Populismus - Freund oder Feind der Linken?

  • Dass Hennig-Wellsow nicht allzu oft vor Kameras reden sollte, haben die wohl spätestens nach ihrem verpatzen Auftritt bei Herrn Jung im "Gestapo"-Verhörzimmer kapiert.


    Ich hatte schon mal erfolglos von unserem Springer-Maulwurf @Krampus erfragt, aber vielleicht kannst Du mir ja mal ein konkretes Beispiel dafür nennen, wo Janine Wissler, oder ihr Co-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch sich vor der Kamera schlechter geschlagen hätten, als zum Beispiel der rheinisch-frohnatürliche Kanzlerkandidat der immerhin zweitstärksten Partei Unternehmerlobbyorganisation?

    Grundsätzlich finde ich diese Reduzierung auf Personen seitens der Medien innerhalb eines politischen Wettbewerbs höchst fragwürdig.


    Bartsch schlägt sich in meinen Augen noch immer am besten. Bei Wissler habe ich immer das Gefühl sie bäte um Verständnis. Sie benennt die richtigen Probleme, aber vom Habitus her „bettelt“ sie um Aufmerksamkeit für alle, die sich nicht helfen können. Das hat immer so etwas selbsterniedrigendes, freilich für eine gute Sache, aber sie strahlt keine Stärke oder Durchsetzungsvermögen aus. Immer dieses Gedrungene „wir müssen doch… und bitte, bitte!“… immer so mit zugekniffenen Augen.

    Klar ist son Typ wie Gysi ein politisches Jahrhunderttalent. Aber der bettelt nicht. Der ist im Zweifel einfach nur wütend und bleibt dabei extrem wortgewandt und strahlt genau die Verständnislosigkeit und Fassungslosigkeit über all die asozialen politischen Entscheidungen aus, die auch ich mitunter hatte und habe. Zudem kann er extrem witzig sein.

    Bei Wissler denke ich immer, sie wäre in der Heilsarmee.

    Wagenknecht ist da auch ne ganze Nummer offensiver und kann gerade in einer Diskussion ihr Gegenüber argumentativ auseinandernehmen, da sie auch extrem schnell im Kopf ist. Sie bleibt, gerade auf der Sachebene, immer souverän.


    Vergleiche zu Laschet bringen relativ wenig. Er bedient ein völlig anderes Lager.

    Wissler und Co. verlieren nach wie vor viel zu viel an die AfD. Sie hätten allerdings auch dem einen oder anderen SPD-Wähler erklären können, warum sie ihre Interessen besser vertreten als Cum-Ex-Scholz. Ein angriffslustigerer Kandidat hätte all die Korruptionsskandale wieder und wieder pointiert ins Feld führen können und DIE LINKE gleichzeitig als einzig glaubwürdige Sozialdemokratie. Stattdessen versuchte man die bessere Klimapartei zu sein mit Kandidat*innen, die zu oft alles auf einmal wollten und sowie gestisch als aus sprachlich keinen Halt boten. Ich drifte… außer bei Bartsch und Wagenknecht, immer weg, wenn ich den beiden Parteivorsitzenden zuhöre.

  • Grundsätzlich finde ich diese Reduzierung auf Personen seitens der Medien innerhalb eines politischen Wettbewerbs höchst fragwürdig.

    Ja klar. Aber ein bisschen widersprüchlich ist das jetzt schon, wenn Du zuvor noch schriebst...:


    Innerhalb einer solch inhaltsleeren Wahlkampfbegleitung kannst Du als linke Partei ohne populäres Spitzenpersonal nicht bestehen. So einfach ist das, glaube ich..

    ...und dann doch nur Dein persönliches Empfinden gegenüber Wissler...


    Bei Wissler habe ich immer das Gefühl sie bäte um Verständnis. Sie benennt die richtigen Probleme, aber vom Habitus her „bettelt“ sie um Aufmerksamkeit für alle, die sich nicht helfen können. Das hat immer so etwas selbsterniedrigendes, freilich für eine gute Sache, aber sie strahlt keine Stärke oder Durchsetzungsvermögen aus.


    ...zum Ausdruck bringst, und sie quasi in einen Popularitätswettbewerb mit Wagenknecht und Gysi als mit Abstand prominenteste linke Personen bugsierst.


    So einen wie Gysi, der es gleichzeitig schafft, fürchterlich eitel und trotzdem irgendwie sympathisch zu sein - selbst wenn man ihn zum tausendsten mal auf die Stasi und sein fehlendes Bekenntnis zum "unrechtsstaat" anspricht - kann man sich nunmal nicht aus dem Hut zaubern. immerhin hat der Parteivorstand nicht lang gefackelt und den alten Mann im Wahlkampf nochmal ordentlich durchs Pressespalier gschickt (und nicht nur ihm sondern auch Teilen der Fraktion damit wohl den Verbleib im bundestag gesichert:)


    Wagenknecht wird jedenfalls auch nicht deshalb von ihren Fans bewundert und selbst von ihren politischen GegenerInnen zumindest respektiert, weil sie so eine Charme-Granate ist, mit der man unbedingt mal ein bis zehn Bier trinken gehen will, sondern weil sie sich standhaft weigert, sich selbst von der geballten Investigativkraft eines Markus Lanz - nebst dem jeweils dazu bestellten Vertreter der bürgerlichen Presse - von linken Inhalten abbringen zu lassen.

    Das kann ich auch respektieren, wenn ich mit ihren jüngsten Eskapaden so gar nicht mehr einverstanden bin.


    Genau das selbe hat aber Wissler in gleich mehreren ganz ähnlichen Kreuzverhör-Situationen in diversen Talkshows und Kandidatenrunden der letzten Wochen gemacht und sich dabei, wie ich finde, sowohl inhaltlich als charakterlich durchaus als sehr unbeirrbar und standhaft erwiesen.

    Auch Bartsch hat das - allerdings bisweilen dann doch etwas weniger Souverän und ob der immergleichen dämlichen Fragen dann auch irgendwann leicht genervt - zumindest immer versucht.


    Die Frage ist aber nicht, ob Danton oder Utan persönlich jetzt eher die spröde Thüringer Eiskönigin, das etwas leidenschaftlichere hessische Mundwerk, oder den zurückhaltenden nordischen Ostküstenschnack bevorzugen, sondern ob die Parteiprominenz die Inhalte gut rüber gebracht hat. Und da ist natürlich die Frage entscheidend, was man von der LINKEN eigentlich erwartet hat.


    Wer den Parteien-Parlamentarismus in seiner heutigen Form an sich ablehnt, weil er ein Produkt der bürgerlich-kapitalistischen Verhältnisse ist und jede Partei die darin in Regierungsverantwortung kommt zwangsweise korrumpieren muss, wenn nicht eine große revolutionäre Bewegung dahinter steht, die ihr den Rücken frei hält, für den ist die LINKE sowieso überflüssig - spätestens seit sie in mehreren Landesregierungen sitzt, und da auch nichts anderes tun kann, als bestenfalls ein bisschen linkere Sozialdemokratie mit ein paar lauwarmen Reförmchen. Aber dieser Haltung hätte ich Dich - und den größeren Teil des Forums hier jetzt eher nicht zugeordnet.


    Will man hingegen in der Linken die einzige noch halbwegs sozial orientierte - und vor allem bislang noch nicht vom großen Spenden- und Karrieredrehtürapparat korrumpierte - Partei sehen, die den größeren "links"-liberalen Parteien noch ein bisschen ins Gewissen reden kann - so wie das ja hier auch schon formuliert wurde - dann muss man sich schon fragen lassen, wie sie das bei dem eisigen Gegenwind, der ihnen in diesem Wahlkampf aus dem etablierten Politik- und Medienbetreieb immer wieder entgegen wehte anders hätten anstellen sollen, als sich auf den Teil ihres Programmes zu konzentrieren, der sich noch am ehesten mit den Programmen von sPD und Grünen unter einen Hut bringen lässt.

  • ich find aber schon, dass danton einen punkt hat bei wissler. das was sie sagt ist meistens ziemlich gut, auf jeden fall kann man damit arbeiten, aber wie sie es sagt ist meistens "weinerlich, bettelnd". das ist auf jeden fall etwas, woran sie aktiv arbeiten könnte, sie ist ja auch noch nicht so lange in der ersten reihe

  • ch find aber schon, dass danton einen punkt hat bei wissler. das was sie sagt ist meistens ziemlich gut, auf jeden fall kann man damit arbeiten, aber wie sie es sagt ist meistens "weinerlich, bettelnd".

    Ganz ehrlich, ich kann das nicht nachvollziehen.


    Aber vielleicht müsst ihr mir mal, so wie ich das ja auch von Danton haben wollte, ganz konkret zeigen, was zum Beispiel an diesem kleinen Disput hier zwischen Wissler und dem CEO von Team Lindner "weinerlich, bettelnd" war:


  • Ich habe ja nun trotzdem die Linke für ihre Inhalte gewählt. Insofern kein Widerspruch. Es fiel mir halt nur etwas schwerer als sonst, weil mich diese Partei zurzeit nicht wirklich mitnimmt...bzw. finde ich deren erste Reihe gerade nicht sonderlich überzeugend und ich habe beschrieben wie sie auf mich wirkt. Und wenn selbst mich, als absoluten langjährigen Stammwähler, das derzeitige Personal nicht mehr überzeugt, hat diese Partei ein echtes Problem... was ja nun auch bei der Bundestagswahl nachvollzogen werden konnte. Ich konnte bei meiner Stimmabgabe durchaus Inhalte höher als Personen gewichten, nur musste ich diesmal schon meine tief sitzende, innere und prinzipielle Überzeugung befragen bevor ich mein Kreuz bei der linken machte. Irgendwelche Abende mit Markus Lanz oder Sommerinterviews brachten mich nicht dazu.



    Wer den Parteien-Parlamentarismus in seiner heutigen Form an sich ablehnt, weil er ein Produkt der bürgerlich-kapitalistischen Verhältnisse ist und jede Partei die darin in Regierungsverantwortung kommt zwangsweise korrumpieren muss, wenn nicht eine große revolutionäre Bewegung dahinter steht, die ihr den Rücken frei hält, für den ist die LINKE sowieso überflüssig - spätestens seit sie in mehreren Landesregierungen sitzt, und da auch nichts anderes tun kann, als bestenfalls ein bisschen linkere Sozialdemokratie mit ein paar lauwarmen Reförmchen. Aber dieser Haltung hätte ich Dich - und den größeren Teil des Forums hier jetzt eher nicht zugeordnet.

    ja...pfff. wat willste machen Utan? Schießen darfste nich. Was ich mir erhoffe ist am Ende sowas wie Varoufakis, nur halt hier in Deutschland in die Realität umgesetzt. Ich denke so ein Umbau braucht zum einen realistische, aber auch wirklich kühne Vorschläge. Einen revolutionären und plötzlichen Umsturz werde ich mir nicht wünschen. Was ich mir wünsche sind mutige linke Ideen, die auf der einen Seite an die bestehende Ordnung zwar andocken können, aber in ihrer inneren Ordnung anderen Prinzipien folgen.


    Will man hingegen in der Linken die einzige noch halbwegs sozial orientierte - und vor allem bislang noch nicht vom großen Spenden- und Karrieredrehtürapparat korrumpierte - Partei sehen, die den größeren "links"-liberalen Parteien noch ein bisschen ins Gewissen reden kann - so wie das ja hier auch schon formuliert wurde - dann muss man sich schon fragen lassen, wie sie das bei dem eisigen Gegenwind, der ihnen in diesem Wahlkampf aus dem etablierten Politik- und Medienbetreieb immer wieder entgegen wehte anders hätten anstellen sollen, als sich auf den Teil ihres Programmes zu konzentrieren, der sich noch am ehesten mit den Programmen von sPD und Grünen unter einen Hut bringen lässt.

    Naja.... ich fands schon ein wenig mau. Klar ist da heute nicht soviel Mobilisierung wie einst im Osten ohne AfD, aber dafür mit extrem hohen Arbeitslosenzahlen, möglich. Da war die PDS, bzw. Gregor Gysi, halt wirklich der letzte Anwalt den sich die Ossis noch leisten konnten. Man brauchte diese Partei einfach.

    Heute kann man dafür aber auch noch laut genug auf die Pauke hauen. All die Korruptionsskandale, eine zerstörte EU auf Grund einer von unserer Regierung genauso gewollten asozialen Wirtschaftspolitik, explodierende Lebenserhaltungskosten, Rente!.... das waren alles Nebenkriegsschauplätze in dieser Wahl. Hatte das etwas mit den Medien zu tun? Ja vielleicht, aber mal im Ernst; jemand wie Rezo, der Parabelritter usw. usf. bekommen es auf ihre Art auch sehr gut hin ohne den klassischen Medienbetrieb Inhalte zu transportieren. Dass das wirklich begabte Jungs sind sehe ich gerne ein, nur zeigen diese Figuren durchaus, dass linke Inhalte durchaus gefragt und auch ohne den klassischen Blätterwald sehr gut in Umlauf gebracht werden können. Man sollte jetzt nicht einfach hergehen und die Schuld bei M. Lanz suchen, man muss sich als linke Partei selber fragen wie man in Zukunft seine Wähler ansprechen möchte. Klar braucht es da auch Talent und Charisma. Das hat nicht jeder... aber man sollte innerhalb der Partei anfangen danach zu suchen.... oder eben ganz bewusst auf einzelne Gesichter verzichten und konsequent als Kollektiv auftreten.

  • Was ich mir wünsche sind mutige linke Ideen, die auf der einen Seite an die bestehende Ordnung zwar andocken können, aber in ihrer inneren Ordnung anderen Prinzipien folgen.


    Das überzeugt mich jetzt nur davon, dass Du eigentlich gerne hättest, dass die Linke sich benimmt wie eine sozialdemokratische Partei - also in etwa so wie die sPD und die Grünen es vorgeben zu sein.


    Varoufakis, den Du ja weiter oben erwähnst, will eigentlich keine Sozialdemokratie sondern sowas wie einen gesamteuropäischen demokratischen Sozialismus. Auch wenn sie das nicht so nennen ist das Ziel von DiEM25 ziemlich klar die Entmachtung des Großkapitals - vor allem der Finanzmärkte - zugunsten einer Demokratisierung der Wirtschaft und damit langfristig der Abschaffung des Missverhältnisses von Arbeit zu Kapital.


    Das ist ein Unterschied zu Sozialdemokraten, die "an die bestehende Ordnung" andocken und eigentlich seit dem Ende des zweiten Weltkrieges nur noch das Ziel haben, die inhärent ungleiche Verteilung in der kapitalistischen Marktwirtschaft durch politisch vermittelte Kompromisse zwischen Kapital-und Lohnarbeit für letztere erträglicher zu halten.

    Die gesamteuropäische Bevölkerung hat Varoufakis' Partei und ihrem eigentlich sehr durchdachten "Green new Deal" dafür allerdings bei den letzen Europawahlen mit 0,3% noch weniger Stimmen gegeben, als DIE LINKE bei dieser Bundestagswahl bekommen hat.

    Varoufakis selbst - zweifellos eine sehr charismatische, telegene und halbwegs prominente Persönlichkeit - hat es nicht ins Europaparlament geschafft, obwohl er dafür extra einen Wohnsitz im "linksgrünen" Berlin angemeldet hatte, um auf der aussichtsreichen deutschen Liste Kandidieren zu können.


    Mir scheint, vielen der Leute, die sich jetzt bei der LINKEN darüber beschweren, dass sie keine machtvolle Massenbewegung auf die Beine stellen konnte, um die letztendlich bis tief ins "links"-liberale Lager hinein vollkommen strukturkonservative deutsche Gesellschaft zurück zur Sozialdemokratie der 70er Jahre zu führen - nur halt in modern, ein bisschen woker und klimafreundlicher - haben diesen Unterschied offenbar nicht so wirklich verstanden.

  • Also, was ich machen konnte, habe ich getan. Auch DiEM25 habe ich bei der letzten Europawahl gerne und mit voller Überzeugung gewählt.

    Was Varoufakis während der Eurokrise als Finanzminister für sein Land und für Europa angesprochen hat, konnte ich nur unterstützen. Und ich war ihm sehr dankbar für seine klaren Worte.


    Und mit "linken Ideen", die an die heutige Struktur "andocken" können, meine ich natürlich auch so Dinge wie Genossenschaften. Mir gefällt diese Idee tatsächlich, ich meine aber auch z.B. eine andere Art zu wohnen. Mehrgenerationenhäuser mit Räumen, die gemeinsam genutzt werden. Vor längerer Zeit stellte ich auch mal meine Idee zu einem anderen Nahverkehrskonzept vor.


    Ich weiß ja, dass wir hier öfter mal aneinander gerasselt sind, aber ich glaube noch immer, dass Du mich falsch einschätzt.


    Was ich mir nicht vorstellen kann, ist eine Revolution ala 1848. Wenn es hier eine Revolution gibt, wird es eine rechte Revolution sein, getragen von Antiglobalisten (Nationalisten) und Besitzstandswahrern. Man müsste vorher versuchen einen Wandel hinzubekommen, der eben ökologisch und sozial ist.... dafür werden wir noch viele Ideen benötigen und sehr viel Arbeitskraft zu organisieren haben.

  • offenbar hat weder Sie noch Herr Bartsch mehr als die Stammwähler überzeugt und das ist worin Sie sich messen muss

    Ich vermute eher, dass es eine Retourkutsche der Wähler war. Eine Zeit lang war Wagenknecht in den Top 5 der beliebesten Politiker überhaupt, dann wurde sie quasi von ihren Parteigenossen raus gemobt, weil es ihre Schuld war, dass es "nur" 9,2 % bei der letzten Bundestagswahl gab.


    Bartsch und Wissler tun mir irgendwie leid, denn an denen hat es bestimmt nicht gelegen. Die Wissler hätte es ALLEIN mit den Triell Pfeifen aufnehmen können.

    2 Mal editiert, zuletzt von Bruto () aus folgendem Grund: Standpunkt klarer formuliert.

  • Sahra Lindnerknecht


    War das Wahlprogramm der Linke also zu grün?

    In Wirklichkeit ist es nicht grün, sondern unehrlich, wenn man Menschen vormacht, mit den heutigen Technologien wäre es möglich, den Strom- und Energiebedarf unserer Volkswirtschaft komplett aus erneuerbaren Energieträgern zu decken. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir technologische Innovation und nicht einfach nur mehr Windräder. Wir haben da eine Debatte übernommen, die bei Wählern, die etwa auf dem Land leben und sich keinen smarten Tesla leisten können, auf Unverständnis stößt.

  • uch passend das in der letzten böhmerann Sendung die linke nicht aufgetaucht ist aber alle anderen Parteien in den asozialen Medien personalisierte Wahlwerbung betrieb.

    Da war die Linke in Gestalt von Dieter Dehm vertreten.


    Dieter hat leider sein Mandat verloren :( /s

  • Dass De Masis Populismus wenig vorkam, liegt aber auch daran, dass er keine Rolle mehr für die kommende Legislaturperiode spielt und dem zufolge auch keine große Rolle im Wahlkampf mehr. Schlimm, dass niemand in der Partei dort anknüpfen konnte.

    Mit ihm als ein Spitzenkandidat wäre das sicher anders gelaufen, denn er hat ein gewisses Talent. Da kann m.M.n. auch Wagenknecht nicht mithalten.


    Wie man gerade sieht, sind die entstandenen Risse in der Partei kaum zu kitten. Und die haben eher weniger mit bestimmten Personen zu tun, als dass diese sie nur repräsentieren.

    Man (nicht das Spitzenpersonal) macht gerade häufig und öffentlich genauso weiter, wie vor der Wahl und ergibt dabei oft genug in Selbstbestätigung. Ich weiß auch keine Lösung, außer darauf zu hoffen, dass jemand auf der Bildfläche erscheint, der mit seiner Popularität die Lager hinter sich vereinen kann. Glauben tue ich gerade nicht dran.

  • Was ich mir nicht vorstellen kann, ist eine Revolution ala 1848. Wenn es hier eine Revolution gibt, wird es eine rechte Revolution sein, getragen von Antiglobalisten (Nationalisten) und Besitzstandswahrern. Man müsste vorher versuchen einen Wandel hinzubekommen, der eben ökologisch und sozial ist.... dafür werden wir noch viele Ideen benötigen und sehr viel Arbeitskraft zu organisieren haben.

    Auch das mit der Revolution hatten wir jetzt wirklich schon oft genug. Ich widerspreche da überhaupt nicht.


    Die Frage ist allerdings, wie man als echte (!) linke (also nicht oberflächlich sozialdemokratische aber im kern neoliberale) Partei überhaupt noch dagegen halten kann, wenn ein so großer Teil der Gesellschaft offensichtlich ein kognitives Dissonanz-Problem (<- nicht nur Utan sondern auch Harald Welzer) hat.


    Wenn man zwar grundsätzlich mehr soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz - in Berlin sogar die Enteignung von Immobilienkonzernen! - für richtig hält, aber sich gleichzeitig von einer bräsig-arroganten Infotainmentindustrie sofort Abwehrreflexe einreden lässt, wenn irgendwer das heilige Wachstum als einzigen Antrieb für "neue Technologien" (<- nicht nur C. Lindner sondern auch S. Wagenknecht!) zu nachhaltigen Veränderungen (die möglichst gar nichts im gewohnten Alltag verändern sollen!) anzweifelt, und dann doch lieber eine der Parteien wählt, die das "grüne" Wachstum alle - von "links"-grün bis rechts-schwarzweißblau - zum Kern ihrer Klimaschutzpolitik erhoben haben und sich gegenseitig erklaren, wie eng sie sich darüber schon mit der Wirtschaft abgestimmt hätten, dann ist das schon mal eine denkbar ungünstige Ausgangslage für eine Partei, die eigentlich immer noch die langfristige Überwindung des Kapitalismus im Programm stehen hat.


    Davon abgesehen ist die LINKE natürlich auch selbst Schuld an den herben Verlusten. Bartsch meinte neulich, das schlechte Ergebnis sei auch ein Resultat der Entwicklungen der letzten Jahre gewesen, und spielte damit relativ offensichtlich auf das ganze Debakel um Wagenknecht und ihre öffentliche Fehde mit dem damaligen Parteivorstand an.


    Gestern hat die Ex-Vorsitzende Kipping der taz ein Interview gegeben und eigentlich nochmal klar gemacht, warum es gut ist, dass sie nicht mehr Parteivorsitzende ist:


    [K.K.:]Spätestens am Abend der Europawahl im Mai 2019 war mir klar, dass wir an einem Punkt nachsteuern müssen. Die Frage der sozialökologischen Transformation steht dringend im Raum. Um soziale und ökologische Krisen zu entschärfen, braucht es auch die Machtinstrumente der Regierung. Insofern reicht ein rein rhetorisches Bekenntnis zu Regierungsverantwortung nicht. In der Breitenwirkung fehlte es uns da an Ernsthaftigkeit und Klarheit.

    [taz:] Über 1,4 Millionen Wäh­le­r:in­nen sind von der Linken zu SPD und Grünen abgewandert. Was zeigt das?

    Das zeigt ganz klar, dass unsere Wäh­le­r:in­nen nicht einfach mehr Krawall wollen, sondern ernsthaft eine Durchsetzungsperspektive suchten. Die wir nicht bedienen konnten.

    Dabei hat sie zunächst ja vollkommen recht mit der Beschreibung der Aufgabe als "sozialökologische Transformation". Allerdings reden auch die grünen SpitzenpoliztikerInnen und mittlerweile sogar der Scholzomat längst davon, dass man den Klimaschutz nicht zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung betreiben solle.


    Der springende Punkt ist allerdings, dass außer der Linkspartei - und da auch nur noch sehr zaghaft - niemand ernsthaft darüber spricht, wie man das durchaus vorhandene Interesse des Kapitals in das wachsende Marktsegment ökokologisch nachaltiger(er) Technologien zu investieren und damit endlich die jahrzehntelange Wachstumsschwäche in der gesamten westlichen Welt zu beenden, mit dem im krassen Widerspruch dazu stehenden Interesse jener arbeitenden Bevölkerung unter einen Hut bringen soll, dafür nicht mit noch mehr Kürzungen bei Löhnen und Sozialsystemen zu bezahlen.


    Vom "links"-grün-liberalen Robert Habeck bis zum schwarzbraun-"liberalen" Don Marco sind die Chefs aller möglicherweise an der nächsten Regierung beteiligten politischen Banden mehr oder weniger einhellig der Meinung, dass der Staat hier mit positiven Anreizen™ für die private Wirtschaft voran schreiten müsse, ihr aber dabei um Himmelswillen keine allzu wachstumsfeindlichen Regularien ans Bein binden solle.


    Dabei sind die Grünen - rein rhetorisch! - mittlerweile allerdings bereits mit der nötigen "Druchsetzungsperspektive" (<-Kipping) genau da angekommen, wo viele eher nicht so radikale "linke" und auch die Genossin Kipping selbst eigentlich die Linkspartei gerne gehabt hätten: in der sozialökologischen Sozialdemokratie.

    Und ironischerweise hat sich dort auch Kippings Erzfeindin, die Genossin Wagenknecht längst zusammen mit ihrem alten linken SPD-Urgestein Oskar häuslich eingerichtet - mit ordentlichem Abstand und Gartenzaun zu ihren früheren GenossInnen von der kommunistischen Plattform und anderem radikal kapitalismuskritischem Gezücht - und gleich neben dem, von Team Lindner immer wieder als Kernklientel behaupteten, braven deutschen Mittelstand der kreativen Familienentrepreneure und ehrbaren Kaufleute - nur dass sie sich als Distinktionsmerkmal zu den ganzen anderen rhetorischen SozialdemokratInnen eben ausgesucht hat, ganz besonders anti-woke zu sein.


    Kipping weiter im Interview:

    Horst Kahrs von der Rosa-Luxemburg-Stiftung bemängelt in seiner Wahlanalyse, dass der Linken bereits seit 2012 eine schlüssige Erzählung fehlt, wohin sie will und was sie mit der Gesellschaft vorhat.

    Die Strategie war da, aber wir sind damit nicht durchgedrungen. Unser Außenbild wurde stark durch Wortmeldungen einiger weniger bestimmt, die für Irritationen sorgten. Zum Beispiel in der Außenpolitik entstand der falsche Eindruck, dass wir eher an der Seite von Despoten Politik machen wollen.

    Sie meinen Frak­ti­ons­kol­le­g:i­nnen wie Sevim Dağ delen, Heike Hänsel und Andrej Hun­ko, die auch gegen die Afghanistanevakuierung durch die Bundeswehr stimmten?

    Ich will keine Namen nennen. Aber was ich am Infotisch, egal ob in der Plattenbausiedlung in Dresden oder im tiefsten Erzgebirge oft gehört habe: Euer Verhalten bei der Abstimmung zum Evakuierungseinsatz in Afghanistan war ein Fehler. Wir waren vorher argumentativ mit unserer Kritik an Militärinterventionen und dem Versagen des Westens in Afghanistan in der Offensive. Mit der Abstimmung gerieten wir in die Defensive. Unser Verhalten war ein großer Fehler.

    Damit übernimmt sie einfach mehr oder weniger genau das Narrativ von den Linken als unischere Kantonisten und Freunde demokratiefeindlicher Elemente, das der bürgerliche Medienapparat seit Jahren aufrecht erhält um ihnen die Regierungsfähigkeit abzupsrechen.

    Auch dass sie dann im weitern Verlauf berichtet, man habe ihr das auch an Wahlkampfständen auf der Straße so gesagt, ist kein Beweis dafür, dass es stimmt, sondern vor allem dafür, dass die Menschen auf der Straße auch nur das wissen können, was ihnen durch die Rund-um-die-Uhr-Beschallung aus den Medien vermittelt wird.

    Das gilt natürlich auch für die taz-Redakteurin Lehmann, die hier ganz klare Suggestivfragen stellt, um Kipping dazu zu bringen, die in ihrem eigenen "links"-liberalen Filterblasenmillieu längst als schwarzen Schafe und Diktatorenfreunde gebranntmarkten Individuen doch endlich mal beim Namen zu nennen.

    Auch der Umstand, dass die LINKE keine "schlüssige Erzählung" darüber anzubieten habe, wo sie die Gesellschaft hinführen wolle, ist natürlich nicht unwesentlich von der traurigen Tatsache beeinflusst, dass auch "links"-liberale JournalistInnen es mit der Angst zu tun bekommen, wenn man als FunktionärIn einer politische Partei, die immerhin zum Teil in Regierungsverantwortung ist, die herrschenden kapitalistischen Verhältnisse allzu ernsthaft hinterfragt.


    Wie sehr sich diese Vorstellung von den Linken als Hort von - je nach politischer Ausrichtung der Rezipientinnen - wahlweise Mauermördern, SED-Nachfolgern, Diktatorenfreunden, unflexiblen marxistischen DogmatikerInnen, traumtänzerischen RealitätsverweigerInnen, kaltherzigen Ortskräfte-im-Stich-lasserInnen, oder nationalen Sozialist*innen mit Querfrontambitionen über die ("social"-)mediale Vermittlung auch beim bildungsbürgerlichen Teil der potenziellen Wählerschaft ins Hirn gefressen hat, kann man ganz gut an einer kleinen Umfrage sehen, die Friend of the Show Robert Fietzke jüngst in der linken twitterblase gestartet hat.

    Würde man das für repräsentativ halten - was angesichts des winzigen Teils der Bevölkerung, der sich tatsächlich aktiv auf twitter betätigt völlig realitätsfremd wäre - dann könnte man in der Tat den Eindruck haben, den die Genossin Wagenknecht mit ihrer letzten Brandschrift wider die "Lifestyle-Linken" zu vermitteln versuchte.


    Bartsch und Wissler (und auch Gysi) haben sich - meiner Ansicht nach - sehr tapfer und eisern gegen beide Narrative gestellt. Dabei haben sie immer wieder die Linke Position zur Enthaltung beim Afghanistan-Einsatz erklärt und versucht, auf tatsächliche Inhalte und die Soziale Frage überzuleiten. - nur leider haben die diversen MedienvertreterInnen, bei denen sie dazu eigeladen waren das allesamt nicht hören wollen.


    Mein Fazit wäre, dass die Linke durchaus verstanden hat, was unter Kipping und Riexinger schief gelaufen ist. Nur leider kam die Erkenntnis deutlich zu spät für diesen Wahlkampf. Und das Timing der Veröffentlichung von Wagenknechts letztem Buch war dabei sicher auch nicht besonders hilfreich.

    Man sollte sie jetzt aber nicht gleich abschreiben. Sie sind weiterhin im Bundestag und können da ein bisschen öffentlichen Ärger machen. Und vielleicht schaffen sie es ja, aus der nun vermutlich folgenden Legislatur einer tatsächlich "links"-liberalen Regierung, die sich in ihren eigenen Widersprüchen zwischen Wirtschaftshörigkeit mit kapitalistischem Klimaschutz und der sozialdemokratischen Rhetorik verheddert, mit der die sich im Wahlkampf aufhübschen mussten, wieder ein bisschen mehr politisches Kapital zu schlagen. Zu verlieren haben sie eigentlich nicht mehr viel.

  • Das ist auch meine Hoffnung. Das Interview von Kipping zeigt wirklich sehr schön was schief ging. Ich finde allerdings auch Wagenknechts Analyse erstmal richtig:

    Zitat von Wagenknecht

    In der aktuellen Situation wäre meiner Meinung nach ein zweistelliges Ergebnis durchaus möglich gewesen. Weder sind die anderen Parteien mit besonders überzeugenden Kandidaten angetreten, noch hatte die SPD mit Olaf Scholz ein klares soziales Profil. Trotzdem sind wir abgestürzt. Ein Grund dürfte sein, dass wir in den letzten Jahren mehr und mehr zu einer Partei des gutsituierten akademischen Fridays-for-Future-Milieus geworden sind. Das ist eine schmale Zielgruppe, die zudem großenteils dann doch die Grünen wählt. Wenn wir versuchen, grüner als die Grünen zu wirken, verprellen wir viele unserer traditionellen Wähler. So sollten wir nicht weitermachen, denn das gefährdet unsere Existenz.

    Wenn DIE LINKE glaubt sie könne mit dem Thema Klimaschutz innerhalb ihrer Kernklientel Wähler überzeugen sie zu wählen, liegt sie einfach falsch. Wagenknecht hat das im Gegensatz zu Kipping wirklich begriffen.

    Die Linke muss sich erstmal „nur“ darauf konzentrieren was für die bestehende Gesellschaft sinnvolle sozial-ökologische Angebote sein könnten. (Eine andere Art zu wohnen z.B.)

    Die Linke muss aber auch immer der härteste Anwalt für Arbeitslose und Geringverdiener sein.

    Das Thema Klimaschutz beunruhigt ganz grundsätzlich das Kernklientel der Linken. Daher sollte man als Linker weniger direkt darüber reden, sondern wenn, dann halt nur in Verbindung mit akzeptablen Lösungen.


    Wagenknecht könnte auch problemlos vorschlagen AKWs länger am Netz zu lassen um erstmal Kohlekraftwerke vom Netz nehmen zu können. Damit würde sie sich von den Grünen absetzen und gleichzeitig eine praktikable Lösung in den Raum stellen. Ich weiß schon, dass das auch hier sehr umstritten ist. Im (Ostdeutschen)Kernklientel würde das allerdings als vernünftiger Vorschlag durchaus begrüßt werden. (Ist auch nur ein Beispiel)


    Kipping hat die Linke dorthin manövriert wo sie heute steht. Ich glaube aber auch wie Du, dass man das 1. begriffen hat und man 2. nun in der Opposition zu Grünen und SPD sehr deutlich zeigen kann, worin man sich denn nun wirklich (noch) unterscheidet.

  • Kümmererpartei war die Linke im Osten auch mal.

  • Niedergang der Linken: Die Partei als Ruine

    Linkspartei als parlamentarische Kraft fast k.o. gegangen. Ergebnis angesichts struktureller Probleme nicht überraschend. Im Osten verlieren die Sozialisten, im Westen sind sie nie richtig angekommen. Ein Gastbeitrag


    [*Jannis Ehling ist Mitglied des Bundesvorstandes von DIE LINKE]


    [Edit: falschen Link zum Artikel korrigiert]

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