Populismus - Freund oder Feind der Linken?

  • Hachja, es sorgt schon für relativ viel Schnappatmung. Erstaunlich, wie viele ernsthaft glauben, sie würde sich jetzt mit Höcke und der AfD solidarisieren. Da haben unsere Qualitätsmedien echt Erstaunliches geleistet für den Bildungsauftrag. Ich glaub ich habe jetzt schon keine Lust auf das was folgt.... Manmanman

  • Klaus Ernst strickt schon an der Liste Wagenknecht.


  • Ich kann in dem Kontext des Hufeisen-Zirkelschluss gerne mal Johannes Heinrichs einbringen. Ist ein Longread, aber im Prinzip kondensiert er das, was ich zu der Thematik Links-Rechts-Schema gesucht habe, und warum alle, die es Nutzen, dem Demokratieverständnis schaden:


    https://www.johannesheinrichs.…295d294e541a22dbbb316528a


    Ergibt für mich sehr viel Sinn, was er da an vielen Stellen schreibt. Ein paar Auszüge:


    Ich würde da mal vehement widersprechen. Heinrichs betrachtet die Frage der Einordnung in "rechts" und "links" offensichtlich nicht aus einer radikalen Perspektive, die sich damit befasst, wie die herrschende Ordnung übrhaupt zustande kommt und was sie aufrecht erhält, sondern ganz staatstragend unter dem Aspekt, wie sie zwar zu verbessern, aber dabei gleichzeitig zu erhalten sei.


    Mal abgesehen davon, dass er dabei nonchalant unter den Tisch fallen lässt, dass sich seit der Frazösischen Revolution - im Zuge derer sich jene Kategorien von "links" und "rechts" im politischen Sprachgebrauch erst etabliert hatten, mit denen Heinrichs die heutige Situation abgleicht - noch so einige Kleinigkeiten ereignet haben, wie etwa eine Industrielle Revolution, zwei Weltkriege, der Faschismus, der "real existierende Sozialismus", und eine fast 50 Jahre andauernde Spaltung der Welt in zwei ideologisch absolut verfeindete Lager, die sich mit einem Weltzerstörungsarsenal an Nuklearwaffen gegenüber standen, scheint ihm das wichtigste bei der links-rechts Einordung zu sein, wie sinnvoll sie sich in heutigen politischen Diskursen innerhalb der herrschenden Verhältisse in der parlamentarischen Demokratie noch anwenden lässt.


    So schreibt er nach dem obigem Zitat noch weiter:


    [...] Die qualitative und notwendige Weiterentwicklung der Demokratie sehe ich darin, dass die strukturell auf Unsachlichkeit, weil Themenvermischung, also Differenzierungsverweigerung, angelegten Parteien sich (nach Möglichkeit auch von innen her) zu Sachparteien mausern, indem sie sich auf jeweils einer Ebene des sozialen Systems ansiedeln. Wie an anderen Stellen ausführlich dargelegt, würden (vielleicht jährliche) bereichsspezifische Wahlen sowie ein Vier-Kammer-Parlament für Wirtschaft, Politik, Kultur und Grundwerte mit einer Vorrangregelung zwischen diesen Institutionen allein der modernen Differenzierung Rechnung tragen, die am Beispiel von „Links oder Rechts“ hier durchdekliniert wurde. Der Parlamentarismus ist das Herz der Demokratie. Selbst das Herz hat bekanntlich vier Kammern, um funktionieren zu können - was aber nur ein Vergleich, kein biologistisches Argument sein soll. Ein Vier-Kammer-Parlament böte zugleich die vielerorts dunkel gesuchte innere, das heißt nicht bloß kompromisshafte Synthese zwischen repräsentativer und direkter Demokratie. Die direkte Abstimmung über Sachbereiche wäre identisch mit der Wahl von Vertrauensleuten, die diese Sachbereiche – Wirtschaft, Politik, Kultur und Grundwerte – in ihren jeweiligen Teilparlamenten qualifiziert vertreten. Demokratie ist nicht bloß Abzählen von Mehrheiten, sie ist wesentlich auch Vertrauensdelegation an Repräsentanten oder Wortführer (ohne die auch keine direkte Demokratie funktionieren kann!), sie ist ebenso wesentlich Miteinander- Beraten. Solche kommunikativen Elemente wie Vertrauensdelegation und wechselseitige Beratung gehören zu den Grundvoraussetzungen einer Demokratie als einer kommunikativen Gesellschaft. Sie sind es, die auf der staatlichen Rechtsebene (mit ihren Untergliederungen bis in die Kommunen hinein) die oben erwähnte Partizipation ermöglichen. Indirekt ermöglichen sie auch die informelle, gelebte Demokratie7 in der unmittelbaren Lebenswirklichkeit der Menschen. Solche Perspektiven auf eine weiter entwickelte, differenzierte oder viergegliederte Demokratie eröffnen sich, wenn man nachfragt, was die Pseudobegriffe Links und Rechts eigentlich heute bedeuten sollen. Die kurze Antwort lautet: Wenn sie heute noch etwas Bestimmtes bedeuten soll, müssen sie nach den Systemebenen differenziert oder bereichsspezifisch betrachtet werden. Jemand kann auf wirtschaftlicher Ebene strukturrevolutionär sein und zugleich auf kultureller Ebene wertkonservativ für nationale Kultur eintreten. Derselbe kann auf politischer Ebene eine „Revolution der Demokratie“ im Sinne haben, auf weltanschaulich-religiöser Ebene aber entweder einer traditionellen Religion angehören oder sich als Humanisten atheistischer Prägung verstehen oder mit der Inbrunst eines Mönches die Hilfe von Meistern der Weisheit (im Sinne der Theosophie) ersehnen. Das undifferenziert Schwarz-Weiß-Denken mit Rechts und Links ist offensichtlich hoffnungslos überholt. Darin liegt Hoffnung für die Denkenden. Denn die wichtigste Unterscheidungslinie in jedem der Bereiche dürfte die zwischen selbst Denkenden und Mitläufern sein.[...]

    Das eigentlich linke an den radikalen Linken - mögen das jetzt MarxistInnen, demokratische SozialistInnen, KommuistInnen, linke AnarchistInnen etc. sein - ist allerdings, dass sie den demokratischen Charakter eines Parlamentarismus in einer kapitalistischen, bürgerlichen Klassengesellschaft generell in Frage stellen, weil darin die politische Macht zu allererst mit dem Eigentum an den materiellen und geistigen Produktionsmitteln verknüpft ist, und schon alleine daher gar kein gleichwertiger demokratischer Diskurs zwischen den Klassen stattfinden kann, und weil die herrschende politische Klasse von "links"-liberal bis rechtskonservativ in den Parlamenten dabei unweigerlich dem "Sachzwang" unterliegt, die Interessen der EigentümerInnen des Kapitals zu vertreten, damit diese im Gegenzug den Nicht-EigentümerInnen auch weiterhin ausreichend entlohnte Arbeitsplätze anbieten können, um sie vor der massenhaften Verelendung zu bewahren, oder von gewaltsamen Aufständen abzuhalten.


    Die radikale rechte Seite des politischen Spektrums schert sich hingegen nicht ernsthaft um die Demokratie und verlangt statt dessen nach einer starken Führung, die dem Kapital dabei hilft, die Minderleister und Leistungsverweigerer unter den potenziellen Lohnarbeitskräften zu sanktioieren und zur produktiven Verwertung zu zwingen, oder sie gegebenenfalls aus der Volksgemeinschaft auszusortieren wenn das nicht gelingt, und das dann als unvermeidbaren Prozess einer natürlichen bis gottgewollten Aulsese darzustellen, zu deren Bewahrung auch äußerste Gewalt notfalls legitim ist.


    Ich sehe nicht, warum man zwischen diesen beiden einander radikal entgegengesetzten Sichtweisen keine klare Unterscheidung mehr machen sollte.

  • Auch Frau Schwerdtner vom Jacobin Magazin war auf der Kundgebung der Schande und kam zu ganz anderen Erkentnissen, als die Querfront-Expertinnen in den Qualitätsmedien:

    Neue alte Friedens­bewegung

    Auf der Friedenskundgebung in Berlin formierte sich keine Querfront. Doch der große Aufbruch blieb ebenfalls aus.



    [...] Nur hin und wieder wurde die grundsätzlich unaufgeregte Stimmung von »Nazis raus«-Rufen durchdrungen. Eine Gruppe aus etwa hundert Demonstrierenden mit Fahnen der LINKEN deklarierte auf Schildern: »Mit AfD und Co ist kein Frieden zu machen«. Zunächst hielt man sie für eine Gegendemonstration zur Wagenknecht-Demo, doch bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass dieser Block den rechten Publizisten Jürgen Elsässer umzingelt hatte und ihn zum Verlassen der Demo aufrief. Zuvor waren bereits die Versammlungsleiterin Sevim Dağdelen und der Friedensaktivist und frühere Chef der hessischen Linksfraktion Willi van Ooyen auf Elsässer zugegangen und hatten die Polizei aufgefordert, das Banner seiner Zeitschrift Compact einzurollen. Doch laut Polizei habe man keine Handhabe gegen diese Form der Demonstration. Erst der Block der größtenteils aus der Bewegungslinken stammenden Demonstrierenden hat Elsässer und seine Entourage effektiv verdrängt.

    Es ist in gewisser Weise ironisch, dass ausgerechnet dieser Block, der Wagenknecht zumindest gesellschaftspolitisch innerhalb der Partei am schärfsten kritisiert, der Demonstration einen wichtigen Dienst erwiesen und den offensichtlichsten rechten Versuch der Unterwanderung abgeblockt hat. Sonst wäre die Stimmung linksseitig des Brandenburger Tors zumindest zeitweise zugunsten der Rechten gekippt. Auch einzelne Landesverbände wie der bayerische oder die Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft hatten sich dem Aufruf angeschlossen, um von vornherein die Demonstration von links zu stärken und gegen rechts abzuschirmen. Der Bundesparteivorstand rief in einem Beschluss vom 16. Februar jedoch nicht explizit zu dieser Demonstration auf. Die Parteivorsitzende Janine Wissler begründete in einem Interview mit der Berliner Morgenpost ihre Nichtteilnahme damit, dass die Abgrenzung nach rechts nicht eindeutig sei und das Manifest »Leerstellen« aufweise. Damit ließ man eine Chance liegen, den vergleichsweise kleinen Block auf dieser Demonstration zu stärken und findet sich zugleich in einem Dilemma wieder, weil ohne Wagenknecht eine Friedensdemonstration dieser Größe kaum möglich scheint.

    Man muss nach dieser Demonstration allen Befürchtungen zum Trotz konstatieren, dass hier keine Querfront zusammengewachsen ist. Die Anwesenheit einzelner bekannter AfD-Landespolitiker oder des rechten YouTubers Nikolai Nerling hatte nicht den Effekt, die Gemengelage zu dominieren. [...]

    Diese neue alte Friedensbewegung besteht aus jenen, die bereits einmal auf die Straße gegangen sind, vor Jahrzehnten. Sie besteht aus Pazifistinnen, Friedensbewegten und vermutlich aus jenen, die sich bevormundet und weitgehend nicht mehr repräsentiert fühlen, auch nicht von der Linkspartei, wohl aber von Wagenknecht. Sie machen den Großteil dieser neuen Bewegung aus. Dazu kamen am Wochenende ein paar kleinere linke Gruppen und jene, die die Demonstration nach rechts abgeschirmt haben.

    Große Energie des Aufbegehrens geht von diesem Tag nicht aus, doch er war zumindest ein Signal dafür, dass Proteststimmung gegen den Kurs der Bundesregierung durchaus vorhanden ist. Die von den beiden Frauen angekündigte Bürgerbewegung ist da eine Verheißung. Ob die Organisatoren jedoch in der Lage sind, weitere und womöglich größere Demonstrationen zu stemmen und darüber hinaus eine längerfristige Bewegung zu etablieren, ist offen. Das Momentum wäre womöglich da, die Gräben in der Linken haben sich am Wochenende jedoch noch einmal vertieft.

  • Na man darf die Unterscheidung natürlich machen, aber wenn die Begriffe "links" und "rechts" in ihrer Bedeutung so verzerrt werden, dass sie dem, was du hier beschreibst, kaum noch entsprechen, wie soll basierend darauf eine sinnvolle Diskussion stattfinden? Und er lässt ja seiner eigenen Aussage nach historische Gegebenheiten explizit weg, weil er sich kurz fassen wollte.

    Ich kann natürlich der tiefergehenden rechts-links-Gewichtung viel abgewinnen, vor allem nach der Definition, wie sie in dem Channel "the alt-right playbook" in Gänze gezeigt werden. Aber naja, die mediale Realität ist eben eine andere, und die gesellschaftliche Rezeption eben auch.

  • Der Parabelritter eskaliert:



    Wir lernen: Die Putinkecht macht das alles nur weil sie die Amis hasst, weil die damals in Iran den "nationalistischen" Präsidenten Mossadegh weg geputscht und den Schah wieder eigesetzt haben, dessen Geheimpolizei dann Putinknechts iranischen Vater umgebracht hat, der ein gottloser persischer Kommunist war.


    Als hätte er sich das Skript dafür beim Zetrum Liberale Moderne schreiben lassen.

  • Ich kann natürlich der tiefergehenden rechts-links-Gewichtung viel abgewinnen, vor allem nach der Definition, wie sie in dem Channel "the alt-right playbook" in Gänze gezeigt werden. Aber naja, die mediale Realität ist eben eine andere, und die gesellschaftliche Rezeption eben auch.

    Ja eben.


    Die gesellschaftliche Rezeption ist ja auch nicht linksradikal.

  • frankreich:



    deutschland:



    galigrü an dieser stelle auch an die wähler der grünen


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