Populismus - Freund oder Feind der Linken?

  • Ich lass den Fund mal unkommentiert, allein schon da ich da nix qualifiziert kommentieren kann, hier:


    https://www.marxists.org/deuts…charin/1918/xx/anarch.htm

    "N.Bucharin, Anarchismus und wissenschaftlicher Kommunismus, Hamburg 1918.

    Nachgedruckt in Karl-Heinz Neumann (Hrsg.), Marxismus Archiv, Bd. I, Marxismus und Politik, Frankfurt/M. 1971, S. 272–279.

    Transkription u. HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive."

  • Nun, der Konsens ist ja den Kapitalismus und die Klassengesellschaft zu überwinden. Der Weg das nachhaltig zu bewerkstelligen wird halt unterschiedlich bewertet.

    Naja, der Konsens bei wem? Also jetzt in Bezug auf das Verständnis dessen, was welches Wort Bedeutet bzw was dann die entsprechenden Zielsetzungen bzw genaueren und gesamten Konzepte welche von den jeweiligen Worten benannt werden sind. Und ich meine da nun auch nicht nur das Selbstverständnis. Die fehlende Klarheit die ich meine besteht ja gerade in der breiten Bevölkerung und dadurch hat da irgendwie jeder ne eigene Vorstellung und die Meisten sind ja irgendwie doch recht weit weg von dem was die "wahren Verfechter" oder was ursprünglich oder ja was eigentlich, welche Quelle ist hier ausschlaggebend, damit meinten/gemeint war.

  • Naja, der Konsens bei wem? Also jetzt in Bezug auf das Verständnis dessen, was welches Wort Bedeutet bzw was dann die entsprechenden Zielsetzungen bzw genaueren und gesamten Konzepte welche von den jeweiligen Worten benannt werden sind. Und ich meine da nun auch nicht nur das Selbstverständnis. Die fehlende Klarheit die ich meine besteht ja gerade in der breiten Bevölkerung und dadurch hat da irgendwie jeder ne eigene Vorstellung und die Meisten sind ja irgendwie doch recht weit weg von dem was die "wahren Verfechter" oder was ursprünglich oder ja was eigentlich, welche Quelle ist hier ausschlaggebend, damit meinten/gemeint war.

    Entweder überwinden wir den Kapitalismus, oder er wird uns überwinden, und das meine ich ernst.

  • Und bevor wir jetzt noch seitenlang bolschewistische Revolutionäre von vor hundert Jahren zitieren googlen wir vielleicht erst mal:

    Anarchokommunismus, Anarchosyndikalismus

    ...und suchen nach Quellen, die nicht geschrieben wurden, als der verheerende, idustrialisierte erste Weltkrieg gerade erst beendet worden war, um dann in Russland direkt in die bewaffnete Revolution gegen jene imperialistische Bourgeoisie überzugehen, die ihn gegen andere imperialistische Bourgeoisien geführt hatte.

  • Du meinst sowas wie das hier




    Naja aber so gehts ja dann weiter. Erst wird nix klar gemacht und gesagt, dann schaut man selber und muss sich dann noch anhören, dass des was man selber so geschaut hat kacke is, weil zu alt oder was auch immer. Ist "von vor hundert Jahren" jetzt eigentlich nen Ausschlusskriterium oder macht es die Aussagen weniger wahr und/oder gehaltvoll? Es wird echt immer komplizierter mim Einordnen...


    Naja immerhin scheint man sich ja doch auf Antikapitalismus einigen zu können... dann wäre das ja vllt das richtige Wort? Wobei vermutlich dann auch da wieder jeder was anderes drunter versteht und ka wie viele Leute in ka wie vielen unterschiedlichen Zeitrechnungen schon was dazu zum Besten gegeben haben.

  • nachdenklich Die anarchistische Revolution in Spanien 1936 hat die These des orthodoxen Marxismus (Marxismus-Leninismus), nämlich dass die Arbeiter eine Partei brauchen, um den Staat und die Klassenverhältnisse zu überwinden, widerlegt. Der Text, den du zitiert hast, ist ein gutes Beispiel für dokrinäres gefassel, dem viele Marxisten anhängen. Und dem Marx sehr wahrscheinlich widersprochen hätte.


    nachdenklich Jeder Mensch ist Anarchist. Jeder Mensch hat einen angeborenen Instinkt frei leben zu wollen, sich kreativ zu betätigen, sein eigenes Leben unter seiner eigenen Kontrolle zu haben, ohne fremdbestimmt zu sein oder von einer Autorität abzuhängen und jeder Mensch will auch kooperativ mit anderen Menschen sein. Alle Menschen haben diese Charaktereigenschaften. Uns alle verbindet das. Aber du brauchst mir nicht zu glauben, schau einfach bei dir selbst, ob du die Herrschaft eines anderen Menschen über dich akzeptieren würdest (egal in welcher Beziehung), wenn du die Alternative hättest frei zu leben. Und die Frage, die der Anarchismus beantworten will, ist einfach die Frage, wie eine hierarchiefreie Gesellschaft organisiert werden kann. Und wir haben ein Mittel, mit dem das realisiert werden kann zu einem Großteil, nämlich durch die Demokratisierung der Gesellschaft. Vor allem durch die Demokratisierung der Wirtschaft.


    hab noch paar edits gemacht

  • Wenn ich es richtig verstanden habe, streben die irgendwie einen Anarchistischen Kommunismus an. Bei dem Anwalt scheint die Ablehnung jeglichen Staats/Systems soweit zu gehen, dass er nicht mal das Wort "Demokratie" überhaupt noch als akzeptable Utopie akzeptiert, also nicht mal eine in seinem, perfekten Sinne, das finde ich schon krass.

    Mit "Demokratie" meint er die "bürgerliche Demokratie". Das ist die Form der Demokratie in den meisten westlichen Staat heutzutage In Deutschland die "parlamentarisch-repräsentative Demokratie". Das ist eine Minimalform von Demokratie. Es gibt aber viele andere Formen von Demokratie, zb Rätedemokratie oder Wirtschaftsdemokratie (die es in unserer derzeitigen bürgerlichen parlamentarisch-repräsentativen Demokratie nicht gibt).

  • Naja aber so gehts ja dann weiter. Erst wird nix klar gemacht und gesagt, dann schaut man selber und muss sich dann noch anhören, dass des was man selber so geschaut hat kacke is, weil zu alt oder was auch immer.

    Es ist nicht "kacke weil zu alt", sondern es ist eine Kampfschrift aus der Zeit der russischen Revolution, mit der Bucharin seine Fraktion, die Bolschewiki, als die einzig wahre revolutionäre Kraft darstellen will, und keine theoretische Abhandlung über den Unterschied zwischen Kommunismus und Anarchismus.


    Wenn Du z.B. Chomsky zum Anarchosyndikalismus liest, wie etwa hier:...

    QUESTION: Professor Chomsky, perhaps we should start by trying to define what is not meant by anarchism — the word anarchy is derived, after all, from the Greek, literally meaning “no government.” Now, presumably people who talk about anarchy or anarchism as a system of political philosophy don’t just mean that, as it were, as of January 1st next year, government as we now understand it will suddenly cease; there would be no police, no rules of the road, no laws, no tax collectors, no post office, and so forth. Presumably, it means something more complicated than that.

    CHOMSKY: Well, yes to some of those questions, no to others. They may very well mean no policemen, but I don’t think they would mean no rules of the road. In fact, I should say to begin with that the term anarchism is used to cover quite a range of political ideas, but I would prefer to think of it as the libertarian left, and from that point of view anarchism can be conceived as a kind of voluntary socialism, that is, as libertarian socialist or anarcho-syndicalist or communist anarchist, in the tradition of, say, Bakunin and Kropotkin and others. They had in mind a highly organized form of society, but a society that was organized on the basis of organic units, organic communities. And generally, they meant by that the workplace and the neighborhood, and from those two basic units there could derive through federal arrangements a highly integrated kind of social organization which might be national or even international in scope. And these decisions could be made over a substantial range, but by delegates who are always part of the organic community from which they come, to which they return, and in which, in fact, they live. [...]

    ...wo er im Prinzip etwas beschreibt, das einer "Räterepublik", oder eben einer "Union" von "Sowjets" gar nicht unähnlich wäre - nur halt ohne "Republik" in Form einer übergeordneten, nationalen Staatsgewalt, die alle StaatsbürgerInnen zur Konformität verpflichtet -, dann wird klar, dass es auch im (linken!) Anarchismus unterschiedliche Strömugen gibt, die sich im Endergebnis nicht besonders stark von dem unterscheiden, was auch Marx und Engels noch 70 Jahre vor Bucharin im Kommunistischen Manifest (das auch in erster Linie eine Kampfschrift und keine wissenschaftliche Arbeit war) als Endziel beschreiben - nämlich...:

    [...] eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für freie Entwicklung aller ist.

    Der Streit zwischen den sowjetischen "Marxisten" nach Lenin und den Anarchisten bezog sich nicht so sehr auf das "was ist unser Ziel?" sondern auf das "wie kommen wir da hin?".


    Auch in der Diskussion bei 99 zu Eins zwischen Nadim, Marek und Markus Staiger ging es nicht um dieses - von allen dreien geteilte - Endziel einer radikalen Linken, sondern darum wie man sich als Linker gegenüber einer bürgerlichen Veranstaltug wie Wagenkechts "Aufstand für den Frieden" positionieren sollte.


    Das grundsätzliche Problem wird ebenfalls schon im kommunistischen Manifest ganz gut auf das Wesentliche heruntergebrochen und unter der Überschrift "Der konservative oder Bourgeoissozialismus" beschrieben:

    Man könnte - frei nach Wagenknecht, die sich ja mittlerweile selbst als "linkskonservativ" beschreibt - noch hinzu fügen:


    "Frieden! im Interesse der arbeitenden Klasse, Billiges Gas aus Russland! Im Interesse der arbeitenden Klasse. Freiheit von den USA! Im Interesse der arbeitenden Klasse."


    Auch Staiger würde der marxistischen Krtik an diesem "Bourgeoissozialismus" wahrscheinlich grundsätzlich gar nicht widersprechen, aber Marek und Nadim sind da einfach "dogmatischer" im Sinne einer radikalen, materialistischen Analyse, die sich nicht mit dem Idealismus staatstragender PolitikerInnen gemein machen will - die, wie Sahra Wagenknecht, zwar die gegenwärtige Staatsführung scharf kritisieren, aber nicht (mehr) die grundsätzliche Eignung des bürgerlichen Staates in Frage stellen, diese Ziele zu erreichen (und auch kein Problem (mehr) mit dem Privateigentum des deutschen Mittelstandes an seinen Produktionsmitteln haben) - während er, Staiger selbst, trotz aller geteilten radikalen Systemkritik daran fest hält, sich in Ermangelung jeglicher tatsächlich revolutionären Massenbewegung oder Partei lieber ganz "pragmatisch" um politische Reformen oder um praktische solidarische Hilfe zu bemühen, die auch im laufenden System möglich wären, und vielleicht die Lage der arbeitenden Klasse zumindest ein bisschen verbessern könnten.


    Das ist halt ein ewiges Dilemma, vor dem radikale Linke immer da stehen, wo sie eine winzige Minderheit sind, die mit einer Gesellschaft konfrontiert ist, in der diese arbeitende Klasse den "demokratischen" Staat und die politische Staatsführung trotz aller parteipolitischen Nörgelei immer noch als Vertreter des gesamten "Volkes" ansieht - weil man ihr das von Kindesbeinen an eingetrichtert hat und weil es über dem Eingag zum Staatsparlament in ehernen Lettern geschrieben steht -, und nicht als Bewahrer der Interessen und der Herrschaft seiner herrschenden Klasse.


    Wie ich schon schrieb:

    Die Diskussion bei 99 zu Eins war [...] eine äußerst innerlinke Diskussion

    Man darf da halt nicht mit dem Anspruch heran gehen, von den Diskutanten eine fertige Vision zur Weltverbesserung geliefert zu bekommen. Solche Projekte wie 99 zu eins sollen eigentlich eher ihr Publikum dazu anregen, sich von der bürgerlichen Perspektive zu befreien, die es sonst überall - auch von linksliberalen Formaten - aufgetischt bekommt, und dann selbst darüber nachzudenken, in wessen Interesse dort über Staat und Gesellschaft üblicherweise verhandelt wird.

  • Die Ablehnung der Demokratie, die in der Diskussion bisweilen durchscheint, bezieht sich natürlich auf die heutige,


    Hab leider gerade nicht viel Zeit. Die Ablehnung der Demokratie von dem der links saß und Anwalt ist kam ziemlich am Ende. Da gab es von dem der in der Mitte saß ein paar Versuche, irgendetwas psoitives als Utopie zu zeichnen auf das man hinarbeiten soll, und hat dann schlagworte wie Freiheit, Demokratie, die Ideale der Französischen Revolution aufgezählt, und der Anwalt hat jedes mal den Kopf geschüttelt und gesagt, dass er sich dahinter nicht versammeln kann.


    Die allgemeine Ablehnung des Staats klang durch das gesamte Gespräch hindurch an, weil es immer wieder darum ging warum die Demonstranten bei der Wagenknecht-Demo eigentlich nur Bittsteller an Scholz sind, und damit das System unterstützen und so Zeug.


    Vielleicht komme ich die Tage noch mal dazu Zitate rauszusuchen. Spannender fand ich aber, wie die sich gefetzt haben über Details, obwohl sie eigentlich anscheinend ziemlich ähnliche Ansichten haben, das war das was ich mit meiner K-Gruppen-Analogie meinte.

  • das war das was ich mit meiner K-Gruppen-Analogie meinte.

    Warst du mal selbst Mitglied einer dieser "K-Gruppen" - die es seit Mitte der 70er Jahre nicht mehr gibt - und weißt was da in welcher Form verhandelt wurde, oder warum [edit: "erinnert" Dich das Gespräch daran] stellst Du Dir das so vor wie in diesem Gespräch?

  • Ich kann mir auch vorstellen, wie Carlo Masala und Thomas Wiegold mit der "Andromeda" nach Bornholm geschippert sind, und dabei zusammen achthundert Zigaretten geraucht haben, bevor sie dann zur Nordstream Pipeline getaucht sind um das Ding mit selbst gebastelten Sprengladungen zu zerlegen wie die Navy Seals.


    Aber besonders realitätsnah ist meine Vorstellung dann halt trotzdem noch lange nicht.

  • Linker Diskurs...



    ...so wichtig.

  • Es scheint mir, dass es ganz generell auch in Bezug auf "Staat" zu erst mal wieder ein Konflikt dabei ist, was man unter "Staat" versteht.

    Die meisten scheinen darunter ganz generell eine Verwaltungs- und eventuell erweitert noch mit einer Kontroll- und Durchsetzungsstruktur, losgelöst und unabhängig von der dann realen Umsetzung also erstmal rein konzeptionell, zu sehen.


    Dagegen gibt es dann die welche unter "Staat" die spezielle Form welche direkt mit dem Kapitalismus verbunden und auf diesen ausgerichtet ist verstehen.


    Und wieder andere verstehen darunter den Nationalstaat.

    Hier kommt man dann wohl direkt zum nächsten Problem. Was versteht man unter Nation?


    Wird hier gut in der Gegenüberstellung von weitere und engere Definition angeschnitten.

    https://www.bpb.de/kurz-knapp/…litiklexikon/18256/staat/

    Zitat

    2) Zu unterscheiden ist eine weitere und eine engere S.-Definition: Erstere definiert S. als territorial begrenzten Verband politischer Interner Link:Herrschaft, der »das Interner Link:Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht« (Interner Link:Gewaltmonopol) und insofern ein »auf Interner Link:Legitimität gestütztes Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen« ist (M. Weber). Letztere versteht S. als politische Einrichtung (Interner Link:Institutionen und Personen), die mit der Ausübung allgemein verbindlicher Steuerungs-, Regulierungs- und Koordinierungsfunktionen betraut ist, sich (als moderner Verfassungs-S.) dabei demokratischer Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse bedient und zur Durchsetzung dieser Interner Link:Entscheidungen mit Sanktionsmitteln ausgestattet ist.

  • Nochmal zu dem Marxismus <> Kommunismus <> Anarchismus

    Also ist es so, dass im Grundkern alle als oberstes Ziel haben "staatenlose Gesellschaft"?

    Und dann hat jede der, ich nenns mal, Denkschulen da andere Wege dahin so erarbeitet.


    Ich hab das bisher ja mehr von genau der andere Seite empfunden. Also eben zB Marxismus möchte die Klassengesellschaft überwinden. Wenn man dann den Standpunkt hat, dass jegliche Form von Staat immer bedeutet, dass man dadurch zwangsweise Klassen hat, dann schließt sich das natürlich aus, aber es ist eben nicht der Grundkern und das ursprüngliche Ziel sondern wenn dann eine Folgerung aus dem eigentlichen Ziel.


    Naja aber was ich eben auch immer mehr bemerke, so wenig wie die "normale Bevölkerung" und "breite Masse" da klare Definitionen hat und so wirklich gefestigt weiß was da was ist, umso weniger gibt es da innerhalb der einzelnen Strömungen Einigkeit, Wissen und klare Kommunikation darüber. Das machts halt auch schon nahezu unmöglich da irgendwie sinnvoll in ne breitere Masse zu gehen oder auch nur sinnvoll im kleineren mal, ohne ewig lange Definitionskämpfe, sich Missverstehen und aneinander Vorbeireden und sich Vorwürfe an den Kopf knallen, in den Austausch zu kommen.

  • nachdenklich vielleicht interpretiere ich Dich jetzt falsch (dann sorry), aber bei Dir klingt das für mich so, als müssten sich die kleinen Strömungen der System- und Staatskritiker nur mal zusammenreissen, eine gemeinsame Sprache finden und dann verstehen die Leute das schon und alles wird gut?

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