Populismus - Freund oder Feind der Linken?

  • Der Wikipedia Eintrag ist irreführend. Ich denke nicht dass Anthropologen jemals vom perfekten Geschenk ohne Gegenleistung sprechen und eine verklärte Vorstellung von diesen Gesellschaften haben. Ausserdem ist es falsch, dass wir nur Potlatch und Kula Ringe als Beispiele von Geschenkökonomien kennen. (Graeber zitiert weit mehr Quellen).


    Ahistorisch ist der "natürliche Triebe des Menschen zu Handeln und zu Feilschen" wie er bei Smith postuliert wird. Hier findet die eigentliche "Romantisierung" statt. Wie Graeber beschreibt kann man den Taushhandel (Barter) nur in Gesellschaften historisch nachweisen in denen es vorher schon eine Marktwirtschaft gab und Geld nicht mehr verfügbar ist. (z.B. Schwarzmarkt in der Nachkriegszeit).


    der Normalfall in jeder Gesellschaft ist, dass verschiedene Formen des Austauschs in verschiedenen ausprägungen existieren.

    - Gegenseitiges Helfen und Schenken und kommunistisch, egalitäre Beziehungen innerhalb der engen Familie, unter guten Freunden, Nachbarn etc.

    - Schenken in der Erwartung einer späteren Gegenleistung.

    - Handel mit Geld auf enem Markt


    Was Graeber historisch nachweist ist, dass die Enwicklung des Geldes und der reinen Marktbeziehung eine relativ späte Entwicklung ist, die vor allem der Existenz stehender Heere von Berufssoldaten geschuldet ist und nicht aus einem "Tauschhandel" hervorgeht.

  • ickvonhier


    Der Punkt ist nicht, dass es vor dem Kapitalismus keine Märkte gegeben hätte, sondern dass die Markt-Wirtschaft erst mit der Industriellen kapitalistischen Massenproduktion auf die ganze Gesellschaft ausgeweitet wurde.


    Erst dadurch ist z.B. ein Arbeits-"Markt" entstanden, auf dem alle Nicht-EigentümerInnen von Produktionsmitteln um Arbeitsplätze konkurrieren und ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, damit sie Geld verdienen und sich damit auf dem Markt die industriell hergestellten Produkte kaufen können, die sie zum Lebensunterhalt benötigen.

  • Der Wikipedia Eintrag ist irreführend. Ich denke nicht dass Anthropologen jemals vom perfekten Geschenk ohne Gegenleistung sprechen und eine verklärte Vorstellung von diesen Gesellschaften haben. Ausserdem ist es falsch, dass wir nur Potlatch und Kula Ringe als Beispiele von Geschenkökonomien kennen. (Graeber zitiert weit mehr Quellen).

    Mag sein, ich bin noch themenfremd.

    Ahistorisch ist der "natürliche Triebe des Menschen zu Handeln und zu Feilschen" wie er bei Smith postuliert wird. Hier findet die eigentliche "Romantisierung" statt.

    Hier bin ich bei Ihnen.

    Hier würde ich auch mitgehen.

  • Utan Mir schien es dass wieder die von dir genannte "Naturalisierung" als Argument ins Feld geführt wurde. Wenn "Märkte" zwangsweise aus dem "natürlichen drang des Menschen zu handeln nd zu Feilschen" (Smith) hervorgehen, dann ist die "Marktwirtschaft", also der Kapitalismus das einzige natürliche Wirtschaftssystem und andere Wirtschaftssystem sind "gescheitert", "unnatürlich", "realitätsfremde, romantische Utopien! usw. Wir haben dieses Gefecht schon oft genug geführt.

  • Mir schien es dass wieder die von dir genannte "Naturalisierung" als Argument ins Feld geführt wurde. Wenn "Märkte" zwangsweise aus dem "natürlichen drang des Menschen zu handeln nd zu Feilschen" (Smith) hervorgehen, dann ist die "Marktwirtschaft", also der Kapitalismus das einzige natürliche Wirtschaftssystem und andere Wirtschaftssystem sind "gescheitert", "unnatürlich", "realitätsfremde, romantische Utopien! usw. Wir haben dieses Gefecht schon oft genug geführt.

    Aber nicht von mir.


    "natürlichen drang des Menschen zu handeln nd zu Feilschen"


    Das ist eine Mär.


    Aber anscheinend definieren wir auch Markt unterschiedlich.

    Markt ist Tausch. Marktwirtschaft und Handel gehen darüber hinaus.


    Wobei jetzt wieder Handel definiert werden müßte.


    Ich machs mal so:


    "Markt bezeichnet in der Wirtschaftswissenschaft das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage

    ...

    Das Grundprinzip des Marktes ist der Tausch.

    ...

    Ein Tausch wird abgegrenzt von der Gabe und von der Schenkung durch das jeweils einseitige aktive Handeln aus eigenen Motiven.

    ...

    Ein Tausch kann auch ohne ökonomische Interessen stattfinden."


    Als meine Grunddefinition.

  • Wenn "Märkte" zwangsweise aus dem "natürlichen drang des Menschen zu handeln nd zu Feilschen" (Smith) hervorgehen, dann ist die "Marktwirtschaft", also der Kapitalismus das einzige natürliche Wirtschaftssystem und andere Wirtschaftssystem sind "gescheitert", "unnatürlich", "realitätsfremde, romantische Utopien! usw. Wir haben dieses Gefecht schon oft genug geführt.

    Ja klar, Keine Widerrede.


    Ich dachte nur, ihr redet hier gerade ein bisschen aneinander vorbei.

  • Ohne jetzt ein Karussell erneut anschmeißen zu wollen, sehe ich, bei fast unzähligen Gütern, schon einen derart beschrieben Mechanismus.

    Ob Smartphones, PCs, Photovoltaikzellen... Immer niedrigere Grenzkosten ermöglichten Mrd. von Menschen Zugriff auf diese für uns heute unverzichtbare Technologien.

    Das ist freilich nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stehen schlechte Arbeitsbedingungen und die Zerstörung der Natur und Umwelt. Die niedrigen Grenzkosten preisen die Schäden an Mensch und Natur nicht mit ein. Das wäre mein Ansatz für eine Reform. Und ich weiß eben nicht ob es dann entweder keine Handys mehr gäbe, nur noch super teure oder welche mit denen sich eben nur noch telefonieren lässt. Wenn die Schäden unbezahlbar hoch wären, gäbe es verschiedene Produkte dann eben nicht. Fände ich grundsätzlich ok.

    Da es allerdings auch Waren und Dienstleistungen gibt, die grundsätzlich verfügbar und nachhaltig zur Verfügung gestellt werden müssen, werden vergesellschaftete Unternehmen in Zukunft wahrscheinlich eine immer größere Rolle spielen. Unsere Nahrungsmittelproduktion ist unter den Gesichtspunkten „Nachhaltigkeit“ und „Tierwohl“ eine reine Katastrophe. Ich kann mir vorstellen, dass eine nachhaltige Produktionsweise ungleich teurer wäre und für manche, bei rein privater Organisation, vielleicht auch völlig unbezahlbar. Ich weiß nicht warum auch nicht nachhaltige Agrarbetriebe und Genossenschaften heute überhaupt noch Subventionen sehen. Steigende Lebensmittelpreise auf Grund nachhaltiger Produktionsweisen, wären allerdings noch schwerer zu kommunizieren als höhere Spritpreise, auch wenn bereits Konsens darüber herrschen sollte, dass bspw. Fleisch viel zu billig wäre.

    Kurz gefasst: Mit Marx kann man sicherlich gut begründen warum eines Tages der Kapitalismus scheitern muss. (Monopolstrukturen, Zerstörung der Umwelt, keine Kundschaft auf Grund maximaler Ausbeutung/Automatisierung)

    Man kann ihn allerdings auch wie eine Bedienungsanleitung lesen; verhindere Monopole, stelle faire Löhne sicher, schütze die Umwelt... Sozialdemokratie halt.


    Jetzt habe ich wahrscheinlich wieder mal an Deinen Ausführungen vorbei geschrieben. Unbeabsichtigt.

  • Man kann ihn allerdings auch wie eine Bedienungsanleitung lesen; verhindere Monopole, stelle faire Löhne sicher, schütze die Umwelt...

    Das können Sie so lesen, aber nicht durchsetzen.

    Diese Ziele stehen der grenzenlosen Akkumulation entgegen und im Kapitalismus liegt die Macht beim Kapital/Kapitalisten, dessen Ziel eben die Akkumulation sein muss und nicht der Umweltschutz etc.. Der Staat, der den Kapitalismus einschränkt, verliert den Wettbewerb.

    Nur wenn es Vorteile bringt, wird es implementiert.


    Aber ich war nicht gemeint. Mal sehen, was Utan schreibt.

  • Das können Sie so lesen, aber nicht durchsetzen.

    Diese Ziele stehen der grenzenlosen Akkumulation entgegen und im Kapitalismus liegt die Macht beim Kapital/Kapitalisten, dessen Ziel eben die Akkumulation sein muss und nicht der Umweltschutz etc.. Der Staat, der den Kapitalismus einschränkt, verliert den Wettbewerb.

    Nur wenn es Vorteile bringt, wird es implementiert.


    Aber ich war nicht gemeint. Mal sehen, was Utan schreibt.

    Tja... und um den globalen Kapitalismus zu überwinden bräuchte es zum Glück ja auch „nur“ einer internationalen Arbeiterklasse, die sich ihrer eigenen Klasse und Situation bewusst ist...

    Warum nicht einfach das Pariser Klimaschutzabkommen ernst nehmen und international per Gesetz Nachhaltigkeit über adäquate Umweltpreise einfordern? Scheint mir gangbarer zu sein als Klimaschutz aus einem Solidaritätsgedanken heraus...

  • Na da bin ich ja mal gespannt wie ein völlig wasserkopffreies System, das von aller reinen Papierschubbserei befreit wurde, organisiert wird und sich mit verbleibenden reaktionären Staaten abstimmen soll.

    Strohmann, ich hör Dir tappsen.

  • Warum nicht einfach das Pariser Klimaschutzabkommen ernst nehmen und international per Gesetz Nachhaltigkeit über adäquate Umweltpreise einfordern?

    Wer soll das durchsetzen? Unsere von Lobbyismus getriebenen Regierungen?

    China geht einen interessanten Weg.

    Der Umweltschutz wird jetzt und vorallem in mittlerer Zukunft von China aus diktiert (siehe Elektroautos, Bitcoin, Solar etc.) Mal sehen was passiert, wenn das Fressen beendet ist und (noch mehr) die "Moral" einsetzt.

  • Wer soll das durchsetzen? Unsere von Lobbyismus getriebenen Regierungen?

    China geht einen interessanten Weg.

    Der Umweltschutz wird jetzt und vorallem in mittlerer Zukunft von China aus diktiert (siehe Elektroautos, Bitcoin, Solar etc.) Mal sehen was passiert, wenn das Fressen beendet ist und (noch mehr) die "Moral" einsetzt.

    Und welche „Arbeiterklasse“ soll auf der Nordhalbkugel Veränderungen durchsetzen? Die, die bei uns CDU/AfD und in der USA Trump wählt?

    Ein CO2-Grenzmechanismus an der EU-Außengrenze hielte ich für einen elementaren Durchbruch in Sachen Klimaschutz, weil es die globalen Geldströme in Klimaschutzmaßnahmen lenken würde. Ich weiß; das Eine schließt das andere nicht aus. Allerdings glaube ich schon, dass ich in einem Ortsverein, egal bei welcher Partei ich wäre, vor der Forderung in den nächsten 100 Jahren alle Produktionsmittel zu vergesellschaften, 1.000 andere Vorschläge machen würde, die in meinen Augen für Mensch und Natur zielführender wären.

  • Und welche „Arbeiterklasse“ soll auf der Nordhalbkugel Veränderungen durchsetzen? Die, die bei uns CDU/AfD und in der USA Trump wählt?

    Wagenknecht lesen. Ist ja alles kein Zufall.


    Allerdings glaube ich schon, dass ich in einem Ortsverein, egal bei welcher Partei ich wäre, vor der Forderung in den nächsten 100 Jahren alle Produktionsmittel zu vergesellschaften, 1.000 andere Vorschläge machen würde, die in meinen Augen für Mensch und Natur zielführender wären.

    In Ihren Augen mag das so sein, real ist es aber nicht so.

    Keine Lösung der Klimafrage ohne Lösung der sozialen Frage.

    Aber Sie würden auch 10.000 andere Forderungen eher durchbekommen, als die nach den Produktionsmitteln, dies wäre ja die entscheidende.


    Wenn Sie etwas ändern wollen, brauchen Sie Macht und Einfluß, das sind die Produktionsmittel.

    Es geht auch ohne, anscheinend, chinesischer Weg. Ich sag ja, spannend.

  • Zu Wagenknechts Buch, dass ich nicht gelesen habe, gab es einen vielleicht nicht ganz unzutreffenden Beitrag in „die Anstalt“.

    Grundsätzlich halte ich viel von S.W., bin mir aber nicht ganz sicher ob sie nicht hier und da das falsche Feindbild aufs Trapez hebt. Ich sollte es vielleicht lesen.


    Und ja, sobald Klimaschutz als eine Art „Klassenkampf von oben“ wahrgenommen wird, wird es unmöglich Klimaschutz im benötigten Maßstab zu leisten.

    Es gibt Produktionsmittel, die der öffentlichen Daseinsvorsorge dienen und daher niemals privaten Kapitalinteressen dienen sollten. Es gibt allerdings auch einen Bedarf an bestimmten Waren, den ich kapitalistischen Marktkräften grundsätzlich unterwerfen würde. Wobei z.B. das in Verkehr bringen von z.B. zukünftigem Elektroschrott auch den Preis eines zukünftigen/vorangegangen Recyclingprozesses enthalten muss. Der Recyclingprozess oder Kompensationsprozess muss freilich definiert werden und strengen Nachhaltigkeitsanforderungen standhalten. Hier kann aber auch noch eine ganz neue Industrie entstehen.

  • Zu Wagenknechts Buch, dass ich nicht gelesen habe, gab es einen vielleicht nicht ganz unzutreffenden Beitrag in „die Anstalt“.

    Grundsätzlich halte ich viel von S.W., bin mir aber nicht ganz sicher ob sie nicht hier und da das falsche Feindbild aufs Trapez hebt. Ich sollte es vielleicht lesen.

    Man muss zwischen Lösungen innerhalb und außerhalb des Systems unterscheiden.

    Die Flüchtlingsfrage innerhalb des Systems bedeutet neoliberale Ausbeutung.

    Den Menschen und den Staaten aus denen sie kommen ist nicht geholfen, wenn die Flüchtlinge unsere Drecksarbeit zu Dumpinglöhnen machen. Siehe Schlachthöfe oder Putzen für die Reichen.

    Unseren Arbeitern und dem Sozialstaat ebenfalls nicht. Da ist nichts Rechtes dran und die Flüchtlinge sind auch nicht das Feindbild, wie suggeriert.

    Und ja, sobald Klimaschutz als eine Art „Klassenkampf von oben“ wahrgenommen wird, wird es unmöglich Klimaschutz im benötigten Maßstab zu leisten.

    Wir werden mit der Rikscha zur Arbeit müssen, damit die Kardashians Weltraumtourismus machen können, sonst platzt der Planet. 1% der Menschen verursachen 50% der Emissionen.

    So wirds kommen, es wird über Geld geklärt.


    Es gibt Produktionsmittel, die der öffentlichen Daseinsvorsorge dienen und daher niemals privaten Kapitalinteressen dienen sollten. Es gibt allerdings auch einen Bedarf an bestimmten Waren, den ich kapitalistischen Marktkräften grundsätzlich unterwerfen würde.

    Dann sind die Produzenten dieser Güter die Mächtigen, da im Kapitalismus Geld regiert.

    Und selbst das bekommen Sie nicht durchgesetzt, siehe andauernde Privatisierungswellen.

    Wobei z.B. das in Verkehr bringen von z.B. zukünftigem Elektroschrott auch den Preis eines zukünftigen/vorangegangen Recyclingprozesses enthalten muss. Der Recyclingprozess oder Kompensationsprozess muss freilich definiert werden und strengen Nachhaltigkeitsanforderungen standhalten. Hier kann aber auch noch eine ganz neue Industrie entstehen.

    Da sind wir wieder bei der Durchsetzung ohne Macht, sonst wäre es bereits so.

    Externe Kosten sind Bestandteil der Wirtschaftswissenschaften, finden aber keinen Eingang in den Preis.

  • Kurz gefasst: Mit Marx kann man sicherlich gut begründen warum eines Tages der Kapitalismus scheitern muss. (Monopolstrukturen, Zerstörung der Umwelt, keine Kundschaft auf Grund maximaler Ausbeutung/Automatisierung)

    Man kann ihn allerdings auch wie eine Bedienungsanleitung lesen; verhindere Monopole, stelle faire Löhne sicher, schütze die Umwelt... Sozialdemokratie halt.

    Sozialdemokratie halt... Ja eben!


    Ich verstehe wirklich nicht, warum Du hier schon wieder eine Schwarz/Weiß-Diskussion zwischen Reformismus und radikaler Kritik forcieren, und mich zu einer entweder-oder Entscheidung zwischen praktischer Umsetzung von konkreten Zielen, wie z.B. dem Pariser Abkommen, und einem radikalen Systemwechsel mit Vergesellschaftung der Produktionsmittel nötigen willst, obwohl ich hier schon vermutlich hundert mal geschrieben habe, dass eine Transformation aus dem Kapitalismus nicht mal eben so geplant und durchgeführt werden, und dass das nur eine langfristige gesamtgesellschaftliche Entwicklung sein kann.


    Auch der Feudalismus wurde nach der französischen Revolution nicht mit einem Schlag weltweit abgeschafft. Speziell in Deutschland brauchte es danach noch über hundert Jahre und einen verlorenen Weltkrieg, bis der Kaiser endgültig vom Thron stieg und sich ins Holländische Exil abetzte.


    Natürlich muss schon jetzt - auch ohne Abschaffung des Kapitalismus - alles dafür getan werden seine schlimmsten Auswirkungen einzudämmen. Insbesondere im Angesicht des Klimawandels bleibt uns gar nichts anderes übrig. Und selbstverständlich kann das innerhalb des laufenden kapitalistischen Systems ohne blutige Revolution gar nicht anders geschehen, als durch sozialdemokratische Reformen. Ich glaube niemand hier würde diese banale Tatsache bestreiten.


    Der ganze Sinn der Kapitalismuskritik, und insbesondere der daran anschliessenden kritischen Theorie ist und war es allerdings schon immer, zu ergründen, warum selbst innerhalb des kapitalistischen Systems Reformen die zweifelsohne zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen würden, keine politischen Mehrheiten mehr finden, bzw. warum sich tatsächlich sogar immer wieder wählende Mehrheiten für Parteien bilden, die das Gegenteil von mehr sozialer Gerechtigkeit zum Ziel haben, oder - wie im deutschen Faschismus - sogar eine unheilige Allianz zwischen Kapital und totalitärer, mörderischer Staatsführung eingehen, und die Abschaffung der Demokratie für weniger bedrohlich halten, als die Überwindung des Kapitalismus.


    Das selbe gilt natürlich heute auch für Reformen, die einen nachhaltigen Klimaschutz tatsächlich voran bringen würden. Die Bepreisung von CO2-Emissionen als wirksame Maßnahme steht bisher nur auf dem Papier. Sie hat auch bisher am exponentiellen Wachstum des weltweiten Treibhausgasausstoßes noch überhaupt nichts geändert. Es herrscht lediglich der Glaube daran - hier im Forum von Dir ganz besonders vehement vertreten - dass dieser Marktmechanismus den Kapitalismus zu einem "grünen" Wachstum führen werde. Auch die KritikerInnen dieser Theorie(!) können nicht beweisen, dass sie faslch ist. Sie können aber feststellen, dass sie sich auf gängige Axiome und Theorien der etablierten Ökonomik gründet, welche auch in anderen Zusammenhängen noch nie irgendwo empirisch als allgemein gültig nachgewiesen wurden und die sich bestenfalls dann scheinbar als selbsterfüllende Prophezeiungen erweisen, wenn genug einflussreiche EntscheidungsträgerInnen daran glauben, dass sie funktionieren.

    Damit begründet sich die kapitalistische Wirtschaftswissenschaft aus ihrem eigenen Theoriegebäude. Genau das hat schon Marx - und in seiner Nachfolge unzählige andere KritikerInnen - als Produkt der herrschenden "bürgerlichen" Ideologie entlarvt.


    Bei Oberflächlicher Betrachtung kann man zunächst mal völlig richtig feststellen, dass das politische System in allen westlichen Industrienationen mit parlamentarischen Demokratien bis auf wenige Ausnahmen umfassend von den Interessenverbänden des Kapitals und seiner angeschlossenen Ideologieproduktion vereinnahmt ist.

    Wenn man aber nicht versucht, diese Problem radikal zu analysieren - also an seinen Wurzeln zu packen - bleibt man in einem geistigen Zirkelschluss gefangen, der sich schon set Generationen immer wieder von neuem selbst in den Schwanz beißt und sich darüber wundert, dass der demokratische Rechtsstaat immer wieder antidemokratisches Unrecht befördert - und selbst wenn es "nur" in anderen Ländern geschieht, die für unseren Wohlstand ausgebeutet werden.


    Dabei wird zum Beipiel auch völlig außer acht gelassen, dass die modernen Nationalstaaten, ihre Verwaltungsstrukturen und ihre repräsentativen Parteiendemokratien sich gleichzeitig mit dem industriellen Kapitalismus entwickelt haben, und dass diese Entwicklung maßgeblich von den aufstrebenden ökonomischen Eliten im Sinne ihres Profitinteresses voran getrieben wurde.

    Alles was diesen politischen Systemen an Sozialstaatlichkeit abgerungen wurde, war Resultat von sozialistischen / kommunistischen, sprich: kapitalismuskritischen Bewegungen, die dem System und seinen politischen Repräsentanten jene Zugeständnisse an die Arbeiterklasse nur durch harte Kämpfe, bis hin zu tatsächlicher Gewalt in den Strassen abtrotzen konnten.

    Die Sozialdemokratie hat sich allerdings - nicht in irgendwelchen feierlichen Sonntagsreden, sondern in der politischen Praxis! - schon lange aus diesen radikalen Bewegungen verabschiedet und statt dessen den Schulterschluss mit dem Kapital gesucht und sich dabei eingebildet, sie könne damit die Nivellierung der Klassengesellschaft von oben betreiben. Damit ist sie mehrfach in der Geschichte kläglich gescheitert und hat sich mitunter auch aktiv und mit aller Staatsgewalt gegen linke Kräfte mit radikaleren Ansichten positioniert.


    Zudem hat die kapitalistische Bourgeoisie stets dafür gesorgt, dass nur das allernötigste an Zugeständnissen gemacht wurde und in der Folge dann alles daran gesetzt, sie wieder rückgängig zu machen. Das war in den 70er Jahren, als man den Keynesianismus für gescheitert erklärte, nicht anders als in den 90ern, als es Sozialdemokraten waren, die in Großbritannien, in den USA und schliesslich auch in Deutschland die Gewerkschaften entmachteten, die von konservativen Regierungen begonnene neoliberale Wende vollendeten, und damit die kapitalistische Marktwirtschaft in ihren heutigen Status der scheinbaren Alternativlosigkeit beförderten.


    Selbst im, vom Rest der Republik gerne als linksgrüner Sündenpfuhl verschrienen Berlin treibt die führende Sozialdemkratie, weitgehend geduldet vom dominanten "Realo"-Flügel der Grünen, und gestützt von der Betongold-Opposition aus €dU, fdP und AfD(!) eine Wohnungs- und Stadtenwicklungspolitik voran, die linke Freiräume systematisch zerstört, linksradikale Kritik kriminalisiert und ganze, ehemals von bunten Mischungen aus migrantischen und deutschen ArbeiterInnen, Angestellten und AkademikerInnen bewohnte Stadviertel zugunsten von Kapitalinteressen in marktkonforme, "bürgerliche" Verhältnisse zurecht gentrifiziert.


    "Warum ist das so?", fragt die Kritische Theorie.


    Warum findet selbst in der sozialdemokratischen Partei eigentlich gar keine Sozialdemokratie mehr statt, sobald sie irgendwo in Regierungsverantwortung kommt?


    Warum steht zwar im Grundsatzprogramm der LINKEN noch immer die Überwindung des Kapitalismus als hehres Ziel, während die Partei sich in der politischen Praxis nur noch zwischen der Fixierung auf eine ins identitäre übersteigerte Identitätspolitik und einer Mischung aus 70er-Jahre Sozialdemokratie mit wahlweise Anleihen bei den ordoliberalen Ablegern des Neoliberalismus oder beim Staatsozialismus vergangener Zeiten aufzureiben scheint?


    Warum haben die Grünen praktisch alles was bei ihrer Gründung noch an radikaler Systemkritik und friedenspolitischem Protestpotenzial vorhanden war, weitgehend eliminiert und konzentrieren sich jetzt vorzugsweise auf das wirtschftskompatible aktive greenwashing der "Sozialen Marktwirtschaft" für das Bildungsbürgertum?


    Und warum glaubt denen allen keine Mehrheit der WählerInnen mehr, dass sie ihre mehr oder weniger sozialdemokratischen Forderungen auch tatsächlich zum Wohl der Mehrheitsbevölkerung umsetzen würden, wenn man sie an die Macht wählte?


    Warum haben die €dU und ihre schwarzbraune bayerische Schwester, die beide eigentlich völlig offensichtlich nur noch ein korrupter Haufen von WirtschaftslobbyistInnen und gewissenlosen OpportunistInnen sind, nach wie vor die besten Umfragewerte?


    Die Antwort ist ebenso banal wie fürchterlich - Es glaubt einfach niemand mehr daran, dass es eine Alternative zum Kapitalismus geben könnte. Die Mehrheit ist unzufrieden mit den Verhältnissen, aber niemand glaubt, dass man sie tatsächlich ändern könne. Auch hier in diesem "linken" Forum offenbar nicht.

    Und bevor man versucht ein Sytem zu verändern, von dem die herrschende Ideologie und ihr gigantischer Propaganda- und PR-Apparat uns täglich lehren, dass es dazu keine Alternative geben, und dass daher jeder ernsthafte Versuch einer solchen Änderung nur katastrophal scheitern könne, oder geradewegs in Gulag-Stalinismus und Gesinnungsterror führen müsse, macht man halt lieber "keine Experimente" und wählt sich eine Staatsführung, die sich mit dem Kapitalismus wenigstens gut auskennt, und mit seinen ProfiteurInnen freundschaftliche Beziehungen unterhält.


    Jetzt könnte man das natürlich auf die "Rentnerrepublik" schieben und so tun, als wären junge Leute gegen ideolgische Beeinflussung immun, oder den linken KapitalismuskritikerInnen vorwerfen, dass sie mit ihrer Radikalität die brave bürgerliche Mitte verschrecken würden. Aber dann hätte man halt aus der Geschichte überhaupt nichts gelernt.

  • ickvonhier


    Hör doch auf gegen die Trolle zu argumentieren. Seit bestimmt 20 Seiten wird hier immer wieder das gleiche Spiel getrieben, der Kerl hat andere Probleme.

    ickvonhier


    Du siehst, manche werden hier für würdig erklärt eine Diskussion zu führen, andere sollen gefälligst die Klappe halten. Es sollen hier Dinge auch nicht mehrmals diskutiert werden.

    Also vergiss das besser mit China. Die Linie hier lautet ungefähr:

    Über ein solidarisches Bewusstsein miteinander kommen wir letztlich zu Genossenschaften, die, befreit von jedem Wachstumszwang zu sich selber finden und im Einklang mit Mensch und Natur leben. Kapitalistische Produktionsweisen führen hingegen ins Verderben. Mit der Klimakrise ist er endgültig gescheitert...


    So oder so ähnlich richtig @JonnyBadFox?


    Das schreiben wir jetzt bitte einmal über jeden relevanten Thread damit wir es nie wieder diskutieren müssen. Denn das ist gelebte Solidarität und die Diskussionskultur, die einem Diskussionsforum angemessen ist. (Zwar nicht untereinander, aber global betrachtet schon irgendwie ?()


    ickvonhier

    Naja... diskutier das mal mit China. Unsere Diskussion ist hier nicht gewünscht.


    @JonnyBadFox

    Stimmt schon, es wurde erschöpfend lang diskutiert. Und wie willst Du mit neuen Forenmitgliedern umgehen? Die sollen erstmal alles alte lesen?

    Schlimm finde ich den Trollvorwurf. Schlimm finde ich auch wie Du mit fruchtoase umgesprungen bist. Die Geschichte lehrt mich: es gibt auch rote Faschisten. Und manchmal bin ich mir nicht mehr so sicher, dass es hier keine davon gibt.

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