlen auch nur in die Zukunft extrapolieren - also vermuten - kannst, ist eigentlich ein Exempel dafür, wie eine - innerhalb des herrschenden Systems(!) - an sich durchaus sinnvolle politische Maßnahme gegen eine globale Bedrohung durch effiziente Lobbyarbeit so weit verwässert wird, dass dem Investierten Kapital dabei locker genug Spielraum und Zeit bleibt, um sich der dadurch drohenden Reduktion seiner Profitraten zu entziehen, indem es die Mehrkosten z.B. an EndverbraucherInnen weitergibt, die gar keine andere Wahl haben, als dafür mehr Geld auszugeben, indem es aus dem Handel mit Emissionszertifikaten ein Geschäft macht, oder indem es sich in andere Wirtschaftszweige investiert, die zwar nicht weniger umweltschädlich sind, aber eben nicht so viel CO2 emittieren und deshalb auch weiterhin ungehindert die Kosten für die Umwelt externalisieren können.


    Die empfohlenen Bepreisung pro Tonne CO2 wie sie von FfF, den Scientists for Future, und diversen weltweit dazu forschenden Umwelt- und Wirtschaftsforschungsinstituten empfohlen werden, um wenigstens...

    ...das allergröbste an katastrophalen Auswirkungen zu verhindern...

    ...unterschreitet die derzeitig geplante Gesetzgebung dabei ohnehin höchst großzügig auch dann noch, wenn in 2025 schliesslich der elastische Spitzensatz zwischen 55 und 65 EUR/t erreicht ist.

  • Entschuldige, aber ich verstehe nicht ganz, was Du in dem Beitrag ausdrücken willst.

    Von welchem Glauben redest Du da?

    Mein Einwurf hier war ja nur (und bleibt bisher), dass ich Deiner Aussage "Digital- und Techkonzerne werden diese Revolution in ihren Unternehmen aber wohl nur am Rande mitbekommen." so nicht zustimmen kann, weil eben der enorme Energiebedarf einiger Digitalkonzerne, vor allem halt derer, die die Infrastruktur, also Rechenzentren, als Unternehmensfeld haben, gezwungenermaßen viel CO2 mit sich bringt und die Kapazitäten, diesen Energiebedarf mit Erneuerbaren zu decken, einfach aktuell nicht da sind und das Wachstum auf diesem Gebiet so groß ist, dass sie auch auf absehbare Zeit hin, nicht durch Erneuerbare gedeckt sein werden.

    Jede Digitalität steht und fällt mit dieser Infrastruktur und die produzierten sowie transportierten Datenmengen wachsen jeden Tag an (und da gibt es keine Marktsättigung in dem Sinne, wie sie es z. B. bei Autos gibt). Ergo wird diese Infrastruktur zwangsweise rapide anwachsen und mit ihr der Energiehunger.

    ... Trotzdem muss man diese Kosten doch in Relation sehen.

    Grundsätzlich ging es Utan ja darum, dass das weltweit grassierende Kapital keinen echten Klimaschutz wünscht, weil es deren Geschäftsprozessen entgegenliefe. Wenn ich mir aber die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt anschaue, also auch die Unternehmen, denen die höchste Rendite zugetraut wird, sehe ich vornehmlich Tech- und Hightechkonzerne.

    Wenn ich mein Geld (das ich gar nicht habe) jetzt irgendwo anlegen würde, kämen entweder diese Unternehmen oder Immobilien infrage.

    Beide Anlageoptionen sollten sich gegenüber steigenden CO2-Preisen bspw. ziemlich robust zeigen, weil diese Kosten diese Unternehmen kaum belasten... und auch Immobilien nicht schlüssig entwerten. Man kann sie zu Teilen aufrüsten und die Kosten umlegen. Verträge mit Energieunternehmen schließen Mieter i.d.R. noch immer selbstständig.

    Dann postete ich eine Statistik, die besagt wieviel CO2 in der jeweiligen Wertschöpfungskette der Unternehmen steckt. Dann willst Du mit mir darüber Diskutieren ob SAP, mit ganz wenig CO2 innerhalb der Wertschöpfung, aber gleichzeitig das wertvollste Deutsche Unternehmen, wirklich ein Digitalkonzern ist. Ich bringe eine neue Quelle von Amazon, die belegt, dass die CO2-Belastung, gemessen am Wert des Unternehmens, ein "Fliegenschiss" ist. Weshalb sie es sich auch locker werden leisten können bis 2040 klimaneutral zu werden. https://www.faz.net/aktuell/wi…0-erreichen-16393660.html


    Aber Utan hat einen anderen Fokus. Das Kapital am Aktienmarkt ist gar nicht so entscheidend, entscheidend sind makroökonomische Prozesse, die Wachstum verlangen, was nur mit höheren Emissionen möglich wäre, weshalb sich das "Industriekapital" wieder mal global durchsetzen wird und ich ja auch nur Annahmen träfe.


    Und an der Stelle will ich mich jetzt wirklich nur auf meine Beobachtungen und meine Berechnungen zurückziehen; Dass ein Kohlekraftwerk, welches von Vattenfall erst 2015 an den Start gebracht und schon im Dezember 2020 vom Netz genommen wurde, hat eine Bedeutung in der Branche. Innerhalb einer Marktberatungstelko mit 2 Duzend anderen Energieversorgern wurde dieser Vorgang als "Bankrotterklärung für die Kohle" bezeichnet. Und das ist auf Grund der seit 2018 gestiegenen CO2-Preise auch rechnerisch logisch und nachvollziehbar. Die ganzen Emissionsminderungen 2018 auf 2019 sind mit dieser Preisentwicklung verbunden. Ich bitte das einfach mal zur Kenntnis zu nehmen. Hier haben sich eben nicht die Energieunternehmen durchgesetzt, sondern der Mechanismus für Klimaschutz. Auch wenn ich mich z.B. auf der E-World, der europäischen Leitmesse für Energie, auf der alle Unternehmen, die in der Branche was zu sagen haben, vertreten sind umschaue und mich hier und da mit Vertretern unterhalte ist das entscheidende Thema die Energiewende und damit einhergehend der CO2-Preis. Wo geht der noch hin?

    Und da muss ich Dich, lieber Utan, auch berichtigen; nach BEHG ist der CO2-Preis evtl. (!) bei 65€/Tonne gedeckelt. Das gilt allerdings nicht für den EU-ETS-Handel für die ganz großen Verbraucher. Da kann der Preis in 10 Jahren auch bei 500€/Tonne liegen. es gelten Angebot und Nachfrage, fertig. Und die Menge wird gemäß der europäische Klimaschutzziele Jahr für Jahr nach Unten gesetzt. Und dieser Mechanismus bringt die Unternehmen ins Schwitzen. In den letzten 2 Jahren hat sich sehr viel verändert; Grundannahmen, Investitionsentscheidungen etc... Ich denke, es könnte mit weiteren Abschaltungen, zu Knappheiten und Preisexplosionen kommen...aber...ich denke ich habe hier schon sehr viel dazu geschrieben...

    Eurer Ansicht nach sind Klimaschutz und kapitalistische Systeme nicht miteinander vereinbar, ich erlebe, zumindest dort wo besonders viel anfällt, nämlich in der Energiebranche, ein echtes Umdenken (freilich aus wirtschaftlichen Gründen, aber es ist ein Umdenken) und mehr kann und will ich dazu eigentlich nicht mehr sagen.

    Auch im Verkehr finde ich es mindestens bemerkenswert wenn ein Unternehmen wie Tesla nun am Finanzmarkt mit Geld zugeschüttet wird, während VW, Daimler und BMW einen so niemals erwarteten Nachfrageeinbruch erleben und beim Staat um Geld betteln müssen. Der wichtigste deutsche Industriezweig steckt bis zum Hals in der Scheiße, weil sie nicht im Ansatz gerade solche Autos wie Tesla hinbekommen, basierend auf einer klimafreundlichen Technik. Ich gebe solchen Vorgängen Bedeutung. Das ist vielleicht mein Fehler, aber ich halte von dem was ich sehe und rechnen kann eben mehr als makroökonomische Analysen, die hier (zumindest mir nicht) mit Zahlen, Daten, Fakten hinterlegt wurden, sondern eben häufig auch bloß etwas "gefühlig" bleiben. Sorry!

  • Okay, @Danton,


    Dass sich da seit einigen Jahren irgendwas bewegt, hat glaube ich niemand hier in Frage gestellt. Wie ich schon erwähnt hatte, gibt es ja mittlerweile auch seitens des organisierten Großkapitals durchaus Bestrebungen, die Energiewende zur großen Gelegenheit umzubauen, um den ohnehin tendenziell fallenden Profitraten auf gesättigten Märkten entgegen zu wirken, indem man neue, als klimafreundlich und innovativ an- und einzupreisende Marksegmente erschliesst, und sich dabei die Unterstützung der Politik sichert, indem man das als grünen Kapitalismus verkauft.


    Die ganz einfache Frage wäre allerdings:


    Glaubst Du, dass das ausreichen wird um, wie ich nun zum dritten (und letzten) mal wiederhole:

    ...vielleicht irgendwie noch das allergröbste an katastrophalen Auswirkungen zu verhindern...

    ...oder ob es dazu nicht doch nötig wäre, noch wesentlich einschniedendere Maßnahmen auch...

    ...gegen die Interessen des organisierten Industriekapitals...

    ...durchzusetzen?


    Und bisher hast Du zwar Zahlen genannt, aber eben keine, die irgendwen unter den vielen Menschen auf der ganzen Welt, die nach wie vor davor warnen, dass nicht mal ansatzweise genug getan wird (und die sich mit der Thematik und ihren technischen Details sicher wesentlich besser auskennen, als ich alter Küchenökonom und Salonmarxist) bisher davon überzeugt hätte, das sich damit die Katastrophe noch abwenden liesse.


    Die Annhame, dass dieses Ziel erreicht werden könnte, ohne ein breites Umdenken in Richtung ernsthafter Transformation aus dem Kapitalismus heraus zum Kern zukünftiger Klima- und Wirtschaftspolitik zu machen, bleibt damit letztendlich genauso "gefühlig" wie mein Gewetter gegen die Ideologie, die ein solches Umdenken verhindert.

  • :)

    Auf der Ebene können wir die Diskussion gerne führen...

    Bis später!

  • Die Anti-Atomhaltung wird sich nicht ändern. Die Probleme mit den nicht existierenden Endlagern sind bereits jetzt schon kaum tragbar und kosten jedes Jahr Unmengen. Selbst wenn die Kraftwerke 100% GAU-sicher sein würden bleibt dieses Hauptproblem.

    Im oben verlinkten Video erklärt Volker Quaschning, dass selbst wenn wir Atomstrom wollen würden, wir dafür keine Infrastruktur haben. Der Bau der Kraftwerke würde Jahre dauern. Zeit, die wir nicht mehr haben. Außerdem erklärt er, dass für weltweite Umrüstung zu Atomkraftwerke der Rohstoff Uran in wenigen Jahren aufgebraucht sein würde. Von den hohen Marktpreisen im Vergleich zu Erneuerbare ganz zu schweigen.

    Es sieht für mich, selbst wenn man einzelne Aspekte ausklammern würde, jedenfalls nicht nach einer Alternative aus. Da Quaschning auch der Meinung ist, dass es technisch auch ohne Atomstrom funktioniert und ich bisher kein Argument kenne, welches das Gegenteil nahelegt, wüsste ich nicht, wieso ich daran zweifeln sollte. Es gibt ja weitere sinnvolle Technologien, die er gar nicht angesprochen hat und ebenfalls einen Beitrag leisten können.

    Ich habe nicht für neue Atomkraftwerke plädiert. Ich bin dafür, die bestehenden Atomkraftwerke weiter zu betreiben, um entsprechend früher aus der Kohle auszusteigen.

    Die Parteien, die das nicht wollen, besonders die Grünen, priorisieren damit ganz klar den Atomausstieg vor dem Klimawandel. Meine Priorisierung ist dagegen umgekehrt.

    Der Atommüll ist ein Alibiargument, da das Problem im Vergleich zum Klimawandel erstens viel, viel, viel weniger relevant ist und zweitens nicht massiv verschärft wird, wenn wir die bestehenden Atomkraftwerke 10 Jahre länger betreiben.

    Langfristig bin ich wie die meisten für annähernd 100% erneuerbare Energien.

    Nur gibt es da bis heute keine Speicherkonzepte, um besonders die bei uns sehr großen Unterschiede zwischen Winter und Sommer zu Überwinden und besonders bei den Grünen und den Linken sehe ich hier auch keine großen Anstrengungen, Lösungen für die Speicherprobleme zu finden.

    Im Gegenteil zeichnen sich Grüne vor allem immer dadurch aus, dass sie notwendige Trassen oder Infrastrukturprojekte durch Bürgerinitiativen blockieren. Grünen scheint es wichtiger zu sein, Geld für Homöopathie auszugeben als für erneuerbare Energien, auch hier sind meine Prioritäten entschieden anders.

    Das mit "XYZ ist nicht wichtig, dass etwas funktioniert" trifft meines Erachtens aktuell auf alle großen Parteien zu. Du nanntest LINKE und Grüne und ich ergänze mit FDP, Union, SPD und AfD. Und gerade die GroKo hatte es so viele Jahre in der Hand, aber bei den Bestrebungen bisher erreichen sie nicht einmal ihr eigenes Klimaziel, welches bereits zu schwach ist um den ernst der Lage zu verstehen. Deshalb wundert es mich, dass du mit deiner Einstellung zum Klima dennoch CDU oder FDP wählen würdest.

    Würde zustimmen, dass keine der großen Parteien aktuell ein gutes, ökonomisch durchführbares Klimakonzept hat, dass auf maximale Effizienz und Effektivität ausgerichtet ist. Aber wenn man solche Stimmen hört, dann noch am ehesten von parteiunabhängigen Ökonomen. Klimawissenschaftler sind am besten darin zu erkennen, was gemacht werden muss, Ökonomen wissen am besten, wie und mit welchen gesellschaftlichen Anreizsystemen diese Ziele erreicht werden können. Die Klimawissenschaftler werden eher von den rechten Parteien ignoriert, die Ökonomen werden von allen Parteien ignoriert, wenn überhaupt, werden die Ansätze des Emissionshandels als wichtigstes Mittel höchstens noch von Vertretern der FDP vereinzelt genannt.

    Und der 3. Punkt wurde schon 2x angesprochen. Aber ich möchte das mal etwas anders formulieren. Mal angenommen die Armut und der Krieg ist schlimmer. Wenn der Klimawandel das begünstigt und letztlich sogar verursacht, die Klimaerwärmung als Ursache dann nicht gerade deshalb schlimmer?


    Nein, Armut und Krieg sind schlimmer. Diese haben immer viele Ursachen. Die Klimaerwärmung kann dazu beitragen, löst aber nicht zwangsläufig Armut und Krieg aus. Dank des Kapitalismus sind wir heute um eine Potenz von 10 oder 100 reicher als vor 300 Jahren und dadurch auch in einer viel besseren Ausgangssituation, uns an eine sich verändernde Umwelt anzupassen.

    Der wichtigste Faktor für Armut wird beispielsweise die Ernährung sein. Hier haben wir selbst bei viel schlechteren Bedingungen riesige Potentiale die Ernährungssituation weltweit zu verbessern, indem einfach der Fleischkonsum minimiert wird. Auch Migrationsfragen können hervorragend gelöst werden, wenn Menschen aufgrund des Klimawandels migrieren müssen.


    Beispielsweise könnten gigantische heute unproduktive Flächen in Sibirien oder Kanada für Milliarden von Menschen ein neues Zuhause auf einem +6° Planeten bieten. Dies wäre dann keine Verschlechterung, sondern sogar eine Verbesserung für die Leute, die heute schon unattraktivere Gebiete in zum Beispiel Afrika verlassen, als auch für die aufnehmenden Staaten, die damit ihre Bevölkerungsstruktur massiv verbessern können.


    Davon abgesehen, ich hatte vor ein paar Jahren mal ein Gespräch mit einem Inder, der schon bisschen in der Welt herum gekommen ist. Er meinte in Gegenden, wo reiche Leute auf der anderen Straßenseite zu sehr armen Leuten leben, wirken die armen Leute glücklicher, weil das Zwischenmenschliche im positiven Sinne viel ausgeprägter ist. Das heißt nicht, dass Armut etwas gutes ist, aber die Korrelation ist recht interessant.

    Das ist zwar ein nettes anekdotisches Beispiel von dem Inder, aber die Wissenschaft widerspricht der These, dass das Zwischenmenschliche im positiven Sinne unter Armen viel ausgeprägter ist, doch sehr deutlich. Aber es ist klar, dass dieser Eindruck in Gegenden, in denen Arme und Reiche gegenüber leben, leicht entstehen kann. das Zwischenmenschliche im positiven Sinne ist bei Menschen in den allermeisten Fällen allgemein sehr ausgeprägt, also ist es auch nicht verwunderlich, dass man das überall, wo Menschen sehr exponiert sind, auch gut beobachten kann. Die Korrelation gibt es aber nicht, sondern wissenschaftlich eher die Korrelation, dass sich reichere Menschen sozialer verhalten als ärmere Menschen. Ich würde das aber nicht direkt auf den materiellen Wohlstand zurückführen, sondern einfach auf die Tatsache, dass Menschen unter Sorgen, Stress oder Existenzängsten sich weniger sozial verhalten und diese Dinge bei ärmeren Menschen im Schnitt ausgeprägter sind.

  • Also ich kann und werde Herrn Quaschning z.B. nicht mit irgendwelchen Zahlen, die ich errechnet habe, von irgendetwas überzeugen.

    Er hatte in der letzten Runde aber auch komplett recht, indem er darauf hinwies, dass deutlich mehr Windräder, PV und Speicher gebaut werden müssen als bisher.

    Warum unsere Politik hierfür die Ausschreibungsmengen nicht endlich erhöht oder diese bescheuerte Umlage auf selbsterzeugten PV-Strom mal abschafft, kann ich wirklich nicht verstehen. Ich vermute allerdings nicht, dass diese unterlassene Hilfeleistung für die Energiewende etwas mit Kapitalinteressen irgendwelcher Großkapitalisten zu tun hat, sondern eher etwas mit dem äußerst schleppenden Netzausbau (der an vielen Stellen auf Grund von Einspruchsverfahren aus der Bevölkerung heraus hängt) und Bedenken um die Netzstabilität... weitere Gründe kann ich nicht ausschließen, aber irgendein KKW in der Lausitz wird sicherlich nicht der Grund sein.

    Ob wir das noch halbwegs anständig hinbekommen? Ich sag mal so; vor 10 Jahren wäre der heutige Stand super gewesen. Man muss jetzt einfach Prioritäten setzen und das Thema mit klarem Fokus angehen, aber auch entscheidende Fragen beantworten:

    Wie wichtig ist uns Versorgungssicherheit? Also: Sind wir im Zweifel bereit auch mal in Energielockdowns zu gehen, wenn die erneuerbaren mal über Wochen schwach sind oder müssen wir hier vielleicht doch von dem 100%-Ziel 2050 abrücken und Kompensation betreiben?

    Wie wichtig ist uns eine Energieintensive Industrie? Auf lange Sicht wäre sie in Gefilden mit von Haus aus mehr erneuerbaren Energien einfach besser aufgehoben...

    Wie gelingt es uns das ganze Thema sozial zu gestalten, damit Klimaschutz nicht am Ende noch als Klassenkampf von Oben wahrgenommen wird?

    Und vor allem: Wie gelingt uns personell die Umsetzung, weil Geld und politischer Wille am Ende gar nichts nützen, wenn die Fülle an Monteuren fehlt um Leitungen und Brennstoffzellen zu montieren?

    Also das müsste man schon sehr bald mal klären, neben all den technischen Schwierigkeiten...

    Ich habe nur irgendwie nicht den Eindruck, dassman sich gerade mit solchen Fragen befasst, obwohl sie sich in der oder anderer Form bald sehr konkret stellen.

    Wenn allerdings die Antworten auf all diese Fragen die Gesellschaft spalten oder mehrheitlich aufwiegeln, gehe ich davon aus, dass die Energiewende einfach nur abgewählt wird und man sich lieber auf die Folgenabwehr konzentriert.

    Ob die Energiewende noch gelingt oder nicht hängt in meinen Augen also stark davon ab inwieweit die Bevölkerung bereit ist mitzumachen. Die 40% Abhängigkeit im Strom merkt man nicht. Aber 80% wird man merken, weil die eben sehr starken Schwankungen unterlegen sein werden.

    Zudem wird man, gerade für Wärme, noch ganz schön viel bauen und umrüsten müssen.

  • Ich vermute allerdings nicht, dass diese unterlassene Hilfeleistung für die Energiewende etwas mit Kapitalinteressen irgendwelcher Großkapitalisten zu tun hat, sondern eher etwas mit dem äußerst schleppenden Netzausbau (der an vielen Stellen auf Grund von Einspruchsverfahren aus der Bevölkerung heraus hängt) und Bedenken um die Netzstabilität...

    Oh ich schau dir vielleicht mal Peter Altmeiers Politik an, diese ist größtenteils genau abgestimmt auf die Energieversorgerkonzerne. Lektüre dazu 2017: "Das fossile Imperium schlägt zurück. Warum wir die Energiewende jetzt verteidigen müssen" von Claudia Kemfert

  • Ich vermute allerdings nicht, dass diese unterlassene Hilfeleistung für die Energiewende etwas mit Kapitalinteressen irgendwelcher Großkapitalisten zu tun hat, sondern eher etwas mit dem äußerst schleppenden Netzausbau (der an vielen Stellen auf Grund von Einspruchsverfahren aus der Bevölkerung heraus hängt) und Bedenken um die Netzstabilität...

    Ach soo.


    Schuld daran, dass man den in großen privaten Investitionsprojekten erzeugten Konzernstrom nicht einfach quer durch die Republik transportiern kann, anstatt ihn dezentral und womöglich gar von kommunalen Betreibern nah am Verbraucher erzeugen zu lassen, sind natürlich diese ganzen egoistischen, rückständigen und dummen Menschen in der Provinz, die sich ihre Dörfer und Landschaften nicht mit Hochspannungsmasten verschandeln und ihre Äcker nicht mit planierten Schneisen für unterirdischen Leitungen austrocknen lassen wollen.


    Die dogmatischen Marxisten-Leninisten vom Deutschlandfunk zeigen sich bezüglich dieser Erkenntnis leider uneinsichtig und konstruieren lieber wilde Verschwörungstheorien:

    Windstrom für den Süden - Braucht die Energiewende die Stromtrassen wirklich?


    Auch der Rest vom Artikel ist natürlich nur ähnlich gefühliges Ideologenzeugs.


    Am besten gar nicht erst lesen.

  • Wären Dir 300 Preiszonen lieber? Mir nicht. Ich fände es zudem ungerecht, wenn nun dort, wo besonders viel erneuerbare Energien vorhanden sind z.B. an der Küste, die Strompreise super günstig sind und im Inland teuer. Zumal die erneuerbaren über die EEG-Umlagen vorher teuer finanziert wurden. Sollen dann Entschädigungen fließen? Und wie soll der Inländer in Gebieten mit weniger Wind bezahlbar an erneuerbare Energien kommen? Soll die Industrie jetzt an die Küste ziehen (zum Teil wäre das sicher wirklich nicht verkehrt).... Die Alternative, 300 Preiszonen und kein Netzausbau, bietet wirklich wenig Vorteile....

    Vorallem weil wir dann Offshore zubauen könnten wie bekloppt, am Ende müssten wir abregeln...oder mit schlechten Wirkungsgrad H2 herstellen, weil es keine Abnehmer gäbe... alles in allem keine gute Alternative

  • Ich stelle mit Bedauern erneut fest, @Danton, dass Du mal wieder nicht auf die, auch in dem Deutschlandfunk-Beitrag angesprochene, grundsätzliche Problematik marktbasierter Lösungen für vom Markt verursachte Probleme eingehen willst, sondern statt dessen versuchst, die argumentativen Torpfosten auf eine Frage des Preises - also auf eine nur innerhalb jenes kritisierten Marktzusammenhangs relevante Angelegenheit -, bzw. auf eine technische / technokratische Detaildiskussion zu versetzen, innerhalb derer Du als Mann vom Fach natürlich mit einer Expertise glänzen kannst, welcher Nicht-Fachleute nur schwer etwas entgegen setzen können.


    Über Fragen der möglichen techn(okrat)ischen Umsetzung wird allerdings hier und im gleichnamigen Thread im alten Forum schon seit mehreren hundert Seiten und vielen tausend Beiträgen diskutiert, während über die sozioökonomischen, politischen und ideologischen Verhältnissen die denselben immer noch massiv im Weg stehen eher wenig bis gar nicht gesprochen wird.


    Ich halte mich aus der technischen Diskussion ganz bewusst raus, weil mir dazu das Fachwissen fehlt und ich nicht die Zeit habe, es mir anzueignen. Allerdings kann man auch ohne Ingenieursstudium oder sonstige (verwaltungs-)technische Ausbildung durchaus feststellen, dass die Politik hier nicht hauptsächlich vom Widerstand der Bevölkerung davon abgehalten wird, die technischen Lösungen umzusetzen, sondern von ihrer Verpflichtung gegenüber den Industrie- und Energiekonzernen in Deutschland und Europa, deren Wettbewerbsfähigkeit um jeden Preis aufrecht zu erhalten - sofern jener Preis nicht von den Profiteuren des Wettbewerbes bezahlt werden muss, sondern vom Rest der Gesellschaft.

  • Ich stelle mit Bedauern erneut fest, @Danton, dass Du mal wieder nicht auf die, auch in dem Deutschlandfunk-Beitrag angesprochene, grundsätzliche Problematik marktbasierter Lösungen für vom Markt verursachte Probleme eingehen willst, sondern statt dessen versuchst, die argumentativen Torpfosten auf eine Frage des Preises - also auf eine nur innerhalb jenes kritisierten Marktzusammenhangs relevante Angelegenheit -, bzw. auf eine technische / technokratische Detaildiskussion zu versetzen, innerhalb derer Du als Mann vom Fach natürlich mit einer Expertise glänzen kannst, welcher Nicht-Fachleute nur schwer etwas entgegen setzen können.


    Über Fragen der möglichen techn(okrat)ischen Umsetzung wird allerdings hier und im gleichnamigen Thread im alten Forum schon seit mehreren hundert Seiten und vielen tausend Beiträgen diskutiert, während über die sozioökonomischen, politischen und ideologischen Verhältnissen die denselben immer noch massiv im Weg stehen eher wenig bis gar nicht gesprochen wird.


    Ich halte mich aus der technischen Diskussion ganz bewusst raus, weil mir dazu das Fachwissen fehlt und ich nicht die Zeit habe, es mir anzueignen. Allerdings kann man auch ohne Ingeniersstudium oder sonstige (verwaltungs-)technische Ausbildung durchaus feststellen, dass die Politik hier nicht hauptsächlich vom Widerstand der Bevölkerung davon abgehalten wird, die technischen Lösungen umzusetzen, sondern von ihrer Verpflichtung gegenüber den Industrie- und Energiekonzernen in Deutschland und Europa, deren Wettbewerbsfähigkeit um jeden Preis aufrecht zu erhalten - sofern jener Preis nicht von den Profiteuren des Wettbewerbes bezahlt werden muss, sondern vom Rest der Gesellschaft.

    Also... ich hab’s mir jetzt komplett durchgelesen. Es freut mich, dass Herr Matthes dort zu Wort kommt. Ich habe ihn 2mal live zu anderen Themen sprechen hören und war ziemlich schnell überzeugt von dem was er damals sagte. Ich konnte und kann ihn auch an diesem Punkt sehr gut nachvollziehen und freue mich, dass er ähnliche Gedanken zum Thema hat.

    Ideologisch halte ich ihn für einen aufrichtigen Klimaschützer. Er hat damals sehr lange darüber gesprochen welche Folgen die Erderwärmung in anderen Regionen auf der Welt so hat, was in dem Rahmen eigentlich klar Offtopic war, aber es war ihm wichtig, dass das alle begreifen.

    Auch hier finde ich es völlig nachvollziehbar, was er anbringt. Die 700-750 TWh habe ich hier auch schon thematisiert...

    Für fundierte fachmännische Aussagen müsste ich rechnen oder Rechnungen recherchieren...inwieweit diese Leitungen nötig sind. Im Kontext werde ich aber immer zur Matthes-Position tendieren.

  • Im Kontext werde ich aber immer zur Matthes-Position tendieren.

    Du meinst den Mathes der z.B. folgende Metastudie mit verfasst hat?:


    https://www.oeko.de/fileadmin/…ierung-und-Stromnetze.pdf


    Das ist bestimmt eine qualifizierte Analyse zur technischen (und ökonomischen) Machbarkeit dezentralerer (onshore, PV, Biogas, etc. in der Provinz) vs. zetralisierter (offshore WK im Norden) Ansätze und der entsprechenden Anforderungen an den Netzausbau.

    Allerdings macht sie - so weit ich das beim kurzen Querlesen von Einleitung und Synthese am Schluss erkennen konnte - genau das nicht, wovon ich die ganze Zeit rede: Die Energiewende im Hinblick darauf zu analysieren, ob sie unter den gegebenen sozioökonomischen Verhältnissen machbar wäre oder ob man an diesen Verhältnissen und ihrem profitgetriebenen Energiebedarf nicht vielleicht massiv ertwas ändern müsste. Vielmehr geht sie offenbar einfach davon aus dass an denselben nichts zu rütteln sei, extrapoliert den heutigen Energiebedarf z.B. der großen Industriellen Zonen West und Süd kurzerhand in die Zukunft, und misst dann die Effizienz der verschiedenen Ansätze zu Energierzeugung und Netzausbau daran, ob sie für diesen künftigen Bedarf unter Maßgabe der Klimaschutzziele ausreichen würden. (Hint: Die dezentralen Ansätze würden es natürlich nicht)


    Sofern ich da nicht was Wichtiges übersehen habe, wäre das eigentlich genau das, worüber ich mich hier seit nunmehr schon wieder drei Tagen beschwere und worauf Du Dich standhaft weigerst, ernsthaft einzugehen.


    Das bringt ja so nichts.

  • Allerdings kann man auch ohne Ingenieursstudium oder sonstige (verwaltungs-)technische Ausbildung durchaus feststellen, dass die Politik hier nicht hauptsächlich vom Widerstand der Bevölkerung davon abgehalten wird, die technischen Lösungen umzusetzen, sondern von ihrer Verpflichtung gegenüber den Industrie- und Energiekonzernen in Deutschland und Europa, deren Wettbewerbsfähigkeit um jeden Preis aufrecht zu erhalten - sofern jener Preis nicht von den Profiteuren des Wettbewerbes bezahlt werden muss, sondern vom Rest der Gesellschaft.

    Ganz würde ich das nicht unterschreiben, denn es ist ja noch ein bisschen perfider: Der Widerstand der örtlich ansässigen Bevölkerung wird seitens der Politik, zumindest ist das meine, politischem Zynismus geschuldete, Vermutung, als Effekt fest einkalkuliert. Es gibt ja genug Konzepte und Ideen über finanzielle Beteiligung des Lokalkolorit quasi widerstandslos Windräder aufzustellen, Stromleitungen zu bauen etc.

    Man macht es nur nicht, weil es, wie Du ja richtig sagst, überhaupt nicht im Interesse der Konzerne ist, die an dezentralen Lösungen natürlich nichts verdienen. Dementsprechend ist es natürlich auch nicht im Interesse derer, die auf einen Aufsichtsratsposten in diesen Konzernen hoffen.

  • Stellungnahme des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. zum Netzentwicklungsplan 2030 (2019) und dem Umweltbericht (->PDF)

    "[...] Die Übertragungsnetzbetreiber erhalten eine gesetzliche (Anreizregulierungs-verordnung) Eigenkapitalrendite von 6,9 % (BNetzA, BGH Juli 2019) auf deren Investitionen. Allen anderen Betreibern von Onshore-Windenergie, KWK-Anlagen jeglicher Größe, Stromspeichern verschiedenster Art, PV-Anlagen, der Power-to-Gas-Technik, die in ihrem Zusammenspiel ebenfalls eine Bereitstellung der gleichen Strommenge (sowie auch Wärme aus KWK) wie im NEP angesetzt bieten können, erhalten nicht die gleichen Vorteile der Offshore-Windenergie.

    Dies bedeutet, dass hierdurch eine Bevorzugung der Errichtung und des Betriebs von HGÜ-Leitungen gegenüber anderen Technologien am Markt erfolgt. Diese Bevorteilung liegt im Doppelten darin, dass die Übertragungsnetzbetreiber für ihr Monopol eine besonders hohe Eigenkapitalrendite erhalten und die hierdurch bei den HGÜ-Leitungen erhöhten Transportkosten nicht auf die Stromlieferung gezielt umgelegt werden, die den Bau dieser Leitungen erfordern. Hinzu kommt, dass aufgrund der Ausfall-möglichkeiten der HGÜ-Leitungen, sowohl von Kabelverbindungen als auch in den Konvertoren, jeweils das (parallele) HDÜ-Netz soweit ausgebaut wird, dass es diese Ausfälle auffangen kann. (Schreiben der BNetzA an den BUND) Die HGÜ-Leitungen weisen daher eine besondere Privilegierung gegenüber anderen Stromübertragungen auf, da die ÜNB als Investoren eine besonders hohe Eigenkapitalrendite erhalten und zudem ein Ausfall ihrer Leitungen durch zusätzlichen Netzausbau im HDÜ-Netz übernommen wird und diese Kosten auch dem HGÜ-Transport nicht zugerechnet werden.

    All dies zeigt, wie sehr andere eher dezentrale und regionale Stromerzeugungs- und versorgungsoptionen belastet, behindert oder sogar verhindert werden. Das Konzept der „Kupferplatte Deutschland“ verbunden mit dem Konzept der entfernungs-unabhängigen „Briefmarke“ für Netzentgelte (je nach Spannungsebene) hat seit jeher schon die Stromübertragung ausgehend von Großanlagen begünstigt. Das Prinzip, dass EE-Anlagen keine Netzeinspeiseentgelte entrichten müssen, war und ist wesentliches Element für den bisherigen Ausbau der Onshorewind- und PV-Stromerzeugung. Nun wirkt es aber begünstigend vor allem für den Ausbau der Offshore-Windenergie, die aufgrund ihrer räumlichen Konzentration wie ein Großprojekt wirkt, dem durch die Politik wiederum Vorteile gegenüber kleineren, dezentralen Anlagen mit regionalen Konzepten eingeräumt werden. Es ist daher erforderlich, eine klarere Kostenzuordnung zu tätigen und für gleiche Ausgangsbedingungen auch für andere wichtige Optionen der Energiewende im Strombereich zu sorgen.

    Dies betrifft insbesondere die Gestaltung der Netzentgelte hinsichtlich der Zeit- und Entfernungsabhängigkeit (vgl.7) Die HGÜ-Projekte sowie einige andere Maßnahmen sind durch die Europäische Kommission als sog. „Project of common interest“ deklariert. Damit erhalten diese Projekte neben Förderung seitens der EU einen Status in der Netzplanung, die diese quasi unangreifbar macht. Diese Projekte sind daher einer Abwägung und Optimierung nicht mehr zugänglich. Damit ist die Mitwirkung und Beteiligung der Öffentlichkeit sowohl im Rahmen von Konsultationen als auch möglicherweise auf rechtliche Ebene ausgeschlossen.[...]"

    Aber das hat bestimmt alles nix mit den Interessen des Großkapitals zu tun. 6.9% Eigenkapitalrendite bekommt man zur Zeit ja quasi überall hinterher geschmissen.

  • Nee eine Diskussionen bringt wirklich nichts, solange Du jede Gelegenheit nutzt derartigen Experten die Redlichkeit und Expertise abzusprechen.

    Kollegen wie LDR wissen es sicher auch besser als dieser, in meinen Augen, ausgewiesene Fachmann, Klimaschützer und Starkstromingenieur.


    Regionale Energie-Autarkie war by the way auch mal in meiner Stadt ein Plan. Man wollte das mit Tiefengeothermie erreichen. In der Theorie war es wohl möglich für eine ganze Stange Geld sowas zu machen.

    Dann gab es eine Volksabstimmung und das Votum fiel dagegen aus. Die Bürger hatten Angst vor Erdrissen und Erdbeben. Als neulich mal eine Messung auf Wind durchgeführt wurde gab es auch sofort Protest. Und DESHALB habe ich mich jetzt auf „Kinderkacke“-Projekte fokussiert...

    Das wird aber noch lange nicht reichen um hier autark zu sein.

  • Das wird aber noch lange nicht reichen um hier autark zu sein.

    Autarkie sollte aber auch nicht der Gradmesser sein finde ich.

    Wenn durch ein paar Windräder der Strom für alle Bewohner im Umfeld einfach etwas günstiger wird oder es eine Beteiligung an den Gewinnen gibt, dann geht es in die richtige Richtung.

  • Nee eine Diskussionen bringt wirklich nichts, solange Du jede Gelegenheit nutzt derartigen Experten die Redlichkeit und Expertise abzusprechen.

    Du verdrehst meine Aussagen. Ich habe Herrn Mathes und seinen KollegInnen weder die Expertise noch die Redlichkeit in Bezug auf die Ergebnisse ihrer Metastudie abgesprochen.Ich habe sogar explizit geschrieben, dass ich das nicht tue.


    Das ist bestimmt eine qualifizierte Analyse zur technischen (und ökonomischen) Machbarkeit dezentralerer (onshore, PV, Biogas, etc. in der Provinz) vs. zetralisierter (offshore WK im Norden) Ansätze und der entsprechenden Anforderungen an den Netzausbau.


    Ich habe lediglich festgestellt, dass sie damit in Bezug auf das was ich hier bemängelt habe die falsche Fragestellung behandeln.

  • Autarkie sollte aber auch nicht der Gradmesser sein finde ich.

    Wenn durch ein paar Windräder der Strom für alle Bewohner im Umfeld einfach etwas günstiger wird oder es eine Beteiligung an den Gewinnen gibt, dann geht es in die richtige Richtung.

    Als ich hier mal ne Biovergärungsanlage, ne Flusswärmepumpe und ein Projekt für gegenseitige Abwärmenutzung in einem Industriegebiet vorgestellt habe, Maßnahmen, die genau DAS wollten, wurde das hier vom Forenmitglied LDR als „Kinderkacke“ bezeichnet....

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