Populismus - Freund oder Feind der Linken?

  • Da steht hingegen nicht, dass Böllern "gut" sei, nur weil der Böllernde ein armer Mensch ist und schon gar nicht werden arme Menschen dort als "edle Wilde" porträtiert. Der Autor bringt sogar seinen eigenen Vater als Beispiel dafür, dass da gar nichts edles dran ist.

    Das steht nicht wortwörtlich, dass es "gut" sei, das weiß ich auch. Aber zwischen den Zeilen steht da (zumindest lese ich das so heraus), dass man das schon auch mal verstehen müsse, und der personalisierte Bezug zum Vater unterstreicht das.


    Ja richtig, Das muss man nicht, Hat man in Berlin und Hamburg aber versucht.

    Das kann man ja auch kritisieren. Aber dann halt konkret und nicht in der Art der Verwurstung, die der Autor da betreibt.

    Und dazu sei auch gesagt, dass dieser Beitrag erstens in eine laufende größere Debatte einfließt, in der es um das Böllern an sich geht und nicht explizit um den Umgang einzelner Polizeidezernate mit vermuteten Ausschreitungsgebieten, zweitens die Eskalation an bestimmten Orten nun auch wirklich nicht von der Hand zu weisen ist. Und da hat der Staat, das kannst Du ja finden, wie Du willst, ein Schutzversprechen seiner Bevölkerung gegenüber zu erfüllen. Wie die konkrete Umsetzung dessen dann abläuft, darüber kann und soll man ja durchaus diskutieren, aber dieser Artikel leistet mMn dazu keinen sinnvollen Beitrag.

    Mal so ganz generell: Lest ihr eigentlich die Artikel, die hier zitiert werden, oder nehmt ihr nur die Zitate und denkt euch dann irgendwas dazu, das gar nicht geschrieben wurde?

    Ja, ich habe mir den Artikel komplett gelesen.

    Aber wie das bei einer Textinterpretation nunmal so ist, heißt das nicht unbedingt, dass wir zum gleichen Ergebnis kommen, nur weil wir den gleichen Text gelesen haben.

    Nochmal: Es geht darin überhaupt nicht darum, ob Böllern an sich gut oder schlecht, oder "neoliberal" sei, sondern es geht um die ganz konkrete - und im Artikel sogar mit Beispielen gezeigte - Herangehensweise, Böllerverbotszonen an bestimmten Orten einzurichten, wo die Behörden befürchten, es könne sich dort ein "Problemklientel" ansammeln, und darum, wie einig sich "links-"Liberale und Konservative - inklusive der definitiv konservativen Berliner Polizeiführung - darin zu sein scheinen, dass deren ungebührlicher Feierei nur mit der harten Hand des Gesetzes und der Staatsgewalt beizukommen sei. Mehr nicht. Da steht nicht, dass es okay sei Leuten "halbe Handgranaten" zwischen die Beine zu werfen, oder Reisebusse anzuzünden.

    Ja wo denn sonst?

    In Hamburg Blankenese wäre eine Böllerverbotszone wohl irgendwie ein wenig sinnlos, oder? Da böllert niemand. Jetzt könnte man natürlich verlangen, dass dann Verbotszonen immer gleich landesweit ausgerufen werden müssten, um nicht in den Verdacht zu geraten, spezifisch die armen Stadtviertel zu fokussieren. Ja, von mir aus, ich weiß nicht, wie das aus rechtlicher und behördlicher Sicht umsetzbar wäre oder nicht, kann man aus meiner Perspektive gerne eher gestern als heute machen.

    Wird das etwas an der Kritik von Herrn David ändern? Vermutlich nicht, denn sein Elendseskapismus mittels Böllerei/"symbolischem Konsum" macht sich ja auch und vor allem daran fest, dass das die Gelegenheit sei (analog der Jahrmarkt), an dem der Arme mal gefühlt seiner Armut entkommen könne.


    Und wenn man dem Artikel einen positiven Aspekt abgewinnen möchte, dann in meinen Augen den, dass er sich zwar ein bisschen selbst widerspricht in diesem Punkt, aber klar benennt: Die Böllerei ist nicht primär eine Sache der Armen, sondern idR eine Sache junger Männer (fast) aller Schichten. In Großstädten treffen sich die jungen Arztsöhne und Managersprösslinge aber wahrscheinlich auch nicht zur großen Böllerei in den Straßen ihres lahmen Besserverdienerfamilienviertels, sondern genau dort, wo die Polizei die "Problemzonen" ausmacht.


    Generell braucht man (auch Du nicht) mir wohl kaum Polizeiapologese unterstellen und am Vorgehen der Polizei bzw. der Behörden darf und soll man, wie bereits gesagt, ja auch gerne Tag und Nacht Kritik üben, aber dieser Artikel, so zumindest mein Eindruck, ist ohne Erkenntnisgewinn bzw. Interesse an Erkenntnisgewinn geschrieben worden. Es war von vornherein klar, wer der Böse ist und die Welt ist ziemlich schwarz-weiß. Das wollte ich kritisieren und mehr nicht.

    Außerdem ist der Artikel vom 31. Dezember. Er bezieht sich also gar nicht auf die fürchterliche "Silvesternacht" die jetzt seit einer Woche als Mediensau durchs politische und publizistische Dorf getrieben wird.

    Ist mir eigentlich egal, von wann der Artikel ist. Dass in gewissen Straßen von Großstädten zu Silvester Krieg herrscht, ist kein 2022er Phänomen, das ist jedes Jahr so und das solltest Du als Berliner vermutlich auch genau wissen.

    Dass die Journaille bei halbwegs brauchbarem Anlass Säue durch Dörfer treibt, na ja, ist das jetzt für irgendjemanden eine Überraschung? Das wird zu Silvester 2023 nicht anders sein, wenn sich an den Rahmenbedingungen nichts fundamental ändert.


    Zum Rest Deines Beitrages, von der Konservatismusbeschreibung der Grünen bis zum Law & Order statt Integration und vernünftiger Stadtplanung, volle Zustimmung.

    In der grundsätzlichen Problembeschreibung und Analyse der Lebensumstände sind wir uns denke ich einig.

    Aber der Verweis auf den Männerkult in den muslimischen Herkunftsländern ist zum Glück kein Rassismus oder Kulturchauvinismus, sondern harte, wissenschaftliche Sozialanthropologie. Denn eigentlich bestimmt das Bewusstsein das Sein.

    Das ist mir dann aber wieder zu billig.

    Und genau da kommt dann wieder der "edle Wilde" durch, ja, wir wissen um all die sozialen Probleme und die Folgen, die soetwas hat. Es ist aber reichlich unterkomplex, Kultur als Sozialisationsteil einfach zu negieren. So wenig wie es den Homo Oeconomicus gibt, so wenig gibt es den Menschen, der nur über seine finanziellen Bedingungen geprägt wird.

    Und genau diese äußerst schwarz-weiß-bebrillte Sicht, in der es soetwas wie kulturelle Prägung nicht geben kann, weil nur arm oder nicht arm zählt und alles andere als Rassismus oder Chauvinismus abgetan wird, stört mich an einigen Deiner Beiträge und eben auch an dem thematisierten Artikel.


    Nein, der Mensch (und das menschliche Zusammenleben und die daraus resultierende Sozialisation) ist komplex und lässt sich nicht auf den sozioökonomischen Status reduzieren (auch wenn der natürlich eine große Rolle spielt). Behandeln die reichen Scheichs in z. B. Saudi-Arabien ihre Frauen gut, weil sie nicht in Armut leben? Vielleicht ist es doch alles nicht ganz so einfach und ich würde doch bitten, etwas zu differenzieren, bevor man anderen vorwirft, den Artikel nicht gelesen zu haben oder mir süffisant solchen Kram wie den im letzten Zitat zu unterstellen.

  • fruchtoase lass gut sein, es wird sich ewig darum drehen, was in dem artikel geschrieben wurde oder nicht. taz ist selbst eher linksliberal und macht immer solche losen, nichts-sagende links-rad-shoutouts, die nichts in der diskussion bringen. Solche Feststellungen wie im Artikel werden weder Polizei oder Leute, die böllern, nicht wirklich beeindrucken.

  • Dass in gewissen Straßen von Großstädten zu Silvester Krieg herrscht, ist kein 2022er Phänomen, das ist jedes Jahr so und das solltest Du als Berliner vermutlich auch genau wissen.

    Ja eben. Ich musste mich schon vor zehn Jahren an Silvesterabenden lange vor Mitternacht in Kreuzberg wie ein Soldat im Häuserkampf geduckt von Hauseingang zu Hauseingang rennend fortbewegen, um nicht von allerlei horizontal geschossenem, oder von den Balkonen herab fallendem Feuerwerk getroffen zu werden.

    Genau deshalb ist es ja so völlig Banane ausgerechnet jetzt, wo die ganze Nation sich mit dem Niedergang ihrer Weltökonomischen Herrlichkeit konfrontiert sieht, deswegen medial und politisch so ein völlig falsches Fass aufzumachen - zufälligerweise kurz nachdem unsere "progressive" Fortschrittsampel gerade erst die Zuwanderung als Heilmittel gegen den Fachkräftemangel in Szene gesetzt, und unsere konservativen bis rechtsreaktionären Politikprofis sogleich eine neue ausländerfeindliche Migrationsdebatte eröffnet hatten.


    Es ist doch offensichtlich, dass hier gerade das selbe Spiel gespielt wird, wie damls 2015 nach der berüchtigten "Kölner Silvesternacht". Der Unterschied zu damals ist, dass die Bundesregierung mitlerweile außen- und Verteidigungspolitisch den Standpunkt vertritt, dass völkischer Nationalismus nicht per se schlecht sein muss - und dass dessen AnhängerInnen sogar politisch hofiert und mit deutschem Staatsgeld und deutschen Staatswaffen unterstützt werden können - so lange sich ihr Hass nur gegen die richtige falsche Volksgruppe und deren antiwestliche "kulturelle Prägung" richtet. Das macht das kulturchauvinistische bis rassistische Ressentiment in der breite salonfähig.

    Es ist aber reichlich unterkomplex, Kultur als Sozialisationsteil einfach zu negieren. So wenig wie es den Homo Oeconomicus gibt, so wenig gibt es den Menschen, der nur über seine finanziellen Bedingungen geprägt wird.

    Und genau diese äußerst schwarz-weiß-bebrillte Sicht, in der es soetwas wie kulturelle Prägung nicht geben kann, weil nur arm oder nicht arm zählt und alles andere als Rassismus oder Chauvinismus abgetan wird, stört mich an einigen Deiner Beiträge und eben auch an dem thematisierten Artikel.

    Da halte ich dagegen, dass es eher "unterkomplex" ist, kulturelle Prägung zu behandeln, als manifestiere sie sich irgendwie im entmaterialisierten Raum, ohne Bezug zu den soziökonomischen Umständen - also zu den materiellen Verhältnissen -, auf deren Basis sie sich ausbildet.


    Wenn - wie im zweiten von mir zitierten taz-Artikel - der Grund für die explosiven Exzesse junger Männer in einer von patriarchaler Gewalt bestimmten Kultur der familiären "Herkunftsländer" verortet wird, dann wird einfach ein materielles Symptom mit einem anderen, ideellen Symptom erklärt, ohne weitere Ursachen dafür zu ergründen, warum es sich in manchen muslimischen Ländern wohl etabliert hat, mit Pistolen und Kalaschnikows in die Luft zu schiessen, und warum sich junge Leute, die größtenteils in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, nicht mit der "fortschrittlichen", abendländischen Kultur ihrer jetzigen Heimat identifizieren wollen.

    Dann macht die "Analyse" da halt, wo die maximale Differenz der kulturellen #Werte festgestellt werden, und man sich als Analyst*in weitestmöglich von der kritisierten kulturellen Prägung distanzieren kann, weil man das eigene, derselben entgegengesetzte Wertesystem einfach grundsätzlich als höherwertiger und fortschrittlicher erachtet.


    Wie so ein kritikwürdiges Wertesystem überhaupt zustande kommt, wird genauso wenig hinterfragt, wie die eigenen Kompetenz und Berufenheit, es überhaupt in dieser wertenden Form zu kritisieren. Der türkische oder Arabische Mann ist eben ein Pascha, der Frauen verachtet und seinen Söhnen eine toxische Männlichkeit vorlebt. Mehr muss man nicht wissen.

    Analog dazu ist der Ostdeutsche eben gerne mal Nazi, weil er in der DDR keine demokratische Kultur beigebracht bekommen hat, oder der Russe ein grobschlächtiger Unmensch und Vergewaltiger, der selbst die grausamste Untat bendenkenlos ausführt sobald sie ihm befohlen wird, weil ihm im gottlosen, stalinistischen Kommunismus keine Kultur der indidviduellen Freiheit und der universellen Menschenrechte vermittelt wurde.


    Dadurch wird jegliche politische Debatte unweigerlich zu einem ideologischen Grabenkampf zwischen richtigen und falschen "Werten", und somit vollkommen davon abhängig gemacht, welcher "Haltung" man sich selbst am nächsten und damit auf der richtigen Seite wähnt.

    Der ganze Kulturkampf um "wokeness" und Identitätspolitik ist von diesem Dilemma geprägt und die parlamentarische wie außerparlamentarische Linke zerstört sich selbst in einer immerwährenden inneren Gesinnungsinquisition, während die "liberal-"konservative bis rechtsradikale Seite des politischen Spektrums eifrig Öl ins moralisch-wertebasierte Autodafé gießt, und sich dann entspannt zurück lehnt, den Flammen beim Lodern zuguckt, und sich mit Ulf Poschardt und dem Rest vom Team #Freiheit darüber kaputt lacht, wie sich das "links-" Liberale Bildungsbürgertum dabei zunehmend in genau das verwandelt, was man früher von links heftig kritisiert hat: eine biedere, spießbürgerliche, und in ihrer moralischen Selbstüberhöhung eigentlich selbst längst reaktionär gewordene Stütze der bürgerlichen Gesellschaft.

  • fruchtoase lass gut sein, es wird sich ewig darum drehen, was in dem artikel geschrieben wurde oder nicht. taz ist selbst eher linksliberal und macht immer solche losen, nichts-sagende links-rad-shoutouts, die nichts in der diskussion bringen. Solche Feststellungen wie im Artikel werden weder Polizei oder Leute, die böllern, nicht wirklich beeindrucken.

    Der Artikel ist sicher kein essayistisches Meisterwerk, oder gar eine dialektisch-materialistische Analyse, aber der Autor versucht wenigstens, das Problem nicht durch die Brille der bürgerlichen Moral zu betrachten und stattdessen einen Bezug zur Klassengesellschaft herzustelllen.


    Dann ist das eben ein "links-rad-shoutout". So what? Das ist eine Zeitung und kein soziologisches Fachblatt oder eine marxistische Monatszeitschrift.

  • Ja eben. Ich musste mich schon vor zehn Jahren an Silvesterabenden lange vor Mitternacht in Kreuzberg wie ein Soldat im Häuserkampf geduckt von Hauseingang zu Hauseingang rennend fortbewegen, um nicht von allerlei horizontal geschossenem, oder von den Balkonen herab fallendem Feuerwerk getroffen zu werden.

    Genau deshalb ist es ja so völlig Banane ausgerechnet jetzt, wo die ganze Nation sich mit dem Niedergang ihrer Weltökonomischen Herrlichkeit konfrontiert sieht, deswegen medial und politisch so ein völlig falsches Fass aufzumachen - zufälligerweise kurz nachdem unsere "progressive" Fortschrittsampel gerade erst die Zuwanderung als Heilmittel gegen den Fachkräftemangel in Szene gesetzt, und unsere konservativen bis rechtsreaktionären Politikprofis sogleich eine neue ausländerfeindliche Migrationsdebatte eröffnet hatten.


    Es ist doch offensichtlich, dass hier gerade das selbe Spiel gespielt wird, wie damls 2015 nach der berüchtigten "Kölner Silvesternacht". Der Unterschied zu damals ist, dass die Bundesregierung mitlerweile außen- und Verteidigungspolitisch den Standpunkt vertritt, dass völkischer Nationalismus nicht per se schlecht sein muss - und dass dessen AnhängerInnen sogar politisch hofiert und mit deutschem Staatsgeld und deutschen Staatswaffen unterstützt werden können - so lange sich ihr Hass nur gegen die richtige falsche Volksgruppe und deren antiwestliche "kulturelle Prägung" richtet. Das macht das kulturchauvinistische bis rassistische Ressentiment in der breite salonfähig.

    Vielleicht nicht in dem Ausmaß, aber diese Berichterstattung von eskalierenden Zuständen gibt es zu Silvester doch jedes Jahr?

    Und ich mag mich da durch die immer mehr ansteigende Effektheischerei vor allem der Direktmedien, die dann in den "seriösen" Medien zitiert werden, täuschen lassen, aber ich habe schon das Gefühl, dass in den letzten Jahren/Jahrzehnten die Verrohung der Gesellschaft zugenommen hat. Ich würde das nicht auf die Anzahl der eingewanderten Menschen beziehen, denn Gaffer auf Autobahnen, die dann gerne mal Einsatzkräfte behindern oder angreifen, sind wahrscheinlich mehr Deutsche (weil da die Autoquote aufgrund der finanziellen Situation noch höher ist), aber insgesamt hat das mMn zugenommen und auf offizielle Zahlen der Kriminalitätsstatistik kann man sich dabei kaum berufen, weil das kaum jemand anzeigt, weil eh nichts dabei herumkommt.


    Es mag also durchaus sein, dass die Medien von Springer und Co. da einen Plan verfolgen, ob das unbedingt einen politischen Hintergrund hat, wage ich nicht zu mutmaßen, denn so sehr es denen auch zuzutrauen ist, im Prinzip wollen die zuallererst verkaufen und Eskalation und Skandal verkauft sich nunmal gut.


    Das ändert aber an meiner grundsätzlichen Einstellung zu dem Thema nichts. Weder zum Thema Böllern, noch zum Thema Zunahme der Behinderung/Agression von/gegen Einsatzkräfte (sei es nun Polizei (wo ich das am ehesten noch verstehe), Sanitäter oder Feuerwehr (bei denen ich es jeweils null verstehe)).

    Da halte ich dagegen, dass es eher "unterkomplex" ist, kulturelle Prägung zu behandeln, als manifestiere sie sich irgendwie im entmaterialisierten Raum, ohne Bezug zu den soziökonomischen Umständen - also zu den materiellen Verhältnissen -, auf deren Basis sie sich ausbildet.

    Kein Widerspruch.

    Mache ich aber auch überhaupt nicht.

    Nur dass die z. B. deutsche und spanische Kultur deutliche Unterschiede aufweisen, obwohl da sozioökonomisch die letzten paar Jahrhunderte jetzt keine Welten dazwischen liegen, kann man nicht ernsthaft absprechen. Und dann wird es eben etwas dünn mit den Erklärungen, wenn es immer nur die Knete sein soll, die alles bestimmt. Mal ganz davon abgesehen, dass sich auf verschiedenen Erdteilen Kulturen die ihre jeweilige Zeit dominierten auch nicht alle analog entwickelten. Kultur ist schlicht und ergreifend ein ganz anderer Aspekt als die sozioökonomischen Umstände. Es gibt Schnittmengen, aber es sind zwei individuell einzigartige Aspekte.

    Man macht selbstverständlich einen dummen Fehler (oder betreibt Propaganda), wenn man die Silvestereskalationen einzig bei irgendwelchen Migrationshorten sucht, dafür sprengen sich schon jedes Jahr zu viele Ronnys, Thomas' und Kevins in beliebigen Kleinstädten die Hände weg, das ist klar. Aber jedes Mal die Trauerhymne der schwierigen Jugend anzustimmen hilft dem Sanitäter, Feuerwehrmann oder ja, auch dem Polizisten mit Hörsturz halt auch nicht weiter.

    Mir geht es da um die Sache, nicht um irgendwelche politischen Spielchen für oder wider Migration und deshalb stieß mir dieser Artikel bzw. Essay sauer auf, weil er - das kannst Du selbstverständlich anders sehen, aber so interpretiere ich das Geschriebene - eine Apologese auf das Böllern mit allerlei Unterschichtsschmalz betreibt.


    Um etwas anderes ging es mir bei meiner Kritik gar nicht.


    Und die Fragen, bzw. die Kritik am Ausbleiben der tiefergehenden Fragen, kann ich ja durchaus nachvollziehen, aber was genau macht denn der Artikel von David? Eine tiefgreifende Analyse? Oder ein plattes Armut ist eben Böllern? In der Kritik an der Mediendebatte widerspreche ich Dir nicht, nur ist dieser Artikel alles andere als der glänzende Widerpart dazu.

  • aber was genau macht denn der Artikel von David? Eine tiefgreifende Analyse? Oder ein plattes Armut ist eben Böllern? In der Kritik an der Mediendebatte widerspreche ich Dir nicht, nur ist dieser Artikel alles andere als der glänzende Widerpart dazu.


    Der Artikel ist sicher kein essayistisches Meisterwerk, oder gar eine dialektisch-materialistische Analyse, aber der Autor versucht wenigstens, das Problem nicht durch die Brille der bürgerlichen Moral zu betrachten und stattdessen einen Bezug zur Klassengesellschaft herzustelllen.

    Deshalb fand ich den Artikel gut und zitierfähig. Weil er die ganze Problematik nicht aus einer bürgerlichen Perspektive betrachtet, die zu allererst fragt, wie die bürgerliche Gesellschaft sich mit Staatsgewalt vor dieser unheimlichen Devianz schützen kann, und die sich nicht ernsthaft damit beschäftigt, warum da so viele Leute ganz gezielt und mit voller Absicht von der Norm abweichen.

  • "Der Artikel ist sicher kein essayistisches Meisterwerk, oder gar eine dialektisch-materialistische Analyse, aber der Autor versucht wenigstens, das Problem nicht durch die Brille der bürgerlichen Moral zu betrachten und stattdessen einen Bezug zur Klassengesellschaft herzustelllen."


    Es ist eben meine Kritik, dass er die eine einseitige Brille gegen eine andere einseitige Brille eintauscht, um mal in diesem Bild zu bleiben. Das Problemfeld selbst ist aber schon ein Amalgam aus verschiedenen Themen (Migration an sich; kulturelle Unterschiede; Böllerei; Aggression gegen Einsatzkräfte etc.), die verwurstet werden, da kann eine solche Brille, egal welches Stichwort auf dem Bügel eingraviert ist, nicht funktionieren mMn. Das war mein Punkt.


  • das wollt ich nicht :(

  • Mit Zeitmarken. Transkript auf Deutsch is die Hölle, daher ohne. Dafür jeweils mit kleinem Anreißer oder Trigger versehen.


    zu Sprachpolizei in der/den linken Bewegung(en)



    Zero Covid, Beschuldigung als Querdenker & Schwurbler, Staatsidealismus



    make the Hungerbauch sexy again

  • Meanwhile on the Island:




    Ein linker Sozialdemokrat, der sich vor ein paar zigtausend Leuten auf die Strasse stellt und sagt "Wir sind die Arbeiterklasse"...


    Haha. Such backward people, those brits


  • ich würd ja so gerne mal sehen, wie unsere journallie reagieren würde, wenns sowas bei uns gäbe. also wenn man sich anschaut, wie die ausrasten, nur weil sich jemand auf straßen fest klebt. kann sich jemand blome und co im bewaffneten widerstand auf der seite der unternehmer vorstellen? also ich schon

  • ich würd ja so gerne mal sehen, wie unsere journallie reagieren würde, wenns sowas bei uns gäbe.


    Die würden wahrscheinlich das selbe tun, das sich schon mit Jean-Luc Mélenchon und mit den Gilets jaunes getan haben: sie kurzerhand zur Querfront oder - noch schlimmer - zu Kreml-Knechten erklären, die versuchen die geschlossene Gesellschaft zu spalten.

  • Die würden wahrscheinlich das selbe tun, das sich schon mit Jean-Luc Mélenchon und mit den Gilets jaunes getan haben: sie kurzerhand zur Querfront oder - noch schlimmer - zu Kreml-Knechten erklären, die versuchen die geschlossene Gesellschaft zu spalten.

    Links = Chaos, Unordnung, Unterwanderung, Masse von unten.

    Links = Draussen, die Anderen.

    Links = Mir wird was weggenommen.


    Mit sowas hat man den Deutschen und seiner heiligen Mitte ganz schnell am Empörungs- und Angsthaken. udn wenn im worst case noch jemand daher kommt und ermahnt, dass die Arbeitsplätze in Gefahr sein könnten, dann ist ganz schnell Feierabend. Und kuck dir doch ml diese blöden Franzosen an, neeenee, da ist schon wieder Unordnung und Chaos. Wieso können die das nicht all so machen wie wir, einfach ganz glücklich und unzufrieden wieder nach vorne marschieren?


    (Mensch Tilo , was würd ich den Theweleit gerne nochmal bei JN sitzen sehen...)

  • Das Gesicht und wie sie es in keiner Weise dementiert sprechen Bände, Wagenknecht wird eine Partei gründen. Hab auf die schnelle keinen anderen Twitteraccount außer diesen sehr seltsamen gefunden, verlinke das nur aufgrund des Ausschnitts aus der gestrigen Maischberger-Sendung.


  • Das Gesicht und wie sie es in keiner Weise dementiert sprechen Bände, Wagenknecht wird eine Partei gründen. Hab auf die schnelle keinen anderen Twitteraccount außer diesen sehr seltsamen gefunden, verlinke das nur aufgrund des Ausschnitts aus der gestrigen Maischberger-Sendung.


    und, findeste gut?

  • Ne finde ich nicht gut. Die Rest-Linke ohne Wagenknecht würde das nicht überleben (und die finde ich eigentlich immer noch zu wichtig). Eine Wagenknecht-Partei wiederum hat durchaus Potential, würde aber eine Menge Spinner anziehen, Querdenker, Gelbwesten, sicherlich auch Rechtspopulisten. Dass ich persönlich nichts mit Wagenknecht anfangen kann ist das eine, das ist aber in Ordnung kann ich mit anderen Parteien ja auch nicht, aber das schlimmste was Deutschland passieren könnte wäre eine wie auch immer geartete Querfront, und selbst wenn Wagenknecht das vielleicht gar nicht bewusst anstrebt, es würde in meinen Augen automatisch passieren. Sie wird jetzt schon von genug rechtsoffenen gefeiert. Und dass man die Spinner und Rechten nicht draußen halten kann, das hat man sowohl bei den Piraten gesehen, als auch - auf anderem Level - bei der Lucke-Henkel-AfD.

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