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Was ist Faschismus?
„Faschismus ist eine Form rechtsextremer Ideologie, die die Nation oder Rasse als organische Gemeinschaft, die alle anderen Loyalitäten übersteigt, verherrlicht. Er betont einen Mythos von nationaler oder rassischer Wiedergeburt nach einer Periode des Niedergangs und Zerfalls. Zu diesem Zweck ruft Faschismus nach einer ‚spirituellen Revolution‘ gegen Zeichen des moralischen Niedergangs wie Individualismus und Materialismus und zielt darauf, die organische Gemeinschaft von 'andersartigen' Kräften und Gruppen, die sie bedrohen, zu reinigen. [...]
„Faschismus kann definiert werden als eine Form des politischen Verhaltens, das gekennzeichnet ist durch eine obsessive Beschäftigung mit Niedergang, Demütigung oder Opferrolle einer Gemeinschaft und durch kompensatorische Kulte der Einheit, Stärke und Reinheit, wobei eine massenbasierte Partei von entschlossenen nationalistischen Aktivisten in unbequemer, aber effektiver Zusammenarbeit mit traditionellen Eliten demokratische Freiheiten aufgibt und mittels einer als erlösend verklärten Gewalt und ohne ethische oder gesetzliche Beschränkungen Ziele der inneren Säuberung und äußeren Expansion verfolgt.“[
Nein, das wäre wirklich eine Verdrehung der Tatsachen. "Das Volk" - die demokratische Opposition gegen die faschistische Opposition - ist gottseidank keine "organische Gemeinschaft, die alle andern Loyalitäten übersteigt". Sie stärkt sich nicht in "unbequemer, aber effektiver Zusammenarbeit mit traditionellen Eliten" zur "inneren Säuberung". Sie vereinzelt sich einfach ganz demokratisch in diverse, plurale Machtfraktionen und ihre zivilen Anhänge, die sogleich im freien Wettbewerb auf dem Marktplatz der Ideen darum konkurrieren, wer den leichtsinnigen Extremismus politischer Randexistenzen am zuverlässigsten unter den alten schweren Teppich der Mitte kehrt, bis er darunter erlahmt und erstickt.
[...] Wenn aus den aktuellen Demonstrationen etwas von Dauer entstehen soll, muss sich so etwas wie ein gemeinsamer Geist bilden, über die Grenzen der politischen Lager hinweg. Die Bewegung darf sich nicht direkt nach dem Start zerstreiten. Kann das gelingen? Schon am ersten Wochenende waren fast überall Unstimmigkeiten zu erkennen, erste Risse, die zur Spaltung führen können. Auf der Kundgebung in München am vergangenen Sonntag etwa griff eine Aktivistin auf der Bühne die CSU an und die Flüchtlingspolitik der Ampel. Die Bundesregierung habe »gerade erst beschlossen, die Seenotrettung zu kriminalisieren«, wetterte sie. Ein älterer Mann in der Menge wandte sich ab. »Zu links«, lautete sein Urteil. Er fühlte sich sichtlich unwohl.
Es gibt Städte, da rufen Junge Union oder CDU mit zur Demonstration auf. In Freising sprachen Politiker von CSU und Freien Wählern auf der von der Grünen Jugend organisierten Versammlung. Doch nicht überall läuft es so. In Frankfurt am Main stellte sich die frühere Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) am vergangenen Wochenende vor mehr als 35.000 Menschen demonstrativ neben ihren Nachfolger Mike Josef von der SPD auf die Bühne. Die örtliche CDU dagegen hatte nicht zur Teilnahme aufgerufen. »Wir wurden schlicht und ergreifend vom Veranstalter nicht gefragt«, sagt CDU-Kreisgeschäftsführer Thorsten Weber. Doch das ist nur ein Teil der Geschichte. Sie hätten auch Probleme mit einem Teil der Veranstalter, räumt Weber ein. Unter den knapp 80 Organisationen seien einige, die durch radikale Aussagen aufgefallen seien, etwa eine lokale Antifa-Gruppe. Außerdem müssten sich die Aufrufe zu solchen Kundgebungen eindeutig »gegen Rechtsextremismus« richten, sagt Weber, »nicht pauschal gegen rechts«. Auch die CDU werde schließlich zum rechten Parteienspektrum gezählt. Auf der anderen Seite des demokratischen Spektrums regt sich ebenfalls Kritik. Für Teile der politischen Linken sind die Kundgebungen zu mittig. Die Linken und ganz Linken monieren, dort werde das Leid von Flüchtlingen ignoriert, Betroffene kämen zu wenig zu Wort.
Auf den Plätzen stehen derzeit Menschen zusammen, die sehr unterschiedlich auf die Welt blicken, vor allem auf Flucht und Migration, aber auch auf Verteilungsfragen, Sozialpolitik. Im Alltag tragen sie politische Konflikte aus, mitunter hart. Nun müssen sie gemeinsam kämpfen statt gegeneinander.
Lässt sich diese Spannung auflösen? [...]
Was da nicht hilft, sind allzu linke Parolen. Mit »Alerta, alerta, antifascista!«, dem Klassiker der antifaschistischen Aktion, habe man bei der Demo einige Ältere irritiert. Im Spremberger Bündnis wird nun diskutiert, was man beim nächsten Mal noch rufen könnte. Vielleicht bringt das etwas. Vielleicht fühlen sich dann weniger Menschen abgeschreckt, die sich zur bürgerlichen Mitte zählen. Vielleicht kommen dann noch ein paar mehr.[...] Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Stärkung der Demokratie schon vor Jahren zum Thema gemacht. In dieser Woche besuchte er Vietnam – um dort unter anderem darüber zu sprechen, wie mehr Fachkräfte nach Deutschland kommen könnten. Normalerweise gehört es sich nicht für das Staatsoberhaupt, sich aus dem Ausland zum politischen Tagesgeschehen in Deutschland zu äußern. Aber was ist schon normal in diesen Tagen? Am Mittwoch macht Steinmeier eine Ausnahme und meldet sich aus Ho-Chi-Minh-Stadt zu Wort: »Die demokratische Mitte unserer Gesellschaft ist erwacht und spürt ihre Verantwortung«, sagt er. Für nächste Woche hat er Wirtschaftsführer, Gewerkschafter und Verbandschefs ins Schloss Bellevue eingeladen. Zu einem Demokratiegipfel. Ein Anfang ist da. Jetzt soll es weitergehen.