… und macht sich damit zu einer Todfeind/in der linken Sache für die es keine Gnade geben kann.
Ich frage mich, ob ich zu ahnen beginne, was Dich treibt, mir immer wieder Unrecht zu tun (Frei nach dem Vicomte de Valmont).
Du unterstellst mir ein ums andere Mal, ich würde die inhumanen Motive, die es Menschen erlauben, zur AfD überzulaufen, als unabänderliche, quasi natürliche Tatsachen begreifen, was ich nicht tue, und gegen welche Unterstellung ich mich schon mehrmals gewehrt habe. Du kannst diese Unterstellung aber nicht aufgeben, weil sie Grundlage Deiner zweiten falschen Unterstellung ist, dass nämlich alle, die zur AfD überlaufen, in meinen Augen für alle Zeit verloren und hassenswert seien und keine Gnade verdienten. Ich kann offenbar das Gegenteil behaupten, so oft ich will, Du ignorierst es einfach. Wieso?
Dein ‚Spoiler‘ aus der Deutschen Ideologie, in dem Marx und Engels den Historischen Materialismus gegen den Idealismus erläutern, könnte, glaube ich, der Schlüssel sein.
Du glaubst, meine Rede vom verdorbenen Herzen sei eine idealistische Kopfgeburt nach Art des ‚heiligen Sankt Max‘ oder anderer in der ‚Deutschen Ideologie‘ angegriffener Theoretiker, oder?
Das Gegenteil ist der Fall: Du scheinst nicht von dem Gedanken ablassen zu können, dass es da ein ideales Refugium gäbe, ganz nach De Masi und seiner „Weisheit der einfachen Leute“. Das Herz, das Gemüt, ein guter Kern. Dagegen wendet sich Marx, nicht nur in der 6. Feuerbachthese. Es ist gerade das Unmittelbare, das innerste und innigste Gefühl, das Herz, das am unverstelltesten die gesellschaftlichen Verhältnisse spiegelt, und gerade darum als selbst gesellschaftlich vermittelt ja auch gegen allen Anschein im Prozess der gesellschaftlichen Umwälzung zu retten ist.
Dieses Missverständnis würde für meinen Eindruck gleich ein zweites erklären, nämlich dass Du den von Horkheimer und Adorno postulierten ‚Verblendungszusammenhang‘ gegen die genannte ‚innere Herzensangelegenheit‘ in Stellung bringst, anstatt zu erkennen, dass beide als objektive und subjektive Seite der Medaille dasselbe bezeichnen.
Es ist ja ein alter Hut, dass in der Marxschen Theorie die Psychologie, genauer: die Psychoanalyse, gefehlt hat. Darum z. B. die eklatante Fehleinschätzung über die Wahrscheinlichkeit der Revolution. Nun kann man in orthodoxer Weise die Psychoanalyse als ebenfalls idealistischen Spinnkram abtun und hat damit die Frankfurter Schule gleich mit erledigt. So war es meiner Erinnerung nach offizielle Lesart in der DDR.
Da Du das aber nicht willst und Horkheimer und Adorno sogar gegen mich für Dich reklamierst, würde mich interessieren, wie Du Folgendes in Deinen Wallkürenritt gegen mich integrierst:
„Das Zufallsgespräch mit dem Mann in der Eisenbahn, dem man, damit es nicht zu einem Streit kommt, auf ein paar Sätze zustimmt, von denen man weiß, daß sie schließlich auf den Mord hinauslaufen müssen, ist schon ein Stück Verrat; … Umgänglichkeit selber ist Teilhabe am Unrecht, indem sie die erkaltete Welt als eine vorspiegelt, in der man noch miteinander reden kann, und das lose, gesellige Wort trägt bei, das Schweigen zu perpetuieren, indem durch die Konzessionen an den Angeredeten dieser im Redenden nochmals erniedrigt wird. Das böse Prinzip, das in der Leutseligkeit immer schon gesteckt hat, entfaltet sich im egalitären Geist zu seiner ganzen Bestialität. Herablassung und sich nicht besser Dünken sind das Gleiche. Durch die Anpassung an die Schwäche der Unterdrückten bestätigt man in solcher Schwäche die Voraussetzung der Herrschaft und entwickelt selber das Maß an Grobheit, Dumpfheit und Gewalttätigkeit, dessen man zur Ausübung der Herrschaft bedarf … Für den Intellektuellen ist unverbrüchliche Einsamkeit die einzige Gestalt, in der er Solidarität etwa noch zu bewähren vermag. Alles Mitmachen, alle Menschlichkeit von Umgang und Teilhabe ist bloße Maske fürs stillschweigende Akzeptieren des Unmenschlichen. Einig sein soll man mit dem Leiden der Menschen: der kleinste Schritt zu ihren Freuden hin ist einer zur Verhärtung des Leidens.“
(Theoder W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben: Herr Doktor, das ist schön von Euch, Gesammelte Schriften, Bd. 4, S. 26f)
Ich würde mal sagen, ich bin da deutlich konzilianter. Meinst du nicht auch?