#499 - Fabio de Masi (Die Linke) über Wirecard

  • Ich diskutiere hier nicht mit, weil ich schon alles weiß. Meine Bitte war ganz ernst gemeint. Nach meiner Ansicht ist es hilfreich wenn nicht notwendig, neben den Feuerbachthesen mindestens die Pariser Manuskripte, den ersten Band des Kapitals und möglichst noch die Dialektik der Aufklärung gelesen und verstanden zu haben, um jene 6. Feuerbachthese so weit zu begreifen, dass man ihre Bedeutung für die Frage versteht, ob der Politikstil De Masis eher Teil des Problems oder Teil seiner Lösung ist. Sollte ich Recht haben, wäre De Masi ein weiteres Beispiel dafür, dass gut gemeint das Gegenteil von gut sein kann; dann sind die Aussichten für eine Abschaffung des Kapitalismus sehr, sehr schlecht. Solltest Du Recht haben, sind sie weit besser. Also bitte: Mach es einfach, gib die These in leicht verständlicher Form wieder, ohne ihren Gehalt zu verlieren. Ich würde mich wirklich freuen.

    Ich hab das Interview von De Masi nicht gesehen. Aber mit der Aussage, es sei schwierig oder unmöglich die Menschen von einer neuen Gesellschaftsordnung zu überzeugen oder dass der Kapitalismus zu einer unabänderlichen Form von Bewusstsein im Hinblick auf eine bestimmte Weltauffassung, nennen wir sie mal die Ideologie des Kapitalismus, führt, machst du eigentlich genau das, was Marx an Feuerbach kritisiert. Du fasst diese Ideologie als ein Objekt der Anschauung, postulierst das theoretische Verhalten als nicht materiell bestimmt und als losgelöst von der gegenständlichen Tätigkeit, der konkreten Praxis, wie sie im Alltag erscheint und die bis auf bestimmte Bereiche, wenig mit der Ideologie des Kapitalismus zu tun hat (z. B. kooperatives Verhalten, Mutualismus).

    Du sieht in "kapitalistischem" Verhalten oder in dem Verhalten, dass die Menschen nicht eine anti-kapitalistische Partei wählen, nicht die Umstände, unter denen dieses Verhalten entsteht.

    Das tägliche Verhalten der Mehrheit der Menschen oder die Ideologie der Menschen selbst, steht in permanentem Widerspruch zu der Ideologie der Bourgeoisie selbst. Über zwei Jahrhunderte haben die Ideologen und Sozialwissenschaftler der Bourgeoisie versucht, den Menschen einzuhämmern, dass das System alternativlos ist. Das hat dazu geführt, dass die Ideologie der Menschen in ihren Gedanken zwar nur noch ein kümmerliches Dasein fristet, aber sich trotzdem im Alltag und in spezifischen Ereignissen in vielfälltiger Weise zeigt, und im großen und ganzen, die Gesellschaftsordnung im Grunde abgeleht wird. Oder um es mit George Stigler, Mitglied der Mont-Pelerin-Society, auszudrücken:


    I cannot believe that any amount of economic training would wholly eliminate the instinctive dislike for a system of organizing economic life through the search of profits’.

  • Dazu kann man Fabio ja mal beglücklwünschen. Bei Welt, Cicero und NZZ wird seine Abrechiung mit den Moralisten von der Linkspartei gern gesehen.

    was ist denn die antwort der linkspartei darauf, dass scharenweise potentielles wählerklientel afd wählt? gibts irgendeine strategie der zurückgewinnung oder wird weiterhin der moralisch überlegene fuß trotzig gen boden gestampft und sonst nichts?


    wollt ihr überhaupt jemals mehr als 10% haben? und wenn ja, wie erreichen?

  • Und wenn Du Recht haben solltest, und allein der Umstand, dass man eine These äußert und für wahr hält, dazu führt, die Überzeugungskraft anderen gegenüber zu verspielen, dann bleibt wohl nichts anderes übrig, als sich gegenseitig pseudokritisch-harmonistische Texte hinzudahlen und im Übrigen weiter das eine Dogma zu verfolgen, durch das der kleinbürgerlichen Seele die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihr zur verzückten Erregung erblühen: Die beleidigte Leberwurst hat immer Recht. Dann schon lieber die Partei. (Siehe 6. Feuerbachthese)

    Also wenn Du dann noch kurz darlegen könntest, wo ich mich dergestalt geäußert hätte, dass Theorie, bzw. die ganze Marxsche Analyse und alles was ihm in irgendeiner Weise darin folgt nicht wichtig, oder dass ihr Studium gar dazu führe, dass all jene die darin belesen sind, allein aus dem Grund dieser Belesenheit zu keiner Überzeugungsarbeit mehr fähig seien, dann können wir vielleicht auch damit aufhören hier weiter über Strohmänner zu diskutieren.


    Aber nur mal so unter uns zwei alten weißen Männern die das Kapital und die Dialektik der Aufklärung gelesen haben:

    Einfach zu entgegnen, der andere sitze auf einem hohen Ross, oder sogar - warum nur, sind wir etwa in Quality-Land? – auf dem höchsten, ist in meinen Augen eine geistige Bankrotterklärung, ganz das Niveau von: Du darfst überhaupt nichts sagen, weil du ein alter weißer Mann bist.

    Auf das hohe Ross hast Du Dich selbt gesetzt. Es ist nicht unsere Aufgabe, Dich da wieder herunter zu holen. Wenn Du tatsächlich so viel mehr verstanden zu haben glaubst, als der Pöbel hier im Forum, dann wäre ja eigentlich der richtige - also im Sinn einer linken Aufklärungsarbeit konstruktive, und gesellschaftlich nützliche - Zweck Deiner Einlassungen in demselben, den Kern Deiner umfassenden Erkenntnisse argumentativ so zu erläutern, dass er uns verständlich wird, anstatt einfach eine Literaturliste auszugeben, deren tiefe Kenntnis aus Deiner Sicht unbedingt nötig sei, um ihn zu verstehen, und Dich dann darüber zu beschweren, dass Du missverstanden wirst. .


    Einfach zu behaupten, der oder die andere verstehe halt nicht was gemeint sei, weil er oder sie nicht die richtigen Bücher gelesen habe, wäre in meinen Augen jedenfalls eine geistige Bankrotterklärung, ganz nach dem Niveau von: Mit Euch diskutiere ich nicht, bevor ihr nicht erst mal beweist, dass ihr geistig mindestens auf meinem eigenen, selbstbehauptet hohen Niveau seid.


    Womit wir dann wieder bei meiner ursprünglichen Behauptung sind, derzufolge sich siginfikante Teile der heutigen Linken ganz oben auf ihren selbstempfundenen geistigen wie moralischen Niveaus vor den im Verblendungszusammenhang gefangenen Massen verbarrikadieren, und sich dann darüber beschweren, dass der Rest der Gesellschaft nicht zu ihnen hoch geklettert kommt.


    P.s.:


    Das mit dem Luhmann bezog sich im Übrigen auf den ehemaligen Kompagnon und Co-Podcaster unseres Forenbetreibers, den gelernten Diplomsoziologen S. Schulz, und dessen, zwar von ihm selbst gerne bedeutungsschwanger seinem kritischen Elaborat unterlegte, aber dem darüber weitgehend ahnungslosen Publikum nie wirklich schlüssig als in irgendeiner Form relevant dargestellte hochkarätige Bielefelder Ausbildung in der Lehre des angeblich unabänderlich autopoietischen Systems der Systeme.


    Warum ich es daher völlig ernst meinte, als ich schrieb man brauche...,

    um Himmelswillen nicht Luhmann!) studiert zu haben, um zu kapieren, dass dieses System auf Sand gebaut ist, und dass jeder der heute noch das Gefühl hat, davon zu profitieren, schon morgen bei der nächsten Krise zu den Verlierern im großen Casinobetrieb gehören kann.

    ...hast Du ja - in einer wie ich ehrlich finde sehr schönen und treffenden Polemik - noch mal gut heraus gearbeitet.

  • ...und da hat man sich dann wieder sehr geistreich gefühlt, und dabei trotzdem überhaupt nichts erhellendes zur Diskussion beigetragen.

    es war ein geistreicher verweis auf den versuch eine wissenschaftlichen diskurs im generalisierten code wahr/falsch zu führen, um eine politische moralische frage zu klären. um das zu verstehen musst du aber luhmanns gesammelte werke gelesen haben, versuch das mal zu widerlegen 8)

  • es war ein geistreicher verweis auf den versuch eine wissenschaftlichen diskurs im generalisierten code wahr/falsch zu führen, um eine politische moralische frage zu klären. um das zu verstehen musst du aber luhmanns gesammelte werke gelesen haben, versuch das mal zu widerlegen 8)

    Ich glaub, um eine politisch moralische Frage mit wahr/falsch zu beantworten, muss man ziemlich weltfremd und abgehoben sein - es sei denn, man definiert “Moral“ so um, dass es im eigentlichen Sinne keine mehr ist.


    (This thread is dying btw)

  • Ich glaub, um eine politisch moralische Frage mit wahr/falsch zu beantworten, muss man ziemlich weltfremd und abgehoben sein - es sei denn, man definiert “Moral“ so um, dass es im eigentlichen Sinne keine mehr ist.


    (This thread is dying btw)

    Das Problem damit, moralische Fragen immer als relativ zu beantworten, ist, dass dadurch eben auch sozialer Fortschritt verhindert wird. Wenn es kein wahr und falsch gibt, dann kann ich gar nicht politisch argumentieren und ich überlasse damit den Gegnern das Feld, weil die nämlich sehr wohl auf der Richtigkeit oder auf der Wahrheit ihrer Forderungen (deren Ziel) beharren. Beispiele dazu gibt es genug.

    Ich denke aber, dass du mit mir da sowieso übereinstimmst.

  • schade - ich denke wenn er populistischer wäre, würdest du ihn gerne lesen


  • ... um letzteren Punkt auch schon mal programmatisch aufzuarbeiten: Eine Reforum unseres Schulsystems hin zu einer Gesamtschule täte der Spaltung unseres Landes auch schon mal ganz gut.

    Gleich den heiligen selektiven Gral des Bürgertums abschaffen. Mutig von dir, du linker Spinner. ;)

    Dazu eine kleine Bemerkung. Im A!-Podcast habe ich erfahren, dass das arme MV die höchste Rate an Privatschülern hat. Ich fürchte, eine solche Reform würde diese Tendenzen bundesweit befeuern.

    Ausstattung und Investieren in Lehrkräfte mit Schwerpunkt auf die problematischen Bereiche sind vielleicht doch drängender, aber warum dann nicht zum Anlass nehmen auch die elende Klassenmanifestation loszuwerden.


    Aus Erfahrung beginnen die Probleme schon mit der Grundschule. Es macht viel aus, welcher Schule ein Kind in der Großstadt zugewiesen wird.

    Im ländlichen Raum meiner Heimat ist es hingegen eher so, dass die an Kinder- und Personalmangel

    leidende Grundschule für jene Kinder übrig bleibt, deren Eltern es sich nicht leisten können ihre Kinder in die weiter entfernte Nachbarstadt zu fahren.

    Politiker wären sicher nicht traurig, diesen Klotz am Bein irgendwann loszusein und unternehmen daher eher wenig gegen diese Entwicklung. Aber genug zum Niedergang meiner Heimat.


    Zur Identitätspolitik oder konkret Gendern will ich noch ein paar Worte loswerden. Ginge es um Gleichberechtigung und nicht um Spaltung, wäre wohl die Entwicklung eines echten Neutrums angesagt und nicht die zwanghafte Etablierung eines in Wahrheit doch Recht umständlichen generischen Femininums.


    Möglichkeiten gäbe es sowohl im mündlichen durch die einfache Änderung der Betonung einer Silbe (vgl. Status Singular u. Plural) als auch im schriftlichen z.B. durch dir Einführung eines Akzentes oder so.

    Ersteres wird ja nun sogar gemacht, um das gegnerische Femininum abzugrenzen. Leider an der für den Sprachfluss denkbaren ungünstigsten Stelle.


    Der Zug ist aber abgefahren. Die Frage ist jetzt eigentlich nur noch, ob man sich daran beteiligt oder nicht. Ich habe es aufgegeben, weil es nach meinem Empfinden zuverlässig spaltend triggert, statt zu verbinden und ansonsten damit niemandem geholfen ist. Es löst sich dadurch z.B. nicht der pay gap auf, weil Frauen nun mal mehrheitlich in Berufsgruppen vertreten sind, die schlecht bezahlt werden, egal ob Pfleger, Schwester oder Pfleger*Innen genannt. Ich verstehe die Idee dahinter, glaube aber nicht mehr, dass die Sprache hier maßgeblichen Einfluss auf Rollenbilder hat, eher umgekehrt. Was bleibt, ist dann Virtue signalling. Demgegenüber steht der Schaden durch die Spaltung, dem ich jetzt mit bewusster Gelassenheit begegne.


    By the way. Wenn bei Netflix jetzt auch die Bösewichte vom Algorithmus in identitäre Rollenbilder gepackt werden (I care a lot), hat das wirklich was von Gleichberechtigung.^^

    Weiblich, kriminell sucht Sie für gemeinsame kapital-verbrecherische Abenteuer.

    Es könnte natürlich auch der gescheiterte Versuch sein, die Bösewichtin als Anti-Heldin vom Formate eines Walter White darzustellen.

  • Ich reite (ha, ha) auf der sechsten Feuerbachthese nicht zufällig so herum. Sie behauptet aus meiner Sicht implizit, dass linker Populismus à la De Masi, benannt und unterschrieben von Utan:

    Und das wäre dann so in etwa das, was ich mit "linkem Populismus" meinte.

    analytisch nicht an die Beschädigungen heranreicht, die allen Menschen in dieser Gesellschaft angetan werden.

    Der linke Populismus geht nämlich davon aus, und musss auch davon ausgehen, dass diejenigen, die von SPD und CDU zur AfD übergelaufen sind und xenophoben Furor im Herzen tragen, auf dem tiefen Grunde dieser Herzen eigentlich gut, wenn nicht sogar "weise"(De Masi) sind, aber leider momentan unter dem Druck der Verhältnisse und der faschistischen Propaganda vorübergehend auf den falschen Weg abgekommen sind. Lösung: Ebenso vorübergehend wird die faschistische Aggression als legitimer Wunsch nach Sicherheit anerkannt und damit Wählerstimmen gesammelt. Wenn so die Linke politische Macht erlangt haben wird, werden die Gründe für die Faschisierung des legitimen Sicherheitsbedürfnisses der einfachen Leute wegfallen, die Propaganda der marginalisierten AfD, und der Druck der Verhältnisse in einem durch die Linke betriebenen Wohlfahrtsstaat, perspektivisch sogar inklusive Abschaffung des Kapitalismus, verschwinden. Alles wird gut.

    Hegel würde diese Thesen abstrakt und damit falsch finden, Marx ebenso. Die 6. These Marxens gegen Feuerbach lautet nämlich, es sei das menschliche Wesen, welches als "ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse" anzusehen sei. Und das bedeutet, dass unter der faschistischen Oberfläche keine Weisheit ist, die man hervorholen könnte. Das legitime Sicherheitsbedürfnis äußert sich faschistisch, damit ist es faschistisch. Da nützt es nichts, die beiden Momente analytisch zu trennen; konkret äußern sie sich als eine Erscheinung, als Xenophobie. Was soll das einem Menschen eigentlich sagen, der irgendwo an der Außengrenze Europas in einem Lager leben muss, wenn man ihm erklärt, eigentlich werde er hier wegen eines legitimen Sicherheitsbedürfnisses der leider momentan etwas fehlgeleiteten Deutschen festgehalten? (Übrigens bedeutet jene These im Umkehrschluss nicht, die Menschen wären für alle Zeit verloren. In der revolutionären Praxis, so Marx, ändert sich mit der Revolutionierung der Verhältnisse auch das menschliche Wesen.)

    Wenn man nun Marx folgen will, ist die zwingende Konsequenz aus seiner These, in der Frage 'linker Populismus'(De Masi) oder 'Haltung'(Kipping) auf Kippings Seite zu stehen. Denn der 'linke Populismus' wird das faschisierte Wesen der AfD-Wähler*innen nicht bekehren können, und die einzige Hoffnung besteht darin, sich in revolutionärer Position zu behaupten, um für diejenigen interessant zu bleiben, die noch nicht durch Höcke & Co verdorben sind. Das hieße eben: Egal was die Faschisten sagen, die Flüchtenden sind in Not, für die Flüchtenden müssen die Grenzen geöffnet werden.

    Natürlich muss man der 6. Feuerbachthese nicht zustimmen, auch nicht der Erläuterung deren Grundlage in den 'Pariser Manuskripten', auch nicht deren Anwendung auf die Ökonomie im 'Kapital' (ich denke vor allem an den Fetischcharakter der Ware), auch nicht deren philosophischer Durchführung in der 'Dialektik der Aufklärung'.

    Mein Rat: Verwerfen wir diese Gedanken nicht, machen wir uns lieber mit ihnen bekannt und prüfen selbst, ob sie nicht besser erklären können, was geschieht.

    Denn der linke Populismus ist früher gescheitert und scheitert auch heute. Er ist ja keine neue Idee. Es gibt ihn, seit es die SPD gibt, und er hat zu einer menschlichen Gesellschaft genauso wenig geführt, wie zur Abschaffung des Kapitalismus. Gern werden als aktuell erfolgreiche linke Populisten Jeremy Corbyn und Bernie Sanders angeführt. Wo sind sie? Sind sie Premierminister oder Präsident? Bestimmen sie die Regierungspolitik ihrer Länder?

    Ach, ihr vergaß: Schuld an dem mangelnden Erfolg des linken Populismus sind die radikalen Besserwisser, die auf Teufel komm raus von himmelhohen Rössern herab ihre Dogmen rausposaunen und den armen, irregeleiteten Menschen die Wahrheit ins Gesicht brüllen zu müssen glauben, dass geschlossene Grenzen Mord bedeuten. Wenn nur alle einmütig lügen und den Menschen ihre Stimmen abluchsen würden, um nachher April, April! zu rufen, dann würde alles gut.

    Und ich bin es, der die einfachen Leute verachtet?

  • Gern werden als aktuell erfolgreiche linke Populisten Jeremy Corbyn und Bernie Sanders angeführt. Wo sind sie? Sind sie Premierminister oder Präsident?

    Das ist halt nicht der Punkt 🥴

  • Das nenne ich ermutigend: Am Sonntag weißt Du noch nicht, wer die Feuerbachthesen geschrieben hat:

    Das ist, wie Feuerbach es selbst geschrieben hat, eben eine These.

    24 Stunden später hast Du Dir ganz offenbar den Text genommen, gelesen, verstanden und machst das, was ein guter Guerillero tut: Er nimmt dem Gegner die Waffen ab, um sie gegen ihn zu verwenden:


    Ich hab das Interview von De Masi nicht gesehen. Aber mit der Aussage, es sei schwierig oder unmöglich die Menschen von einer neuen Gesellschaftsordnung zu überzeugen oder dass der Kapitalismus zu einer unabänderlichen Form von Bewusstsein im Hinblick auf eine bestimmte Weltauffassung, nennen wir sie mal die Ideologie des Kapitalismus, führt, machst du eigentlich genau das, was Marx an Feuerbach kritisiert. Du fasst diese Ideologie als ein Objekt der Anschauung, postulierst das theoretische Verhalten als nicht materiell bestimmt und als losgelöst von der gegenständlichen Tätigkeit, der konkreten Praxis, wie sie im Alltag erscheint und die bis auf bestimmte Bereiche, wenig mit der Ideologie des Kapitalismus zu tun hat (z. B. kooperatives Verhalten, Mutualismus).

    Und wenn ich das behauptet hätte, was Du mir unterstellst, könnte ich nur sagen: Treffer, versenkt. Da ich es nicht behauptet habe, verpufft die Kritik: Darum geht es mir ja gerade, den gesellschaftlichen Charakter von Ideologie und Gemüt ernst zu nehmen und nicht in abstrakt aktionistischer Weise zu verleugnen, ohne ihn als unabänderliche menschliche Natur zu fixieren.

  • Über zwei Jahrhunderte haben die Ideologen und Sozialwissenschaftler der Bourgeoisie versucht, den Menschen einzuhämmern, dass das System alternativlos ist. Das hat dazu geführt, dass die Ideologie der Menschen in ihren Gedanken zwar nur noch ein kümmerliches Dasein fristet, aber sich trotzdem im Alltag und in spezifischen Ereignissen in vielfälltiger Weise zeigt, und im großen und ganzen, die Gesellschaftsordnung im Grunde abgeleht wird.

    Das erinnert mich doch an was. An was? An das:


    forum.jungundnaiv.de/admin/index.php?attachment/1596/


    Warum? Sag Du es mir.

  • Der linke Populismus geht nämlich davon aus, [... - gekürzt weil leider zu lang für die längenbegrenzung]


    Das ist leider jetzt wirklich albern @Heyfisch.


    Deinem ganzen "Argument" liegen - völlig ungeachtet der Bezugnahme auf Marx, Adorno und Horkheimer, die sich wahrscheinlich im Grabe umdrehen würden, wenn sie wüssten wie totalitär man ihre Gedanken heute zum Teil interpretiert, oder ihre Namen als reine Briefbeschwerer für eine kontra-emanzipatorische, post-kritische und zutiefst bürgerlich-elitäre Message missbraucht - folgende, bereits felsenfest gefällte Urteile zu Grunde:


    1. Alle die jetzt AfD wählen und nicht mehr sPD, tun das, weil sie einen "xenophoben Furor" im Herzen tragen. Ihre Angst (phobia) vor dem Fremden (xenos) ist eigentlich ein Hass gegen Fremde und ihnen eine gleichsam irrationale wie ganz bewusst angenommene, leidenschaftliche Herzensangelegenheit. Sie sympathisieren damit ganz unverholen mit Faschisten, sind daher für alle aufrechten Atifaschist*innen persona non grata und somit für die Linke Sache verloren.


    2. Alle die das nicht glauben, sondern sich bemühen, den "xenophoben Furor" nicht als innere Herzensangelegenheit zu sehen, sonderen eher als Ausweis genau der - die gesamte bürgerliche Gesellschaft inklusive ihrer Moral betreffenden! - Verblendung, welche Adorno, Horkheimer et. al hinter dem Scheitern der Aufklärung in der Moderne vermuteten, verharmlosen damit entweder leichtfertig den Faschismus, oder befördern die "faschistische Aggression" gar willentlich, um sie sich zum Zweck der eigenen Machtergreifung zu nutze zu machen.

    Sie sind daher entweder nützliche Idoten von Faschisten oder selbst welche, und daher für alle aufrechten Atifaschist*innen persona non grata und ebenfalls für die Linke Sache verloren.


    3. Jeder Versuch solchen Menschen mit etwas anderem als einer eisenharten, "klaren Kante" zu begegnen, oder gar mit ihnen ins Gespräch zu kommen, anstatt sie - wie es sich gehört - radikal aus dem gesellschaftlichen Diskurs auszuschliessen, ist ein Ausweis völliger Unkenntnis der antifaschistischen Forschung und/oder basiert selbst auf einem autoritären bis faschistoiden Charakter - ist also für aufrechte Antifaschist*innen absolut indiskutabel und hat in der linken Sache nichts verloren.


    4. Der Tod der Geflüchteten im Mittelmeer und in Elendslagern an der europäischen Peripherie ist Mord - Ein Verbechen welches sich mit Vorsatz gegen das Existenzrecht von Menschen richtet. Jede/r der nicht für offene Grenzen - und zwar ab gestern - eintritt, ist ein/e Mörder/in und Faschist/in und somit für die Linke Sache verloren.


    Dem möchte ich hinzufügen:


    Kapitalismus ist Mord. Jeder Mensch der im westlichen Kapitalismus lebt, profitiert von der imperialistischen Unterdrückung anderer Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern, von der Ausbeutung ihrer natürlichen Ressourcen und ihrer billigen Arbeitskraft, und von der Zerstörung ihrer Umwelt. Wer sich dem nicht radikal entgegenstellt, wer nicht Teil der Revolution ist, oder wer den Diskurs mit all jenen die es nicht sind nicht kategorisch ablehnt, ist ein/e willfährige/r Helfershelfer/in von Massenverelendung, Kinderarbeit, Sklaverei, von Seuchen, Kriegen, Hungersnöten und entweder ein/e nützliche/r Konsumidiot/in für elende KapitalistInnen, ImperialistInnen und MörderInnen, oder gehört selbst dazu - und macht sich damit zu einer Todfeind/in der linken Sache für die es keine Gnade geben kann.


    - was natürlich ebenso theoretisch wahr, wie eine vollkommen überzogene Verabsolutierung ist und genauso wenig mit fundierter Kapitalismus- oder Ideologiekritik zu tun hat, wie Deine Behauptung, aus der 6. These über Feurbach, ließe sich unter Zugabe von ein bisschen Hegel und Frankfurter Schule eine umfassende Theorie über das individuelle Bewusstsein und sein "Wesen" im gesellschaftlichen Sein ableiten, aus der man als aufrechte/r Antifaschist*in nur den einen Schluss ziehen könne, welcher besagt, dass eigentlich jeder ein Faschist sei, dem das Ideal des Antifaschistischen Individuums nicht in Fleisch, Blut und "Wesen" übergegangen ist.



  • Aber hat jetzt irgendwer verstanden was das Geschäftsmodell von Wirecard ist? Wenn ich Fabio richtig verstanden habe, dann war Wirecard a) ein Bezahldienst in Hochrisikomärkten bzw. Märkten mit mangelnder technischer Infrastruktur für Finanzgeschäfte und b) ein Finanzdienstler für irgendwas. So richtig versteht glaube ich niemand was Wirecard machen wollte.

    (Disclaimer: bin selbst WC-Geschädigter; hatte allerdings schon Aktien lange bevor sie in den DAX aufgenommen wurden).


    Das Modell ist im Prinzip relativ einfach und auch durchaus sinnvoll: da immer mehr Geschäfte online abgewickelt werden, stellt sich vor allem für mittlere und kleine Unternehmen die Problematik der Zahlungsabwicklung. Selbst alle Zahlungsmöglichkeiten im Shop anzubinden ist sowohl was den Kosten/Nutzen-Aspekt anbelangt, wie auch die Frage nach der Sicherheit, ziemlich aufwändig. Das läßt man dann lieber im Sinne seiner Kunden von jemand abwickeln, der sich "damit auskennt".


    Speziell für die ganzen FinTechs stellt sich auch oftmals die Problematik des Erwerbs einer Banklizenz, was meiner Kenntnis nach (zurecht) nicht so leicht ist. Da springen dann Firmen wie WC ein, die das ganze Fianzielle technisch im Hintergrund abwickeln und die dazu ntowendige Banklizenz besitzen. Letzeres ist im Übrigen etwas, was auch traditionelle Banken mehr und mehr tun, da ihr ehemaliges, fillialbasiertes Kerngeschäft wegbricht.


    So steckt z.B. hinter der Privatkredit-Plattform Auxmoney die SWK Bank, Gründungsjahr 1959.:

    Zitat

    Die SWK Bank tritt auch als Internetdienstleister für verschiedene Bankpartner auf. Unter anderem wickelt die Hanseatic Bank das Konsumentenkreditgeschäft über die Internetseite der SWK Bank ab. Für die Kreditvermittlungs-Plattform im P2P-Bereich, auxmoney.com, fungiert sie als Vertragspartner. Alle Serviceaktivitäten im Bereich der Kundenbetreuung und -pflege nimmt die Tochtergesellschaft krefa services wahr. Als erste Bank in Deutschland ermöglicht die SWK Bank ihren Kunden seit Mai 2014 eine Video-Identifikation als schnelle Alternative zum PostIdent-Verfahren.

    Als White-Label-Bank kooperiert die SWK Bank mit Banken und Fintechs. Für sie stellt die SWK Bank ihre Systeme und ihre Prozesse als Banking-as-a-Service-Dienstleistung für das Kreditgeschäft, Einlagengeschäft und den Zahlungsverkehr zur Verfügung. Weiterhin unterstützt die SWK Bank Partner bei der Entwicklung eigener Vertriebs- und Risikostrategien. Seit Beginn des Digitalisierungstrends wächst die SWK Bank dynamisch und unterstützt etliche Bankpartner und Fintechs in verschiedenen Prozessen. Als IRBA-zertifiziertes Institut verfügt die SWK Bank über Erfahrungen in der Risikoanalyse und -bewertung.

    Was WC auch anbot und was ich selbst auch genutzt habe: virtuelle aufladbare Kreditkarten.


    tl;dr

    Ein im Prinzip tragfähiges, sinnvolles und zukunftsträchtiges Geschäftsmodell. Anscheinend ist der Führung von WC aber die Gier zu sehr in den Kopf gestiegen.

    Facts do not cease to exist because they are ignored.

    -- Aldous Huxley

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