#499 - Fabio de Masi (Die Linke) über Wirecard

  • p.s.:


    Allzu leicht ersetzt der patzige Vorwurf, der andere mache es sich im Elfenbeinturm gemütlich, die inhaltliche Auseinandersetzung mit der schlechten Nachricht. Wem ist damit geholfen? Wie sieht denn nun der ‚linke Populismus‘, der hilft, aus? Butter bei die Fische, Waldmensch. Stänkern gildet nicht.

    Ja wenn ich wüsste wie man das machen soll, dann würde ich meine Zeit nicht damit verschwenden, hier ein obskures Nischenforum mit Schachtelsätzen vollzustellen, um mir den Frust von der Seele zu schreiben.


    Dass das einfach wäre habe ich jedenfalls nicht behauptet.

  • Und das wäre dann so in etwa das, was ich mit "linkem Populismus" meinte.


    Schade dass er aufhört.

  • Wenn man weiß, mit wie viel Ellenbogeneinsatz sich Fabio vor 4 Jahren sein Bundestagsmandat erkämpft hat, kann man über den Rückzug jetzt nur staunen. Aber es bewahrheitet sich was man vermutet hat, Fabio De Masi geht es vor allem um seine eigene Karriere. Das Kind hat er damals schon als Grund vorgeschoben, warum er unbedingt vom EU Parlament in den Bundestag wechseln muss.

  • Und das wäre dann so in etwa das, was ich mit "linkem Populismus" meinte.


    Schade dass er aufhört.

    "Die Kunst der Politik besteht darin, auch an die Lebensrealität und die Sprache jener Menschen anzuknüpfen, die um die Kontrolle über ihr Leben fürchten. Die politische Linke darf das menschliche Grundbedürfnis nach Sicherheit - in einem umfassenden Sinne - nicht vernachlässigen. Dabei sollte man weder Ressentiments schüren noch so sprechen, dass normale Menschen einen Duden brauchen." (De Masi, oben zitiert von Utan)


    Wenn ich recht verstehe, geht es an dieser Stelle der Diskussion doch immer, wenn auch hier unausgesprochen, um die Frage, ob man „normalen Menschen“ ihre Ressentiments gegenüber Ausländer*innen, genauer: Flüchtenden, vorwerfen soll oder sie lieber einladen, das Ziel ihres Unmuts in Richtung Gesellschaftsordnung zu ändern. Die „Kunst der Politik“ bestünde also darin, an Ressentiments anzuknüpfen, ohne sie zu schüren. Geht das?


    Ein logisches Problem hierbei scheint mir darin zu bestehen, dass man nicht anknüpfen kann, ohne anzuerkennen. Wenn Du damit anfängst zu erklären, die Angst verstündest Du wohl, aber sie richte sich an die falsche Adresse, hast Du schon verloren, Du abgehobener, intellektueller Arsch, der den normalen Leuten ihre eigenen Gefühle erklären will. Das jedenfalls ist meine eigene Erfahrung. Wenn Du aber das Ressentiment anerkannt hast, wie willst Du dann erklären, dass Du es doch eigentlich falsch findest?


    Ein historisches Problem besteht meinem Eindruck nach darin, dass es in linken Parteien schon immer ‚Realpolitiker*innen‘ gegeben hat, die sich dem common sense anbequemt haben wie De Masi. Was ist dabei herausgekommen, seit die SPD 1914 den Kriegsanleihen zugestimmt und Friedrich Ebert 1918 die Arbeiter- und Soldatenräte im Zirkus Busch hinters Licht geführt und damit die Revolution abgewürgt hat (Siehe Bernt Engelmann: Einig gegen Recht und Freiheit, S.19f)? Wirksame Kapitalismuskritik jedenfalls nicht, oder?


    Sehen wir doch mal genauer an, was uns De Masi hier eigentlich auftischt:


    Es werden die Parteien gewählt, denen man zutraut, Existenzen in der Corona-Krise zu sichern, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu verhindern, dass Kinder aus ärmeren Stadtteilen ihr Recht auf Bildung einbüßen.“


    Ja. Genau. Darum ist bei fast jeder Wahl die CDU die stärkste Partei: Weil die „normalen Menschen“ daran glauben, dass wirtschaftliches Wachstum das Heilmittel gegen alles sei. Die Linken dagegen wollen das Geld dafür den Reichen wegnehmen, also meinem Boss, also dem, der meinen Arbeitsplatz sichert. Und die soll ich wählen? Wie gesagt: 9,2% bei der letzten Bundestagswahl, in Umfragen im Moment wieviel? 6%?.


    „Parteien in der Tradition der Arbeiterbewegung … haben Grundwerte wie Solidarität durch Verankerung in der Lebenswelt der Beschäftigten verteidigt.“


    Was meint er? Das Absingen der Internationale auf Parteitagen? Die Rote Hilfe? Arbeitertheater? Was? Was soll dieses Geraune? Was schlägt er für hier und heute konkret vor?


    Das Leben ist voller Widersprüche: Wir müssen mehr Kapitalismuskritik und weniger erhobenen Zeigefinger wagen.“


    Na endlich was Hilfreiches. Ich dachte ja immer, es gebe im Leben keine Widersprüche. Danke dafür. Und Kritik aber kein Zeigefinger, diesmal frei nach Willy Brandt; habe ich schon vorher verstanden, meine Frage bleibt: Wie?


    Die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer ist eine Schande. Aber …“


    Wenn ich in einem früheren Kommentar schrieb, De Masis verdienstvolle Arbeit sei vor allem wertvoll für mich, dann möchte ich jetzt anfügen: Meine Aufgabe sehe ich dagegen darin, Leute wie De Masi zur Einsicht zu geleiten, dass man auf den Satz: „Die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer ist eine Schande.“ auf keinen Fall, aber unter wirklich keinen Umständen ein „Aber“ folgen lassen darf. Und selbst das scheint mir eine fast unlösbare Aufgabe zu sein.


    Ich breche hier mal ab, Du verstehst, was ich zeigen will: De Masi bringt Spruchblasen und Akademikerbashing, sonst nichts.


    Nein, stimmt nicht:


    „Millionen Frauen im Niedriglohnsektor brauchen Schutz vor Ausbeutung und müssen sich täglich gegen Respektlosigkeiten und Übergriffe von Männern wehren. Auch viele dieser Frauen sind selbstbewusst, aber nicht immer geübt in geschlechtsneutraler Sprache.“


    Das stimmt. Frauenpower ist nicht gleich Gendern. Als ich 1992 aus Berlin (Kreuzberg, dann Moabit) nach Mecklenburg kam, fiel mir auf, dass unter den eingeborenen Frauen gar keine Mäuschen und Miezen waren. Ein Erfolg der DDR, wie mir schien. Hat mir gut gefallen. Leider war ich zu einer von ihnen sehr taktlos. Sie erzählte mir beiläufig: „Beim Frauenkegeln gestern waren wir acht Mann.“ Es kam so unverhofft, und ich musste so loslachen, dass sie sehr besorgt kuckte. Was aber umgekehrt natürlich nicht bedeutet, dass wir dick- und selbstgefälligen alten weißen Männer nicht gendern sollten. Es ist eben leider objektiv immer mal son büschen knifflig mit der Dialektik. Mir gefällt das Sternchen am besten.

  • Aber das lernen die halt nicht, wenn es zwar irgendwo im Linken Parteiprogramm steht, das sowieso kein Schwein liest (wie ja auch alle anderen Parteiprogramme) der nicht ohnehin schon ein gesteigertes politisches Interesse hat, oder in dicken alten Büchern, die erst recht kein Mensch liest, der nebenher noch arbeiten und sich um eine Familie kümmern muss. Und sie lernen es schon gleich gar nicht, wenn Linke die es gelernt haben es ihnen nicht so erklären können, dass man es auch kapiert, ohne die ganzen dicken Bücher gelesen zu haben.

    Da ist natürlich was dran. Ich habe damals in der Ernte zum Feierabendbier meist 'King of Queens' gekuckt. Mehr ging nicht. Andererseits: Wenn Du keinen Dreisatz kannst, kannst Du keine vernünftige Aussaat machen. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ich fürchte, ganz ohne dicke Bücher geht es einfach nicht.

  • Sie erzählte mir beiläufig: „Beim Frauenkegeln gestern waren wir acht Mann.“ Es kam so unverhofft, und ich musste so loslachen, dass sie sehr besorgt kuckte. Was aber umgekehrt natürlich nicht bedeutet, dass wir dick- und selbstgefälligen alten weißen Männer nicht gendern sollten.


    Prototypisch. Eine Frau, aus der Mitte der mecklenburgischen Landbevölkerung, formuliert völlig unbefangen einen Anekdote aus ihrem Lebensalltag und zwar so, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Der nicht ganz so unbefangene "Linke" stutzt und kann nicht anders als für sich selbst nach innen unverzüglich einen erhobenen Zeigefinger zu formulieren. Aufgrund der Divergenz zwischen der Ist- und der Soll-Realität beginnt er zu lachen.


    8) Selbstverständlich guckt die Frau besorgt. Das Lachen enthält Spuren von Befangenheit.

  • Wenn ich recht verstehe, geht es an dieser Stelle der Diskussion doch immer, wenn auch hier unausgesprochen, um die Frage, ob man „normalen Menschen“ ihre Ressentiments gegenüber Ausländer*innen, genauer: Flüchtenden, vorwerfen soll oder sie lieber einladen, das Ziel ihres Unmuts in Richtung Gesellschaftsordnung zu ändern. Die „Kunst der Politik“ bestünde also darin, an Ressentiments anzuknüpfen, ohne sie zu schüren. Geht das?


    Ein logisches Problem hierbei scheint mir darin zu bestehen, dass man nicht anknüpfen kann, ohne anzuerkennen. Wenn Du damit anfängst zu erklären, die Angst verstündest Du wohl, aber sie richte sich an die falsche Adresse, hast Du schon verloren, Du abgehobener, intellektueller Arsch, der den normalen Leuten ihre eigenen Gefühle erklären will. Das jedenfalls ist meine eigene Erfahrung. Wenn Du aber das Ressentiment anerkannt hast, wie willst Du dann erklären, dass Du es doch eigentlich falsch findest?

    Du machst hier leider - ob gewollt oder nicht - genau das, was ich damit meine, wenn ich kritisiere, dass (von mir so genannte) "identitäre" Linke sich mehr mit ihrer eigenen gefühlten moralischen identität, bzw. mit der Identifizierung ihrer Feindbilder beschäftigen, als mit den tatsächlichen materiellen Verhältnissen in denen die Menschen leben, von denen sie überhaupt erst mal in ausreichender Zahl gewählt werden müssten, um ihre hehren Ideale auch in die Tat umsetzen zu können.


    Und zwar machst Du das, indem Du keinen Unterschied zwischen dem Ernstnehmen eines absolut menschlichen Bedürfnisses nach Sicherheit auf der einen, und der Anerkennung von Ressentiments auf der anderen Seite zulässt. Letztere können sich zwar aus der Angst vor der Unsicherheit ableiten, aber sie müssen keineswegs zwingend daraus hervor gehen.


    Ressentiments entstehen immer aus Angst. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob die angsthabenden Menschen rechts, links, liberal, reaktionär, männlich, weiblich, trans, non-binary, schwarz, braun, weiß oder grün mit rosa Punkten sind.

    Die Angst als solche nicht zu verteufeln, sondern sie als menschlich anzuerkennen, heißt nicht im Umkehrschluss, dass man das gezielte Schüren von Angst befürwortet. Und es heißt schon gleich gar nicht, dass man sich mit den politischen Zielen all jener gemein macht, die Ängste schüren, um damit gesellschaftliche Ressentiments zu etablieren und (scheinbar) zu legitimieren, welche ihren politischen Zwecken dienlich sind.


    „Die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer ist eine Schande. Aber …“


    Wenn ich in einem früheren Kommentar schrieb, De Masis verdienstvolle Arbeit sei vor allem wertvoll für mich, dann möchte ich jetzt anfügen: Meine Aufgabe sehe ich dagegen darin, Leute wie De Masi zur Einsicht zu geleiten, dass man auf den Satz: „Die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer ist eine Schande.“ auf keinen Fall, aber unter wirklich keinen Umständen ein „Aber“ folgen lassen darf. Und selbst das scheint mir eine fast unlösbare Aufgabe zu sein.

    Leider hast Du in Deiner kleinen Zitatsammlung - vielleicht vor lauter Empörung über ein "aber" im Zusammenhang mit der unsäglichen Europäischen Asyl- und Fluchtpolitik? - vergessen zu zitieren, was nach dem "aber" kommt. Ich zitiere es gerne nochmal vollständig:


    Zitat von Faboi de Masi

    Die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer ist eine Schande. Aber die Zerstörung der Lebensgrundlagen von Millionen Menschen durch Krieg, unfaire Handelspolitik und Klimawandel wird auch nicht durch die Abschaffung von Grenzen beendet. Es braucht immer beides: Perspektiven in Herkunftsländern und starke Kommunen, die Geflüchteten Zukunft jenseits von Massenunterkünften im Industriegebiet bieten können.


    Der Entscheidende und - im Gegensatz zur bloßen (und rein moralisch aus linker Sicht auch von mir absolut nicht zu bestreitenden) Forderung nach einer Aufnahme der Geflüchteten - überaus materielle, konkrete und an der Lebenswirklichkeit der potenziellen WählerInnen orientierte Teil des Absatzes ist der, in dem de Masi erklärt, dass man Geflüchteten vor allem dort ihr ebenso berechtigtes Bedürfnis nach Sicherheit erfüllen kann, wo kein von rechten Angstmachern aufgescheuchter Mob mit brennenden Mistgabeln vor der hastig irgendwo im provinziellen Hinterland aus Conatinern aufgebauten Massenunterkunft aufmarschiert, und wo statt dessen eine "starke Kommune", also eine Gemeinschaft besteht, die nicht von Ängsten und Ressentiments geplagt ist, sondern von einer ganz pragmatischen Solidarität mit Mitmenschen in Not.


    An keiner Stelle in diesem Text oder in irgendeiner Rede im Bundestag, haben "populistische" Linke wie de Masi jemals gefordert, die Grenzen komplett dicht zu machen, oder das Asylrecht zu verschärfen. Aber es ist nunmal eine traurige Tatsache, dass eine Gesellschaft, in der die Angst vor dem Statusverlust und dem sozialen Abstieg sich immer weiter ausbreitet, ein gefundenes Fressen für die rechten AngstmacherInnen von der sogenannten "Alternative" und für andere rechtspopulistische Schlangenölverkäufer - auch in lange etablierten "Volksparteien" - ist.


    Und die ernähren sich, neben der Angst, unter anderem auch ganz besonders gut von der trotzigen Wut, welche Menschen recht häufig befällt, wenn man ihnen mit erhobenem Zeigefinger vom sozialwissenschaftlich studierten Katheder herab vorhält, dass alleine der Umstand, dass sie sich vor fremden Menschen fürchten eigentlich schon eine moralische Ungeheuerlichkeit sei, derer sie sich schleunigst zu schämen und ihr alsbald abzuschwören hätten, wenn sie nicht als herzlose Charakterschweine und billigende bis willfährige FaschismusgehilfInnen abgeheftet und rechts liegen gelassen werden wollen.


    Der Punkt ist, dass hier aus einer konkreten, materiellen Problematik, eine postmaterialistische Frage des Prinzips gemacht - und von der rechten Seite genau umgekehrt als Waffe gegen dieses Prinzip verwendet wird.

    Die berüchtigten "Sorgen und Ängste" jenerMenschen ernstzunehmen, welche sich - von konservativ bis links - vom etablierten Parteienspektrum nicht mehr vertreten fühlen, darf für Linke natürlich nicht bedeuten, sich mit den resentimentgeladenen Prinzipien gemein zu machen, die den "Besorgten BürgerInnen" von rechten Demagogen angeboten werden, sondern es muss bedeuten, dass man den materiellen - im Sinne von konkreten! - Ursachen der Besorgnis auf den Grund geht, und versucht sie zu beseitigen.

    Wenn die Linke allerdings statt dessen gegenüber der potenziellen Wählerschaft zuerst auf Bekenntnisse zu ihren (an sich völlig richtigen!) Prinzipen besteht - wenn sie sich also nur noch mit dem Überbau beschäftigt, ohne sich überhaupt die Mühe zu machen, ihn argumentativ auf eine materielle Basis zu stellen, und wenn sie sich dann erst irgendwann in Zukunft mal darum zu kümmern vornimmt, wie die hehren Ideale mit den tatsächlich herrschenden materiellen Verhältnissen denn nun in Einklang zu bringen seien, dann wird sie keine neuen WählerInnen finden, weil sie dann nur noch für Leute interessant bleibt, die ihre Prinzipien ohnehin schon teilen.


    Und mit Sicherheit wird sie dann auch für immer daran scheitern, jene Prinzipien verwirklichen zu können.

  • Utan:


    Ich habe nicht Angst und Ressentiment in einen Topf geworfen. Mein Thema war diese besondere Ausdrucksform von Angst: Das Ressentiment. Deinen Ausführungen zum Begriff Ressentiment stimme ich zu.


    Schindluder mit den Begriffen treibt dagegen De Masi. Er will aus Rücksicht auf die Popularität seiner Politik Fremdenfeindlichkeit nicht als Ressentiment verurteilen, und spricht deshalb von realitätsgerechter Angst, wo sie nicht ist. Und das erhellt aus Folgendem: Nehmen wir an, De Masi habe Recht, und die Forderung nach offenen Grenzen koste Wähler*innenstimmen. Dann heißt das doch, dass diese Wähler*innen in Bezug auf die Flüchtenden irrational fühlen und denken, denn all die Befürchtungen, die jene anführen, sind ja eben nicht realitätsgerecht. Sie sind also ressentimentgeleitet. Und das heißt wiederum, um diese Wähler*innen für sich zu gewinnen, muss man nicht irgendeinem Humanum Angst (das es meiner Ansicht nach auch gar nicht gibt) nachgeben, sondern eben der Xenophobie, dem Ressentiment.


    Ich habe nicht vergessen, was nach dem „Aber“ De Masis kommt. Es ist aus meiner Sicht ganz wurscht, was danach kommt, es wird so oder so unerträglich inhuman. Aber gut, wenn Du es willst:


    Die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer ist eine Schande. Aber die Zerstörung der Lebensgrundlagen von Millionen Menschen durch Krieg, unfaire Handelspolitik und Klimawandel wird auch nicht durch die Abschaffung von Grenzen beendet.


    Die naive Menschenfreundin würde vielleicht sagen: Flüchtende Menschen ertrinken im Meer, weil die Grenzen zu Lande mit Waffengewalt verschlossen werden. Also müssen die Grenzen geöffnet werden. Dann können die Menschen leben. Diese einfache Überlegung kostet jedoch Wähler*innenstimmen. Was tun? Als erstes spitzen wir auf der einen Seite ein wenig an und sagen „Abschaffung“ statt ‚Öffnung‘ von Grenzen. Da fühlt der Patriot sich gleich ein wenig nackt und unwohl. Auf der anderen Seite vernebeln wir etwas. So wird aus Ertrinkenden eine ‚humanitäre Katastrophe‘, die schön abstrakt ist und keine unschönen Bilder beschwört. Aber in der Mitte platzieren wir den Clou: Wir tun einfach so, als sei das Problem (die ertrinkenden Menschen) und die Lösung (die Öffnung des Landwegs) Gegensätze! Das können wir nicht? Doch, klar können wir das! Frechheit siegt! Wir verbinden beide Sätze mit einem „Aber“ und identifizieren damit unauffällig, ganz en passant, die Ertrinkenden, die wir schon schön abstrakt umbenannt haben, kurzerhand mit allem Übel, das uns so einfällt: Krieg, unfairer Handel und obendrauf noch Klimawandel. Und zack, hier das Ergebnis: Die Öffnung der Grenzen löst nicht alle Probleme der Welt. Und das stimmt. Das Wörtchen ‚Aber‘ aber trägt das ganze Unheil, weil es den logischen Bezug herstellt. Streich es weg, und Du siehst sofort, dass die Lösung der Probleme der Welt mit Grenzöffnungen gar nichts zu tun hat. Ich muss zugeben, Du hast mir die Augen über De Masi geöffnet. Sollte mich nicht wundern, wenn der irgendwann im Aufsichtsrat der Deutschen Bank auftaucht. Kommt mir inzwischen vor wie ein Wiedergänger von uns Joschka.


    Bleibt die alte Gretchenfrage: Lieber mit wehenden Moralfahnen untergehen oder durch faule Zugeständnisse ‚Realpolitik‘ genannt, kleine Fortschritte heraushandeln? Letzteres hieß früher bei den Grünen ‚Krötenschlucken‘, gibt’s das Wort noch? Grundsätzlich wiederhole ich meinen Vorschlag, die kleinen Schritte nicht zu missachten, sondern mit Nachdruck zu betreiben, ganz konkret und lebensreal, allerdings mit einem Ceterum censeo verbunden, dass der Kapitalismus abgeschafft werden muss. Damit man es nicht vergisst, und vor allem, damit diese Perspektive wieder diskutabel wird und bleibt.


    Zuletzt nur kurz zum „sozialwissenschaftlich studierten Katheder“ mit, wie immer, erhobenem Zeigefinger. Wen hast Du vor Augen, wenn Du so etwas schreibst? So ganz konkret? Doch wohl nicht mich? Armes Deutschland, wenn ich als Intellektueller gelten muss. Die Ehre habe ich wohl leider nicht verdient. Allerdings scheinen selbst hier, wo denkende Menschen sich austauschen, Theorie und Studium eher eine Hypothek zu sein. Wieso? An wem wachsen, so ganz materiell, die erhobenen Zeigefinger? Gibt’s Namen und Adressen?

  • Den schätzungsweise 90% der Bevölkerung, die keinerlei politische Konsequenzen aus dem Umstand ziehen, dass ihre Regierungen in Brüssel und Berlin im Mittelmeer und anderswo Massenmord begehen,

    Das wundert mich ehrlich gesagt auch, dass Merkel aus der Nummer so einfach wieder rausgekommen ist. Ihre moralische "Grenzen kann man nicht schützen" Position war doch Konsens links der AfD. Da man hilfesuchende Flüchtlinge nicht wegprügeln oder gar töten kann, ist die europäische oder deutsche Grenze nicht zu sichern. Offene Grenzen sind ein moralisch zwingendes Gebot. Also kann man sie auch nicht ertrinken lassen, indem man Rettungsschiffe abzieht, oder Erdogans Grenzposten auf sie schießen lassen.


    Das ist für mich verblüffend, dass es der Linken nicht gelingt, die Kanzlerin der Herzen auf ihre eigene moralische Position von 2015 festzunageln.

  • Zuletzt nur kurz zum „sozialwissenschaftlich studierten Katheder“ mit, wie immer, erhobenem Zeigefinger. Wen hast Du vor Augen, wenn Du so etwas schreibst? So ganz konkret? Doch wohl nicht mich? Armes Deutschland, wenn ich als Intellektueller gelten muss. Die Ehre habe ich wohl leider nicht verdient. Allerdings scheinen selbst hier, wo denkende Menschen sich austauschen, Theorie und Studium eher eine Hypothek zu sein. Wieso? An wem wachsen, so ganz materiell, die erhobenen Zeigefinger? Gibt’s Namen und Adressen?

    Damit Du das nicht so persönlich nehmen musst erstmal das letzte zuerst:


    Nein. Mit dieser natürlich etwas intellektuellenfeindlich anmutenden Polemik meine ich nicht Dich. Damit meine ich vor allem "links"-liberale öffentliche Intellektuelle aus Medien, Akademia, Grün- und Linkspartei (und eigentlich noch mehr deren social media-wirksame Follower) welche ihren eigenen theoretischen Unterbau (oder das was sie davon an Restbeständen bei ihren diversen VordenkerInnen aufgeschnappt haben) auf Analysen gründen, die wohl innerhalb der herrschenden Logik des ideologischen "Überbaus" durchaus schlüssig und nachvollziehbar erscheinen, aber eben entweder nur noch wenig bis gar nichts mehr mit der Analyse der jener Logik zugrunde liegenden materiellen Verhältnisse zu tun haben, oder dieselbe in einer so derart gruppenspezifischen Geheimsprache verklausulieren, dass vermutlich selbst Leute, die das noch ernsthaft mitverfolgen, nur deswegen nicht zugeben, dass es eigentlich nicht verständlich ist, weil sie befürchten, man könne sie dann aus der Gruppe ausgrenzen.


    Deshalb rede ich in diesem Zusammenhang auch - sicher sozialwissenschaftlich / philosophisch nicht ganz korrekt - von "post-materialistischen" Idealen, Prinzipien und Moralvorstellungen, welche - meiner küchenphilosophischen Ansicht eines Geisteswissenschaftsstudium-nach-der Hälfte-Abbrechers gemäß - heutigen "linken" Identitären als Rechtfertigung für eine Haltung dient, die sich in ihrer isolationistischen Abgrenzung gegen die feindlichen "Anderen" leider dem Tribalismus der rechten Seite immer weiter anähnelt. (Und bevor jetzt einer mit rostigen Hufeisen wirft: Natürlich besteht die Ähnlichkeit hier keinesfalls in den eigentlichen Überzeugungen, die immerhin von diametral gegensätzlichen Menschenbildern ausgehen, sondern in der Art und Weise, wie man sie als Bollwerk gegen Andersdenkende vor sich herschiebt.)


    Ich setze das "links" dabei nicht ohne Grund in Anführungszeichen, weil - meiner eigenen hehren Ideale aus der grauen Vorzeit des ausgehenden letzten Jahrtausends entsprechend - eine "Linke" die sich hauptsächlich damit hervortut, und ihre eigene Daseinsberechtigung in der öffentlichen Arbeit (bzw. Wahrnehmung) damit begründet, dass sie nicht Rechts ist, bzw. dass alles was nicht ihrer ganz speziellen Vorstelliung von "Links" entspricht "Rechts" und des Teufels sei, keine "Linke" mehr ist, deren höchstes Ideal ursprünglich mal die Abschaffung der Klassengegensätze war, sondern eine geradezu pietistische Vereinigung zur Bestätigung der eigenen Tugendhaftigkeit gegen die scheinbar unverbesserliche Menschenfeindlichkeit anderer, außenstehender, weil bildungsferner, oder nicht mit dem richtigen Theroieansatz gebildeter, und daher hoffnungslos charakterlich verrohter und verabscheuungswürdiger Schichten.


    Diese "Tribe" schreibt sich zwar "Diversity" und "Inklusion" auf die bunten Regenbogenfahnen, ist aber gleichzeitig offenbar nicht mehr Willens oder dazu in der Lage zu verstehen, dass wir alle zusammen - rechte wie linke, grüne wie blaubraune - in einer wieder zunehmend in Schichten, Millieus und Klassen zerfallenden, neoliberalisierten Gesellschaft leben, welche auf Konkurrenz und Wettbewerb auf allen Ebenen ausgerichtet ist, und in welcher den potenziellen VerliererInnen mitsamt dem Verlust ihrer ökonomischen, auch gleich noch das Ende ihrer sozialen Existenz angedroht und permanent vor Augen gehalten wird, um sie zu mehr "Eigenverantwortung" und Leistung am Bruttoinlandsprodukt anzureizen - Und dass man in einer solchen Gesellschaft eine sozial- und geisteswissenschaftlich wohlinformierte, inklusive und diverse Geisteshaltung nicht in die Wiege gelegt bekommt, sofern man nicht schon von Geburt an zum exklusiven Kreis all jener gehört, bei denen die schönen Künste und die höhere Bildung - sprich: der ganze Habitus des mondänen, weltoffenen Bildungsbürgertums - schon von Kindesbeinen an zur Familienkultur gehörten.


    Der neuerdings in Mode gekommene "Klassismus" drückt sich dabei - leider auch und gerade in jenen "links"-liberalen Millieus - nicht nur in der Ablehnung bis naserümpfenden Verachtung all dessen aus, was nicht in die jeweils gerade politisch korrekte, vornehme Ausdrucksweise und Sprachkonvetion passt, sondern er findet sich dabei auch noch in der Gestalt einer zutiefst paternalistischen Haltung gegenüber den weniger mit den Feinheiten der bildungsbürgerlichen Moral befassten Teilen der Gesellschaft, welche sich anmaßt darüber befinden zu dürfen, wer sich von welcher unbedachten Äußerung gerade auf twitter besonders verletzt und in seiner wie auch immer gearteten Partikularidentität angegriffen fühlen darf.


    Dabei spielt die tatsächliche, materielle Angegriffenheit vieler marginalisierter Minderheiten, Frauen (<- keine Minderheit!), oder sonstiger strukturell diskriminierter Menschen in konkreten Fällen eigentlich nur eine untergeordnete Rolle, weil zum Einen gerade jene, die am meisten unter solchen Benachteiligungen zu leiden haben, gar nicht auf twitter sind, und auch sonst herzlich wenig mit den Millieus zu tun haben, aus denen heraus man sich letzterdings so vehement für ihre sprachliche, oder sonstig von ihren eigentlichen Bedürfnissen entmaterialisierte Emanzipation einzusetzen vorgibt - und weil es den feurigen Emanzipierer*innen dabei eigentlich sowieso nicht darum geht, irgendwen zu emanzipieren, der nicht zu ihrem exklusiven Kreis gehört, sondern darum, den geistigen Horizont, welcher das kreisförmige Denken umgibt, möglichst hart gegen jegliche Form der Inklusion anderer Kreise abzugrenzen.

    Grundsätzlich wiederhole ich meinen Vorschlag, die kleinen Schritte nicht zu missachten, sondern mit Nachdruck zu betreiben, ganz konkret und lebensreal, allerdings mit einem Ceterum censeo verbunden, dass der Kapitalismus abgeschafft werden muss. Damit man es nicht vergisst, und vor allem, damit diese Perspektive wieder diskutabel wird und bleibt.

    Und das wäre und war - hier wie im ehemaligen Aufwachen!-Forum, dessen Rest sich jetzt hier findet - schon immer auch genau mein Vorschlag.


    Ich habe allerdings extreme Zweifel daran, dass ein solches Projekt, welches die "kleinen Schritte" nicht als Endziel einer auf ewig dem inhärenten Hang des kapitalistischen Systems zur Selbstzerstörung hinterher flickenden Sozialdemokratie begreift, sondern als hoffentlich noch irgendwie ohne blutigen Bürgerkrieg zu beschreitenden Weg zum Ziel einer Abschaffung dieses destruktiven Gesellschaftsmechanismus, eine gesellschaftliche Mehrheit finden kann, wenn dessen Projektplanung sich dabei in der öffentlichen Wahrnehmung vornehmlich damit beschäftigt, erstmal eine von oben herab (vom "Katheder") dekretierte neue Moral - bzw. einen "Neuen Menschen" - herbei zu reformieren und dann darüber zu entscheiden, wer moralisch dazu berechtigt sei, etwas zu Fressen zu bekommen.


    Das ist mit Anbstand die dümmste Art und Weise, ein alternatives Gesellschaftsmodell zu propagieren - nicht zuletzt, weil sie in der Vergangenheit schon mehrfach krachend gescheitert ist und das materielle Leid von Millionen von Menschen oft noch verschlimmert hat.

    Vor allem ist sie aber in höchstem Maß kontraproduktiv, weil genau diese Form der versuchten ideellen Gleichstellung, bzw, Emanzipation ohne damit verbundene materielle Veränderungen all jenen als Bestätigung ihrer uralten Propagandabinse von den Linken als Umerziehungslagerbetreiber, Kulturrevolutionäre, totalitäre Bevormunder und potenzielle Massenmörder an Andersdenkenden dient, und es ihnen über die Maßen leicht macht, den "linksgrünversifften" politischen GegnerInnen mittels einer eigentlich völlig absurden Inversion der geschichtlichen Wirklichkeit einen totalitären "Linksfaschimsus" vorzuwerfen, und auf dieser Basis großen Teilen der um ihre Privilegien besorgten Bürgerlichen Mitte einzureden, dass die einzige Rettung gegen den linken "Tugendterror" (T. Sarrazin) entweder in noch mehr Neo-"Liberalismus" zu finden sei, oder - für die bereits vollends Enttäuschten - dann eben am rechtsäußeren Rand und bei den diversen Konspiratistenzirkeln, die davon magisch angezogen werden.

  • Bleibt die alte Gretchenfrage: Lieber mit wehenden Moralfahnen untergehen oder durch faule Zugeständnisse ‚Realpolitik‘ genannt, kleine Fortschritte heraushandeln? Letzteres hieß früher bei den Grünen ‚Krötenschlucken‘, gibt’s das Wort noch? Grundsätzlich wiederhole ich meinen Vorschlag, die kleinen Schritte nicht zu missachten, sondern mit Nachdruck zu betreiben, ganz konkret und lebensreal...

    Klartext:

    Die Linke hat nicht die Pflicht, sich moralisch geläuterter zu gerieren als der heilige Stuhl und solange die Teilnahme am politischen Prozess zu verweigern, bis dieser formal ihren ethischen Ansprüchen genügt. Sich mit Trippelschritten den Weg zur Macht erkämpfen zu wollen, ist in etwa das, was ich als Advocatus Diaboli der Linken auch weiterhin empfehlen würde, würde ich sie effektiv von irgendwelcher Einflussnahme fernhalten wollen.


    Die Linke hat selbstverständlich die Pflicht, sich gefälligst machtvoll in die Politik einzumischen und diese in ihrem Sinne zu gestalten und zu verbessern und zwar nicht erst morgen.

    Vor diesem Dilemma steht de Masi. Er hat eine Formel gefunden.

    Die ist für jeden leidlich mit Instinkt ausgestatteten Teilnehmer als angreifbarer Kompromiss ganz leicht zu durchschauen. Das weiss er auch selbst.


    Nun kann man das als schmutziges Politgeschäft abhaken und weiter um die Macht im Heute ringen oder man kann das wortreich verkleidet als Grund dafür hernehmen, solange als politischer Zuschauer gelten zu wollen, bis letztlich alle Flüchtlinge im Mittelmeer einer humanitären Katastrophe anheim gefallen sind.


    Die Grünen haben als mittlerweile gestaltungsfähiger Politfaktor nicht nur Kröten geschluckt. Sie haben dabei mitgewirkt, DE in den Krieg hineinzuziehen, hier, in Europa. Nicht nur die Linken haben nach dem Ende von WK2 lernen müssen, waschechte Faschisten in ihren Reihen decken zu müssen, um das Tagesgeschäft wieder in Gang zu bringen. Faule Kompromisse wo man nur hinschaut und was für welche.

  • Klartext:

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich Dich richtig verstehe: Du willst sagen, der Zweck, machtvolle Einmischung in die Politik, heilige die Mittel, faule Kompromisse, bis hin zu Angriffskrieg und Deckung von Faschisten? Schlechter als Letzteres sei, als politischer Zuschauer zu gelten?

  • Ich bin mir nicht sicher, ob ich Dich richtig verstehe: Du willst sagen, der Zweck, machtvolle Einmischung in die Politik, heilige die Mittel, faule Kompromisse, bis hin zu Angriffskrieg und Deckung von Faschisten? Schlechter als Letzteres sei, als politischer Zuschauer zu gelten?

    Unabhängig davon ob leie das gemeint hat, kann man sich ja erstmal ansehen wie das von dir beschriebene für die Grünen so bis 2025 läuft...

  • Du willst sagen, der Zweck, machtvolle Einmischung in die Politik, heilige die Mittel, faule Kompromisse, bis hin zu Angriffskrieg und Deckung von Faschisten? Schlechter als Letzteres sei, als politischer Zuschauer zu gelten?

    Ich will sagen, die aktiven Grünen und die historische Linke haben Kompromisse wie Angriffskrieg und Deckung von Faschisten bereits in Kauf genommen, weil die aktiven Grünen und die historische Linke der Ansicht waren, dies sei besser als lediglich als politischer Zuschauer zu gelten.


    So stark war der Zug zur Macht.


    Dir reicht das 'Aber' des Herrn de Masi um bis zur Klärung dieses Sachverhalts die politischen Handlungen der Linken auf die Klärung dieses Sachverhalts einzudampfen. Ich hingegen halte diesen Sachverhalt 'Aber' für ein Mittel zum Zweck, der, gemessen an bereits eingegangenen Kompromissen, gut verhandelbar ist.


    Und was den Angriffskrieg der olivgrünen Friedenspartei mitten in Europa betrifft: Das wäre wirklich ein Grund gewesen, sich als Partei eine umfassende & zeitlich sehr ausgedehnte Auszeit von der Politik zu gönnen.

  • Finds schräg wie sehr ihr dieser "Die Linke macht nur noch Identitätspolitik" Geschichte von De Masi auf dem Leim geht. Evtl guckt ihr zuviel US Medien. Diese hyperkorrekte Bubble gibt es in Deutschland so gar nicht. Das sind nur ne handvoll Twitter Accounts. Bei den meisten ist nicht mal klar ist, ob die eigentlich wirklich was linkes auf dem Wahlzettel ankreuzen. Meiner Meinung nach wird bei diesem Thema eine haltlose Zuschreibung des konservativen Mainstream übernommen, der von den wirklichen Themen der Linken ablenken soll. Solange sich alle über Verbostparteinen und Gendergaga aufregen dringt niemand mehr mit den eingetlichen Themen durch.


    De Masis Problem mit der Linken hat allerdings mit Identitätspolitik rein garnichts zu tun. Diese Rollenzuschreibung Kipping Lager = Identitätspolitik vs Wagenknecht Lager = soziale Gerechtigkeit ist völlig konstruiert und Ergebnis eines politischen Machtkampfs in der Partei Die LINKE. Ein Machtkampf bei dem es nie um irgendwelche Inhalte sondern immer nur um Positionen und Macht ging. Und diesen Machtkampf hat Wagenknecht nunmal verloren. De Masi zieht sich jetzt zurück weil er in der Fraktion nix mehr werden kann. Immerhin war er bei Aufstehen all in gegangen.


    Meine Frage an euch wäre. Welche prominente Person in der Partei Die LINKE fällt euch negativ wegen zuviel Identitätspolitik auf? Das würde mich wirklich interessieren.


    Ich hab zB extra noch mal Katja Kippings Öffentlichkeitsarbeit der letzten Monate angeschaut. Da ist nix zu finden. Da gehts nur um Sozialpolitik.

  • Kipping fällt mir auch auf, sonst nur die Jugendgruppen von Die Linke, hält sich aber auch in Grenzen. Wie es bei den Grünen aussieht derzeit, kann ich nicht sagen, aber gerade den Grünen als Partei hat der Zeitgeist der 60. und 70. mit dem Aufkommen des Individualismus und der Konsumgesellschaft überhaupt erst zum Aufstieg und ins Parlament geholfen. Die Grünen waren (oder sind?) eine Partei, die eben nicht wie eine Arbeiterpartei (wie die SPD), eine Partei die sich ursprünglich Klassenthemen gewidmet hat, sondern Wert auf kulturelle und individualistische Themen wie Umwelt, Anti-Krieg, Minderheitenrechte usw. legt. Ein großer Teil der Anschuldigung der Idpol an die Linken allgemein ist aber, wie du auch gemeint hast, ein Narrativ der Rechten. Aber es ist eben ein starkes Narrativ. Bolsonaro hat im Wahlkampf auch diese Lügen verbreitet (die linken wollen eure Kinder zu Homosexuellen machen usw.) und viele habens geglaubt, schätze ich mal. Also damit will ich nur sagen, dass die Idpol linker Parteien schon ein existierendes Ding ist.

  • nun, ehrlich gesagt fällt mir bei den linken außer wagenknecht(sehr häufig), gysi(immer weniger) und de masi jetzt vor allem wegen dem wirecard-ausschuss bei den linken selten überhaupt mal jemand auf und genau das ist dann vielleicht auch ein problem.


    also deine kritik, dass hier viele einfach so die narrative aus den usa oder die von wagenknecht übernehmen mag vielleicht sogar zutreffen, aber dieser narrative bleiben halt dann natürlich auch vor allem deswegen hängen, weil leute wie kipping einfach nicht auffallen und man nichts mit ihnen verbindet und es gegnern dann natürlich auch leichter fällt, sie als etwas darzustellen, was sie gar nicht sind.


    meiner Meinung nach wird bei diesem Thema eine haltlose Zuschreibung des konservativen Mainstream übernommen, der von den wirklichen Themen der Linken ablenken soll. Solange sich alle über Verbostparteinen und Gendergaga aufregen dringt niemand mehr mit den eingetlichen Themen durch.


    sprichst du ja hier auch schon selber an. die frage ist dann halt wieder sind jetzt die bösen konservativen medien und deren leser, die sich von ihnen aufs glatteis führen lassen schuld oder nicht auch irgendwie die linke, die es nicht schafft sich trotzdem durchzusetzen? ich meine es wird halt nie besser wenn sie es nicht irgendwann tut.


    es ist vielleicht auch einfach allgemein ein mediending, also ich glaube selbst in eher" linken" medien spielt identitätspolitik oft ne größere rolle als sozialpolitik und weil man die parteien dann auch durch den filter der medien wahrnimmt, verbindet man das dann auch mit den parteien.

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