Der neue deutsche Nationalismus ist bunt
»Ausländer raus« zu grölen, ist nicht die einzige Spielart des deutschen Nationalismus. In seiner modernen Form dient ihm gerade die Überzeugung, Deutschlands Geschichte aufgearbeitet zu haben, als Rechtfertigung für Machtpolitik und Gewalt.
Der moderne deutsche Nationalismus, der wirkliche internationale Macht anstrebt, ist stolz darauf, aus den Fehlern und der Schuld der Vergangenheit »gelernt« zu haben. Jahrelang haben Rechte in diesem Kontext von »Schuldkult« gesprochen. Damit war gemeint: Deutschland drehe sich immer nur um die Vergangenheit und traue sich deshalb nicht, in heutigen globalen Gewaltfragen mitzureden.
Das ist völliger Unsinn: Gerade wegen der sogenannten »Aufarbeitung der Vergangenheit« nehmen heutige liberale Demokraten für sich eine neue deutsche Machtpolitik in Anspruch. Das begann schon in den 1990er Jahren, als Joschka Fischer mit den Worten »Nie wieder Auschwitz« die Beteiligung am Kosovo-Einsatz erklärte, und setzt sich bis heute fort.[...]
Ob die deutsche Politik die Anforderungen eines modernen Sozialstaats, den Feminismus oder aber – wie jetzt gerade – die Staatsräson vorbringt, um die eigene Beteiligung an globalen Gewaltfragen zu rechtfertigen, ist dann nur eine Frage des jeweiligen Konflikts und der eigens erzeugten Diskurse. Was man daran wunderbar erkennt: Deutschland wird nicht trotz, sondern durch seine innere Liberalität zur äußeren Militanz befähigt. Der moderne liberale Demokrat geht mit Deutschlandflagge auf Demos gegen die AfD und entnimmt einem antirassistischen Verfassungspatriotismus die guten Gründe für die gerechte Gewalt.[...]