Vielleicht liegt's daran, dass hier überwiegend Ingenieure, IT-Experten und Naturwissenschaftler aktiv sind, aber es erscheint mir relativ sinnlos, den Klimawandel nur anhand technischer oder naturwissenschaftlicher Fragestellungen zu erörtern.
Ich glaube die allermeisten hier sind sich darüber einig, dass es rein technisch möglich wäre, in relativ kurzer Zeit komplett auf erneuerbare Energien und CO2-neutrale Produktion umszustellen.
Das eigentliche Problem ist, wie man es politisch durchsetzen kann, dass die enstsprechenden ökonomischen Ressourcen dafür eingesetzt werden. Und da kommt man leider um die Systemfrage nicht herum, weil selbst die grünste Politik die private Wirtschaft nicht einfach dazu zwingen kann, ihr Kapital künftig in die Rettung des Klimas zu investieren und nicht mehr in seine größtmögliche Selbstvermehrung, so lange die herrschende politische Ideologie am Kapitalismus und dem Recht auf privates Eigentum an den technischen Produktionsmitteln festhält.
Der sozialdemokratische Ansatz, eine vom Staat mit Anreizstrukturen und Rahmenbedingungen zurecht regulierte kapitalistische Marktwirtschaft in einen gemeinnützigen, klimarettenden Fortschrittsmotor zu verwandeln und ihn dann politisch je nach Bedarf zu regeln wie eine geölte Maschine, ist ein Selbstbetrug, der schon seit hundert Jahren an den inhärenten Widersprüchen des kapitalistischen Produktions- und Distributionsprozesses scheitert.
Wollte der Staat die gesamte private Idustrie, die Logistikbranche und die Energiewirtschaft dazu anreizen, künftig nur noch in erneuerbare Energie und nachhaltige Produktionstechnik zu investieren, dann müsste er in der Lage sein, den privaten EigentümerInnen der Produktionsmittel mindestens die selben, oder sogar höhere Profitraten damit zu ermöglichen, als sie jetzt mit dem Verheizen fossiler Brennstoffe und der Verschwendung immer knapper werdender Ressourcen erzielen können.
Das wäre unter weitgehender Beibehaltung des Wettbewerbsgedankens und marktwirtschaftlicher Gewinnerzielung für die privaten Unternehmen nur dann möglich, wenn der Staat selbst das Investitionsmopol an sich risse, wenn er also als größter aller Investoren aufträte und die Staatsfinanzierung derart von den Finanzmärkten entkoppelte, dass sie völlig unabhängig von ihnen funktionieren könnte. Der Staat müsste also eigentlich zum größten Kunden der privaten Wirtschaft werden um dann - ganz ähnlich wie es heutige Kartelle, Oligo- und Monopole aus Großkonzernen ohnehin schon tun - seinen privaten Zulieferern und Auftragnehmern die Einkaufsbedingungen diktieren, um seinen eigenen "Kunden", also der breiten Bevölkerung, bezahlbare Preise für den Konsum der betroffenen Produkte und Dienstleistungen bieten zu können.
Selbst die Modern-Monetary-Theory geht allerdings nicht so weit, zu fordern, der Staat solle das Geldschöpfungsmonopol vollständig an sich reissen und zum Gegenstand politischer Einflussnahme machen, oder gar das Bankensystem verstaatlichen, um Kontrolle darüber zu erlangen, wer worin investieren und damit Profit machen darf.
Abgesehen davon käme das zum Einen einer zentralisierten Planwirtschft schon relativ nahe und würde höchstwahrscheinlich dem ganzen Betrieb genau die ökonomische Dynamik wegnehmen, die er eigentlich braucht, um auch weiterhin ordentlich Profit für die EigentümerInnen der Produktionsmittel abzuwerfen, und zum Anderen wäre damit der politischen Klasse eine gewaltige Machtfülle in die Hand gegeben, die sich bei entsprechender Gesinnung dann sogar tatsächlich in die sprichwörtliche, vor allem von rechts immer wieder als Horrorbild an die Wand gemalte "Öko-Diktatur" entwickeln könnte.
Wollte man den ganzen Prozess demokratisch vollziehen, dann führt - jedenfalls meiner salonmarxistischen Ansicht nach - kein Weg daran vorbei, nicht den Staat zum obersten Kapitalisten umzufunktionieren, sondern die Unternehmen samt Produktionsmitteln selbst in die demokratische Kontrolle der Menschen zu übergeben, die darin arbeiten, und ihnen so überhaupt erst wieder ein Bewusstsein dafür zu geben, dass ihre Arbeit nicht bloß zur abstrakten Geldvermehrung für irgendwelche Anteilseigner dient, sondern zur Herstellung von Gütern und Dienstleistungen, über deren Sinn und Unsinn sie selbst entscheiden können und sich daher auch selbst Gedanken darüber machen müssen ob, wie und in welcher Menge es überhaupt Sinn ergibt, sie zu produzieren, anstatt das von irgendwelchen privaten EigentümerInnen, oder von ExpertInnen und PolitikerInnen entscheiden zu lassen, mit denen sie nichts zu tun haben und denen sie sowieso nicht über den Weg trauen.
Das kann man natürlich nicht von Heute auf Morgen herbei revolutionieren, aber es muss zumindest als Möglichkeit und Ziel aller politischen Bestrebungen für eine gerechtere und umweltschonendere Verteilung von Ressourcen gedacht werden.
Die Alternative ist eine weitere Loslösung politischer, ökonomischer, und wissenschaftlicher Technokraten-Diskurse vom Bewusstsein, vom täglichem Leben, und vom individuellen Erfahrungshorizont der arbeitenden Bevölkerung, die sie nur noch weiter in den hirnlosen Konsum von sinnlosen Produkten treibt, die sie eigentlich gar nicht brauchen und für deren Herstellung massenhaft Energie und Rohstoffe verschwendet werden müssen, und für dessen uneingeschränkte Aufrechterhaltung sie bereit ist, jedem politischen Bauernfänger hinterher zu laufen, oder ihn in ein politisches Amt zu wählen, der ihr auch weiterhin die größtmögliche indivduelle Konsumfreiheit verspricht.