Populismus - Freund oder Feind der Linken?

  • Hast du dich nicht bei Syd immer lautstark beschwert, wenn er die Diskussion um biographische Details der Teilnehmer angereichert hat?

    Meinst Du, dass es in einer politischen Diksussion zu persönlich ist, wenn man von Mitgliedern einer politischen Partei, welche immerhin die Abschaffung des Kapitalismus und die Einführung des demokratischen Sozialismus im Grundsatzprogramm stehen hat, erwartet, dass sie sich mit Kapitalismuskritik nicht bloß oberflächlich auseinandersetzen, weil das halt auch irgendwie dazu gehört?

  • Ein echter Danton.

    Danke. Ich scheine also eine Art „Stil“ entwickelt zu haben.


    Du stellst einfach erneut den immergleichen Vorwurf in den Raum, ich hätte ja keine praktikable Alternative anzubieten - nur dass Du ihn dieses mal als Frage formulierst.

    Strohmann! Diese Fragen stellen sich halt, wenn man ernsthaft über Alternativen nachdenkt. Ich mache Dir keinen Vorwurf und ich hab verstanden, dass Du keine Alternativen anbieten möchtest. Ich wollte lediglich klar machen worin die Herausforderungen liegen.


    Gegenfrage: Glaubst Du, ohne Kapitalismus gäbe es keine WissenschaftlerInnen, IngenieurInnen, TechnikerInnen, BetriebswirtInnen, Verwaltungsfachleute, LogistikerInnen, etc. mehr und alle würden nur noch auf der faulen Haut herum liegen und Däumchen drehen, oder ziellos vor sich hin philosophieren, Gedichte Schreiben, Bilder malen, etc. weil keiner mehr hinter ihnen stünde und die ökonomische Anreizpeitsche knallen ließe, damit sie ihre Arbeitskraft für das Wirtschaftswachstum einsetzen?

    Doch doch! Auch Köche, Architekten und Programmierer. All die, die ihrem Beruf im Wesen nach wie Künstler nachgehen. Es gäbe wahrscheinlich auch Lehrer, Pfleger, Ärzte und Psychologen. All die, die ihrem Beruf aus einem Verantwortungsgefühl heraus nachgehen.

    Aber was glaubst Du wieviele schon an diesem Montag zu Hause bleiben würden, wenn sie es könnten, ob mit oder ohne Kapitalismus?

    Ich wäre Heute sicherlich auch noch mit dem Theater beschäftigt, wenn ich mich nicht mehr oder weniger gezwungen gesehen hätte mir etwas anderes zu suchen und nochmal zu studieren. Heute bin ich glücklich. Aber wenn ich mich mal auf meiner Arbeit umschaue.... da machen das die wenigsten aus innerer Überzeugung. In Strom- und Gasbereich bedeutet so ein Einsatz auch immer, dass Fehler evtl. mit dem eigenen Leben bezahlt werden. Wer macht sowas „freiwillig“?

    Zusatzfragen: Glaubst Du, dass Menschen ihre Berufe nur erlernen, um damit möglichst viel Geld zu verdienen, oder machen sie das vielleicht, weil sie sich für das jeweilge Fach/Berufsfeld interessieren? Wird man nur Schreiner, weil man nicht intelligent genug ist, um einen Master of Business & Adminisration zu machen? Wird man nur NaturwissenschaftlerIn, weil man damit mehr Geld verdienen kann, als mit Kunstgeschichte? Wird man nur AutomechanikerIn, weil man nicht ehrgeizig/leistungsbereit genug ist, MaschinenbauingenieurIn zu werden?


    Was macht einen "guten" Arbeiter/Angestellten/Manager/Unternehmer aus? Ist das seine Fähigkeit, aus Geld mehr Geld zu machen, oder ist das die tatsächliche Arbeit am Produkt oder an der Dienstleistung? Ist eine FriseurIn gut, weil sie viel Geld verdient, oder weil sie gut Haare schneiden kann? Ist ein Krankenpfleger gut, weil er seinem arbeitgebenden Klinikkonzern besonders effizient dabei zu Diensten ist, Geld einzusparen und es in Rendite für die KonzerneigentümerInnen zu verwandeln, oder weil er gut Patienten pflegen kann?

    All diejenigen, die in Ihrem Job Erfüllung finden können sich glücklich schätzen. Mir war’s irgendwann Wumpe und ich wollte nichts anderes mehr als Geld verdienen. Glück gehabt, dass ich Erfüllung fand.

    Aber es gibt, egal in welchem System wir uns befinden, eine Vielzahl von Aufgaben, die nichts, aber auch gar nichts mit Selbstverwirklichung zu tun haben. Und da frage ich mich, wie man das organisieren will... und das sind keine Bullshitjobs.

    Über Genossenschaften kann ich mich nicht äußern. Ich finde das Konzept erstmal interessant und wäre beruflich offen für so etwas. Meinetwegen verdient auch jeder das Gleiche. Ich wäre damit vollkommen einverstanden.

    1. ging es mir diesmal gar nicht darum schnell (Stichwort Klimawandel) etwas umgesetzt zu sehen.


    2. glaube ich, dass Preise grundsätzlich „Ideologische“ Produkte sind, wenn man die „Spielregeln“ eines Organisationsprinzips als „ideologisch“ bezeichnen möchte. Die „Stärke“ des Organisationsprinzips „Kapitalismus“ besteht wahrscheinlich darin, dass eine hohe Nachfrage bei knappen Angebot und niedrigen Gestehungskosten hohe Gewinne ermöglicht und in einem offenen Markt viele Nacharmer finden wird, sodass Knappheiten letztlich behoben werden. Soweit „das Ideal“. Dass das häufig so nicht läuft und Klima- oder Umweltkosten dringend Berücksichtigung finden müssten, weiß ich.


    3. Will ich Dir noch kurz erklären welchen Zweck ich in einem solchen Forum sehe: Es ist Schattenboxen. Übung. Training. Wie Du willst. Als ich neulich ein Fortbildungsprogramm über Innovationen im Energiebereich absolviert habe und uns der Prof. ein technisches Konzept zur Erreichung der Klimaziele darlegte, fragte ich ihn auch vor 30 weiteren Zuhörern wie er den Umstand sieht, dass innerhalb einer auf Wachstum ausgelegten Wirtschaft die Energiewende geschafft werden muss und dass man dieses Thema vielleicht nicht nur technisch diskutieren könne. Viele Dinge, die ihm da wohl durch den Kopf schossen, habe ich hier monatelang, auch dank Deiner Hilfe, selber durchdacht. Und SO will ich dieses Forum hier nutzen...

  • Die „Stärke“ des Organisationsprinzips „Kapitalismus“ besteht wahrscheinlich darin, dass eine hohe Nachfrage bei knappen Angebot und niedrigen Gestehungskosten hohe Gewinne ermöglicht und in einem offenen Markt viele Nacharmer finden wird, sodass Knappheiten letztlich behoben werden. Soweit „das Ideal“.

    Und genau das ist Ideologie vom Feinsten.

    Dieses "Ideal", das man doch erreichen, oder dem man zumindest so weit wie möglich annähern könne, wenn das "Organisationsprinzip" bloß endlich mal von den richtigen TechnokratInnen richtig angewendet würde, ist einer der Gründe dafür, dass Marx "Das Kapital" schrieb und ihm den Untertitel "Kritik der politischen Ökonomie" gab.


    Genau diese Auffassung der damaligen klassischen Polit-Ökonomen sowie der heutigen neoklassischen, und im Grunde auch der meisten keynesianischen VolkswirtInnen von der herrschenden, industrialisierten und kapitalistischen Marktwirtschaft als effizientes Produktions- und Verteilungsprinzip knapper Güter hat er dann in mühsamer Kleinarbeit, mit tausenden von Zitaten, Verweisen auf zeitgenössische Studien und auf die geschichtliche Forschung, in ellenlangen Fußnoten als Falsch dargestellt.


    Jetzt muss man dieser akribischen Analyse des eigentlichen Funktionsprinzips - nicht seiner gedachten Idealvorstellung - des Kapitalismus natürlich nicht glauben und man wird sicher tausende von Artikeln moderner wie zeitgenössischer ÖkonomInnen mit entsprechend anderen Interpretationen statistischer Daten finden, die das Gegenteil behaupten, aber dabei sollte man sich halt auch klar machen, dass die Ökonomik eine Sozialwissenschaft ist und keine Naturwissenschaft, und dass sie damit selbst zum Teil ihrer theoretischen Versuchsanordnungen wird und Ideolgie reproduziert, wenn sie sie nicht radikal in Frage stellt.


    Oder wie der überzeugte Kapitalist J. M. Keynes es mal ausdrückte:


    "The ideas of economists and political philosophers, both when they are right and when they are wrong are more powerful than is commonly understood. Indeed, the world is ruled by little else. Practical men, who believe themselves to be quite exempt from any intellectual influences, are usually slaves of some defunct economist."


    ...wobei er damit natürlich selbst Marx widersprach, denn für den war nicht die Philosophie oder das in ökonomischen Theorien konstruierte "Ideal" der eigentliche Treiber des Weltgeschehens, sondern die materiellen Produktionsverhältnisse, auf deren Grundlage die Ideologie samt ihren Idealvorstellungen errichtet und reproduziert wird. Aber im Unterschied zu Keynes war Marx halt auch ein radikaler Kritiker des Kapitalismus, der sich standhaft weigerte, jene grundlegenden Verhältnisse als unveränderbar anzuerkennen.

  • Die „Stärke“ des Organisationsprinzips „Kapitalismus“ besteht wahrscheinlich darin, dass eine hohe Nachfrage bei knappen Angebot und niedrigen Gestehungskosten hohe Gewinne ermöglicht und in einem offenen Markt viele Nacharmer finden wird, sodass Knappheiten letztlich behoben werden. Soweit „das Ideal“. Dass das häufig so nicht läuft und Klima- oder Umweltkosten dringend Berücksichtigung finden müssten, weiß ich.

    Wenn die Nachfrage steigt, steigt der Preis. Das ist ein Merkmal des Kapitalismus. Das führt dann zu so wunderlichen Dingen wie dass z. B. bei einer Naturkatastrophe die Preise so hoch steigen, dass sich kein Arbeiter mehr Lebensmittel leisten kann. Auf gleiche Weise funktioniert das System immer noch. Es stimmt, dass durch Wettbewerb und Innovation die Preise sinken, aber das geschieht immer auf Kosten der Arbeiter. Es ist aber auch sehr zweifelhaft in wie weit es überhaupt jemals eine Marktwirtschaft gegeben hat. Alfred Chandler stellt in seinem Buch "The Visibel Hand" die These auf, dass ab Ende des 19. Jahrhunderts die Unternehmen in den USA gar nicht mehr über Marktmechanismen Handel getrieben haben, weil es günstiger wurde, Planung zu betreiben und dass die Unternehmen bis Mitte des 20. Jahrhunderts nicht so sehr Profitorientiert waren, sondern ehe an Stabilität. Bis von den Neoliberalen eine Reihe von Reformen durchgegesetzt wurden, die wieder auf Marktmechanismen setzen. Das ganze System ist doch eh bloßer Bullshit und alle Annahmen, die der Kapitalismus macht, basieren auf Lügen. Er fördert halt die Reichen und Mächtigen, die ihre Macht natürlich erhalten wollen.

  • Man ist das viel und vorallem von Utan ziemlich gut.


    zum Thema Populismus:


    Wie kann man Menschen auf seine Seite ziehen?


    Man kann sie inhaltlich überzeugen. -> anstrengend und man erreicht Wenige

    Man kann ihre Gefühle ansprechen. -> Populismus


    Populismus ist weder links noch rechts, es ist ein Mittel die Einfachen zu "überzeugen" und ist damit DAS Mittel um Massenbewegungen zu erzeugen. Die entstehn nicht in intellektuellen Stuben.


    Keine Revolution ohne Populismus.


    Komplizierte Zusammenhänge fürs "Volk" vereinfacht und ihre Probleme ansprechend und darstellend, das ist Populismus.


    "Und der Arme sagte bleich...
    ...wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich." -> guter Populismus

  • Wenn die Nachfrage steigt, steigt der Preis. Das ist ein Merkmal des Kapitalismus.

    Das nennt sich Markt und hat tausende Jahre funktioniert.

    Das Wesen des Kapitalismus ist die grenzenlose Akkumulation -> Gier.

    Grenzenlose Akkumulation tendiert zu Monopolen und daraus entsteht der Druck auf alle Marktteilnehmern, dem sie sich nicht entziehen können.


    "Wenn der Kapitalist nicht wie ein Kapitalist handelt, ist er nicht mehr lange Kapitalist" Marx


    Wer irgendwann aufhört, weil er zufrieden ist, ist bald wieder weg vom Fenster.

  • Das nennt sich Markt und hat tausende Jahre funktioniert.

    Nicht wirklich. Märkte im Mittelalter und in der Antike haben anders funktioniert. Im Mittelalter wurden Märkte sehr stark kontrolliert, siehe Theorie des Gerechten Preises. In der Antike wurden meisten nur Luxusgüter gehandeln und Märkte waren eingeschränkter als im Mittelalter. Zünfte haben über 600 Jahre lang gegen die Machenschaften und unlauteren Methoden der Händler gekämpft.

  • Aber es gibt, egal in welchem System wir uns befinden, eine Vielzahl von Aufgaben, die nichts, aber auch gar nichts mit Selbstverwirklichung zu tun haben. Und da frage ich mich, wie man das organisieren will... und das sind keine Bullshitjobs.

    So wie Müllmann?


    Müllmann (ich kenn jetzt den Fachausdruck nicht) in Berlin zu werden, geht nur über Connections. Das ist/war ein so sicherer und gut bezahlter Job (Wissensstand von vor 10 Jahren) da kam man ohne interne Kontakte nicht ran.


    Man könnte das innerhalb des Systems vom Markt regeln lassen, dazu muss aber der Arbeitszwang weg und die Grundsicherung ausreichend sein, also kein Druck.


    Konkurrenz der Arbeitsplätze, statt Konkurrenz der Arbeitkräfte.

  • Nicht wirklich. Märkte im Mittelalter und in der Antike haben anders funktioniert. Im Mittelalter wurden Märkte sehr stark kontrolliert, siehe Theorie des Gerechten Preises. In der Antike wurden meisten nur Luxusgüter gehandeln und Märkte waren eingeschränkter als im Mittelalter. Zünfte haben über 600 Jahre lang gegen die Machenschaften und unlauteren Methoden der Händler gekämpft.

    Na da kommt ja eine hübsche Verachtung für den Handel heraus. Als wären Zünfte die Klöster der rechtgläubigen gewesen. Das waren auch nur Machtinstrumente die sich auch gegenseitig gefetzt haben, wie immer geht's dabei unter Geschwistern besonders ab, Zimmerer und Schreiner/Tischler etwa.

    Den Ärger würde ich eher auf die Spekulanten (egal ob mit Waren oder Finanz"produkten").

  • Nicht wirklich. Märkte im Mittelalter und in der Antike haben anders funktioniert. Im Mittelalter wurden Märkte sehr stark kontrolliert, siehe Theorie des Gerechten Preises. In der Antike wurden meisten nur Luxusgüter gehandeln und Märkte waren eingeschränkter als im Mittelalter. Zünfte haben über 600 Jahre lang gegen die Machenschaften und unlauteren Methoden der Händler gekämpft.

    Doch.

    Markt ist nur ein anderes Wort für Tausch und dieser fand immer in bestimmten (Tausch-)Verhältnissen statt, die sich änderten.


    Alles was Sie sonst beschreiben sind Marktmanipulationen zum Vorteil der Mächtigen.

    Am Waldrand haben die Bauern trotzdem "gehandelt", so wie Sie es mit dem Nachbarn und Freunden tun.

  • Na da kommt ja eine hübsche Verachtung für den Handel heraus. Als wären Zünfte die Klöster der rechtgläubigen gewesen.

    Nö, es gab in den Städten Verträge und Abmachungen, an die sich jede Händler und andere Zünfte zu halten hatten wie z. B. Verkauf von bestimmten Gütern nur zu einem festgesetzten Preis, kein Wettbewerb zwischen den Zünften oder auch selbst die Herstellung von Gütern war genau vorgegeben, welche Mittel man benutzen durfte und welche nicht. Wettbewerb war verpöhnt. Foucault hat Märkte im Mittelalter als Orte der Gerechtigkeit bezeichnet und das sieht man auch, wenn man sich die alten Quellen anschaut. Hinter deiner Auffassung liegt halt wieder das üblichen Menschenbild vom egoistischen und immer nach Macht strebenden Menschen. Die Vorstellung, dass Menschen möglicherweise einfach nur Stabilität und Zukunftssicherheit in ihrem Leben wollen scheint wohl zu abstrakt zu sein, die meisten Menschen scheinen das heutzutage nicht mehr zu haben.

  • Wenn die kritische Position hingegen selbst in einem "linken" Forum immer wieder mit den selben Strohmännern und Scheinargumenten als realitätsferne, dem (scheinbaren) "Realo"-Pragmatismus widersprechende "Fundi"-Ideologie abgewürgt und stets von neuem dazu gezwungen wird, sich für ihr Dasein zu rechtfertigen, wird es hingegen niemals passieren.

    Und dann können alle Anti-KapitalismuskritikerInnen natürlich weiterhin stolz behaupten, sie hätten ja schon immer gewusst, dass das alles nur eine traumtänzerische Kopfgeburt war, die dem gemeinen Pöbel am Arsch vorbei geht, weil ja bekanntlich erst das Fressen kommt, und dann die Moral.

    Eine Lösung innerhalb des Systems ist nicht möglich,dachte ich, bis China kam.

    Darauf die Augen richten und staunen und lernen.

    (Und die anderen historisch gesellschaftlichen Aspekte nicht außer Acht lassen.)

  • Nö, es gab in den Städten Verträge und Abmachungen, an die sich jede Händler und andere Zünfte zu halten hatten wie z. B. Verkauf von bestimmten Gütern nur zu einem festgesetzten Preis, kein Wettbewerb zwischen den Zünften oder auch selbst die Herstellung von Gütern war genau vorgegeben, welche Mittel man benutzen durfte und welche nicht. Wettbewerb war verpöhnt.

    Das Gegenteil von Markt.

    Hinter deiner Auffassung liegt halt wieder das üblichen Menschenbild vom egoistischen und immer nach Macht strebenden Menschen.

    Das Sein bestimmt das Bewußtsein. (dominierend)

    Die Menschen sind nicht so, sie werden so "gemacht" und sind in der Folge so.

    Die Vorstellung, dass Menschen möglicherweise einfach nur Stabilität und Zukunftssicherheit in ihrem Leben wollen scheint wohl zu abstrakt zu sein, die meisten Menschen scheinen das heutzutage nicht mehr zu haben.

    Es spielt keine Rolle was Menschen wollen. Müssen wir jetzt freien Willen diskutieren?

    Ich wiederhole:

    Das Sein bestimmt das Bewußtsein.


    Ab wieviel Millionen sind Sie zukunftssicher?


    Che:

    "Ich hinterlasse meinen Kindern und meiner Frau keine materiellen Güter, und das tut mir nicht Leid: es freut mich, dass es so ist. Ich bitte um nichts für sie, denn der Staat wird ihnen genügend für ihr Leben und ihre Erziehung geben."

    Achso.

    Haben Sie es wirklich verstanden?

  • Nö, es gab in den Städten Verträge und Abmachungen, an die sich jede Händler und andere Zünfte zu halten hatten wie z. B. Verkauf von bestimmten Gütern nur zu einem festgesetzten Preis, kein Wettbewerb zwischen den Zünften oder auch selbst die Herstellung von Gütern war genau vorgegeben, welche Mittel man benutzen durfte und welche nicht. Wettbewerb war verpöhnt. Foucault hat Märkte im Mittelalter als Orte der Gerechtigkeit bezeichnet und das sieht man auch, wenn man sich die alten Quellen anschaut. Hinter deiner Auffassung liegt halt wieder das üblichen Menschenbild vom egoistischen und immer nach Macht strebenden Menschen. Die Vorstellung, dass Menschen möglicherweise einfach nur Stabilität und Zukunftssicherheit in ihrem Leben wollen scheint wohl zu abstrakt zu sein, die meisten Menschen scheinen das heutzutage nicht mehr zu haben.

    Das ist eine schwer romantisierte Sichtweise und spart ausserdem noch all die armen Schweine aus die ihren Meister- oder Gesellenbrief nicht in der Tasche hatten und in ihrer Zunft wohl gelitten waren. War das Boot Zunft voll, war eben essig mit Zukunftssicherheit. Von den Unberührbaren des mittelalterlichen Europas, den Unehrlichen reden wir danoch garnicht, wie wir auch die beiden oberen Stände aussparen...

  • Das ist eine schwer romantisierte Sichtweise und spart ausserdem noch all die armen Schweine aus die ihren Meister- oder Gesellenbrief nicht in der Tasche hatten und in ihrer Zunft wohl gelitten waren. War das Boot Zunft voll, war eben essig mit Zukunftssicherheit. Von den Unberührbaren des mittelalterlichen Europas, den Unehrlichen reden wir danoch garnicht, wie wir auch die beiden oberen Stände aussparen...

    Das ist keine romantisierte Sichweise, sondern das sind Fakten. Und Meister und Geselle waren Titel, die man sich nach langer Lehr und Arbeitszeit erarbeiten musste. Als Geselle in der Lehrzeit war man Teil der Familie des Meisters. Der Meister und der Geselle hatten Verpflichungen sich gegenüber, im Gegensatz zu späteren Arbeitgebern, die überhaupt keine Verpflichtungen gegenüber den Arbeitern hatten (die oft als Lehrlinge getarnt wurden, aber bei 1.000 Lehrlingen fängt es an auffällig zu werden irgendwann). Und nicht jeder, der kein Geselle oder Meister war, war arm. Natürlich kann man immer sagen, ja es gab auch Armut, die gibt es immer (bisher). Aber was ist damit ausgesagt? Bestimmt nichts zum System selbst und welche Unterschiede es damals im Vergleich zu heute gibt. Wichtig ist der Umgang mit der Armut und das ideologische System dahinter, und im Gegensatz zu heute, gab es damals die Vorstellung nicht, dass Menschen, die nicht arbeiten konnten oder wollten, einfach sich selbst überlassen werden damit der "Hunger" schon die richtigen Anreize setzt. Jeder Mensch im Mittelalter war in eine Gemeinschaft eingebunden, in der sich die Menschen gegenseitig unterstützen konnten. Ein atomisiertes Individuum, ist eine Erfindung der Insustrialisierung.


    Darum ging es aber gar nicht, es ging darum, wie Zünfte in der Stadt ihr gemeinsames Wirtschaften geregelt haben, und das war so wie ich es beschrieben habe. Aber wer hat denn mit unlauteren Wettbewerb versucht sich Vorteile zu verschaffen? Das war die aufsteigende Bourgeoisie, die zum Niedergang der Zünfte geführt hat. Wie Polanyi schon geschrieben hat, waren die Zünfte gar nicht so konservativ, nur sehr skeptisch gegenüber neuerer Technologie. Hätte man ihnen Zeit gegeben, sich damit zurecht zu finden, hätten sie möglicherweise die Industrialisierung überlebt.

  • Doch.

    Markt ist nur ein anderes Wort für Tausch und dieser fand immer in bestimmten (Tausch-)Verhältnissen statt, die sich änderten.


    Alles was Sie sonst beschreiben sind Marktmanipulationen zum Vorteil der Mächtigen.

    Am Waldrand haben die Bauern trotzdem "gehandelt", so wie Sie es mit dem Nachbarn und Freunden tun.

    Nein. Das ist eine Legende die von Adam Smith ohne Belege in anthropologischer Forschung in die Welt gesetzt wurde. Es stimmt aber nicht, dass vor dem "Markt" der "Tausch" existierte.


    Ich dachte mit dieser Vorstellung hat Graeber aufgeräumt. Bevor es einen Markt gab, lebten die Menschen vor allem in Schenkökonomien.


  • Die Zünfte waren knallhart abgeriegelt, sowohl personell als auch fachlich. Mag sein dass es darin warm und kuschelig war, aber das galt eben bei weitem nicht für alle. Auch der beste Handwerker musste am langen Arm der Zünfte verhungern wenn man dort der Meinung war das man von seinem Gewerk bereits ausreichend am Ort hatte.

    Wie Polanyi schon geschrieben hat, waren die Zünfte gar nicht so konservativ, nur sehr skeptisch gegenüber neuerer Technologie. Hätte man ihnen Zeit gegeben, sich damit zurecht zu finden, hätten sie möglicherweise die Industrialisierung überlebt.

    Dwn Zünften geht's prima, sie haben sich angepasst und in die freien Berufe ausgebreitet, sie heißen jetzt Handwerkskammern und Berufsgenossenschaften oder andere Kammern (Ärzte, Rechtsanwälte...).

  • Es stimmt aber nicht, dass vor dem "Markt" der "Tausch" existierte.

    Das sagte ich nicht. Ich sagte Markt ist Tausch.

    Nein. Das ist eine Legende die von Adam Smith ohne Belege in anthropologischer Forschung in die Welt gesetzt wurde.

    Ist mir neu.


    "Prinzipiell ist sowohl bei der historischen als auch der gegenwärtigen Betrachtung festzustellen, dass es das Ideal eines Wirtschaftssystems, welches ausschließlich auf dem schenkökonomischen System beruht, welches auf der reinen Gabe, also ohne Erwartung der Reziprozität beruht, weder in der Vergangenheit existiert hat noch in der Gegenwart existiert. Dennoch ziehen Anthropologen immer wieder Parallelen zu schenkökonomischen Systemen.

    ...

    Die Auffassung, eine Aufteilung in zwei Strukturen vorzunehmen und so zwischen der sozial verankerten und kulturell entwickelten Schenkökonomie einerseits und der unpersönlichen, rationalen Marktwirtschaft andererseits zu unterscheiden, basiere auf westlichen, ethnozentrischen Annahmen, die künstliche Formalisierung des Begriffs „reines Geschenk“ der industrialisierten westlichen Gesellschaft und der Romantisierung des Gabentausches der archaischen Gesellschaften.

    ...

    Die wohl am meisten zitierten und wissenschaftlich untersuchten schenkökonomischen Systeme sind der Kula-Tausch und der Potlatch. Diesen beiden Phänomenen ist gemein, dass sie im Gegensatz zur reinen Gabe im Sinne der Opfergabe oder des Opfers, ein soziales System, teilweise ein Wirtschaftssystem innerhalb einer Wirtschaftsordnung darstellen." wiki


    Hier eine Analyse zu Graeber:


    https://stuetzle.cc/2012/05/21…-die-kapitalismusanalyse/


    Mir war Graeber aber vor Ihrer Nennung auch nicht bekannt und eventuell bin ich vorbelastet.

    Ostler marxistischer Prägung mit BWL/VWL Hintergrund (Diplomwirtschaftspädagoge).


    Um selbst etwas sagen zu können, müsste ich mich mehr Einlesen.

    Ich danke für die Anregung!

  • und im Gegensatz zu heute, gab es damals die Vorstellung nicht, dass Menschen, die nicht arbeiten konnten oder wollten, einfach sich selbst überlassen werden damit der "Hunger" schon die richtigen Anreize setzt.

    Das stimmt.

    Jeder Mensch im Mittelalter war in eine Gemeinschaft eingebunden, in der sich die Menschen gegenseitig unterstützen konnten. Ein atomisiertes Individuum, ist eine Erfindung der Insustrialisierung.


    Aber wer hat denn mit unlauteren Wettbewerb versucht sich Vorteile zu verschaffen? Das war die aufsteigende Bourgeoisie, die zum Niedergang der Zünfte geführt hat. Wie Polanyi schon geschrieben hat, waren die Zünfte gar nicht so konservativ, nur sehr skeptisch gegenüber neuerer Technologie.

    Das stimmt nicht. Es gab immer Menschen außerhalb der Systeme, deswegen gab es ja so einen großen Anpassungsdruck an das einzelne Individuum. Kann man sogar psychologisch am unterschiedlichen Verhalten Mann/Frau festmachen. Frauen hatten aufgrund des Nachwuchses einen enorm größeren Druck zur Gemeinschaftszugehörigkeit.


    Zünfte waren die Aufteilung des Marktes für eine bestimmte Gruppe. In der Gruppe super, außerhalb halt nicht. Zunft heißt Monopol (für Wenige).


    "Aber wer hat denn mit unlauteren Wettbewerb versucht sich Vorteile zu verschaffen?"


    Die Zunft!


    Ich stimme dabei Marner voll und ganz zu (direkt über meinen 2 Beiträgen).


    "Ein atomisiertes Individuum, ist eine Erfindung der Insustrialisierung."

    Die Erfindung der Industriealisierung ist, dass es diese Atomisierung zur Regel für alle gemacht hat. Das Ende vom Klassenkampf. Da wären wir dann bei der SPD und dem Niedriglohnsektor bzw. Leiharbeit (heute).


    "Jeder ist seines Glückes Schmied" ist die Atomisierung in Reinform.

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